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Mr. 616 43. Jabeg. Ausgabe A nr. 314

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Freitag, den 31. Dezember 1926

Faschistengruß an Litauen  .

Mussolini   schickt Sondergesandschaften.

Kowno  , 30. Dezember.( DE.) Staatspräsident Smetona   hat von dem Generalsekretär der faschistischen Partei Italiens   eine Be­grüßungsadreffe erhalten, in welcher es heißt: Wir halten Litauen  für die zweite junge Macht, die in die Reihen der Kämpfer gegen alle Zerfehungstendenzen triff. Mit Glückwünschen Turati." Diese

Adresse hat eine Persönlichkeit aus dem näheren Bekanntenkreise Muffolinis überbracht.

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Dieser Glückwunsch und noch mehr seine Annahme- fennzeichnen genügend das neue Regime in Litauen   und passen zu seinen ersten Taten: der Unterdrückung jeder Oppo­fition, der Erfezung der Pressefreiheit durch den Kriegszu­stand, der Ermordung der Kommunisten ,, von Rechts wegen" und der grundlosen Ausweisung von Bürgern des großen mestlichen Nachbarstaates. Ob die Gleichstellung mit Pilsudski­Polen denn das soll die andere junge Macht" fein, von der der römische Glückwunsch spricht dem braven Smetona besonders angenehm ist, das möchten wir bezweifeln, da Smetona   der Hauptrufer im Chor Wilna   muß litauisch

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sein!" ist.

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Für die Zustände in Litauen   ist es bezeichnend genug, daß wir die Nummern des Socialdemokratas" vom 9. und 15. Dezember heute erst, am 30. Dezember, durch die Post er halten haben; sie sind laut Poststempel   erst am 29. Dezember von Kaunas  ( Kowno  ) abgegangen, man hat sie offenbar so lange zurück gehalten. Seit dem 15. dürfte das Blatt nicht mehr erschienen fein. Und wie Ost- Expreß" meldet, erklärt das Boltssozialistenorgan Lietuvos Bienios", daß es auf

Widerrechtlicher Polenfchulzwang. Nichtbefolgung rechtswidriger Befehle wird bestraft! Erst in unserer Donnerstagabendausgabe haben wir nochmals auf die Entscheidung der Gemischten Kommission für Oberschlesien   hingewiesen, die die listig und gewaltsam erschlichene Einschulung Tausender deutscher Kinder in polnische, statt in deutsche Schulen für rechtswidrig erflärt hat. Am gleichen Tage hatte das Landgericht Katto­ witz   über die Berufung von Eltern zu entscheiden, die sich durch Fernhaltung ihrer Kinder von der polnischen Schule dieser Rechtswidrigkeit widersetzt hatten und dafür recht hart bestraft werden sollen, so z. B. im Hohenlindener Fall vom Königshütter Schöffengericht mit Geldstrafen bis zu 38 Zloty bzw. 16 Tagen Gefängnis. Die Berufung murde so begründet, daß nach dem Genfer   Abkommen den Er ziehungsberechtigten das Bestimmungsrecht allein zustehe und nicht der Wojewodschaft. Obwohl die Verteidigung auf die jüngste Entscheidung Calonders hinwies, bestätigte das Landgericht das Urteil auf Kosten der Angeklagten mit der Begründung, daß nach einer Verfügung der Wojewod­schaft vom Jahre 1924 erst weitere Entscheidungen ab­gewartet werden müßten, jedoch immerhin die Pflicht zum Schulbesuch bestanden habe.

Dieses Urteil ist um so ungerechter und um so deutlicher gegen Calonder selbst gerichtet, als er gleichzeitig mit seiner Entscheidung die Behörde auch ersucht hatte, die betreffen­den Eltern nicht zu bestrafen. Polen   wird schwerlich neue Freunde im Völkerbund   erwerben, wenn es dessen Beauf­tragten demonstrativ Mißachtung befundet!

