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Uniform die Ehre der ganzen französischen Armee. Er war als Raufbold und Provokateur bekannt. Für ihn waren Reitpeitschen und stets entsicherter Armeereoolver die Attribute der siegreichen Befatzungsarmee. Ihn juckte es an- scheinend, daß er bis zum Borabend des Abzugs seines Artil- lerieregiments von diesen Wahrzeichen des Militarismus noch keinen Gebrauch gegen diebesiegte" Bevölkerung gemacht hatte. An jenem Vorabend der Rückkehr in die Heimat suchte er einen Borwand und als er ihn nicht fand, e r fand er ihn. W i e klar seine Schuld gewesen sein muß. das ergibt sich schon aus der Tatsache der Anklageerhebung durch den Militärstaatsanwalt. Der Strafantrag des Kapitäns Tropet gegen ihn ein Jahr Gefängnis war schon milde genug, viel zu milde. Aber glaubt jemand, daß ein französischer Hauptmann gegen einen französischen Leutnant ein Jahr Gefängnis beantragt hätte, wenn feine Schuld nicht klar erwiesen gewesen wäre? Und doch ist er freigesprochen worden! Uns wundert dieses Urteil nicht. Es war ja doch nur ein K r i e g s- gericht. Und bei den Kriegsgerichten früher bei den deutschen ebenso wie heute noch bei den französischen hackt eine Krähe der anderen die Augen nicht aus. Der erste menschliche, sympathische Zug bei diesem Leut- nant, den die Franzosen uns nachgemacht haben, war fein Schlußwort, daß einem Geständnis gleichkam: denn, wenn er selbst laut Bericht vom Mirbachschen Telegraphen- Bureau nicht nur sein Bedauern über die Tat, sondern obendrein die Worte aussprach, daß er Schande über die ganze Armee gebracht habe, dann ist jeder Zweifel an der Schuldfrage damit beseitigt. Nun hat sein Verteidiger, der bekannte Pariser Rechtsanwalt Maurice Gar�on, in seinem Plädoyer an den W e i h n a ch t s g e i st appelliert, um Freispruch nicht nur für seinen Klienten, sondern auch für die deutschen Mitangeklagten zu beantragen. Eine geschickte, man möchte beinahe sagen: feinfühlige Geste. Hätte das Gericht neben Rouzier alle Angeklagten freigesprochen nun, der Gerechtigkeit wäre damit nicht genügt worden, da Rouziers Schuld feststand, aber die Empörung in Deutschland hätte sich in mäßigen Grenzen gehalten. Das Abscheuliche an diesem Urteil ist aber, daß nicht nur Rouzier freigesprochen wurde, obwohl er ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, sondern oben- drein die Deutschen , zum Teil die Opfer, auf keinen Fall aber die Schuldigen dieses Dramas zu Gefängnis- strafen oerurteilt wurden. Hierin offenbart sich der Geist der Militärjustiz. die um so verwerflicher ist, als sie auf deutschem Boden ihre Macht gegen wehrlose Angeklagte aus derbesetzten" Bevölkerung miß- braucht: eine angeblichedrohende Gebärde" wird mit Gefängnis geahndet, wenn sie sich gegen einen Franzosen richten soll,«in tödlicher Reoolverschuß wird oergeben, weil ernur" einen Deutschen niedergestreckt hat. Da darf man sich in Frankreich nicht wundern, wenn der durch die Bölkerbundspolitit immer mehr zurückgedrängte deutsche Nationalismus neue Nahrung findet. B r i a n d hat durch seine Polstik, die von der Mehrheit des Parlamentes und der Nation getragen wird, viel getan, um den ver- iöhnungsbereiten Kräften in Deutschland wieder die Ober- Hand zu verschaffen. Aber ein vierundzwanzigjährigcr Leut- nant, in dessen Reooloerlauf die Kugeln locker sitzen, und ein anonymes Kriegsgericht, das aus militaristischer Solidarität ein aufreizendes Fehlurteil fällt, sind imstande, diese segens- reiche Entwicklung um Wochen zurückzuwerfen! Das klingt wie ein Paradox, aber es ist so. Daraus muß man die Lehren ziehen, die doppelte Lehre von Germersheim und von Landau : solang« die Be- setzung andauert, solange wird man die Gefahr laufen, daß ähnliche Zwischenfälle und ähnliche Kriegsgerichtsfehlurteile die Kluft zwischen den beiden Bölkern immer wieder vertiefen, die die große Mehrheit auf beiden Seiten zu überbrücken

