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Abendausgabe Nr. 7� 44. Jahrgang Ausgabe k Nr. 5
S-zlissi-dinaunse» m» UnKiznqmkU ftrid in der SRotätncusjWb« angeaeben SeSotHoo: SS. 64, Cia6*tif(ra{|C 6 Zernsprecher: VSnhoss 262- 292 XcL'UOtcfe: SojialOcmotcol verll»
Verlinev Volksvlakk
(10 pksnnig) Mittwoch S. Januar 1927»
Srrlaz ,«d?»,«iienabtellun,: TrschZftszeit bi» Z Uhr Verleger: Vorivarl». Verlag GmbH. Serlln SS. 6». eladeastrov» 6 Z-rnspr-cher: VSahoss 292- 262
Zentralorgan der Sozialdemokratifcben parte! Deutfchlands
Gerate um Sie Ri Wer wird Reichskanzler?- Am 10. Januar sollen die offiziellen Verhandlungen über die Regierungsbildung beginnen. Ein Schwärm von Gerüchten und Zeitungsartikeln eilt ihnen voraus. Die Luft ist voll Versuchsballons und Enten. Einige der Versuchsballons sind schon geplatzt. Man spricht nicht mehr von der Regierung, die ohne Benehmen mit dem Parlament eingesetzt werden und mit dem Ar- tikel 48 regieren soll. Daraus darf man schließen, daß der Reichspräsident für solche Abenteuer nicht zu haben ist. Die Vorgänge der nächsten Zeit werden sich also im Rahmen der Verfasiung abspielen. Der Reichspräsident wird den Reichs tagspräsidenten und die Parteiführer hören, er wird dann mit der Bildung der Regierung einen Mann betrauen, von dem er annimmt, daß er ein p a r l a- mentarisches Kabinett zustande bringen kann. Wer wird dieser Mann sein? Darüber wird sehr viel ? sc redet, aber das wird wohl ernstlich erst nach den Be- prechungen des Reichspräsidenten entschieden werden. Man hat vom Domkapitular Leicht gesprochen, also von einer Regierungsbildung unter Führung der Bayerischen Volkspartei  . Das war wohl nie ernst zu nehmen, da war der Wunsch, das Zentrum in eine Klemme zu bringen, der Vater des Gedankens. Dauernd bleiben die Ramen C u r t i u s und S t e g e r- w a l d im Vordergrund, besonders von dem ersten wird viel geredet. Ein Gerücht, das selbstverständlich falsch war, hat sogar behauptet, daß er schon beauftragt sei. Ja, man wollte schon die Mitglieder seines Kabinetts kennen: G r ö n e r, Reichswehr  , W i r t h, Finanzen, Koch, Inneres usw. Darüber heftiger Schreck im Hause Hugenberg. Man erkundigt sich bei der Volkspartei und erfährt zu seinem Glück, daß nichts daran wahr sei. Es wird erklärt, daß für die Deutsche Volkspartei   nur die Bildung einer Regierung der b ü r g e r l i ch e n M e h r h e i t mit den Deutschnationalen als erstes Ziel in Betracht komme. Wenn eine derartige Regie- rungsbildung am Widerstand des Zentrums scheitere, müsse die Verantwortung für die zunächst notwendige Bildung einer Mehrheitsreßierung d e m Z e n t r u m überlassen bleiben. Herr Curtius, der volksparteiliche Wirtschaftsminister, würde also von seiner Partei die Erlaubnis zur Bildung eines solchen Kabinetts nicht bekommen, selbst wenn er es bilden wollte. Die Volkspartei will, da der Bürgerblock politisch nicht nicht möglich ist, den Kanzlerposten dem Zentrum über- lassen. Dieses hat übrigens in seiner Presse bereits erklärt, daß es ihm unmöglich scheine, die beiden wichtigsten Posten. Außenministerium und Reichskanzlei, in die Hände der Volkspartei zu legen. Daß der Bürgerblock, diegroße Rechte" oder die ..kleine Rechte" wenigstens zurzeit nicht in Betracht kommen.
