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$tm Sahn dem Tüchtigen! Grzesinski   über die Personalpolitit Preußens.
Anlählich der Beratung des preußischen Hausholls im S t a a t s- ral legte der preußische Innenminister Grzesinski   gegenüber den Angriffen der Deulschnationalcn und der Kommunisten die Leil- gedanken und Erfolge der zielbewußten republikanischen Per- s o n a l p o l i t i k des preußischen Innenministeriums dar. Erze- sinski. der sich bei dieser Gelegenheit dem Staatsrat vorstellte, dankte zunächst seinem Vorgänger Scoering und erklärte, namentlich die Durchsuchungen und die Zusammensetzung des Beamtenkörpers hätten Anlaß zur Kritik gegeben. Zu den Durchsuchungen nimmt der Minister auf seine früheren Erklärungen und aus seine Darlegungen im Landtag Bezug. Zu den Durchsuchungen fei zu sagen, daß die Interessen der Allgemeinheit den Einzelinteressen vorgingen. Was die geforderte Uebersicht zu den Beamtenbesetzungen an- geht, so sei zunächst zu sagen, daß es nicht verwaltungsmäßig vor- gebildete Herren auch vor der Staatsumwälzung gegeben habe. Es gehe auch von solchen Herren ein frisch pulsierendes Leben aus. Bei der Auswahl sei mit der nötigen Sorgfalt vor- gegangen. In der Vorkriegszeit hätten allerdings ganze Kreise der Bevölkerung auch auf ordnungsgemäßem Wege nicht in die Der- wallung kommen können. Nicht nur für die Arbeiter- und Ange- stelltenschast, sondern auch für weite kreise de» Bürgertum» sei hier ein Aortschritt festzustellen: hätten doch selbst Nationalliberale in der Verwallung nicht vorwärts kommen können. Zu wünschen sei, daß auch Leute aus den freien Berufen in die Verwaltung ein­dringen. Eine Besorgnis sei unbegründet. Die Zahl der nicht ver- waltungsmäßig Vorgebildeten sei gering. Der Minister erklärt, er sei gewillt, da Besserung eintreten zu lassen und gibt die folgende Aufstellung: Im Jahre 19 0 4 waren von den 4S8 Landrats- und Oberamtmanns stellen 432 ehemalige Assessoren gleich 89 Proz., 1 mit sonstiger okodcmt scher Vorbildung, 21 mit gewisser verwaltungsmäßiger Vorbildung, jedoch ohne Assessorenexamen, und 34 nicht vorgebildet. Am 1. Dezember 1926 befanden sich unter den insgesamt vorhan- denen 424 Landräten und Kreisamtsverwaltern 246 Negierungs- assessoren gleich 69 Proz. und 104 Gcrichtsassesiaren gleich 2S Proz. Somit waren vorgebildet 3Z0 gleich 84 Proz. Acht Beamte hatten akademische Vorbildung, 14 waren nichtakademisch vorgebildete
Derwaltungsbeamte und 44 waren verwaltungsmäßig nicht vor- gebildet, das sind 10) Proz. oder 3/4 Proz. mehr als im Jahre 190 4. Bei den Polizeipräsidenten sei ein solcher Vergleich nicht möglich. Die am 1. Dezember 1926 vorhandenen 24 Polizei- Präsidenten setz ten sich wie folgt zusammen: 14 waren akademisch und oerwallungsmoßig vorgebildet, 1 war nichtakademischer Derwal- tungsbeamter und 9 waren verwallungswäßig nicht vorgebildet. Hinsichtlich der Konfession waren 1904 von den 488 Land- räten und Oberamtmännern 421 gleich 86 Proz. Protestanten und 67 gleich 14 Proz. Katholiken. Am 1. Dezember 1926 waren 271 gleich 6S Proz. Protestanten, 116 gleich 28 Proz. Katholiken, 27 gleich 6)4 Proz. Dissidenten und 2 unbekannter Konfession. Hier fänden sich also zum er st en male auch Dissidenten, die früher zu diesen Stellen keinen