bestrebt ist. Deshalb: Schluß mit der Besetzung, die Frankreich nichts nutzt, Deutschland schadet und den Frieden erschwert! die Schlußreüen in LanSau. Die Kriegsgerichtkverhandlung über die Zwischenfälle von Ger - Mersheim fand gestern ihren Abschluß mit den Plädoyers der Verteidiger. In seiner Anklagerede hatte der französische Militärstaatsanwalt aus den Zwischenfällen im Juli 1S26, den Schlägereien in Kaffeehäusern und Tanzlokalen gefolgert, daß die Stimmung der Bevölkerung eine anormal erregte war. Di« beiden Schüsse Rouziers auf Holzmann seien unter allen Umständen zu viel gewesen. Auch sonst fand der Staatsanwalt Worte der Mißbilligung über das Verhalten des französischen An- geklagten. Don einer Notwehr könne auch Im Falle Müller und Maches nicht gesprochen werden der zweite Schuß gegen Müller hat bekanntlich tödlich gewirkt. Trohdem beantragte der Staats- onwalt nur ein llahr Gefängnis, während er die Bestrafung der Deutschen dem Gericht anheimstellte. Rechtsanwalt Führ wandte sich besonders gegen die Ler- urteilung des noch nicht geheilten und daher abwesenden M a t h e s, die auch im sranzösischen Recht keine Stütze fmdet. Dann hielt Rechtsanwalt Dr. Grimm sein großes Plädoyer, indem er die Schuldlosigkeit der Beklagten besonders dadurch zu beweisen suchte, daß Rouzier an dem Tag«, wo er auf Holzmann geschossen hatte, gar nicht in Uniform, sondern in Zivil gewesen fei, daß er völlig unnötig nach 1 Uhr nachts spazieren ging, den Revolver in der Tasche, die Reitpeitsche in der Hand. Nachdem Rouzier auf Holzmann bereits geschossen hatte, war es da» Recht der übrigen Zivilpersonen, Rouzier zu folgen und ihn zu verhaften: sie seien nicht verpflichtet gewesen, ihm auf seine Drohungen nachzugeben. Als letzter sprach der französisch« Bertsidiger Rechtsanwalt G a r? o n. Er erinnert« an das Weihnachtswort:Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willen» stnd." Es genüge nicht, den Frieden zu unterzeichnen. Er müsse von allen begriffen werden. Auf dem Wege zum wirklichen Frieden werde es immer einige Hindernisse geben. Das heutige Urteil müsse ein b e r u h i- gendes Urteil werden. Es gebe keinen Unterschied zwischen deutschen und französischen Angeklagten, deutscher und französischer Verteidigung Es gebe nur«Ine Verteidigung und nur Angeklagte einer Art. Rouzier habe in Notwehr gehandelt oder geglaubt, in Notwehr zu fein. Er müsse freigesprochen werden. Auch die Deutschen , die ebenfalls unklug gehandelt hätten, müßten freigesprochen werden. Eine.Berurtei. lung Rouziers, wie sie die deutsche Verteidigung fordere, diene nicht der Befriedung. Rouzier entschuldigt sich. Der Angeklagte Rouzier erhält als letzter da» Wort und erNärt stotternd, daß er seine Tat bedauere, well er dadurch seinem Vaterlande und seiner Armee Schande gemacht habe. Er bitte alle Betroffenen um Entschuldigung. Die deutschen Angeklagten verzichteten auf dos Wort. Nachdem der Vorsitzende die Schuldfragen, formuliert hatte, wurde die Sitzung um 6 Uhr aufgehoben, der Gerichtshof zog sich zur Beratung zurück und fällte dann da» eingangs wieder. gegebene Urteil. Eia protefitelegramm an örianö. Die in Landau anwesenden deutschen Presseoer- t r e t e r haben heute abend an den französischen Außenminister Briand «in Telegramm gerichtet. In dem sie als Augen- und Ohren- zeugen einmütig gegen dos unerhörte Urteil des Kriegsgerichtes protestieren. Der Freispruch Rouziers sei eine schwere Ler- letzung des Rechtsempfinden» de« deutschen Voltes und der gesamten zivilisierten Welt. DaS Stimmenverhältnis bei der UrteilSfallung. Landau . 21. Dezember. (WTL.) Das Urteil im Prozeß Rouzier wurde vom Kriegsgericht in allen Fällen einstimmig gefällt mit folgenden Ausnahmen: die Frage, ob Rouzier sich leichter Körperverletzung Holzmann gegenüber schul-

