Nr. 60543.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Freitag, 24. Dezember 1926
Vom
Weihnachtsklavier
igite Momente, die ihn einen Familienkreise, wo Ein Krösus unter diesen Klavier verfügt. Gerade
In der Weihnadget hat auch ber zur Surft führen, sei es am in mufiftreibende Mitglieber vorhanden sind. Musikenthusiasten ist, wer iber sin gutes das deutsche Klavier hat im Benein mit der deutschen Musik sich die ganze Welt erobert und der Welteg hat diese Kulturfäden nicht zu zerreißen vermocht. Eine schlimme Zeit für dieses Gewerbe mar freilich die jahrelange Absperrung und der darauf folgende wirtschaftliche Niederbruch. Aber das Ende des Jahres steht drch unter dem Eindruď: es geht wieder aufwärts!
Klavierbau eine Luxusproduktion.
Mehr als alle anderen Gewerbe erfährt die Erzeugung des Bianoforte und der Flügel die Wechselschicksale des wirtschaftlichen Auf und Nieder. Wo ist die Zeit hin, daß keine einigermaßen ftandesgemäße Heirat in den sogenannten„ besseren" Bürgerfreisen zuftande tam, ohne daß das Brautpaar
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mochten er und sie auch menig musikalisch oder musikliebend sein dem Piano in dem Salon" den bemerkenswertesten Blaz anwiese? Und wo die Herren| Einjährigen der Frau Feldmebel zu Weihnachten ein Klavier heimlich in die Kasernenstube schaffen ließen, damit die Sprößlinge mufifalifchen Unterricht genießen tönnten? Heute ist der Innenmarkt für neue Klaviere und Flügel flau", wer sich ein Instrument" anzuschaffen wünscht, ersteht ein altes aus Privatbesig. Die Organe der Klavierbauindustrie beflagen diesen Uebelstand, der zugleich mit dem Abzahlungsmodus für die noch etwa in der Heimat abzuseßenden Klaviere ein Emporblühen des wichtigen wirtschaftlichen Zweiges nicht zuläßt. Biele der in Privatbesiz befindlich gewesenen Klaviere find in die Hände von Restaurateuren übergegangen, deren Betrieb eine Auffrischung durch die Kaffee- und Biermusif verlangt.
Der Export als Rettung.
Zum Glück ist der Ruhm der deutschen Klavierindustrie so fest. gefügt, daß das Ausland fast ausschließlich sich mit der deutschen Ware versorgt, ja jogar neuerdings wieder steigende Nachfrage nach ihr zeigt. Freilich war das Jahr 1925 noch etwas günstiger als das jezige, seinem Ende sich nähernde, aber die Berichte über die letzten Monate lauten doch wieder zukunftsfreudiger. Wir geben zunächst Die Ziffern für das erste Halbjahr 1926:
Einfuhr: 55 Klaviere im Werte von ACAS 24 Flügel Ausfuhr: 17 571 Alabiere
1245 Flügel
820 000 Mart 940 000
18 835 000
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2 715 000
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LAKERAARAMI
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Stud. Die Gesamtzahl an Klavieren mit 8869 Stüd für das dritte Quartal wird durch die inzwischen fonstatierte Besserung der Gefchäftslage im jezigen Vierteljahr sicher überschritten werden. Ein meiterer Beweis für die Geschäftsbesserung ist, daß für 220 Firmen folgende Belegschaftsziffern vorliegen: im Juni 1926 7500, im Auguft 9000, im Ottober 10 200 Arbeiter. Auch haben verschie denen stillgelegte Fabriken fich inzwischen wieder zur Weiterarbeit entschlossen. Der starte Export nach dem standinavischen Norden, nach Südamerika , wo einer gewaltigen nordamerikanischen Konfurrenz zu begegnen ist, und nach Japan ist besonders erfreulich. Daz Rußland ausfällt, muß beklagt werden, auch nach England und dem von ihm kontrollierten Indien ist der Absatz mäßig. Für die Vereinigten Staaten tommen vor allem die kleinen Musikinstrumente, wie Sadyen und Württemberg fie erzeugen, in Betracht. Daß in der Gesamtbranche alle diese durch die heutige Jugendwanderung und den Tanztrieb en masse verbreiteten Musik, instrumente sowie die Teilstücke eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, lehrt der Gesamtwert der Ein- und Ausfuhr. Er betrug für das erste Halbjahr:
1925 1 550 000 und 60 664 000 m.
1926 2 042 000 und 48 416 000 m.
