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Nr. 5+ 44. Jahrgang

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Ausgabe B Nr. 2

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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3

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Tel.- Adreffe: Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Volksblaff

4. Januar 1927

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 8 bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   S. 68, Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Gehalt für den Kapp- Putsch.

Die Begründung für das Lüttwig- Urteil.

Monat herabgefeßt worden ist.

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Cindenstraße 3

Der Einbruch in Nikaragua  .

Begreiflicherweise ist ein starkes Intereffe dafür vorhanden, die seither diese gnadenweise Nachzahlung von drei Monaten auf einen eine Revolution" aus. Die amerikanische   Marine bewahrte | Begründung des Urteils fennenzulernen, wodurch das Landgericht Berlin   III in Zivilsachen   der Klage des Putschgenerals Lüttwik gegen das Reichswehrministerium( in Wahrheit gegen die Reichs­taffe) zum großen Teile stattgegeben hat.

Die schriftliche Urteilsausfertigung liegt noch nicht vor, aber es fann bereits mitgeteilt werden,

daß die klage des Lüttwih zunächst das Gehalt für die Tage des Kapp- Puffches bis zum 1. April 1920 und dann für das fogenannte Gnadenvierteljahr verlangte.

Gehalt für die Tage des Kapp- Butsches und das Gnaden vierteljahr! Gehalt für den Kapp- Putsch. Für den Berrat und die Untreue, für die wirtschaftliche Schädigung und die Zerstörung Don Menschenleben, die damit verbunden war. Gehalt für die Anführung eines Haufens von Meuterern.

Der Kampf der Demokratie gegen den Imperialismus Als die Republik Kolumbien   im Jahre 1903 den Bertrag mit den Bereinigten Staaten von Amerita über den Kanalbau in der Provinz Panama   abgelehnt hatte, brach in Panama  damals strenge Neutralität, die darin bestand, daß man die 50- Meilen- Bannfreises um Panama   herum verhinderte. Die folumbischen Regierungstruppen am Ueberschreiten eines bewachte Revolution in Panama   mußte unter diesen Um auf diese Weise durch die amerikanische   Marine sorgfältig ständen siegen. Panama   wurde zur selbständigen Republik  ausgerufen und von der amerikanischen   Regierung schon nach als ein amerikanischer Besitz- unter dem Schein der Selb  vier Tagen anerkannt. Seitdem ist Panama   nichts anderes ständigkeit. Dasselbe Schicksal war jetzt auch Nikaragua   zu­gedacht. Die amerikanische   Marine erschien wieder auf der Bildfläche, um die durch den Bürgerkrieg angeblich bedrohten

Das Gericht, das dem Berräter Lüttmit Rechtsanspruch auf Gehalt für die Tage des Kapp- Putsches bescheinigt, weiß nicht, was es getan hat. War denn etwa der Kapp- Butsch eine das nach der damals geschehenden Regelung bei Entlassung aus dem legale Aktion der Reichswehr  ? Will das Gericht etwa Prä­Reichswehrdienst noch gezahlt wurde. Das Reichswehrministerium zedenzfälle schaffen? Geht es von der politischen Anschauung amerikanischen   Bürger zu schüßen; wieder sollte die strenge als Beklagter stellte sich auf den Standpunkt, daß es zur Zahlung aus, daß jede Aktion von Reichswehroffizieren Verfassungs Neutralität" dazu benutzt werden, um der einen Regierung

nicht verpflichtet sei, weil Lüttwiß sich von seiner Truppe entfernt und sich anderweitig betätigt habe, wofür er doch nicht noch Gehalt vom Reiche beanspruchen könne.

-O

Das Landgericht Berlin   III hat aber Büttwig recht gegeben und ausgesprochen, daß jene Gehaltsbezüge in demselben Maße wie die allgemeine Aufwerfung aufzuwerten feien. Gegen dieses Urteil hat nun, wie bereits bekannt, das Reichswehrministerium die Be­iufung an das Rammergericht erhoben und wird dort den Stand­puntt vertreten, daß weder eine Gehaltszahlung für Lüttwit' Putsch­tätigkeit noch für ein Gnadenvierteljahr in Frage komme, zumal

Die fächsische Regierungsfrage. Reine Lösung in Sicht.

