Abendausgabe
Nr. 944. Jahrgang Ausgabe B Nr. 4
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( 10 Pfennig
Donnerstag
6. Januar 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
.bundans 6
Ordens- und Titelsegen.
Ein Dementi der Regierung.
Das Gesetz nur vertagt.
*** Das Spiel um Curtius.
Beauftragt erledigt!- Erledigt beauftragt! Was ist mit Curtius? Das Spiel, das um ihn herum dadgetrieben wird, beginnt unterhaltsam zu werden.
Man schüßt außenpolitische Intereffen vor, wenn man von dem neuen Ordens- und Lifelfegen spricht. Angeblich will man hauptsächlich ins Ausland Orden verleihen, um„ deutsch - Jahre Gesetz jedoch angenommen, so zweifeln wir feinen Augenblick freundliche Gesinnungen" zu wecken und zu hegen. Bürde das daran, daß sich bald über ganz Deutschland ein Ordensund Titelse gen ergießen würde, der natürlich das Bolt wieder in Deforierte und Gemeine teilte.pitchfinit
Die Reichsregierung läßt die Pressemeldung, daß sie einen Wer ist Curtius? Rechtsanwalt beim Kammergericht in Gefeßentwurf zur Aufhebung des Orden- und TitelverJahre alt, Reichstagsabgeordneter seit 1920, zurzeit ReichsBerlin, geborener Duisburger , wird am 7. Februar fünfzig leihungsverbotes, das in der Reichsverfassung steht, bereits zeichnen. Das Reichsfabinett habe sich einmal, und zwar, als nalen das berühmte Geschäft über den Dames Balt abgenehmigt und dem Reichsrat übermittelt habe, als falsch bewirtschaftsminister. Politisch hervorgetreten ist er eigentlich nur einmal, nämlich als die Volkspartei mit den Deutschnatioes auch schon nur noch geschäftsführendes Kabinett war, furz mit dieser Sache beschäftigt und habe entschieden, Schloß. Die Deutschnationalen stellten damals zur Verabschiedaß diese Angelegenheit nicht von einem nur gefchäftsdung des Berftlavungsgefeges" 49 Stimmen und erhielten führenden Kabinett erledigt werden könne; bis jetzt liege nur Es wäre die Pflicht des Reichsministers des Innern und dafür vier Ministerportefeuilles. Unterhändler auf volksparteiReichstanzlei, er bleibe aber dort liegen, bis der Innenminister fassungsverhöhnung entschieden entgegenzutreten Auftrag der Fraktion, das zu ergründen bleibt der fünftigen ein Referentenentwurf aus dem Reichsinnenministerium in der der Gesamtregierung gewesen, der bayerischen Berlicher Seite waren damals Curtius und Zapf. Wie weit sie damals dem Zug des eigenen Herzens folgten, wie weit dem der nächsten Reichsregierung sich entschieden haben werde. und durch den Staatsgerichtshof in Leipzig feststellen zu Geschichtsschreibung vorbehalten. Die geschäftsführende Reichsregierung wird sich ebenso lassen, daß die sämtlichen neuen Titel in Bayern , die wie ihre Nachfolgerin darüber klar sein, daß jedes Gesetz beim letzten Jahreswechsel gleich hundertweise verliehen wor zur Wiedereinführung von Titeln und Orden eine Verden sind, dem flaren Wortlaut der Verfassung widersprechen fassungsänderung darstellt und zu feiner Durch- und deswegen null und nichtig seien. Statt diese selbst führung die verfassungsändernde Mehrheit des verständliche Pflicht zu erfüllen, hat sich der demokratische Reichstags braucht. Die große amerikanische Re- Reichsinnenminister Rülz vielmehr mit Eifer darauf geworfen, publit tommt bisher ohne Titel und Orden aus. Ihre Bot den bayerischen Unfinn für ganz Deutschland fchafter bedürfen fogar nicht einmal des Diplomaten einzuführen. Daß er selbst nicht mehr in der Lage ist, das frads, um entsprechendes Ansehen zu genießen. Soll Gefeß dem Reichstag vorzulegen, ist ein persönliches MißDeutschland wrtlich alle die fleinen Kinterlichen des geschic. Er hätte sonst neben dem Schmuggefeß auch Kaiseriums wieder einführen, nur weil es den bürger noch den Ordenssch und in die Geschichte mit übernoch den Ordenssch und in die Geschichte mit überlichen Regierungen an Bürgerstolz fehlt?
nommen.
Amerikanischer Flottenimperialismus.
Die Intervention in Nikaragua und die Erhöhung der Marineausgaben.