Ein Nationaler fährt nach Frankreich . Don Han» Bauer. Friedensgesinnung, für manche Grundelement ihres sittlichen und geistigen Menschen, ein ewiger Bestard ihres Herzens, ist für manche endere eine bessere Modeangelegenheit. Wenn e» sein soll, tun sie mal mit, kleiden sie sich auch mal darin ein, stülpen sie sich auch da» mal über. So ganz kann man natürlich nun doch nicht au» seiner Haut, und auch nur zu einem Verinmftpazifismus reicht es noch lange nicht, aber soweit sind die Stahlhelmergruppen meines Wohn- 'bczirks zum Beispiel doch, daß sie in ihrem Gesang, mit dem sie von Zeit zu Zeit an meinem Fenster vorübermarschieren, nicht mehr Frankreich in die Klopp« nehmen, sondern daß sie die freundllche Verheißung, siegreich diese» vermöbeln zu wollen, neuerdings sinn- gemäß In ein Siegreich wollen wir Moskau schlagen! abgewandelt haben.> Ja. Frankreich ! Ehemol» ein... aber iwtn, wir wollen nicht all« Wunden aufreißen. Dir, die nicht immer allen seinen Regte- rungen, aber immer dem Gros setner Menschen herzlich zugetan waren und vier blutig« Kriegsjcthre als die sinnlos grausige Ler- imirp eines Bruderkampfes empfanden, wir freuen uns jedes Sünders, der sich zu befleter Einsicht bekehrt, der verstehen lernt, wo er blindlings haßt«, wir wollen wahrlich dt« Letzten sein, die an einer verspäteten Erkenntnis nicht hundertmal lieber die Erkenntnis loben als die Verspätung tadeln wollten. E» Ist also recht von unseren Rattonolen, daß ste Im Begriff find, stch zu wandeln, daß ihre Mim- mung im Umschlagen Ist nur: so herrlich schön Versöhnungswille und Tat sind, es ist dabei ein Nein wenig Delikateste zu beobach- ten. Herr Udet , ein tapferer deutscher Mann, der sich im Kriege als geschickter Kampfflieger erwiesen und Dutzende von Söhnen fron- zösischer Mütter noch den starren Regeln der in blutigen Mordjahren geltenden Gesetze in einen elenden Tod geschickt hat, war in Parts und hat dort einen Vortrag über die Entwicklurg der deutschen Flugzeugtechnik und über die sie hemmenden Paragraphen des Der- failler vertraps gehatten. Do die Möglichkeit bestand, daß Udet von Chauvinisten Anrempelungen erführe, stellte sich ihm eine seltsame Schutzgarde zur versügung: ei» halbes Dutzend ehemals von ihm herabgefchofiener Flieger. Kampfpartner war«, also einträchtig bei- sammen, trugen sich in diesem Augenblick nichts nach, hatten Der» gangenes vergessen und unterhielten sich über ihr Spezialgebiet: die Flugtechnit, die elnirol schon so schön ihr« spezielle Brauchbarkeit für die Schofsurtg einer Unterscheidung zwischen Siegern und Be- siegten unter Beweis gestellt hatte. E» gibt für so etwa, ja wohl den Begriff der Ritterfichtelt. Freund und Feind ist man unier ihrem Regime nur aus Kündbarkeit. Sie schleudern sich Feuer ins Gesicht, bohren sich Eisen ins Herz, blasen sich Eist in die Lungen: olles mit größter Begeisterung, mit echter Kämpferfreud«-- ober nach dem Getöt« ist alle» wieder in schönster Ordnung, Es war nichts von Belang und nur etwas von sportlichem Interesse geschehen. DI» Gegner reiche» stch oersöhnt die Hänpc.