Zutritt gehabt hätten. Im weiteren Verlauf der Sitzung ergänzte Staatssekretär Abegg die Erklärungen des Ministers durch eine Aufstellung über die Besetzung der Posten von Oberpräsidenten sowie der Reglerungspräsidenten und der Vizepräsidenten früher und jetzt. Auch hierbei zeigte sich deutlich, daß die Republik  immerhin mit dem Privileg einzelner Berufsklassen und der pro- testantischen Konfession weitgehend aufgeräumt hat. Es waren Oberpräsidenten im Jahre 190S 12, 11 vorgebildet, 1 nicht, alle 12 Protestanten. Ende 1916: 12 Oberpräsidenten, sämtlich vor- gebildet: 11 Protestanten, 1 Katholik. Ende 1926 von 12 Oberpräsi- denken 7 Bollakademiter, 5 verwaltungsmäßig nicht vorgebildet, da- von S Protestanten, 3 Katholiken, 3 Dissidenten, 1 unbekannt. Vizepräsidenten Ende 1916: 12 vorgebildete, durchweg Protestanten. 1926: 10 vollvorgebildete, 1 nicht oollvorgebildet. eine Stelle unbesetzt: 10 Protestanten, 1 Katholik. Regierungspräsidenten   Anfang 1905: 34 vollvor- gebildet, 1 Regierungsreferendar. Davon 28 Protestanten, 7 Katho- liken. Ende 1926: 25 vollvorgebildet, 1 ehemaliger Gerichtsrescrendar. 5 verwaltungsmäßig nicht vorgebildet: davon 23 Protestanten, 6 Ka- tholikcn, 2 Dissidenten. 1 Stelle unbesetzt. Vizepräsidenten Ende 1916: 33 vollvorgebildet: 32 Pro- testanten, 3 Katholiken. Ende 1926: 32 vollvorgebildet, davon 23 Pro- testanten und 9 Katholiken.
fluf dem Wege zur Lächerlichkeit. Der Landbund in allen Gassen. Der Landbund scheint den Ehrgeiz zu haben, überall in Deutsch  - land, wo der Wirtschafts- oder sozialpolitisch« Rückschritt zu fordern ist, den Vogel abzuschießen. Es ist zwar unvermeidlich, daß er bei seiner Zusammensetzung vielen Jntercsien Rechnung tragen mutz, aber was er sich in der letzten Zeit leistet, bringt ihm der Lächerlichkeit immer näher. So hat der Reichslandbund   man muß schon sagen selbstver- ständlich durch Gesamtoorstand und Vertreterversammlung die Forderung auf Herstellung der hohen autonomen Zollsätze bzw. der Sätze des schwedischen Handelsvertrages aufgestellt. Er konnte dos um so leichter tun, als die Agrarier sich nach der ostentativen Preis- gäbe der Unterschrift des Herrn Dr. Vögler unter das Frei- handelsmanifest die Bundesbrüderschaft der Schwer- industrie wieder gesichert haben. Es ist auch selbstverständlich. daß der Landbund, nachdem ihm die Schwerindustrie ihre Hilfe versprochen hat. die Forderung nach Zollerhöhung für die Einsuhr von Zucker sich nicht nur zu eigen macht, sondern noch übersteigert. Daß die Herren des Landbundes mit vollen Händen nehmen, wo sie können, ist bekannt. Komisch wirkt es aber schon, daß der Land- bund, der von der Sozialdemokratie geforderten Senkung der Zuckersteuer imInteresse der Verbraucherschaft' zustimmen will. Aber wie es sich von selbst versteht, muß er, um den oft- preußischenSchnapsbrennern wiederzu gefallen, denschärfsten Protest' dagegen erheben, daß die Zuckerzollerhöhung und Zuckersteuersenkung mit dem Branntweinmonopol verquickt und die Branntweinsteuer erhöht werden soll. Man muß aber staunen, wenn der Landbund es fertig bringt, das Branntwein- Monopol nicht als eine finanzpolitische, sondern ausgerechnet als eine..ernährungspolitische' Angelegenheit des deutschen   Volkes zu bezeichnen. Der Landbund ist aber auch den