Abendausgabe
Nr. 60243. Jahrgang Ausgabe B Nr. 298
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Die
10 Pfennig
Mittwoch
22. Dezember 1926
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Die deutschen Sozialdemokraten an die französischen Sozialisten.
Der Borstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat heute mittag an den Vorstand der französischen Sozialistischen Partei nachfiehendes Telegramm gerichtet: und
„ Das Candauer Kriegsgerichtsurteil erzeugt in ganz Deutschland tiefe Entrüstung, nach unserer Ueberzeugung mit vollem Recht. Der Freispruch Rouziers und die gleich
zeitige Verurteilung der deutschen Angeklagten, darunter attiver Republikaner, find geeignet, der deutsch - französischen Entspannung entgegenzuwirken, die von den Regierungen und von der Mehrheit entgegenzuwirken, die von den Regierungen und von der Mehrheit beider Böller erstrebt wird. Wir ersuchen Euch, unverzüglich bei der franzöfifchen Regierung vor ftellig zu werden, um mindestens aus Anlaß des Weihnachtsfeftes die fofortige Enthaftung der Berurteilten zu erwirken, unbeschadet der notwendigen gez. Müller, wels, Crispien.
Revision des Urteils.
Der deutsche Botschafter in Paris wird im Laufe des heutigen Tages im französischen Außenministerium megen des Landauer Ilrieils norsprechen, um die vorhandenen juristischen möglich. teiten zu einer Rorrettur zu befprechen und darauf hinzu. weisen, daß die deutsch - französische Berständigungspolitik durch derartige Zwischenfälle wie das Landauer Urteil bedroht und erschwert wird. Borstellungen gleichen Inhalts wird der Reichstom missar für die besetzten Gebiete bei der Rheinlandtommiffion erheben.
Reichsaußenminister Dr. Strefemann hat angesichts der politischen Lage auf eine längere Reise verzichtet.
Revision im Rouzier- Prozeß.
Landau , 22. Dezember. ( WTB.) Wie der Berichterstatter des Bolffbureaus hört, hat die deutsche Berteidigung gegen
die Urteile im Rouzler- Prozeß, fomeit die deutschen Angeklagten in Frage fommen, Revision angemeldet.
Protesterklärung von Reichsminister Dr. Bell.
Der Reichsminister für die besetzten Gebiete, Dr. Bell, gab einem Bertreter des Wolfffchen Telegraphenbureaus gegenüber folgende Erklärung über das franzöfifche Kriegsgerichtsurteil in
Mit Empörung und Entrüstung hat das gesamte deutsche Volt das unerhörte Fehlurteil des franzöfifchen Kriegsgerichts in Landau vernommen. Rouzier ist freigesprochen. Deutsche Bürger find zu schweren Gefängnisstrafen verurteilt; unter diesen auch ein Mann, der in einer Heidelberger Klinif an den Schüssen von Rouzier schwerkrant barnieberliegt und nun in einem, unferem Rechtsempfinden ins Gefichts schlagenden Abwesenheitsverfahren zwei Jahre Gefängnis erhielt. Rouzier hat einen deutschen Bürger getötet und zwei andere Deutsche durch Schüffe verlegt, einen in lebensgefährlicher Weise.
Jeder, der der Beweisaufnahme vor dem französischen Kriegsgericht folgte, fah die Schuld Rouziers flar hervortreten. Dieser Freispruch spricht der Gerechtigkeit Hohn. Diese Verhältnisse find einfach untragbar.
Benn das Leben der Einwohner dem Kriegsgericht so leicht wiegt, so fühlt sich die Bevölkerung in einem 3 ustand der Recht losigkeit, der im schreiendsten Gegensatz steht zu den Bemühungen der letzten zwei Jahre, eine Rechtsordnung des Frie dens zwischen Deutschland und Frankreich zu schaffen.
3m ganzen Volte fönnen solche unbegreiflichen Vorkommniffe nur als ein Schlag gegen die Berständigungspolitik wirfen. Unser tiefstes Mitgefühl wendet sich den schwergeprüften Bolts genoffen am Rheine zu. Wir wollen ihnen mit allen Kräften helfen. Wir wollen alles tun, um in diesem Einzelfalle dem Recht zum Siege
Folgen der Stabilisierung.
Die mühelosen Gewinne hören auf.
losigkeit wächst.