Ritterlichkeit? Nein, eine Narrenposse ist das. Deutsche sollen nach Frankreich fahren und sollen dort reden, aber nicht von Flug- zeugtechnik, sondern von dem helligenNie wieder!", nicht zu einer Ehreneskorte im Kämpferehogeiz persönlich Niedergerungener, son- dern zu dsm ganzen Frankreich . Der Krieg wäre ein Duell zwischen Sattsiaktionsfählgen, ein« prickelnde Unterhaltung von Genllemen, ein Spiel von Ehrenleuten gewesen? Das jederzeit unterbrochen und jederzeit wieder onfgenommen werden kann und niemals persönlich zu nehmen ist? Ein« seltsame Gesellschaft versöhnter, die sich da in Frankreich zu- sammengefunden hatte. Sie gingen leicht über das vergangene hin. weg, weil es ihnen nicht schwer auf der Seele lastete und sprachen mit keinem heißen Wort von dem Leid, das sie sich zugefügt hatten, sondern nur mit manchem kallen von dem Mittel, mit dem es ge» schehen war: Romantiker der Barbarei.

vos Lächeln. Seitdem durch die Bunte- Lampen- Straßenverkehrsrege» lung ein Anballen von Menschen an den Straßenübergängen staufindet, hat man wieder Gelegenheit, Mitmenschenstudicn zu machen. Und so wird man fast an jeder Etratzmecke aus«inen Typ stoßen: den Mann, der eben der Gefahr, übergefahren zu werden, entronnen ist. Denn immer gibt es Menschen, deren Zeit so sehr Geld ist, daß sie es unternehmen, gegen den Strom(der Fahrzeuge nämlicy) zu schwimmen. Der seinnervige Zuschauer sieht da manchmal Kalastrophenmöglichkeiten. die dem fensationellsten Filmabenteuer nicht nochstehen. War da neulich am Leipziger Platz Stillstand ge- boten und die Pastanten durchquerten die Passage zwischen den Wachthäuschen im Zuge de? Königgrätzer Straße friedlich und geruhsam. Aber dos Spiel der wechselnden Lichter begann und Nervosität zog in lebende und starre Körper ein. Da querte ein Herr(nach Kleidung von der Gruppe: Bildung und Besitz) noch die Schienen, auf denen schon die Slraßenwagen sich in Bewegung setzten: er taxiert« richtig die Entfernung von dem ersten sich ihm nahenden Fahrzeug aber, o weh, ein Auto, das in seiner schnellen Fahrt nicht zu holten notwendig gehabt hatte, sauste Ihm entgegen. Cr behielt die Entschlußkraft und sprang im Furioso-Tempo auf den Bürgersteig. Und lächelte... und behielt da» Lächeln auch bei, als er schon auf dem sicheren Büraersteig weiterschritt. Es war kein Lachen ein leises, aber deutlich erkennbares Lächeln: er lächelte über sich, über die Torheit, die er. der gesetzte Mann m guter bürgcr- licher Position, eben gemacht hatte. Dieses Lächeln ist typisch für eine gewiste Entspannung. Man hört eine tieftraunge Sache, der man seine Teilnahme durchaus zu widmen geneigt ist, und kann doch nicht ein Lächeln unterdrücken. Selbst bei Bestrafungen kommt es vor, und die oermeinlliche Frechheit des zu Strafenden wird dann die Quelle neuer Strafe. Aber die Groß- stobt mit ihrem brausenden Leben bietet doch die ineiste Veranlastuna: lächelt man nicht, wenn inmi in der Untergrundbahn so gequetscht wird, daß wirklich edle Teile unseres Körpers gefährdet sind? Lächeln wir nicht, wenn wir den Sprung auf den schon in Bewegung befindlichen StraßenbaHnwogen gewagt hoben? Der Schnelligkeits. mahn, dem wir alle huldigen, die Gesühllosigleit, die uns der tägliche

dig gemacht habe, wurde mit drei gegen zwei Stimmen verneint(außerdem waren noch die Fragen aus Totschlag. schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang und schwerer ..rperoerletzung gestellt, die einstimmig verneint wurden), bei Holzmann, Kegel und bei Fechter, soweit bei ihnen die Vorgänge im CofS Engel in Frage kommen, wurden die Schuld- fragen mit 3:2 Stimmen bejaht. Die Strafbemcstung er- folgte einstimmig, außer im Fall Kegel(mit 3: 2) und im Falle Mathes mit 4: 1 Stimmen.

