Einzelbild herunterladen
 

Sonnabend

25. Dezember 1926

Aus der Film- Welt

Die Filme der Woche.

Ledige Töchter."

( Marmorhaus.)

Das ist wirklich mal etwas anderes. Alle die beliebten Film­themata von heute, die zwischen Charleston und ausgezogenen Manne­quins variieren, sind darin so gut mir gar nicht vertreten. Karl Boese erweist sich wieder als einen Regisseur, dem der Griff ins polle Menschenleben liegt. Jane Beß   und Adolf Lang   haben ihm einen Stoff geliefert, der ganz aktuell ist; aber es ist das Ber­dienst des Regisseurs, ihm durch eine Fülle von Details und durch zahlreiche Einfälle prickelnde Wirklichkeit gegeben zu haben. Das ist einmal ein Filmluftspiel, an dem man seine Freude hat. Der Tert fucht durch seine Wizigkeit die filmischen Pointen noch zu steigern; noch wißiger wäre es, wenn der an fich schon gute Film ohne diese Beihilfen austäme. Eine jener madligen Familien, die sich nur durch stets neue Manöver über Wasser halten und auf ihren Schulden schwimmen, ist in dem Film aufs Korn genommen. Die Familie Munt fut außerordentlich vornehm, und dabei sind alle Möbel mit dem ,, blauen Bogel" geziert. Zudem sind sie auf Abzahlung getauft, und die erste Rate ist noch nicht beglichen. Kein Wunder, daß man mit allen Mitteln versucht, die beiden hübschen Töchter an reiche Männer zu bringen. Aber das ist heute verdammt schwer. Der fehr umschwärmte Graf wird als Hochstapler entlarvt, dafür tapern fich die Töchter felber ein paar Berehrer, von denen der eine, ein Fabrikant, ebenso pleite wie der Schwiegervater in spe ist, während Der zweite, eine Untergrundbekanntschaft, über den nötigen Ries ver. fügt Papa, ber in allen Künften des Eiertanzes Meister ist, arran­giert eine große Verlobungsfeier mit dem Gelde feines Möbel­händlers, der mangelnde Jugend und Schönheit durch Reichtum erfetzt; aber die Tochter verlegt dem Unwillkommenen statt des Ber­lobungstuffes eine gehörige Rnallschote. Bapa Munt muß fchließlich mit bittersaurer Miene zugeben, daß seine Töchter die Männer ihrer Wahl nehmen. Zu dem fröhlichen Gelingen des Films trug die außerordentlich gute Besetzung das ihre bei. Jenny Jugo   und Charlotte Ander   waren ein paar famose Töchter, die eine schwarz, die andere blond, aber beide voll Temperament und Luftigkeit. Und dann Jda üst als Mutter! Ein Meisterstud charakterisierender Kunst! Was sagt alles ihr Lächeln und Zublinzeln. Frizz Spira ist der Papa, der alle Register von gut gespielter, mitleiderregender Hilflosigkeit bis zum feinsten Schieberraffinement zu ziehen weiß. Die beiden Liebhaber find Ernst Bere bes und Livio Bavanelli, jeder in seiner Art charmant. Kurt Vespermann   hat nichts zu tun. als müde zu sein und den von einem Fest zum anderen ge schleppten, aber immer gutlaunigen Ehemann zu spielen. Reizend ist Lotte Lorring   als dazugehörige Frau. Das Bublifum nahm den Film in bester Laune auf. D.

"

Unsere Emden." ( Emellapalast)