Der erweiterte Borstand der Altsozialistischen Partei Sachfens hat am Montag folgende Entschließung gefaßt:

,, Die USPS. hält nach wie vor die große Koalition für die beste Lösung der sächsischen Regierungsfrage. Indessen ist diese Lösung infolge der Weigerung der entscheidenden Parteien ver. baut. Der ASPS. erscheint unter diesen Umständen eine Re gierung der Mitte als der zurzeit politisch mögliche Ausmeg." Eine Regierung der Mitte in Sachsen   hat feine Mehrheit. Die Ministerpräsidentenwahl vom 11. Januar wird also wieder negativ

ausgehen.

Das Anschlußkabel.

Eröffnung der neuen Verbindung Berlin  - Wien  .

Wien  , 4. Januar.  ( TU.) Der neue Fernfabelverkehr Deutsch  land- Desterreich wurde heute vormittag durch einen Festakt in der Hofburg   feierlich eröffnet. Auf Einladung des Bundesministeriums für Handel und Berkehr waren dazu der Bundespräsident Sa inisch,

der Bundeskanzler Seipel sowie die Bertretungen der auswärtigen Staaten, außerdem die Spizen sämtlicher bundesstaatlichen und sonstigen Behörden in Bien nebst den führenden Männern von Handel, Industrie und Bresse   erschienen. Von der Deutschen Reichs­post, die gemeinsam mit der österreichischen Verwaltung das Kabel gebaut hat, war Reichspostminister Dr. Stingl, begleitet von Herren des Reichspoſtministeriums, der Einladung gefolgt. Auch die an den Arbeiten auf deutscher Seite beteiligten Kabel merfe usw. hatten ihre leitenden Direktoren zu der Eröffnungsfeier entfandt. Der Festakt wurde um 10,15 Uhr durch Gespräche auf dem neuen Rabel zwischen dem Bundespräsidenten   hainisch und dem Reichspräsidenten von Hindenburg   eröffnet, deren Wortlaut hier folgt:

Herr Reichspräsident! Ich eröffne die Benutzung der neu­erbauten Ferntabellinie Bien- Nürnberg mit dem Ausdrud meiner persönlichen Berehrung und den besten Wünschen für Ihr Wohl ergehen. Ich spreche meine aufrichtige Befriedigung über die glüdliche Bollendung dieses gemeinsamen Werkes unserer Berwal­tungen aus und erwarte mit Zuversicht, daß der neue Verkehrsweg feine Aufgabe, den Fernsprechverkehr zwischen Desterreich und Deutschland   zu verbessern und neue Sprechbeziehungen mit anderen Staaten zu ermöglichen, in vollem Maße erfüllen wird."

,, Herr Bundespräsident! Für die freundliche Begrüßung bei der Eröffnung der neu erbauten Ferntabellinie Wien  - Nürnberg  und für die meiner Person geltenden Wünsche danke ich verbindlichst und erwidere sie auf das herzlichste. Es darf uns und unsere Ver­waltungen mit besonderer Freude erfüllen, daß das Jahr 1927, welches uns das 50jährige Jubiläum der Einführung des Fernsprechers in Europa   bringt, mit der Vollendung diefes wichtigen Berkehrsweges zwischen Deutschland   und Desterreich be­ginnt. Möge das neue Stabel dazu dienen, ben geistigen und wirt. schaftlichen Zusammenhang zwischen unseren Völkern noch enger zu gestalten, und möge es sich zu einem wichtigen 3 wifchenglied für den europäischen   Gesamtverkehr entwideln."

Daran schloß sich ein Gesprächswechsel zwischen dem Bundes­fangler Dr. Seipel und dem Reichstanzler Dr. Marg. Marr sagte u. a.:

..Der durch das Kabel ermöglichte unbehinderte Aus= tausch des gesprochenen Bortes auf weite Entfernungen wird nicht nur unseren Bölfern zum Segen gereichen, sondern auch

recht schaffe?

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Dann das Gnadenvierteljahr. Ausgerechnet. Gnaden­vierteljahr für den Deserteur und Meuterer Lüttwiz. Wenn etwas von allem politischen abgesehen gegen die guten Sitten verstößt, so diese Forderung des Kapp Butschisten Lüttwiz. Was müssen das für merkwürdige Richter sein, die dies Urteil gefällt haben? Die Empörung über die Urteil gefällt haben. Sind fie deutschnational, find sie völkisch? Lüttwig- Frechheit darf die Richter nicht vergessen, die dies Wie kommen sie zu diesem Urteil?