Durchschnittsarbeiterzahl einer Brobuftionsstätte in Berlin ift 35, in Sachsen 26 Arbeitskräfte. Noch möge erwähnt werden, daß in Berlin fich 1925 77 Handwerkstätten befanden, die unter die Rubrik Musikinstrumentenbau fielen; fie umfaßten 57 Arbeiter und 24 Lehr
linge.
Das Klavier und der Zeitgenosse.
Die große Liebe schließt den großen Haß nicht aus. Wer mustfalisch ist und fein Ohr täglich durch das stümperhafte Spiel einer heranwachsenden Jungfrau gequält findet, wird diesen speziellen " Marterfasten" ein schnelles ruhmloses Ende wünschen. Aber die verzückten Damen, die einem Paderewski den Weg vom Bodium verlegen und nicht eher ruhen, bis sein( vorher gekauftes) Bild mit einer Unterschrift von ihm versehen ist würden sie nicht geneigt sein, das göttliche Instrument des begnadeten Künstlers in Stücke zu zerbrechen, um etwa eine Taste davon als Fetisch nach Hause zu tragen? Man sieht: es gibt Aristokraten und
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Plebs unter den Klavieren und Flügeln, die, wenn sie in den Künstlerkonzerten mitmachen, Konzertflügel genannt und als solche auf dem Programm erwähnt werden. Wenn dagegen nachts um 2 Uhr der Klavierspieler im Bouillonkeller auf seinem verstimmten Instrument herumhaut, wird man der Anschauung der Japaner nicht widersprechen wollen, die, als sie zum ersten Male das Klavier in Tätigkeit sahen, nach Hause berichteten, daß die Europäer ein Haustier hätten, das fie bös mißhandelten. Sie sperren ihm den breiten Rachen auf und schlagen unbarmherzig auf die hwarzen und weißen 3ähne, nicht achtend des gräßlichen Wimmerheulens, das es ausstößt." Es fommt eben darauf an, wer spielt. Und so sind wirklich vom Schimmer der Weihe umgebene Objekte vorhanden, die in öffentlichen Sammlungen oder in den zu Museen verwandelten Heimstätten der dahingegangenen Meister aufbewahrt werden. Wohl der größten einer war Beet hoven , deisen Lebensausgang mit jener Zeit zusammenfiel, die das moderne Klavier schuf.
Das deutsche Klavier.
Hoffentlich gelingt es bald wieder, wenigstens den Stand von 1925 Deutsche Ch. G. Schröter und der Franzose Marius haben zu erreichen
Bie Berlin auf se vielen gewerblichen Gebieten eine erste und bemerken, daß die Zahl der im gleichen Zeitraum 1925 ausge- Rolle spielt, ist auch seine Stellung im Instrumentenbau von Beführten Klaviere fich auf 22 963 Stüd belief. Interessant ist die deutung. Dies läßt sich aus der Betrachtung der deutschen Gesamt Berteilung der Ausfuhr auf die einzelnen Länder: Belgien 148, produktion folgern. Zahlen liegen für 1921 ver, enthalten in den Dänemark 399, England 399, Italien 1045, holland 1924 erschienenen amtlichen Mitteilungen. Danach existierten in der 2086, Norwegen 555, Portugal 355, Schweden 760, Musikinstrumentenbranche im ganzen Reich 832 Betriebe mit 27 924 Schweiz 402, Spanien 140, Afrifa zirfa 2000, Asien 550, Arbeitern( davon 4806 Frauen). In Berlin waren davon 135 Be2 merita zirta 4500, Australasien 2110. Daß das zweite Halbtriebe mit 4745 Arbeitern( davon 543 Frauen), in Sachsen 348 Bejahr 1926 sich etwas besser als das erste gestalten dürfte, kann man triebe( was auf die Heimat der Zither, Lauten usw. hinweist) mit 9083 aus den für die drei Monate Juli, August und September vor Arbeitern, in Württemberg 92 Betriebe mit 5686 Arbeitern. Man liegenden Exportziffern schließen; danach wurden ausgeführt an sieht hieraus, daß Berlin an der Erzeugung der hochwertigen Musik Flügeln 257, 215 und 382 Stüd, an Klavieren 2789, 2780, 3300 instrumente( Klavier und Flügel) hervorragend beteiligt ist. Die
Die Wunder der Klara van Haag.
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Aus dem Dänischen übersetzt von Erwin Magnus . ,, Nein, nicht unters Kopffiffen. Da stedt ein Dieb zuerst die Hand hin. Dann will ich mir lieber ein Lager von Scheinen bereiten, sie fnistern hören, wenn ich mich umdrehe, im Schlafe spüren, daß ich am Ersticken bin, weil mir der große, blaue Fünfhundertferl vor den Mund gerutscht ist!"