Mit Unterstüßung der Reichsmarine hat die Emelta ein deut­fches Gegenstüd zum Banzerfreuzer Botemkin" fabriziert: Unfere Emden." Das Resultat ist für die deutsche Filmproduktion beschä mend. Die Regie versagt, und der Aufbau ist dilettantisch, die Ichwarzweißrote Flottenvereinspropaganda ist diesmal restlos ge­fheitert. Eine Hymne auf die Taten des Kreuzers sollte entstehen, und es entstand eine Karifatur, denn der Stoff ist völlig undrama fisch und unfilmisch. Ungefähr ein Bierteljahr verfenft die Emden  im Indischen Ozean   Schiffe, ohne daß es den überlegenen englischen Streitkräften gelingt, den fleinen Kreuzer zu stellen. Zu bewundern bleibt die Ausdauer der Mannschaft und die Geschicklichkeit und das Glück des Kommandanten, aber dieses Hauptmotiv ist filmisch nicht auszuwerten, der Akzent wird demnach auf das Versenken von Handelsschiffen und Passagierdampfern gelegt, Vorgänge, die heute besser nicht mehr erwähnt werden sollten, und diese Borgänge ver Laufen immer nach demselben Schema. Berfasser und Regiffeur übersehen, daß es sich hier um bloße Wiederholungen handelt, die bereits beim zweitenmal ermüden. Außerdem sieht man nur signali­fierende Matrosen, grüßende Offiziere und eine höchst gleichgültige Liebesgeschichte. Das Ganze schleppt sich mühsam dahin, hat weder Steigung noch Aufbau und Tempo. Der Regisseur, Louis Ralph  , der sehr eindringlich und ohne Pose den Kommandanten spielt, steht den Dingen hilflos gegenüber. Ueberall endlose Wiederholungen, auch bei dem Entscheidungskampf zwischen Emden   und Sydney  ". Man wollte eine möglichst wahrheitsgetreue Ropie geben. Es ist aber so gleichgültig, welcher Schornstein zuerst abgeschossen wird und wie lange der Kampf dauert, die Hauptsache bleibt, daß der Kampf dramatisch zugefpißt wird, und daß störende Details aus. geschaltet werden. Man besetzte einige Rollen mit Mannschaften und Offizieren, die die Originalkaperfahrt der Emden  " mitgemacht hatten, um die Wahrheit zu steigern; man stellte sie aber auf wie Opernhoristen. Panzerfreuzer Potemkin" gibt ein zusammen­geballtes, dramatisches Geschehen, Unsere Emden" ist nichts weiter als eine langweilige Chronik für ein deutschnationales Heim. Po­temkin" ist der Film der Masse, Emden  " dagegen setzt nur die Offiziere unter Scheinwerferbeleuchtung, und ihre Darsteller, wie etwa Charles Willy Kaiser, find nichts weiter als Operetten­helden, und die Mannschaft macht nur Paradefigur. Nur natio­nalistische Borniertheit fonnte sich gegen diesen Stoff versuchen, der überhaupt keinen Keim von dramatisch- filmischer Wirkung in sich birgt. Die Hurras auf den sogenannten ,, allerhöchsten Kriegs­herrn" nehmen sich dazu in einem Film, bei dem die republi­tanische Marine mitgewirkt hat. äußerst merkwürdig aus. Auf­dringlich ist die Aufmachung im Emeltapalast. Als Konférencier braucht ein abgedankter Bizeadmiral nicht notwendig Propaganda für Schwarzweißrot zu machen Das Kino ist kein deutschnationaler Stammtisch. Das Fazit; Wir haben genug von dieser Sorte Film! F. S.

CAPITOL

CAPITOL

Regle: JOE MAY  

Telephon: Nollendorf 7098

Der Cowboykönig der kalifornischen Berge." ( Schauburg.)

Die Ansicht über die amerikanischen   Filme hat sich grund­legend geändert. In finanzieller Hinsicht erwartet man wohl noch allerlei, aber in fünstlerischer Hinsicht nicht mehr alles Heil aus fie auch in Zukunft wohl noch schier unübertrefflich bleiben. Gelbst Amerita. Doch sobald die Amerikaner auf Tempo spielen, werden ein an und für sich abgedroschenes Cowboystück mit der üblichen| Schwarz- Weiß- Zeichnung der Charaktere und dem Sieg der Guten erzielte ehrlichen Beifall ob seines mitreißenden Schwungs. Wer fann denn auch außer den Amerikanern Bandschaft, galoppierende Pferde und sich prügelnde Menschen zu einem so geschlossen wir fenden Ganzen vereinen? Und wer tann so wie sie Tiere ver­werten, sei es nun ein fleiner Raufbold von Hund oder ein Kunst­stüde machender Esel! Der Allerweltsterl von Cowboy heißt dies­mal Tom Tyler  , er ist frisch, draufgängerisch und eine blendende Figur im Sattel.

Fräulein Mama", der zweite Film, der seine Urauf führung erlebte, steht fed in der Gegenwart. Zopffrone und Bubi­fopf, lange Kleider und kurze Röde, das sind so die äußeren Ver­schiedenheiten der beiden Töchter des Hauses. Beide haben einen Berehrer, die eine Partie walgt nach den Donauwellen" mit Schmalz und Hingabe, und die andere Partie tanzt nach Der Neger hat sein Kind gebissen", mit dem heute üblichen Bein­geftrampel. Und dazwischen stehen ein unglücklicher Vater und eine erboste Tante, die innere Entwicklungen und Modelaunen mitein ander verwechseln. Der Familie bleibt die Katastrophe nicht erspart, doch bekommt die immer als Vorbild hingestellte Haustochter das uneheliche Kind, während das selbständige Mädel sich einen Tunicht­gut zum rechtschaffenen Ehemann erzieht und die Schwester mit Befennermut zum Kinde beseelt. Das alles wurde so gespielt, daß der ganze Film Laune macht. Bolvarys Regie war so an­fprechend, so nett, sie verhalf dem Film zu einem wohlvorbereiteten Sieg, der zugleich für Helene Halliér ein vielversprechender Anfangserfolg war. Ferner müssen von den Darstellern Grete Rein­ wald  , Margarete Kupfer   und Ferdinand von Alten   besonders er. wähnt werden. e. b.