Herren von der I n d u st r i e die Bezahlung einer Rechnung schuldig. Und wie er vor kurzem Sturm gelaufen ist gegen das Arbeitszeitgesetz, so läuft er jetzt auch Sturm gegen die Vorschläge des Sozial- politischen Ausschusses des Reichstags, die das Arbeitsgerichtsgesetz der Regierung von den schlimmsten und gefährlichsten Auswüchsen befreien fällen. Politisierung der Rechtspflege, Beseitigung der Unabhängigkeit der Richter. Zer- störung der in der Reichsversassung garantierten Koalitionsfreiheit, wie sie der Landbund auffaßt, die Monopolherrschaft bestimmter Organisationsrichtungen In der Arbeiterschaft, da» sind in ein paar Schlagworten die Schreckensbilder, die der Landbund im Dienste des Unternehmertums und im Kampf gegen die Landarbeiterschaft an die Wand malt. Allerdings scheint es dem Gesamtvorstand und der Vertreteroersammlung bange zu sein um die Gefolg- schaft seiner eigenen Abgeordneten. Denn den Ab- geordneten, die sich nicht dem Befehl zur Bekämpfung des Arbeits- gerichtsgefetzes fügen würden, muß mit dem Bannstrahl gedroht werden, daß sie ihre Eigenschaft als Landtagsabgeordneter verlieren würden. Aber auch den Grundstücks- und Bodenspekulanten spannt sich der Landbund vor den Wagen, Sein Präsident H e p p hat auf der Delcgiertenversammlung des Schutzverbandes des Deutschen Grundbesitzes, der in der Hauptsache die städtischen Grundbesitzerinteresfen wahrzunehmen hat, gegen dieEntrechtung des Privateigentums an Grund und Boden' durch das Städtebau  - gefetz Sturm gelaufen. Nicht nur der städtische Grundbesitz, sondern auch der landwirtschaftliche wäre durch dieses Gesetz der Begehr- lichk«i4d»r Besitzlosen ausgeliefert. Man muß schon sagen, für eine Interessenvertretung der Land- Wirtschaft, die der Landbund sein will, ist da» alle» etwas viel. Der Landbund scheint zu glauben, daß. wenn er möglichst viel und möglich st über alle» schreit, daß dann in demselben ver- hästnis auch schon seine Macht und sein Einfluß wachsen. Mag er schreien und sich dadurch an seinem Machtwahn berauschen. Es ist aber sicher, daß er gerade in den letzten Monaten um so lauter geworden ist, je mehr ihn seine lächerliche und unehrliche Radau- Politik um die Anhängerschaft unter den breiten Massen des Landvolkes bringt.
die Schwarze Reichswehr  . Der FemeuntersuchungSauSschutz des Reichstags beginnt die Untersuchung. Nachdem der Femeausschuß die Thesen der Berichterstatter Dr. Levi und Dr. Schaeffer über die bayerischen Fememorde entgegengenommen hatte, beschäftigt« er sich mit der Frage, wie die Untersuchung der mit derSchwarzen Reichswehr  ' zu- sammenhängerchen Fäll« vorgenommen werden soll. Abg. Dr. Levi(Soz.) hält vor allem die Einsichtnahme in die Akten des Reichswehrministeriums und der Wehr- kreiskommandos für notwendig, damit der Ausschuß über die allgemeinen Zusammenhäng««in Bild bekommt, ehe er zu den Einzelfällen übergeht. Abg. Landsberg(Soz.) r«ot an, den Reichsweh rrmnister darüber zu hören, wie die Akten beschafft werden können. Abg. Dr. Schaeffer(Dnat.): Ich muß mich aus praktischen und grundsätzlichen Erwägungen entschieden gegen die BeHand- lung der FälleSchwarze Reichswehr  ' in diesem Augenblick wenden. Der Ausschuß würde damit in schwebende Ver- sahren eingreifen, denn die Landsberger   Urteil« sind