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Die Arbeits:
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zu verhelfen. Wir wollen aber darüber hinaus gegen ein System kämpfen, dem ein solches Fehlurteil entspringen konnte. Alle Deut schen müssen aus dem Landauer Urteil die Lehre ziehen,
daß wir keine dringendere Aufgabe haben als die, unseren Boltsgenoffen am Rhein die Freiheit und dem deutschen Staat
die volle Souveränität in jenem Gebiet wieder zu erringen.
Diesen Appell richte ich an das ganze deutsche Volk. Solange die Bejagung auf deutschem Boden weiter andauert, ist immer die Gefahr solch tiefbedauerlicher Ereignisse gegeben, die die scharffte Bedrohung der Berständigungspolitit bedeuten.
dieser Berständigungspolitik ist das Bewußtsein eines gesicherten Unerläßliche Vorausseßung für die erspricßliche Fortführung Rechtsschutzes. Wir erwarten, daß die berufenen franzöfifchen Instanzen gerade im Landauer Falle alles tun, um das begangene Unrecht wieder gutzumachen. Die einzige Sicherheit gegen die Wiedertehr folcher die Gesamtpolitik beider Länder schwer gefährdender Borkommnisse bietet aber die alsbaldige Beseitigung der Besatzung.
Die französische Linkspreffe bedauert das Urteil von Landau Paris , 22. Dezember.( TU.) Das Fehlurteil des Landauer Kriegsgerichtes wird in der Pariser Morgenpreffe nur wenig tommentiert. Die Stellungnahme der Blätter ist in der Hauptfache in der Formulierung des Prozeßberichtes zum Ausdrud getommen. Das Echo de Paris" gibt feiner Genugtuung über den Freifpruch Rougiers Ausbrud. Das Journal" geht auf die Berteidigungsreden von franzöfifcher und deutscher Seite ein. Action Francaise" meint, diefe fpiegelten die gegenwärtige deutsch - franzöfifche Lage wider. Die franzöfifchen Minister und Abgeordneten würden mehr oder weniger alle den Delzweig in der Richtung nach Deutschland schwingen, während Deutschland die
auft zeige.(!)
Nationalisten- Justiz.
Die Vergiftung des Rechts.
Ihr Richter, wir werden's behalten. Es ist das franzöfifche Bolt, das dies Urteil gesprochen hat." ( Lokal- Anzeiger" Nr. 305 über das Urteil von Landau .)
Nein, es ist nicht das französische Volk, das das Urteil von Landau gesprochen hat! Es sind die Vertreter einer militärischen Kaste, die Interessenten des Krieges, der Besetzung deutschen Bodens, des Bölkerhasses, die den Leutnant Rouzier freigesprochen haben. Offiziere mie er, die das Prestige der Armee über das Recht, das Prestige der Bejagungsarmee über die Rechtsgüter der bedrückten Bevölke rung gestellt haben. Dazu: Offiziere gegen Zivil! Wir fennen den Fall aus empörenden Urteilen der deutschen Justiz im faiferlichen Regime.
Nein, es ist nicht das deutsche Boit, das durch den Mund des Berichterstatters des Lokal- Anzeigers" spricht. Es ist nicht das deutsche Volk, das ein Kasten- und Klassenurteil zum Gegenstand der Heze von Volk zu Volk zu machen gedenkt. Jener Saß des Lokal- Anzeigers" bewußt vergiftet im Dienste nationalistischer Heße ist nicht minder schändlich als das Urteil von Landau . Es ist die Antwort auf dies Urteil, die geboren ist aus gleicher nationalistischer Ges finnung, nicht aus der Empörung über die Verlegung des Rechts, sondern aus der Absicht, die Verständigung der Böller zu stören.
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empfinden ins Gesicht schlägt! Das ist die einmütige AufEin empörendes Urteil, ein Urteil, das dem Rechtsfassung des deutschen Volkes. Die Aeußerungen beleidigten Rechtsempfindens haben hohen Wert, man soll sie in Frank reich nicht überhören!
Die Empörung spricht aus der Preffe aller Richtungen. Wir heben die Stimmen des beleidigten Rechtsgefühls aus der Rechtspresse hervor. Die Rreu3.3eitung" mendet sich gegen die Kriegsgerichte im besetzten Gebiete:
„ Sie liefern Freibriefe für Mörder und bestrajen die
Opfer- wenn sie Deutsche find.