Pilsudskis Pressezwang. Reaktionäre Knebelung der Presfreiheit. Warschau  , 30. Dezember.  ( WTB.) Das neue Pressedekret foll bis zum 1. Januar 1927 in Kraft gesetzt werden. Es bestimmt unter anderem: Personen unter fiebzehn Jahren dürfen nicht 3eitungen verkaufen, und beim Verkauf dürfen nur die Titel der Zeitungen, nicht aber Artikel ausgerufen werden. Der Verfasser einer gedruckten Beleidi gung fann verurteilt werden, dem Beleidigten eine Entschädi­gung bis zu 10 000 3loty zu zahlen wegen des ihm zugefügten moralischen Schadens es wird also manchmal ganz nüglich sein, fich beleidigen zu lassen. Sofern die Beleidigung Privat verhält nisse betrifft, ist der Beweis der Wahrheit oder des guten Glaubens überhaupt unzulässig.

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Hahe Gefängnisstrafen bedrohen das Ansehen des Staates herabse gen de Beröffentlichungen Hier wird sogar das Redaktionsgeheimnis aufgehoben, denn der Re dakteur, der bis zu drei Jahren Gefängnis für fahrlässige Beröffent lichung einer infriminierten Mitteilung erhalten tann, ft ftriffrei, wenn er den Autor nennt und dieser vor Gericht gestellt merden Tann. Wer einmal wegen Preßvergehens verurteilt wurde, darf drei Jahre lang nicht verantwortlich zeichnen. Der Strafvollzug wird nicht durch eine Berufung gegen das Urteil des zuständigen Drei. Richter- Kollegiums aufgeschoben.

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Das belgische Koalitionsproblem.

Vertagung der Entscheidung.

Der Weihnachtsparteitag der belgischen Arbeiterpartei sollte die Entscheidung darüber bringen, ob die belgischen Sozialisten weiter der Regierung ange­

jede Art von Kommentar zu den politischen Greig hören oder die vier sozialistischen Minister aus dem Kabinett nissen verzichten werde.

Feldgerichte!

Kowno  , 30. Dezember.( DE.) Alle Kommunisten, die

austreten sollen. Eine wochenlange Debatte über diese Schicksalsfrage war in den einzelnen Bezirksverbänden und Ortsvereinen sowie in den Spalten der Parteipreffe demt jetzt nach dem Staatsstreich in Litauen   noch abgeurteilt werben Rongreß vorangegangen. Auf dem Kongreß selbst haben follen, werden Feldgerichten übergeben werben, die aus zwei neben den beiden Hauptreferenten Vandervelde( für die Fort­zweifetzung Offizieren und zwei Soldaten als Mitgliedern und einem Dffizier fegung der Koalitionspolitif) und Mathieu( gegen die weitere Beteiligung an der Regierung) zahlreiche Diskussionsredner als Vorsitzenden bestehen. beider Auffassungen das Wort ergriffen. Trotzdem ist es zu teinem Beschluß gekommen, nicht einmal zu einer Ab­stimmung, vielmehr wurde die Entscheidung dadurch um­gangen und vertagt, daß ein ausgearbeitetes fonkretes Regierungsprogramm an die Bezirksorganisationen zur Stellungnahme und Beschlußfassung zurückverwiesen wurde. meist, wie sehr das zur Debatte stehende Problem umstritten Schon dieser unerwartete Ausgang des Parteitages be­

Mostaner Beurteilung.

Mostan, 30. Dezember.( DE.) In ihrer Wochenschau beschäf tigt sich die Prawda" nochmals ausführlich mit der durch den Staatsstreich in Litauen   für Osteuropa   geschaffenen Lage. Das Blatt will wissen, daß das litauische Wahlrecht schon in nächster 3eit in einer Weise verändert werden wird, welche das Proletariat und überhaupt die nichtbesitzenden Klaffen um jeden Einfluß bei den Wahlen bringen würde. Die offiziösen litauischen Mitteilungen über den geplanten Kommunistenputsch, zu dessen Bereitelung der Staatsstreich notwendig gewesen sei, weist die Bramba" als halt lose Erfindungen mit größter Berachtung zurüd. In außen politischer Hinsicht fürchtet das Sowjetblatt sehr ernste Berwicklungen, da Polen   ohne 3meifel schon beim geringsten Schatten eines Bor­mandes gegen Litauen   in der Art des Generals Zeligowski( der Wilna   den Litauern entriß) vorgehen werde. Somit fei im neuen Jahr mit gefährlichen Komplikationen in Osteuropa   zu rechnen, die Litauens   große Nachbarländer, Deutschland   und die Sowjetunion  , nicht gleichgültig laffen tönnten.