Hinüenburg und öer November. Es war einfach nichts anderes zu machen!' Der ehemalige Adjutant des Exkronprinzen, Major a. D. Kurt Anker, hat stch von den rechtsradikalen Zielen, die er früher rcr- folgte, ab- und der Republik zugewandt. Jetzt Ichreibt er imBert. Tagebl." einen Artikel, in dem er auseinandersetzt, daß nur noch wenige an die Zukunft der Monarchie glauben, viele aber ein offene» Bekenntnis zur Republik vermeiden, weil das inbesteren Kreisen" gegen den guten Ton verstößt. Herr Anker erzähll dann und das ist das Interessanteste an seinem Artikel er habe vor Jahren einmal, als er noch ein leidenschaftlicher Gegner des neuen Deutschland war, sich mit demjetzigenReichspräsidenten über dt« Vorgänge vom November 1918 unterhalten, wobei dieser kurz und schlicht das Urteil abgegeben habe:Es war einfach nichts anderes zu machen als das, was damals geschah."

Verkleinerung öes thüringischen Landtags. Weimar , 21. Dezember. (Eigener Drahtbericht.) Im thüringi- schen Landtag wurde am Dienstag der auf sozialdemokratische An- regung eingebrachte Initiativantrag auf Verminderung der Ab- geordnetenzahl mit den Stimmen der Sozialdemokraten, der Wirt- schaftcpartei, der Volkspartei, des Landbundes und der Deutsch - nationalen gegen Kommunisten, Nationalsozialisten, Dölkischc und den»wen Zentrumsmann angenommen. Da bisher auf 12 000 Stimmen ein Abgeordneter kam, weist der bisherige Landtag in- folge einer Wahlbeteiligung von 99 Proz. insgesamt 72 Abgeordnete auf. Für die Zukunft ist die M i n d e st z a h l von ö 3 A b g e o r d- n e t e n festgelegt, was einer normalen Wahlbeteiligung entspricht. Bei stärkerer Wohlbeteiligung erhöht sich zwar die Zahl der Ab- geordneten, jedoch nicht über öl). Am Schluß der letzten Sitzung des Plenums in diesem Jahre beantragte die Sozialdemokratie, dem Landtag unter Auswertung de» Reichstagsbeschlujses über Verlängerung des Sperrgesetzes über die Fürstenabfindung unverzüglich einen Gesetzentwurf vor- zulegen, wonach Gegenstände, die zu einer Lermögensmasie gehören, über deren Verteilung zwischen dem.Lande Thüringen und einem ehemals regierenden Fürstenhaus ein Streit besteht, nur bei Zustimmung de» Landes an dritte Personen ver. äußert öder belastet werden können. Der Finanzminister er- klärt« stch berett, em Notgesetz im Sinne des sozialdemokratischen Antrages zu erlassen, da sich der Landtag auf den 4. Januar ver- tagte._

Slresemann frühstücki beim Bismarck-Enkel. Stresemann war gestern vor seiner Rückkehr aus Hamburg nach Berlin in Friedrichs- ruh, wohin ihn der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Fürst Otto v. Bismarck zum Frühstück eingeladen hatte. Der Bismarck- Enkel gekört zu den Deutfchnationalen, dl« vor zwei Jahren für die Dowesgesetz« gestimmt haben. Boischasler Hoefch besprach gestern mtt Briand die lausenden deutsch -sranzösischen Angelegenheiten, insbesondere die Regelung der zwei noch schwebenden Punkte der Entwaffnungsfrage. Spalluno eine» Splitterchen». Aus der seit längerer Zell an- gekündigten Spaltung der Kommunistischen Partei Oesterreichs wurde der ehemalige Kommandant derRoten Garde' Dr. Frey ausgeschlossen: mit ihm eine Reihe anderer. Die Ausgeschlossenen wollen«ine Kommunistische Arbeiterpartei gründen und mit einem Lonzenputsch einleiten.