Die Tägliche Rundschau" schreibt:
Wer einen Begriff von Gerechtigteit nach deutscher Auffassung hat, der wird das Urteil im Prozeß Rouzier taum faffen können. Die Verhandlung ergab unzweifelhaft, daß Rouzier ein Totschläger, wenn nicht ein Mörber war- daß, wie der französische Staatsanwalt felbst feststellen mußte, non Notwehr teine Rede war, und daß nur mit Mühe mittels fehr zweifelhafter, ja jogar dirett widerlegter 3eugnisse behauptet werden konnte, daß die mishandelten und an Leben und Gesundheit bedrohten Deutschen irgend einen Anlaß gegeben hatten, in Rouzier den Argwohn zu ermeden, daß er be droht sei.“
Ihrem aufrichtigen Bedauern über die gestrigen Ereignisse vor dem Landauer Kriegsgericht gibt nur die Linkspreffe Ausbrud. Beuple" meint, es wäre beffer gewesen, wenn man die Zwischenfälle von Germersheim in die Hände eines europäischen Schiedsgerichtshofes gelegt hätte. Das Blatt geißelt dann die nationalistischen Zeitungen und erflärt, es habe fid) in Landau nicht um eine Justizdebatte, sondern um eine offensichtliche Dffenfive gegen die Politik europäischer Beruhigung gehandelt. In ähnlichem Sinne faßt das„ Deuvre" fein Urteil in der Ueberschrift zufammen: rantreich durch das Kriegsgericht ver. urteilt". Wenn es auf beiden Seiten mildernde Umstände gegeben habe, so hätte man entweder alle verurteilen oder alle freisprechen müssen. Was den Urteilsspruch von Landau so Hier kehrt der Berjuch wieder, deutsche Justiz gegen schwer mache, sei die Tatsache, daß er von vornherein diftiert gewesen französische Juftiz, deutsche Gerechtigkeit gegen franzöfifche fei. Es sei ein rein politisches Urteil Es habe fich weniger Gerechtigkeit, deutsches Volf gegen französisches Bolk zu stellen. barum gehandelt, Rouzier freizusprechen und die brei jungen Deutschen Die Kritik des Urteils von Landau , die auf solcher Grundlage von Germersheim zu verurteilen, als den Bocarno- Bertrag zu versteht, geht fehl. Es fehlt ihr das Haupterfordernis: die Undammen. In der Stunde, in der Deutschland in einer Regierungs- voreingenommenheit, die Voraussetzung der wahren Gefrise stehe, und zwischen Frieden und Revanche zu wählen habe, habe rechtigkeit ist. man es für notwendig gehalten, sich nach der Seite des Haffes zu verneigen, um jeden Verfuch der Annäherung schwieriger zu gestalten. ... Quotidien" schreibt, der Friedensgeist von Locarno sei von den fünf Offizieren des Kriegsgerichtes nicht verstanden worden.
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Im Namen der Gerechtigkeit und des beleidigten Rechtsempfindens darf nur der sprechen, der die Gerechtigkeit hochhält, auch wenn sie parteiisch, aus Prestigegründen und Gründen der Klaffengesinnung von der eigenen Justiz verletzt wird. Wo waren die Stimmen des Lokal- Anzeigers", ber ,, Kreuz- Zeitung ", der Täglichen Rundschau", als am 3. De Die Londoner Morgenpreffe enthält sich durchweg jeder Kritike mber 1926 in Breslau ein Urteil gefprochen wurde, des Urteils von Landau . Sie veröffentlichen nur folgende Reuter- das nicht minder schändlich war als das Urteil von Landau ? meldung aus Berlin , worin es heißt: Das Urteil werde sicher be- Als dort ein Prozeß geführt wurde, den nach Prozeßführung trächtliche Erregung in der deutschen öffentlichen Meinung hervor und Ausgang das Kriegsgericht von Landau sich hätte zum rufen und in verantwortlichen Kreisen werde befürchtet, daß die ganze Borbild nehmen können, wenn es von vornherein den FreiAngelegenheit einen großen Teil des in Locarno begonnenen Wertes spruch des Leutnants Rouzier anstrebte? für die Befferung der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutsch land zunichte machen werde.
Arbeiterwahlfieg in England. Verdoppelung der Labonrstimmen.