Riff und Raff im Weltkriege."

( Gloriapalast.)

Der Film parodiert ,, die heiligsten Güter der Nation", nämlich das Militär und dazu noch das Militär im Weltkrieg, deshalb zichten bei der Premiere einige Gesinnungsbrave. Ja, es handelt sich hier um das amerikanische   Heer, aber das spezifisch Amerikanische wird Militärische überhaupt. Jeder Einsichtige fagt sich, bei uns waren nur in einem Nebensah erwähnt, die Parodie richtet sich auf das die Borgesetzten noch bornierter, bei uns waren Drill und Kadaver gehorsam noch unerträglicher. Die Amerikaner haben als erste den Mut gefunden, über diese Dinge herzhaft zu lachen und hinter die Helbenpose zu leuchten, die Konjunkturverständnis mit besonderer Ausdauer den geistig Armen Deutschlands   serviert. Riff und Raff, ein Dieb und ein Bestohlener, lassen sich, verführt von den schönen Augen einer reichen, jungen Dame, anwerben. Niemand fann ihnen militärischen Sinn beibringen, die schönste Parade machen sie zunichte,

Erstaufführung für Neukölln

Vom Sonnabend, den 25. Dezember bis Dienstag, den 28. Dezember 1926

Ueberflüssige Menschen

Der erste Film aus der deutsch  - russischen Filmproduktion

Dazu das glänzende Beiprogramm

An den Feiertagen je drei Vor­stellungen 5, 7 und 9 Uhr. An den Wochentagen je zwei Vorstellungen 7 und 9 Uhr.

Die Volks- Film- Bühne spielt

in der Zeit vom 25. Dezember 1926 bis zum 2. Januar 1927 an jedem Tage!

Beilage des Vorwärts

immer haben sie etwas vergessen, Revolver ober Bajonett, imd be­greifen als einzige vernünftige Menschen überhaupt nicht, mozu der Krieg gut ist. Selbst als sie bei einer Patrouille auf einen Deutschen   stoßen, vergessen sie den Krieg, da sie in dem Gegner einen Deutschamerikaner aus Chicago   erkennen. Man unterhält sich und zantt sich um acht Dollar, die Riff dem anderen schuldet und dann Immer wieder flingt durch das Lachen, der Krieg ist Wahnsinn, und schüttelt man fich herzhaft die Hand. Warum die Gegnerschaft? die daran Beteiligten müssen wahnsinnig sein. Über dem Film fehlt jede Antlägerpose, er ist ganz leicht und wikig gearbeitet. Der Re­giffeur Edward Sutherland   steigert ihn nicht ins Groteste, nur manche Enpen streifen die Raritatur, es entsteht ein Lustspiel, das in schnellem Tempo abrollt und das von Witz und Satire spräht Wallace Berey und Raymond Hatton  , die Hauptdarsteller, ver­meiden Uebertreibungen und geben lebensvolle Menschen. Der Film bedeutet geradezu eine Erholung nach all dem schwarzweißroten Gartenlaubenkitsch, den deutsche Filmgesellschaften auf den Markt merfen, und er weist vielleicht ein Mittel, die militaristische Be­geisterung abzudrosseln. Denn Lachen wirkt tödlicher als der ernst haftefte Angriff mit Vernunftsgründen. Als zweiter Film Buster Reaton, der Cowboy", außerordentlich glücklich in der Er findung, reich an Einfällen, die auch tatsächlich originell sind, eine der besten Grotesken, die Amerika   in letzter Zeit herausbrachte. Am Anfang etwas schleppend, steigert sich das Tempo zum Schluß hin. Den Höhepunkt bildet Buster Keaton   mit seiner Kuhherde in der Stadt. Ueberall wirre Aufregung, alles flüchtet, voran Polizei und Feuerwehr. Die Situationsfomit bleibt hier unerreicht, und Bufter Reaton bewahrt feine steinerne Rube, auch wenn er Felir, den Kater

imitiert.

Schüßenliesel." ( Primuspalaft.)