Anblick so vielen von uns nicht abzustellenden Unglücks«in­impft. der Egoismus, der nötig ist, um sich im Kampfe ums Dasein zu behaupten olles dies sind Momente, die der Psyche des Groß- stadtinenschen eine Glätte verleihen, deren nach außen sichtbarer Ausdruck sich iin Lächeln gibt. Man hat oft auf dieewig lächelnden" Japaner gewiesen ober sind wir so weit ob von diesem doch ichon übertriebenen Zustand? Jene Tugenden, die diese Asiaten in der B.'handlung unserer Kricgxgcfangenen an den Tag legten, sind uns in demStahlbad des Krieges" verlorengegangen: wir sieben nicht, daß andere über uns lachen, halten aber mtt unserem eigenen Lächeln nicht zurück. Ein neues Geschlecht wächst heran möge e» ihm beschieden sein, das Lachen und das Lächeln wieder zum Ausdruck des Glücksgefühls, der Lust und der Güte zu machen! _ P. D.

I Srach Im Schillcr-Theater als Folge der Zeßner-hehe! Bei der Erstausführung von TschechowsDie drei Schwestern" oerur- sachte eine offenbar zusammenhängend« Clique, die Vorstellung zu stören. Die Ruhestörer wurden schon während der Aufführung aus dem Publikum zurechtgewiesen. 2lm Schluß der Vorstellung wurde gezischt und gepsifsen, als wenn es sich um ein ganz neues Stück handle. Darum war die Absicht der vorher verabredeten Ruhe- störung ganz klar. Der Beifall setzte deshalb um so stärker ein. panlellcria. Pantelleria heißt die vulkanische Insel im Mittel- meer zwischen Sizilien und dem französischen Tunesien mtt 159 Qua- dratkilometem Flächeninhalt, einem 832 Meter hohen Gebirgszug und vielen heißen Quellen. Schon im klassischen Altertum diente Pantelleria als Verbannungeort: hierher wurden die lüderlichen Töchter der Kaiser Augusws und Claudius, Julia und Ottavia,ein- gewiesen". Der Normannenkönig Roger entriß die Insel den Sara- zenen Anno 1147 und erbaute am kleinen Hafen ein Kastell, welches jetzt diepolitischen Verbrecher" in Musiolinis Reich beherbergen soll. DieseVerbrecher" sind die unbescholtenen Führer und srühercn Abgeordneten. Redakteure und Sekretäre. Vertrauensmänner und Beamte der sozialdemokratischen und kommniüstischen, der republika­nischen und demokratischen, der syndikalistischen und katholischen Bolkspartei, 522 Köpfe stark, welche als der ersteSchub" der Aer- bannten nach der Insel Pantelleria und auf die nördlich von Pa- lermo zwischen Sizilien und Sardinien gelegene Insel Ustica ver- bracht worden sind. Aufenthalt: vier und fünf Jahre. DI« Be- wachuny beider Inseln ist der Kriegsmarine anvertraut und wird durch einen Panzerkreuzer 2. Klasse mtt mehreren Hochscetorpedo- booten bewerkstelligt. Die Verbannten selber, von der politischen Geheimpolizei ausgesucht, können und dürfen ihrem früheren Beruf als Anwälte und Aerzte, Ingenieure und Schriftsteller, Buchdrucker u. a. nicht nachgehen. Dafür erhallen sie ein Tagegeld von zehn Lire: dürfen ober kein Wirtshaus betreten.' Da nun in Italien ein Ei schon eine Lira, ein kleiner Leib Brot 2 Lire Z9 und ein Pfund Butter zehn Lire kostet, so schützen genannte zehn Lire kaum vor dem Hunger Und die Frauen und Ätnder derBerbaimicii"? Können betteln gehen, wenn sie hungrig sind." Alle Gefängnisse sind zurzeit mit politisch Verdächtigen übervoll: darunter befindet sich auch der Arzt Dr. Pern in Mailand , welcher dem greifen FUippo Turati zu feiner glücklichen Flucht nach Korsika verholfen haben soll: es wird darum bald ein zweiterSchub" von auf fünf Jahre Verbannten" noch Ustica und Lampedusa erfolgen.,