Rouzier ist ein Totschläger, wenn nicht ein Mörder. Der Stahlhelmmann Magiera, der den Reichsbannermann Doktor erschoß, ist ebenfalls ein Totschläger, wenn nicht ein Mörder. Das Breslauer Gericht hat Magiera troßdem freigesprochen nachdem nur mit Mühe mittels sehr zweifelhafter, ja sogar direft widerlegter Zeugnisse behauptet werden fonnte, daß Doktor in Magiera den Argwohn ermeckt habe, daß er bedroht set.
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Der Stahlhelmmann Magiera ging nachts mit dem
Paris , 22 Dezember.( EP.) Nach Schluß des gestrigen Mi. zum Unterhaus in Smethwid endete nach einem mit größter Er- Revolver in der Tasche in Breslau spazieren. Er begegnete
nisterrats erklärte Innenminister Sarraut, die französische Witt schaftslage gebe durchaus keinen Anlaß zu der Beunruhigung. die in einem Teil der Preffe und besonders bei vielen Geschäftsleuten zutagegetreten fei, die bisher gewöhnt gewesen scien, mühelos große Gewinne einzuheimsen. Die Arbeitslosigkeit tonne in Frankreich niemals eine solche Ausdehnung erreichen wie in Deutschland oder England. Große Arbeitermassen fönnten bei öffentlichen Arbeiten Beschäftigung finden, wie z. B. beim Ausbau von Häfen, Kanälen. Eisenbahnen, Straßen usw. Außerdem fönnten der französischen Industrie bedeutende Staatsliefe rungen übertragen werden. Die vor einiger Zeit in der Breffe aufgetauchten Nachrichten, daß die Regierung Berhandlungen mit Argentinien oder Brasilien angeknüpft habe, um unter Umständen einen Teil der in Frankreich lebenden ausländischen Arbeiter dorthin abzuschieben, feien unzutreffend. Alles in allem brauche man feine allzu ernst en Störungen des Handels oder der Industrie oder verhängnisvolle soziale Folgen zu befürchten.
London , 22. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Die Neuwahl bitterung geführten Wahlkampf mit dem Sieg des Kandidaten der Arbeiterpartei, Mosley . Er vermochte die bisherige Mehrheit der Arbelterpartei zu verdoppein, trohdem die bürgerliche Presse seit Wochen einen beispiellofen Berleumdungsfeldzug gegen ihn führte. Mosley war früher fonservativer Parlamentarier und ist ein Schwiegerjohn des verstorbenen Cord Curzon. Die letzte Etappe des Wahlkampfes war dadurch charakterisiert, daß der Sohn des Ministerpräsidenten Baldwin den Kandidaten der Arbeiterpartei afilo unterstühte, während die Tochier Baldwins für den konservativen der Konservative Pike 9495 und der Ciberale Baylih 2600 Stimmen. Die Mahwahl war infolge der Mandatsniederlegung Davijous ( Arbeiterpartei) erforderlich geworden.
Kandidaten eintrat. Es haben erhalten: Genoffe Mosley 16 077,
Das neue Vollzugskomitee der kommunistischen Internationale hefteht u. a. aus Bucharin , Thalheimer, Raafe, Duncan, Ratajama, remet, Kolaroff, Kuusinen, Lofomsti, Manuilsti, Merfi, Truhat, Remmele, Roy, Roy, Rutenberg, Semar, Stalin , Tanpinshan, Jacqin u. a.
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dem Genossen Doktor, der mit einem anderen Genossen von der Parteiarbeit- Abrechnung für einen Distrikt tam. Doftor machte über Magiera und seinen Begleiter, ebenfalls ein Stahlhelmmann, die Bemerkung: Das ist nun Deutschlands Zukunft!" Ein Wortwechsel entstand, Ma giera zog den Revolver und schoß auf etwa 10 Meter Entfernung Doftor tot. Diefer Magiera hatte weniger Anlaß noch als Rouzier, sich bedroht zu fühlen. Trozdem wurde er freigesprochen. Er war ein Stahlhelm mann, und der Erschoffere Reichsbannermann und Sozialdemokrat. Mördermögen sie nun gesprochen werden vom franJawohl, derartige Urteile liefern Freibriefe für zösischen Kriegsgericht in Landau oder von dem deutschen zivilen Gericht in Breslau . Das Urteil von Breslau ist nicht minder ein Nationalisten urteil wie das Urteil von Landau , nicht minder fluchwürdig, nicht minder vergiftend und gefährlich als jenes Urteil!
Wo aber ist die Empörung der deutschen Rechtspresse über die deutsche nationalistische Justiz? Wo bleibt die