noch nicht rechts- kräftig. Abg. tandsberg(Soz.): Keiner von uns will dem Ausschuß zumuten, daß er sich in ein schwebendes Verfahren einmischt oder nachprüft, ob Gerichtsurteil« zu Recht erfolgt sind. Wir hoben fest- zustellen, ob es Femeorganisationen gibt, ob aus solchen Organisationen heraus Fememorde begangen sind und ob Verbindun- gen zwischen diesen Organisationen mit Behörden des Reiches oder der Länder bestanden haben. Abg. Dr. Schaeffer(Dnat.): Wenn wir jemand darüber ver- nehmen wollen, ob Verbindungen zwischen dem Reichswehrministe- rurm oder einer anderen Stelle bestanden haben, so müßten wir doch zunächst erst feststellen, ob die andere Stell« überhaupt existiert und ob überhaupt Femehandlungen vorliegen. Das können wir ober erst, wenn die Gerichtsatten vorliegen. ' Abg. Pasiehl(Soz.): Wir möchten in die politischen Zu- sammenhänge hinein. Abg. Brodaus(Dem.) ist der Ansicht, daß man in die Klärung der FrageSchwarze Reichswehr  '«intreten sollt« und könnt«. Als einen Eingriff m em schwebendes Verfahren könne man dies nicht bezeichnen. Abg. Creuhburg(Komm.) betont gleichfalls, es handle sich nicht um einen Eingriff in ein schwebendes Verfahren, sondern um die Feststellung des Hintergrundes. Vorsitzender Mg. Dr. Scheiter(Z.) betont: Wenn wir die Frage Schwarze Reichswehr  ' nicht in Angriff nehmen, so bin ich über- zeugt, daß uns der Landtags-Femeunterfuchungsauvschuß dies« Sache vorweg nimmt. Dagegen bestehen doch starke Bedenken. Darum sollten wir möglichst bald, ohne in die einzelnen Fäll««inzu- . dringen, an die Frag«Schwarze Reichswehr  ' herangehen. Abg. Graef-Thüringen  (Dual.): Es gibt hier eine Richtung, der die Frage der Erledigung der Landsberger   Fälle vollkommen gleich- gültig ist, die nur das poiitrsche Ziet hat, das Reichswehr  -
Ministerium zu kompromittieren. Da, machen wir nicht mit. Abg. Schulte(Z.) ist der Meinung, der Ausschuß hob« dieselben Befugnisse, wie jeder Ausschuß des Reichstages. Er könne also all« Auskünfte erbitten, die er brauch«. Solch« Punkte, in deren Be- rührung man einen Eingriff in«in schwebendes Berfahren sehen könnte, könnten vermieden werden. Der Ausschuß Hab« also das Recht und die Pflicht, in die Behandlung der Frage ein- zutveten. Abg. kempkes(D. Vp.) stimmt dem Borredner zu. Di« ver- nehmung des Reichswehrminister« als Auskunstsperson wäre zunächst völlig ausreichend. Die Abgg. Brodauf(Dem.), Schulte(Z.) und Kempkes(D. Bp.) widersprechen der Ansicht, daß die Beschäftigung mit den Fällen der Schwarzen Reichswehr als«in Eingriss in ein schwebendes Der- fahren zu betrachten fei. Don den Abgg. Brodauf, Schulte und Kempkes wird folgender Antrag eingebrochl: Der Ausschuß geht zur Untersuchung der mit der sogenannten Schwarzen Rei-Hswehr' zusammenhängenden Mordfällc über. imter der selbstverständlichen Voraussetzung, damit nicht in«w noch schwebendes Gerichtsversahven einzugreifen.' Abg. Dr. Schaeffer(Dnat.) spricht sich gegen diesen An- trag aus. Abg. Landsbera(Soz.): Ich muß den Vorwurf zurückweisen, daß wir mit den Ausschüssen unser Parteisüopchen kochen wollen. Wir sind von durchaus objektiven Gründen geleitet. wir empfinden Schmerz darüber, daß Unsitlen, die früher nur in Urwäldern bestanden, nach Deutschland   importiert worden sind, wir betrachten es als