Polens   Außenpolitik. Minister Zaleski wünscht gute Beziehungen zu Deutschland  . Warschau  . S. Januar.(Eigener Drahtbericht.) In der Sejm- kominission für au-wärtige Angelegenheiten hielt Außenminister Zalcski eine programmatische Rede, die sich zu einem großen Teil mitderAushebungderMilitärkontrolleinDeutsch- l a n d befaßte. Der Minister erklärte u. a.. daß die Wirksamkeit der Nachiorschungskommission des Völkerbundes derjenigen einer Militär- kontrollkommission durchaus gleich käme. Die Einsetzung dieser Kommisston beruhe aus dem Versailler Vertrag, der vor allem schon deshalb streng eingehalten werden müste, weil er im Sinne seiner Schöpfer die erste Etappe zur a l l g« m e i n e n Abrüstung darstellen solle. Sämtliche Tendenzen, die einen Unterschied zwischen der Befriedung in Ost- und Westeuropa   anstreben, seien als ein Verstoß gegen den Frieden zu betrachten. Im übrigen wünsche Polen   ange- sichts der zahlreichen deutsch  -polnischen Interessen dauerhaste und gute Zusammenarbeit mit Deutschland  . Aber es könne die beunruhigenden Tendenzen in Deutsch  - l a n d. die eine Verschärfung der Beziehungen onstrebten. nicht mit Schwelgen übergehen. Diese Tendenzen, die zweifellos nur ein Teil des deutschen   Volkes verfolge, bildeten trotzdem eine Gefahr für den europäischen   Frieden. Der Außenminister erklärte, daß Polen   nach wie vor den Ab- schluß eines Abkommens mit Rußland   zur gegenseitigen Erenzsicherung anstrebe. Polen   oersuche nicht, einen onti- russischen Block unter englischer Führung zu bilden. Hinsichtlich Litauens   habe Polen   keinerlei Absicht, sich in die innerpolitischcn Vorgänge dieics Landes einzumischen Von diesem Standpunkt lasse sich die Regierung auch durch die aggressiven Erklärungen der neuen Regierung in Kowno   nicht abbringen. Polen   sei außerdem bereit, nachbarliche Beziehungen mit Litauen   aufzunehmen und teile nicht die Utauisch« Ansicht, nach der sich dieses Land mit Polen   im Kriegszustand befinde. Baltische Bertragspläne. Riga  . 5. Januar.  (Eigener Drahthericht.) Die Revaler Konferenz der Außenminister Lettlands  , Estlands   und Finnlands   hat beschlosien, die unterbrochenen Verhandlungen niit Rußland zum Abschluß eines Garantievertrages wiedeit aufzunehmen. Man stimmt völlig überein. daß der Vertrag Bestimmungen nicht enthalte» darf, die gegen de»
gierungsbilöung. Wo nimmt man Anschlntz? sieht die Volkspartei ein. Sie erklärt in ihrer parteioffiziellen Nationalliberalen Korrespondenz": Das Zentrum hat in einer Reihe von Press etundgebunger, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig liehen, erklärt, daß e» unter keinen Umständen für eine Regierung der sogenann- ten kleinen Rechten, d. h. einer ausgesprochenen Rechts tgali» t i o n, zu haben sei. DieGermania  " hat sogar angekündigt, daß eine derartige Regierung nicht einen Tag im Parlament leben würde, und der parlamentarische Dienst des Zentrums hat in einer besonderen Auslassung ausdrücklich auf den erwähnten Artikel der Germania  " hingewiesen und betont, daß er die Meinung der Reichstagsfraktion des Zentrums wiedergebe. Unter diesen Umständen kann man die Kombination der kleinen Rechten als glatt erledigt betrachten. Kein Der- ständiger könnte der Deutschen Volkspartei   zumuten, sich cm einem solchen aussichtslosen Gebilde zu beteiligen. Die Verworrenheit der Lage, die Tatsache, daß es rechts wie links an klaren Mehrheits- Verhältnissen fehlt, machen es dagegen erforderlich, daß Zentrum und Deutsche Volkspartei  , überhaupt die Parteien der Mitte, bei der Lösung der Krise zusammenarbeiten. Die Mitte wird und muß auch jetzt wieder Kern der zukünftigen Regierung sein. Dollends erscheint uns, wie gesagt, jeder Lösungsversuch von vornherein zur Scheiterung verurtellt, der es dem Zentrum gestattet«, sich der Verantwortung zu entziehe» und doch dabei eine Stellung einzunehmen, die das neu« Kabinett auf Gnade und Ungnade in seine Hand gäbe. Damit wäre man wieder am Ausgangspunkt angelangt. Die Entscheidung liegt beiderMitte, und die Mitte weiß nicht, was si« will. Die Volkspartei möchte gern den Bürger- block, oder, wenn das nicht möglich ist, eine Regierung der Mitte mit einer offenen Tür nach rechts, andere wollen die Große Koalition oder, wenn das nicht möglich ist. eine Re- gierung der Mitte mit einer offenen Tür nach links ein- zeln und schüchtern melden sich einige Stimmen für die Wei- marer Koalition. Stegerwald wird als der Mann ge- nannt, der entweder die Große Koalition oder die Regierung der Mitte machen soll. Wir haben bisher darauf verzichtet, zu all diesen Kombi- Nationen, die täglich wechseln, Stellung zu nehmen. Die ganze Methode, nur von Personen und Kombinationen zu sprechen, scheint uns verfehlt. Man sollte lieber erst fragen, welche Politik im Interesse des deutschen   Volkes notwendig ist und sich dann für diese Politik die Mehrheit suchen. Die S o- zialdemokratie hat darüber bekanntlich ihre eigenen Ansichten, und sie ist ebenso bereit, eine ihr nützlich erscheinende Politik durch sachliche Mitarbeit zu unterstützen, wie sie ent- schlössen ist, eine schädliche mit aller Schärfe zu bekämpfen. Im übrigen kann das ganze Treiben um die Regierungs- bildung sie nur in ihrer Ueberzeugung bestärken, daß sie erst durch dienächstenWahlendie Stellung erringen wird, die ihr gebührt.