Gestern ließ das Staatsdepartement in Washington die Maske der Neutralität fallen. Bisher war die Landung amerikanischer Marinetruppen in Nicagarua damit begründet worden, daß es gelte, Leben und Eigentum amerikanischer Bürger zu schüßen". Partei solle in dem Kampf zwischen den Liberalen und dem Er prsidenten Diaz nicht ergriffen werden. Gestern hat Washington Diaz die Einfuhr eines Flugzeuges(!), tausend amerikanischen Gewehren, 160 Maschinengewehren und mehreren Millionen Patronen erlaubt. Diese offene Barteinahme wird dadurch er gänzt, daß amerikanische Truppen die Hauptstadt Managua besetz ten, so daß die siegreichen Liberalen sie nicht einnehmen können. Der amerikanische Admiral hat außerdem den Auftrag bekommen, oufzupassen, daß die neutrale", von ihm überwachte Küstenzone nicht von den Liberalen zur Einfuhr von Waffen„ mißbraucht" wird. Daß die amerikanische Marineleitung gerade jetzt in den mittelamerikanischen Gewässern Flottenmanöver, an denen sich 60 Schlachtschiffe, Kreuzer und Zerstörer beteiligen, abhält, zeigt, daß der amerikanische Imperialismus offener als jemals feine Macht mittel geçen die lateinamerikanischen Staaten gebrauchen will. Er versucht nur noch schwächlich, seine Maßnahmen zu rechtfertigen. Die Tatsache, daß der englische und italienische Gesandte in Nitaragua um Schuß der Ausländer gebeten haben, wird zum Beispiel propagandistisch in eine Zustimmung dieser europäischen Mächte zu feinem Borgehen umgefälscht.
In den Bereinigten Staaten selbst scheinen die de motra. tischen Gegenträfte gegen die imperialistische Außenpolitif im Augenblic unterlegen zu sein. Borah nähert sich an fcheinend immer mehr dem Standpunkt der Regierung. Jedenfalls hat Staatssekretär Rellog noch nicht vor dem von ihm geleiteten Auswärtigen Senatsausschuß erscheinen müssen, um fich zu recht fertigen. Borah selbst hat sich nach der geftrigen Sigung damit begnügt, zu erflären, daß durch die militärische Intervention die Monroedottrin nicht verlegt worden sei. Aber da feine europäische Regierung in Amerita interveniert hat, so bedeutet das nur, daß Borah die Monroedoktrin damit der Welt in Erinnerung rufen und vor einer Einmischung Europas und des Bölkerbundes in panamerikanische Kämpfe warnen wollte.
Nicht zufällig wird gleichzeitig mit dem Flottenvorstoß in Mittelamèrifa die Debatte über die Erhöhung des Marinehaus halts wieder lebhaft. Wie die nachfolgenden Meldungen zeigen, ist es schon zu extremen Forderungen und sogar zu Zusammenstößen der Marinefreunde mit dem Präsidenten gekommen, der gegen Kreuzerneubauten ist und an seinen bisherigen Boranschlägen festhält. Der Geist der Abrüftung ist tot das Rennen hat begonnen." Washington , 6. Januar. ( WEB.) Der Marineausfuh des Repräsentantenhauses hat eine Entschließung angenommen, in welcher er sich für eine Erhöhung der Zahl der Geschüße auf allen älteren Schlachtfchiffen der Vereinigten Staaten ausfpricht, um mit den britischen Schiffen auf gleiche Höhe zu kommen. Der Borsigende des Ausschusses Butler führte bei der Beratung aus, daß Hughes als Staatsjeftefär zwar im Jahre 1924 erklärt habe, eine Erhöhung der Bestücung verstoße gegen den Bertrag von Washington Der Geist dieses Vertrages aber sei tot und das Rennen habe begonnen. Es sei höchste Zeit, dah Amerika die Führung übernehme.
Washington , 6. Januar. ( WTB.) Präfident Coolidge hat gestern Dor einer Ueberschreitung der Haushaltsvoranschläge für die Marineausgaben gewarnt. Er richtete an den Marineberichterstatter des Repräsentantenhauses, French, ein Schreiben, in dem er erflärte, die
Im übrigen gilt Herr Curtius als ein Mann von Mittelmaß, entschiedener Anhänger Stresemanns ohne befonders start ausgeprägte politische Eigenart.
Bon diesem Curtius wurde nun vor einigen Tagen behauptet, er wolle ein Kabinett der Mitte bilden, das Anschluß nach links suchen werde mit Groener als Reichswehrminister, Birth als Finanzminister, Koch als Innen
minister.