unsere Ausgabe, diese» Unkraut, das jetzt auf deutschem Boden gewachsen ist, mit der Wurzel au». zurotten. Der Standpunkt, daß der Ausschuß erst den vollständigen Abschluß eines gerichtlichen Verfahrens abwarten müßte, ist ganz unmöglich. Wir werden den Reichswehrminister über verschieden« Fragen hören müssen, auch darüber, ob er wirklich zu dem Inhalt der uns zu Beginn der Verhandlungen zugegangenen Dentschrist stehen will, deren Lektüre m mir Empfindun- gen wachgerufen hat, über die ich mich hier aus Höflichkeit nicht äußern will. Abg. Dr. Mittelmann(D. Bp.) beantragt, der Vorsitzende möge gemeinsam mit den beiden Berichterstattern zunächst eine Aussprach« mit dem Reichswehr  - m i n i st« r darüber führen, wie das Aktemnoterial beschafft werden könne. Abg. Trohmann(Boyr. Bp.) schließt sich der von den Deutsch  - nationalen vertretenen Auffassung an. Abg. Creuhburg(Komm.) stimmt dem Antrag« Brodaus. Schult«, Kempkes zu, obwohl es bedenklich fei, den Reichsivehrminister als ersten zu oernehmen, weil dadurch von vornherein di». ganze Unter- suchung in«in« verhängnisvoll« Richtung gelenkt werden könnt«. Noch weiterer Aussprache wird der Antrag Brodaus. Schult«, Kempkes angenommen, ebenso der Antrag Dr. Mittelmann Di« nächste Sitzung des Ausschusses soll am Mittwoch nächster Woche stattfinden.
fin der franko-italiemschen Grenze. Carabinicri auf französischem Boden. pari», 10. Dezember.  (EP.) Nach der Darstellung der sran- zöstschen Blätter über dieB e r b r e ch e r' j a g d an der Grenze zwischen Pentimiglia und Mentone sind italienische Carabini�ri bei der Verfolgung des Eisenbahn- Zuges, in dem sich der gesuchte italienische Verbrecher befinden sollte, aus französisches Gebiet, nämlich nach dem Bahnhof von Mentone   gelangt. Ihre Untersuchung dort verlies jedoch erfolg- los, da der Gesuchte anscheinend während der Fahrt aus dem Zuge gesprungen war. Zur Rechtfertigung ihre» Grenzübertrfttes er­klärten die italienischen Carobinieri, daß ihnen wegen der Gefähr- lichkeit des Verbrechers und der Dringlichkeit des Falles nichts anderes übrig geblieben sei. Hochkonjunktur für Banditen. Mailand  , 10. Dezember.  (EP.) DerSecolo" meldet aus P a v i a: Seit einigen Monaten lebt«in Teil der Bevölkerung der Prpvinz unter dem Alpdruck«inekr Verbrecherband«, die die verwegensten Ueberfälle ausführt. Der Polizei wurden wiederhast Raubübersälle angezeigt, sogar im Herzen der Stadt Paoia. Der Polizei ist es nun gelungen, zwei der Räuber unschäd- lich zu machen.(Hoffentlich werden die Polizisten das nicht mit Amtsverlust büßenl Red. d. B.)
Mussolinis Rnleihe-Erpressung. Jeder Kaufmann muß Rationalanleihc hinterlegen. Rom  . 10. Dezember.  (WTB.) Der Ministerrat hat beschlosien, daß alle Kaufleute und kaufmännischen Genossen- schaften einer besonderen Gewerbeerlaubnis der Ge- meinden bedürfen. Erlaubnis wird nur unter bestimmten Be» dingungen erteilt. Vor allem wird verlangt, daß jeder Kaufmann eine Kaution von mindestens 500 Lire bis höchstens 1000 Lire erlegt, und zwar in Scheinen der gegenwärtigen Rationalen   Anleihe. Die Erlaubnis zum Kaufmannsgewerbe wird vom Urteil einer Kommission abhängen, die die Erlaubnis auch verweigern kann, wenn der Kaufmann keine genügende moralische und wirtschaftliche Bürgschaft bieten kann.