Völkerbund verstoßen. Ferner hat die Konferenz die Bildung eines standinavisch-baltischen Staatenblocks zur Wahrung der Interessen im Völkerbundsrat angeregt.
Jaschiftenjuftiz. Einkerkerung und Enteignung eines Drnckereibefitzers. Mailand  . S. Januar.(EP.) Der Druckereibesstzer E s p o st i in Bologna   ist zu fünf Jahren Zuchthaus und Einziehung seiner Druckerei verurteilt worden, weil die Polizei im Ok- tober bei ihm den Satz eines kommunistischen   Manifestes über die russische   Revolution, sowie ein Manifest gefunden hat, das am Tage der Ankunft Mussolinis in Bologna   hätte verbreitet werden sollen. * Diese Manifeste, von denen eines noch dazu von dem freund- schaftlich mit Mussolinien verbündeten Sowjetrußland handelte, sind offenbar beide gar nicht gedruckt und verbreitet, sondern schon vor ihrer Fertigstellung der Polizei verraten, wenn nicht gar auf ihre Bestellung angefertigt worden!_
Imperialistische vorwänüe. Begründung" der Einmischung in Nicaragua  . Mashinglon. 5. Januar.  (Reuter.) In der Umgebung des Präsidenten Coolidge   wird die Meinung vertreten, daß die Der- einigten Staaten gezwungen sind, ihre Politik gegenüber Nicaragua  zum Schutze des Lebens und Eigentuins der amerikanischcn Staats- angehörigen fortzusetzen, zumal zahlreiche Nordamerilaner dort hohe Positionen inne hätten. Außerdem hätten die Vereinigten Staaten   Rechte in Nicaragua  , da sie über drei Millionen Dollar zum Bau eines Kanals, der die Westküste mit der Ostküsie ver- binden soll und zur Anlegung einer Ma r i n e b a s i s in der Bucht von Fonseca bezahlt hätten. Die Magdeburger   Disziplinarsache. In der seit Monaten schwe- benden Disziplinaruntersuchung gegen die Magdeburger Richter H o f f m o n n und Kalling hat der Generalstaatsanwalt in Naumburg   jetzt die Anichiildigungsjchrift fertig- gestellt und an den Difziplinarsenat beim Oberlandesgericht Naumburg   weitergegeben.
Mein Prozeß. Nach der Entscheidung deS Reichsgerichts. Bon Felix Fechenbach  . Wir geben dem Genossen Fechenbach in seiner eigenen Angelegenheit um so lieber das Wort, als wir feit Jahren von seiner Unschuld überzeugt sind und sür ie gekämpft haben.(Red. desVorwärts".) Die nach einem vierjährigen Kampf herbeigeführte Ent- scheidung des Reichsgerichts hat das vom Münchener   Volks- gericht gegen mich gefällte Zuchthausurteil aufgehoben. Der 5. Strafsenat hat in seinem Beschluß ausdrücklich festgestellt: Die Verurteilung des Fechenbach wegen Veröffentlichunq des Ritter-Telegramms(10 Jahre Zuchthaus. Die Red.) ist zu Unrecht erfolgt." Demgegenüber vergegenwärtige man sich die Ausführungen des Staatsanwalts, der in seinem Plä- doyer, nachdem er 15 Jahre Zuchthaus   beantragt hatte, er- klärte:Ich bedauere, daß mir die gesetzlichen Bestimmungen nicht gestatten, eine höhere Strafe zu beantrage.i." Als kurz nach der Urteilsverkündung der Republikanische Richterbund in einer öffentlichen Erklärung gegen Verfahren und Urteil protestierte, nahm der Deutsche Richterbund   das Volksgerichtsurteil in einer Gegenerklärung in Schutz und erhob gegen den Republikanischen Richterbund   den Vorwurf des Eingriffs in die Rechtspflege. Es entbehrt nun nicht eines gewissen Reizes, daß der Reichsgerichtsbeschluß, der ausdrücklich feststellt, daß die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei. vom ersten Vorsitzenden desselben Deutschen   Richter- bundes, vom Senatspräsidenten Reichert, mitunter- zeichnet ist. - Der Spruch des Reichsgerichts ist eine schwere Nieder- läge für die politisierte bayerische   Justiz. Das um so mehr, als das Bayerische Oberste Landesgericht   in seinem Gut- achten vom 30. Oktober 1323 keinerlei rechtliche