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Eigentlich find all diese Bestimmungen alte Bekannte DON reaktionären Gefeß porfchlägen in verschiedenen Ländern ber: fie in Straft zu sehen, blieb dem ehemaligen Revolutionär der Tat, Jofeph Bilfubfti, Durbehalten. Damit sollen natürlich die Berdienste anderer Reaktionäre um die Maulkorbversehung der Presse nicht geschmälert werden.

Tschechischer Beschlagnahmerekord.

Prag  , 30. Dezember.  ( EP.) Narodni Lifty" veröffentlicht eine Statftit der Pressezensur in der Slowakei  . In den letzten sieben Jahren erschienen 33 tschechische und 16 deutsche Tageszeitungen, sowie eine madjarische. Diese 50 Blätter wurden in sieben Jahren 830mal beschlagnahmt: die tschechische Bresse 700mal, die deutsche 110mal und die madjarische 20mal. Den Hauptanteil trägt das tommunistische Rude Bravo"( Rote Fahne), das 400mal der das kommunistische Rude Bravo"( Rote Fahne), bas 400mat der Beschlagnahme verfiel, somit möchentlich mindestens einmal.

Rückwirkungen des englischen Streiks.

Die Arbeiterhochschule muß eingehen. London  , 30. Dezember.  ( Eigener Drahtbericht.) Da der Generalrat der Gewerkschaften infolge Erschöpfung seiner kassen durch den Generalstreit außerstande ist, die für die Auf­rechterhaltung einer Arbeiteruniversität erforderlichen mittel zu beschaffen, hat er sich gezwungen gesehen, das ihm von der Gräfin Warwick zu diesem 3wed übergebene Schloß Easton Lodge der früheren Eigentümerin zurückzugeben.

Ein demonstrativer Leichenzug. Condon, 30. Dezember.  ( EP.) Das Begräbnis des verstorbenen Hinduführers Swami Schraddhanda zu Weihnachten   in Delhi  , gestaltete sich zu einer gewaltigen Rundgebung der Hindubevölkerung. Es nahmen daran rund 100 000 Menschen teil. Die Prozession dauerte sechs Stunden.

Regierungssieg in Mecklenburg  .

Der Angriff der Rechten im Landtag abgeschlagen. Schwerin  , 30. Dezember.  ( Eigener Drahtbericht.) Im Mecklenburgischen Landtag wurde am Donnerstag das Programm der vereinigten Rechtsparteien zum Sturz der Regierung zerschlagen. Der Antrag der Deutschen   Boltsparte die Weihnachtsbeihilfe den Beamten, Angestellten und Arbeitern entsprechend der Reichsregelung zu gewähren", wurde bei voll. beseztem Hause und überfüllten Tribünen nach reichlich agitatorischer Begründung durch Deutschnaitonale und Volksparteiler in nament­licher Abstimmung mit 20 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmten Deutschnationale, Bolfsparteiler und Bölkische, da­gegen Sozialdemokraten, Demokraten, Wirtschaftsparteiler und Kom. munisten. Ein deutschnationaler Landwirt blieb der Abstimmung oftentatio fern. Der Beschluß des Hauptausschusses, die Weihnachts beihilfe na ch fozialen Gesichtspuntten zu gewähren, wurde mit 25 gegen 24 Stimmen gutgeheißen. Bei dieser Ab. ftimmung stimmten die Wirtschaftler gegen die Regierung, da sie den Beamten teinerlei Weihnachtsbeihilfe gemähren mollten.

mar.

feineswegs geschlossen sind, sondern verschiedene Schattie Die beiden Grundrichtungen, die allerdings in sich feineswegs geschlossen sind, sondern verschiedene Schattie rungen aufweisen, waren anscheinend gleich start, so daß Kraftprobe zu vermeiden. Dabei muß betont werden, daß man es im gegenwärtigen Zeitpunkt für beffer hielt, eine der Parteitag von Anfang bis zu Ende auf einem sehr hohen, fachlichen Niveau stand und daß die Debatte von geradezu vorbildlicher Sachlichkeit war.