Sturm im Sejm  . Das blutgetränkte Hemd eines Polizeilich mißhandelten Abgeordneten. Marschau, 10. Dezember.  (WTB.) Zu Beginn der heutigen Sejmsitzung kam es zu einem Zwischenfall. Der radikale Bauern- abgeordnete Ball in richtete durch den Sejmmarschall an die Re° gierung«in« dringliche Anfrage, weil er vor«ingen Tagen bei einer Versammlung, die er in den Ostmorken abgehalten hatte, von polni- schen Polizisten verschleppt und ohne allen Grund blutig geschlagen worden sei. In der Anfrage wird die sofortig« Ein- leitung einer Untersuchung und strengst« Bestrafung der Schuldigen gefordert. Di« R« ch t« erhob während der Ausführungen des Abgeordneten einen ungeheuren Lärm, um ihn am Sprechen zu hindern. Do der Vorsitzende nicht imstande war, die Ruh« herzustellen, wurde die Sitzung unterbrochen. Dies schien aber nur das Signal zu neuen verstärkten Lännszenen zu sein, die sich zu einem wahren Sturm steigerten, als Ballin als corpus delicti fein blutüberströmtes Hemd vorwies und es gegen die Bänke der Rechten schleuderte. Von dort wurde das Hemd wiederum unter wilden Schreien gegen die link« Seite de» Hauses geworfen, bis es schließlich nach mehr- maligem Hin- und Herwerfen von einem Abgeordneten der äußersten Linken gefaßt und umhergeschwenkt wurde. Dann endlich gelang es, die Ruhe wieder herzustellen. Darauf wurde dann die Tagesordnung ohne weitere Zwischen- fäll« rasch erledigt. Das Budgetprovisorium des ersten Quartals des kommenden Jahres wurde an den Ausschuß verwiesen und das P r e s f e d« k r e t, wie erwartet, in zweiter und dritter Lesung vom Hause«instimmig abgelehnt.
Gustav im Glück. StrefemannS Freude über den Nobelpreis. Senf. 10. Dezember.(Eigener Drahtbericht.) Der Rcichsaußen- minister Dr. Stresemann gab am Freitag abend vor den deutschen   Jaurnalisten ekn« Erklärung ab, in der er zunächst seine Freud« und Genugtuung über die Verleihung des Nobel- Preises aussprach. Er sehe darin weniger eine persönlich« Ehrung als vielmehr ein Symbol der Anerkennung, welche der Politik gezollt wird, die durch die Namen London   L o c a r n a Genf Th o i r y gekennzeichnet ist. Das Ziel dieser Politik sei der dauernde Friede unter den Völkern. Er vertraue daraus, daß dieses Ziel erreicht werde, solange Männer wie Briand   und Ehamberlain, die den Frieden unter Einsetzung ihrer ganzen Persönlichkeit wollen und betreiben, die Geschicke ihrer Länder leiten. * Herrn Streseniaims Verdienste um die Verständigungspolitik sind unbestreitbar. Sie sind um so mehr der Anerkennung wert, weil der Weg, den er selbst in den letzten zehn Jahren zurückgelegt hat, nicht klein ist. Im Himmel und in Oslo   ist über einen reuigen Sünder mehr Freude als über zehn Gerechte. Peinlich ist es aller- dings, daß die Partei des Herrn Stresemann gerade jetzt die alte Blutsbrüderschost erneuert, die sie mit den gänzlich unbekehrten Militaristen von der Rechten verbindet. Peinlich oder eigcnt- lich schon mehr humoristisch ist es, wenn die Presse der Stresemann  - Partei die Sozialdemokratie als landesverrätenfch beschimpft, ohne deren in gefährlicherer Zeit geleisteter Pionierarbeü Herr Stresemann doch niemals den Nobelpreis bekommen haben würde.
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