Einwendungen gegen das Volksgerichtsurteil finden konnte und der Wieder- aufnahmeantrag in erster Instanz vom Landgericht München I   abgewiesen worden war. Erst die sofortige Be- schwerde zum Reichsgericht brachte den Erfolg. Trotzdem kann der Beschluß des Reichsgerichts nicht voll befriedigen. Die Verurteilung zu 10 Jahren Zuchthaus   wurde zwar als zu Unrecht erfolgt erklärt, aber mit der rein formal-juristi- scheu Begründung der Verjährung nach 8 22 des Preß- gefetzes. Selbst wenn der Senat mit Rücksicht auf den 8 22 des Preßgesetzes erklären mußte, daß überhaupt nicht ver- handelt werden dürfe, so war es angesichts der außerordent- lich schweren Rechtsverletzung durch das Volksgericht doch notwendig, auch die Schuldfrage zu prüfen. Es steht heute fest, daß die entscheidendenFeststellungen" des Volksgerichts. auf die sich das Urteil stützte, absolut irrig, wenn nicht will- kürlich waren. Trotzdem liest man im Beschluß des Reichs- gerichts wiederholt die Wendung:Vorausgesetzt, daß die Feststellungen des Volksgerichts richtig sind.. Nicht mit einem einzigen Satz geht das Reichsgericht auf dieseFest- stellungen" ein. Wäre es geschehen, dann hätte der Senat die Konsequenz ziehen und erklären müssen, daß auch dann, wenn Verjährung nicht in Frage käme, auf F r e i s p r u ch hätte erkannt werden müssen. Das aber gerade wurde ge- flissentlich oermieden, und ich bin überzeugt davon, daß die Juristen einen Paragraphen ausfindig zu machen wissen, aus dem sich nachweisen läßt, daß das Reichsgericht zu einer solchen Erklärung zwar berechtigt, aber nicht mit zwingendem Recht verpflichtet sei. In der Sache Gargas wurde die sofortige Beschwerde gegen den Landgerichtsbeschluß vom Reichsgericht für unbc- gründet erklärt. Hier handelt es sich um die politische Be- richterstattung an das Bureau Gargas. Diese Berickste ent­hielten keine Geheimnisse, sondern politische Informationen, die man im wesentlichen auch aus der Tagespresse entnehmen konnte. Um so merkwürdiger muten manche Sätze aus der Begründung des reichsgerichtlichen Beschlusses an. So heißt es zu den Berichten über ungesetzliche Zustände in den bayeri- scheu Einwohnerwehren, diese seien in der Regel nur dann im Interesse des Reichswohles geheimzuhaltende Tatsachen im Sinne des§ 32 StGB., wenn ausdrücklich oder stillschweigend der Vorwurf erhoben wird, daß die Regierung solche ungesetzlichen Zustände begünstige." Die Notwendigkeit der Geheimhaltung wird dagegen ver- neint, wenn der Vorwurf der Billigung ungesetzlicher Zu- stände nur nachgeordneten Amts- oder Kommandostellen ge- macht wird. Run steht das Reichsgericht aber gerade in der Betonung der Beziehungen von Orgesch und Ein- wohnerwehr zur Reichswehr   Nachrichten,die, wenn sie auf Wahrheit beruhten(!!), unbedingt die Kenntnis und Duldung der Reichsregierung voraussetzen". Und an einer anderen Stelle: Berichte von der Art der Fechenbachschen mußten die aus- wärtigen Regierungen in dem tatsächlichfalschcn(!!) Glauben bestärken, daß diese Verbände entgegen den Erklärungen der deutschen  Regierung militärisch organisiert seien, und daß die Einzelheiten der Organisation von der deutschen   Regierung geheimgehalten würden, um den militärischen Charakter der Verbände nicht offenbar werden zu lassen." Es gehört schon allerhand dazu, heute, nachdem die Er- gebnisse der Verhandlungen in den Femeausschüssen des Reichstags bekannt sind, in Abrede zu stellen, daß die baye- rischen Einwohnerwehren militärisch organisiert waren und Beziehungen zur Reichswehr   unterhalten haben. Außerdem lassen sich mit Sätzen, wie die oben zitierten, ungezählte Landesverrotsanklagen gegen dasBerliner Tageblatt"«