Frau Egholm war fort gewesen, in ihrem Reich; jetzt kam fie mit einer merkwürdigen, aber festlichen Anrichtung auf einem Teebrett. Schokolade in einer Tasse, einem Teller mit Kuchen und mindestens fünf Gläsern mit verschiedenem Eingemachten.
Was tut Mütterchen nur! Und ich kann doch gar nichts effen," sagte die Gnädige topfschüttelnd, aber ihre Finger spielten schon mit dem Glas mit den Walderdbeeren.
Ja, heute müssen wir uns doch amüsieren," sagte Frau Egholm ,,, mo Egholm diese Freude gehabt hat." ,, Mütterchen doch wohl auch?"
,, Ach nein. Hätte ich meinen fleinen Garten behalten dürfen, so könnte sich die Bahn gern mit dem Geld amüsieren." Frau van Haag legte Löffel und Teller hin. Sie erblaßte. Ihre braunen, ausdrucksvollen Augen sahen groß und er fchrocken aus.
,, Nehmen Sie Mütterchen ihren Garten? Feiern wir eine solche Henterstat? Bir müffen uns ja schämen! Nein, das darf nicht geschehen! Nein, das darf nicht geschehen!" ,, Bir können doch nicht all das Geld verdienen und doch Haus und Garten behalten," sagte Egholm und ging nervös auf und ab.
,, Und jetzt kommen überall die Krokusse. Und das Geiß blatt hat große, grüne Blätter. Ach, wir sind schlecht gegen Mütterchen gewesen"
,, Nein, nein," sagte Egholm lebhaft und schnurrte fein teures Batet an der Schnur herum ,,, dann haben Sie meinen Legten Genieftreich nicht gehört Der ist fast so gut wie der ganze Handel. Ich habe zwar verkauft, aber wir brauchen nicht auszuziehen. Ich habe mein Haus bis zum ersten Auguft von der Wahn gemietet."
So, daß sind vier Monate. Aber nach dem Auguft?" Egholm jagte nur verständnislos: Nach dem August?"
Das Klavier ist in seiner Urgestalt als Saiteninstrument mit Tastatur im Mittelalter entstanden; die späteren Formen, das Klavichord und das Klavizimbel, entwickelten sich im 16. Jahrhundert. Erst das 18. Jahrhurdert brachte die moderne Entwicklung mit der Erfindung des Hammerklaviers. Pantaleon Hebenstreits verbeffertes had brett gab den Anstoß zur Einführung des Hammeranschlags in die Klaviere. Der Italiener Cristofori, der ziemlich gleichzeitig und unabhängig die Reform oder richtiger die Revolutionierung des Klavierspiels durchgeführt. Das Hammerflavier gestattet, den Ton zu schattieren und ermöglicht dadurch, dep wahren Seelenausdruck zu geben. Beethoven bezeichnete die Se naten 101 und 106 als für das Hammerklavier" geschrieben, fam aber später wieder auf den Ausdruc Pianoforte zurück. Er schreib: darüber 1817 an Steiner:" Hammerklavier ist sicher deutsch ohnehin ist die Erfindung auch deutsch ." Beethoven lernte 1796 das fogenannte englische Klavier mit der von dem Deutschen Silber mann verbesserten Mechanit Cristoforis fennen, fam aber erst 1818 in den Besitz eines solchen. llebrigens war der in England tätige Schudi ein Schweizer ( Tschudi ), der Franzose Eward führt feinen Namen auch auf das deutsche Erhard zurück, und in neuerer Zeit ist W. Steinway( † 1896), der erfolgreiche Amerikaner, ebenfalls aus deutschem Blut entsprossen. Daß die damalige Zeit
Er pflegte nicht alle Ewigkeiten auf einmal zu überdenken| beulter Resonanzboden gab fast mehr, als sie vermochten. und münschte es auch nicht.
Frau van Haag streichelte Mütterchen die Hand. Nein, es hatte feinen 3wed, jetzt, da es geschehen, zusammenzufallen. Ihr war es wie Egholm ergangen. Die Spannung hatte sie ganz in Anspruch genommen, ob es ihm wirklich glücken sollte, ganz Knarreby anzuführen und ein reicher Mann zu werden. Daß es etwas fosten fönnte, reich zu merden, hatte sie nicht gedacht.