F. S.

Filmwert von tiefgreifender Bedeutung. Darum enttäuscht dieses Unter diesem Titel erwartet von vornherein fein Mensch ein leichte Filmspiel auch nicht, das den Schüßenkönig und das Schüßen­liefel zusammenbringt und zwischendurch nur wegen der Ber­midelungsmöglichkeiten einen Gutsherrn eine Bater- und Lieb­haberrolle spielen läßt. Rudolf Balther- Fein führte die Regie mit der Freude an lebendig bewegten Festszenen und schönen Land­schaftsaufnahmen, für die er Billy Hameisters photographisches Rönnen beanspruchte. 3war würde die Rollenauslegung mancher Regisseur wohl anders aufgefaßt haben. Warum spielt beispiels weise ohne zwingenden Grund Claire Lotto   ihre Rolle so geziert und unsympathisch. Ebenso ist Wolfgang 3ilzer überhaupt nicht zum Spielen veranlaßt worden, er geht nur auf den uit ein, den feine Rolle mit fich bringt. Doch die Hauptbefehungen wurden zur vollen Befriedigung, denn es gefielen Livio Pavanelli   als Forstherr mit seinen eleganten Bewegungen des Weltmannes, Carl de Vogt   als Forstadjuntt im urwüchsigen Naturburschentum und Xenia Desni   als Schüzenliefel in ihrer natürlichen Anmut. Mit der wurde nicht nur viel, mit der wurde in der Tat alles gewonnen.

,, Der Sohn des Hannibal."

( U. T. Kurfürffendamm.)

e b.

Ein einfame Beihnachtsfeier tommt in dem Film vor, Grund gemug, ihn deshalb gerade jezt auf das Programm zu sehen. Doch die Beihnachtsfeier war nicht vonnöten, sie ist gar nicht, mit dem Filminhalt verwachsen. Das Manuskript ist in den einzelnen Teilen überhaupt nicht organisch miteinander verwoben; es find nur Figuren aus einem Roman verfilmt, ohne daß an eine ge fchloffene filmische Uebersetzung der Handlung gedacht wird. Das wäre noch zu entschuldigen, wenn der Film irgendwie Anschauungs unterricht erteilen wollte, aber das will und fann er nicht, weil er dazu renntechnisch nicht forrett genug ist. So bekommt der Herren­reiter seine Braut, ohne daß man an den Zwischenfällen rege Anteilnahme nimmt. Dem Regisseur Felix Basch   fiel neues nicht ein, dafür ließ er es sich angelegen sein, alle als wißig ertannten Ideen, unterstüßt von dem ewig jüdelnden Arno, weidlich auszunuzen. Liane Haid   spielte mit Liebreiz die sehnsüchtige Braut, und ihr Partner Alfons Fryland   sah verliebenswert aus. Doch war die Charakterzeichnung für einen Herrenreiter nicht richtig, denn die haben wenig Neigung zur Beh- und Demut. Einen Erfolg holte fich der Regiffeur mit dem Derby. Spannungsmomente haben bekanntlich ungeheure Reize in sich, und wenn bei der allgemeinen Abjagerei ein Pferd zuguterlegt noch Atem hat und mit mächtigen Säßen zum fnappen Siege aufholt, dann kommt die Beifalls ftimmung ganz von selbst.

Dagfin." ( Phoebus- Palaft.)

-g.

Ein neues Kinohaus großen Stils in der Innenstadt und ein neuer Großfilm von einigem Ehrgeiz: und beides meilenferr jenem neuen Geifte geschärfter, flaräugiger Sachlichkeit, dem doch gerade die moderne Architektur und die wirklichkeitserfüllte, gespannte Ra pidität des Kinos Sprache zu verleihen hat. Mit diesem opulenten Lichtspieltheater am Anhalter Bahnhof  , dessen weite Ausmaße von teiner räumlichen Idee zusammengefaßt und auch farbig nicht be zwunger find, dessen Wände mit nichtiger Ornamentit beflebt sind und dabei doch fahl wirken, ist abermals deutlich geworden, wie ahnungslos die Mächtigen des Films ihrer eigenen Arbeit noch gegenüberstehen, ohne rechten Sinn für die Schönheit und Wahr haftigkeit der Rameraoptit und des Technischen überhaupt. Nachdem die Phoebus- Gesellschaft das Capitol" einem Architekten von fünft. lerischer Eigenwilligkeit anzuvertrauen gemagt hat, enttäuscht es doppelt, daß sie nun ihr zweites Haus wieder der gedankenlosen Rou tine einer Firma übertragen hat, der offenbar jeder Instinkt für die Besonderheit der Aufgabe mangelt. So ist die Gelegenheit, einen

PHOEBUS- PALAST

Europahaus

DAGFIN

PHOEBUS FILM

An allen 3 Feiertagen: 300 500 700 915 Nach dem Roman von Werner Scheff  Hauptdarsteller: Marcella Albani  , Mary Johnson  , Paul Richter  , Paul Wegener  Telephon: Zentrum 5622

Vorverkauf 12 bis 2 Uhr

Capitol an allen 3 Felertagen, abends 1115; Phoebus- Tonfilm- Kabarett