Es ist mit formaljuristischer Berbohrtheit nicht zu er flären. Die Deffentlichkeit muß sich diese Richter ansehen.

einen Auftakt bilden für die Gesundung der europäischen   Wirtschaft, deren Nervensystem das Nachrichtennez bildet." Es folgten darauf noch mehrere Ansprachen. Der Generaldirektor der öfter reichischen Post- und Telegraphenverwaltung schloß seinen Vortrag über das neue Werk mit dem Spruch des Bürzburger Dichters Hans Rosenplüt  : Arbeit ist der göttlichste Orden, der je auf Erben geftiftet ist worden."

Niederländisch- Indien im Aufruhr. Weftfumatra nicht mehr in der Hand der Kolonial verwaltung.

Amsterdam  , 4. Januar.  ( WEB.) Die heutigen Abendblätter enthalten ausführliche Meldungen über neue Borgänge in Weft­fumatra. Hiernach handelt es sich um einen wohlvorbereiteten und über den größten Teil der Padangfájen Oberlande ausgebreiteten Aufstand, in deffen Verlauf es bereits zu regelrechten Ge­fechten zwischen Polizei und Truppenabteilungen und den Auf­ständischen gekommen ist, die für beide Seiten, insbesondere aber für die Aufständischen, statte Berlufte zur Folge hatten. Unscheinend erstreckt sich die Aufstandsbewegung bis in die füblichen Teile der Infel Sumatra, da auch aus Palembang   die Aufdeckung eines Aufstandsverfuches gemeldet wird. Durch die Be­hörden sind hier zehn kommunistenführer verhaftet worden, darunter ein Gemeinderatsmitglied. Die Behörden ver­fichern, daß fie die Lage in Südfumatra beherrschen.

,, Heller Aufruhr"- verluftreiche Kämpfe. Padang( Weftfumatra), 4. Januar.  ( WTB.) Fast der ganze Distrikt Silvenglang befindet sich in hellem Aufruhr. In Silvengkang selbst sind von den Kommunisten ein holländischer Stredenauffeher sowie vier eingeborene Lehrer ermordet wor den. Ein Angriff der Aufständischen auf Sawahloente fonnte ab­geschlagen werden. Eine Auto kolonne, auf der eine militärische Abteilung von Pandjang nach dem Aufstandsgebiet befördert wurde; wurde bei Padang Silvefoeh von Kommunisten überfallen. Bei dem sich entwickelnden Gefecht wurden die Angreifer unter schweren Berluften zurückgeschlagen. Die Aufständischen hatten etwa 30 Tote zu verzeichnen. Eine weitere Anzahl von Auf­ständischen wurde gefangen genommen. Auf holländischer Seite fiel ein Leutnant, während mehrere Soldaten verwundet wurden.

Kotaradja( Nordwestfumatra), 4. Januar.  ( WIB.) Bei einem Gefecht zwischen einer Militärabteilung und aufständischen Atjeh­Beuten an der Westküste des Atjehgebietes wurden zwei Aufständische getötet und vier gefangen genommen.

Zuviel Freiheit in Ungarn  . Generalverbot der Emigrantenliteratur. Budapest  , 4. Januar.  ( EP.) Dem offiziöfen Acht- Uhr- Abend literarische Probuftion, namentlich jene der in der Emi­blatt" zufolge beabsichtigt die Regierung durch Verordnung die gration lebenden Ungarn  , gewissen Einschränkungen zu unterwerfen. Danach soll es in Zukunft nur solchen Autoren erlaubt sein, literarische Werte in Ungarn   zu veröffentlichen, beren politische Rechte nicht aufgehoben oder eingeschränkt sind. Die Berordnung richtet sich gegen die ungarischen Emigranten im Auslande, die ver­hindert werden sollen, ihre Werfe in Ungarn   zu verbreiten.

Wahrscheinlich war die Arbeit zu groß. jebe dieser Veröffent lichungen besonders zu fonfiszieren, so macht man es in einem Aufwaschen.

ugunsten einer anderen die Zurückeroberung der Macht un­möglich zu machen. Dieses Mal scheint es aber mit einem Unterstützung hat der fonservative- d. h. der von den Ber entgegengesetzten Erfolg zu geschehen. Troß amerikanischer einigten Staaten vorgeschobene- Präsident Diaz eine voll­tommene Niederlage erlitten. Troß der Neutralität der amerikanischen   Marine haben die Liberalen die Macht, auf erobern fönnen. In diesem kleinen Lande mit einer kaum die sie alle verfassungsmäßigen Ansprüche haben, wieder nische Imperialismus den Kürzeren ziehen zu sollen. drei Viertel Million starken Bevölkerung scheint der amerika­  