Zur Bermeidung von Mißverständnissen und verfehlten Rückschlüssen fei vor allem festgestellt, daß das Problem von fast allen Rednern als ein tattisches aufgefaßt wurde. Die belgischen Sozialisten find fast in ihrer Gesamtheit über das grundsägliche Stadium hinaus. Die theoretische Zulässigkeit der Koalitionspolitik steht überhaupt nicht mehr zur Dis­fuffion. Dagegen wird die aktuelle Frage, ob man die bisherige Koalitionspolitik fortsegen darf, durchaus ver­schieden beurteilt. Man darf nämlich nicht vergessen, daß seit dem Sommer 1926 in Belgien   eine Regierung des Burgfriedens am Ruder ist, der alle drei großen Par­teien angehören, die Klerikalen, die Liberalen und die Sozia listen. Nach den Aprilwahlen von 1925, die der Partei einen so großen Erfolg brachten, daß ohne sie nicht mehr regiert werden konnte, war eine Linksregierung( Boullet­23andervelbe) gebildet worden, die sich einerseits auf die Sozialisten, andererseits auf die fortschrittlichen Ele­mente der Katholischen Partei, besonders auf die christlichen Gewerkschaftsführer, stüßte. Diese Koalition war zwar zahlen­mäßig start genug, sie wurde jedoch durch die Treibereien innerhalb der Katholischen Partei unterminiert. Vor allem aber erwies sie sich als nicht start genug, um dem Druck des finanziellen und industriellen Großfapitals Widerstand zu leisten. Der belgische Franken war das Opfer dieser wiri­schaftspolitischen Erpressung der vereinigten tatholischen und liberalen Kapitalisten. Die Frankenpanit erreichte im Sommer 1926 gleichzeitig mit der französischen   ihren Höhepunkt. In dieser tragischen Lage opferte fich die Sozialistische Partei, um größeres Unheil für die Ar­beiterflaffe zu verhüten, und willigte in eine Burgfrieden­foalition aller Parteien ein, die als Hauptaufgabe die Clabi­lifierung der Währung durchführen sollte. Diese ist nun im Herbst erfolgt. Die Frage war nun: foll nach Erfüllung dieses Hauptpunktes ihres Programms die Koalition gekündigt werden?

Die einen

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unter Führung Banderveldes und der meisten Gewerkschaftsführer- sagten: Selbst angenommen, wir mären in der Währungsfrage über den Berg und es drohten feine Rückschläge mehr- jezt gilt es, durch unser Berbleiben in der Regierung dafür zu sorgen, daß die Folgen der Sta­bilisierung nicht nur von der Arbeiterklaffe getragen werden. Außerdem haben die Sozialisten in der Regierung noch an­dere große Aufgaben zu lösen, insbesondere auf außenpoliti­schem Gebiete. Daß unsere bisherige Tätigkeit in der Re­gierung nicht voll befriedigend war, daß viele Genossen mit den Konzeffionen, die wir an die bürgerlichen Koalitions partner machen mußten, unzufrieden sind, wissen wir. Trotz­dem haben auch wir den anderen wesentliche Zugeständnisse abgerungen, sowohl hinsichtlich der Krisenfürsorge, wie auch der Militärdienstzeit und endlich durch die bedingungslose Ratifizierung des Washingtoner Abkommens über den Acht­Stundentag. Versuchen wir es also noch auf weitere sechs Mo­nate auf Grund eines fest umriffenen, menn auch sehr beschei­dann werden wir sehen, ob mir weiter denen Programms

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in der Regierung bleiben fönnen

Die anderen unter Führung des an fich feineswegs rabitalen" Genossen de Broudère- der sich übrigens schon por Monaten gegen die Beteiligung an der Burgfrieden­regierung ausgesprochen hatte antworteten: Unsere Roalia tionspolitik ist unbefriedigend. Wir verlieren durch fie immer mehr an Stimmen, und mir laufen Gefahr. durch fie sogar unseren sozialistischen Geift einzubüßen. Insbesondere die