Was geben wir Mütterchen nun für ihr Paradies?" Frau Egholm streichelte ihr einmal unbeholfen die Wange und sagte: Wenn Sie uns ein bißchen vorspielen wollten,
dann
, Das tue ich gleich," sagte die Gnädige und lief durchs Bimmer. Ihr Frühlingstape hatte eine Farbe wie das Innere einer blauen Muschelschale.
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Die Gnädige setzte sich und begann zu spielen. Zuerst einige Läufe, gleichsam um die Finger an das Terrain zu gewönnen, einige Tasten gingen nämlich nicht dann einige Stüde , wie sie ihr gerade einfielen. Sie nannte mit einem Wort, was es war. Stephen Heller ... Ein kleines Stüd von Haydn .
Egholm nickte. Haydn . Ja, den kannte er gut. ,, Chopin- Berceuse von Chopin ."
Die Mutter und Emanuel standen schweigend im Hinter grund des Zimmers. Der Vater war in musikalischer Be ziehung ungefähr taubftumm, aber diese Berceuse gefiel. Sieh, da kam ein amüsanter Triller. Und sieh, da war er wieder. Ob er wohl öfter fäme.
Die Gnädige wandte sich halb um. Wünschte Mütterchen fich etwas Bestimmtes?
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,, Ach nein, was Sie spielen, ist schön genug." ,, Wirklich gar nichts?" fagte die Gnädige.
Ach nein. und es hätte gar feinen Zwed, darüber zu reden, fagte Frau Egholm verlegen. Aber es gäbe ja Erinnerungen Da sei eins, was die Soldaten gefpielt hätten, als fte nach den Hügeln von Lundby hinauszogen. Das vergaße fie nie. Und sie begann zu erzählen. wie sie mit am Wege gestanden und alles gefehen hatte. Und als die Verwundeten am selben Abend nach Aalburg gekommen waren. Das Blut war in zwei Streifen vom Wagen herDas Blut war in zwei Streifen vom Wagen her untergefloffen-
D'e Gnädige beugte sich über das alte Klavier, als flüsterte fie ihm etwas zu. Und das jämmerliche Instrument erinnerte sich früheren Abels. Seine verzogenen Saiten und fein ver
Es war, als glitten die Wände, die ganze Stube und die Zeit.
Hört: Tramp, tramp. Hört, wie die schweren Stiefel im Wege fnirschen. Knad- fnad von Metall. Und seht dort: Rote Gesichter mit weißblauen Augen, die geradeaus sehen. Tausende von flatschenden Brotbeuteln. Eine wandernde Welt geschulter Gewehre. Born beginnt Geschrei, es geht wie ein Sturmesrauschen durch den Wald.
Und jetzt anfeuerndes Spiel. Zitternde Trompetenblizze. Rafender Hagel gegen die Scheibe der Trommel. Das Nichts des Triangels. Pochen in der Herzgrube vom Donnergepolter der Pauke.
..hört, hört," sagt die Mutter und hebt die Finger. Die Musik braust näher. Die Windstöße werfen sie gewaltsam gegen die grünen Hänge. wo sie stehen und zusehen. Dann verschwindet sie, schwindet, schwindet- bis sich das schrotende Geräusch der Fußtritte wieder allein den schweren Weg entlang schleppt.
Emanuels Augen waren weit aufgerissen, selbst der Bater fragte sich bedenklich in seinem Haarkranz. Die Mutter rang die Hände. Sie sagte bewegt: Das war es. Ach, daß Sie das fannten. Nie wieder habe ich es gehört, seit-"
. ,, Mütterchen fang mir die Melodie ins Dhr," sagte Frau van Haag mit einem stillen Lächeln. Sie erhob sich und begann, sich die Handschuhe anzuziehen. Egholm erbot sich. fie zu begleiten.
,, Du in deinen alten Fezzen," sagte Frau Egholm entsetzt. ,, Ja, das würde schön aussehen!" Ich stede meine Orden an." ,, Deine Orden, ja, danke schön." ..Ja, feht einmal!"
Das Geldpaket baumelte auf seiner Brust an einer Schnur um seinen Hals.
,, Es wäre ja ein Standal, wenn du mit der Gnädigen gingst. Ach, aber sieh, was ist denn das? Ach, ein schreckliches Unglüd."
In dem schimmernden Rope der Gnädigen war ein dreiediger Riß.
,, Nun, dann dürfen wir wohl unsere Fezzen zusammentun," sagte die Gnädige in bestmöglicher Laune. Aber ziehen Sie die Nägel aus den Fenstern, Egholm, für ein andermal." ., Er darf nicht
,, Geben Sie Mütterchen das Geld, dann gibt sie schon ( Fortsetzung folgt.)
nach!"