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F

Das Schicksal Panamas   wurde schon mehreren anderen unabhängigen" Staaten von Mittelame= rita, mie Ruba, Haiti  , Portoriko   und San Domingo zuteil. Alle Staaten zwischen Merito und Kolumbien   gerieten in den legten zwanzig Jahren, wenn nicht unter das Protektorat, so doch unter die finanzielle und politische Kontrolle der Ver einigten Staaten. Nikaragua   selbst war schon seit 1913 nichts anderes als ein amerikanischer Basallenstaat, in dessen Haupt­stabt 100 amerikanische Marinesoldaten bis August 1925 die ,, Ordnung" aufrechterhielten. Diese hundert­töpfige Marinemannschaft war die entscheidende Macht in Nikaragua  , da man wie ein nifaraguanischer Politiker einmal bemerkt hat hinter diesem Hundert meitere 100 000 Soldaten und hinter diesen Tausenden die gesamte 100 Mil­lionen starte amerikanische Bevölkerung sah. Die verschwin dend fleine Abordnung der gigantischen Macht Amerika   be= wirkte, daß es in Nifaragua feine freien Wahlen gab, daß die fonservative Regierung bis zum Jahre 1924 am Ruder blieb, obwohl, wie der fommandierende Offizier der Marineabteilung seiner Regierung berichtete, drei Viertel der Bevölkerung des Landes hinter der liberalen Opposition standen. Diese konservative Regierung schloß mit den Ver­ einigten Staaten   einen Vertrag, der diefen das ausschließliche Recht auf einen Kanalbau in Nikaragua   gab. Abgesehen von dem allgemeinen Ziel, die Herrschaft in ganz Mittel­amerifa zu gewinnen, war es für die Bereinigten Staaten schon um dieses Rechtes willen außerordentlich wichtig, die Herrschaft über Nikaragua   aufrechtzuerhalten. Amerika   fann nicht zulaffen, daß etwa eine andere Großmacht durch das Gebiet von Nikaragua   einen Konkurrenzfanal baut, der den Banamafanal strategisch und wirtschaftlich völlig entwerten würde.

Ist es also klar, daß es sich für die Vereinigten Staaten um teine Bagatellen, sondern um durchaus wichtige Dinge handelt, so ist es schwer zu verstehen, warum die Bereinigten Staaten vor zwei Jahren die freien Präsident fchaftswahlen zugelaffen haben; es war doch voraus­zusehen, daß diese den Vorkämpfern der Unabhängigkeits­bewegung, den Liberalen zum Sieg verhelfen würden. Jeden­falls fand vor einigen Wochen die Revolution des Generals Chomorro gegen den liberalen Präsidenten Soloriano legten Endes im amerikanischem Intereffe statt; zweifellos hätte sie ohne die geheime amerikanische   Hilfe auch einen zeitweiligen Erfolg nicht gehabt. Die Bereinigten Staaten fonnten zwar nicht Chomorro selbst als Präsidenten anerkennen, da sie feierlich verpflichtet find, keinen Präsidenten eines mittel­amerikanischen Landes anzuerkennen, der durch einen Gewalt­ftreich zur Macht tam. Deshalb ließen sie nachdem die Liberalen zur Flucht genötigt maren! einen anderen fonfervativen Führer, Diaz, durch den Kongreß zum Bräfi­denten wählen und diesen Präsidenten erkannte die amerika­ nische   Regierung an. Rückschauend läßt sich jetzt sagen, daß es bequemer gewesen wäre, den früheren Zustand, der bis vor zwei Jahren herrschte, dauernd aufrechtzuerhalten. Jezt ist es für die Bereinigten Staaten nicht nur eine Interessen-, sondern auch eine Prestigefrage, daß ihre Intervention mehr, als die Vereinigten Staaten   jeßt einen Gegen­nicht mit einem fläglichen Fiasto abschließt. Und das um so spieler in merito gefunden haben. Merito hat die Liberalen in Nikaragua   unterstüßt und ihren Führer Safoja anerkannt, der, nach der Abdanfung Solorzonos, als gewähl ter Bizepräsident, verfassungsmäßig bis zu den Wahlen 1928. an feine Stelle hätte treten sollen. Wenn dieser ganze Kampf gegen Merito für die Bereinigten Staaten nicht zuletzt ein Kampf um die politische Borherrschaft in Mittelamerika   ist, so bebeutet die legte amerikanische Schlappe in Nikaragua  ein gemaltiger Prestigegewinn für Merito und damit auch