Diese Nachricht schien manchen Redaktionen der Rechtspresse jo glaubwürdig, daß sie sich bei der Volkspartei besorgt nach ihrem Wahrheitswert erfundigten. Das Ergebnis war, wie man erwarten durfte, negativ. Die Volkspartei bleibt dabei, nur eine offene oder verschleierte Rechtsregierung bilden zu wollen. Herr Curtius, als getreuer Fraktionsmann, wird leine andere Lösung versuchen.allt mit
Gestern meldete der Tag", die Kandidatur Curtius sei erledigt. Heute aber berichtet die, wie es scheint, besser unter richtete ,, Tägliche Rundschau":
Wie schon gestern gesagt, steht für diesen Fall( daß eine Ra gierungsbildung durch Deutschnationale oder Sozialdemokraten nicht Festseßungen des Budgets entsprächen dem, was er nach reiflicher gelingt. Red. d. B.") die Berufung des bisherigen WirtschaftsErwägung für das richtige halte, und er fühle sich verpflichtet, fie in ministers Dr. Curtius im Vordergrund, man kann fie fogar für geihrer gegenwärtigen Form zu verteidigen und zu unterstützen. fichert halten. An welchem Tage fie erfolgt, ist unbestimmt. Wenn Der Abgeordnete Britten, Mitglied des Marineausschusses aber die Vorfrage sich rasch erledigt, so fann man mit ihr schon für des Repräsentantenhauses, hat die Mahnung des Präsidenten an den 10. Januar rechnen. Es versteht sich von selbst, daß Dr. Curtius scheinend als Herausforderung empfunden; er erklärte heute im Re- nicht sofort zum Reichskanzler ernannt, sondern vielmehr mit der präsentantenhaus: Wenn der Präsident auf falschem Wege Aufgabe betraut wird, eine Regierung zu bilden. Die Ernennung ist, so werde ich mich weigern, ihm Gefolgschaft zu leisten. Ich weiß zum Reichskanzler erfolgt gewohnheitsgemäß erst dann, wenn ein über Flottenfragen beffer Bescheid als der Präsident. Der Zeitpunkt Zustandekommen der Regierung gesichert ist. Es ist einigermaßen ist gelommen, wo die Gelder für die Beschaffung der neuen Kreuzer auffallend, daß die Kandidatur Dr. Curtius auch in einem Teil der bewilligt werden müssen." Britten nahm dann Bezug auf eine Er- Rechtspresse auf Kritit und Ablehnung stößt. Es wird flärung des Konteradmirals Bloch, die dieser kurz vorher abgegeben fogar behauptet, die Kandidatur fei erledigt, da Dr. Curtius in bezug hatte. Admiral Bloch, der Leiter der artilleristischen Abteilung des auf die Bildung des Kabinetts nicht mehr mit der Auffassung des Marineminifteriums, hatte erklärt, die Flotte der Bereinigten Staaten Fraktionsvorstandes der Deutschen Boltspartei übereinstimme. Diese bestehe zurzeit aus 2206 Einheiten, unter denen einige noch aus der Behauptung zeugt von einer weitgehenden Unkenntnis der tatsächZeit von der Seeschlacht von Manila stammten, und er hatte hinzu- lichen Vorgänge. Die Berufung von Dr. Curtius zur Regierungsgefügt:„ Ein einziges modernes Schiff genügt, um sie bildung ist dem Fraktionsvorstand der Deutschen Volkspartei nicht alle zu vernichten." nur bekannt, sondern von ihm auch gebilligt worden. Dabei versteht es sich für jeden vernünftigen Menschen von selbst, daß die angebliche Ministerliste, die Dr. Curtius in einigen Blättern zugeschrieben wird. entweder auf reiner Kombination oder auf der Tendenz beruht, die Berufung von Dr. Curtius in ein falsches Licht zu feßen... Die deutschnationale Presse könnte wissen, daß Dr. Curtius nicht mit der Absicht ans Werk gehen wird, ein nach links orientiertes Kabinett der Mitte zu bilden.
Das Repräsentantenhaus begann dann, den Gesezentwurf abschnittsweise zu beraten. Berschiedene Abschnitte, darunter einer, der sich für die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Mannfchaftsbestandes der Flotte ausspricht, wurden angenommen. Dagegen wurde die Beratung der Abschnitte, bei denen noch größere Meinungsverschiedenheiten zu erwarten find, vertagt.
Präsident Coolidge erläuterte später die Absicht, die er mit seinem Schreiben an French verfolgt habe. Er erklärte, er habe den Eindrud beseitigen wollen, als habe er seit der Abfassung sciner Botschaft über den Staatshaushalt seine Haltung in der Frage der Bewilligungen für die Flotte geändert. mit
Japan lehnt Englands Chinapolitik ab.
Es besteht auf seinem Schein. Condon, 6. Januar. ( WTB.) Der diplomatische Bericht erstatter des„ Daily Telegraph " schreibt: Eine japanische Anfwort auf das Memorandum ist in London noch nicht eingetroffen. Jedoch hat in den diplomatischen Besprechungen die japanische Regierung feinen Zweifel darüber gelaffen, daß Japan zwar weiter zu den Entschließungen von Washington und zu einer freundschaftlichen Politit gegenüber der chinesischen Nation stehe, daß fie es aber ablehnen müffe, im gegenwärtigen Augenblick fich einem Kollettivschritt anzuschließen, wie er in der britischen Denkschrift vorgeschlagen werde. Japan müffe fich gegen irgendwelche offizielle Ermächtigung zur Erhebung der Washingtoner 3uschlagszölle erklären. Der japanische Minifter des Aeußeren habe ferner Bedauern darüber ausgesprochen, daß Großbritannien sich nicht für die Abhaltung einer halbamilichen Konferenz zwischen den Washingtoner Vertragsmächten und technischen Delegierten aus ganz China über die 3ollfrage erklärt habe. Zur Frage der erterritorialen Rechte habe er bemerkt, daß Japan es nicht für opportun oder möglich halte, im gegenwärtigen Zeitpunkt auf die egterritorialen Redhte in China 3 u verzichten, ebensowenig auf die juristischen Sicherungen die den japanischen Staatsangehörigen unter den bestehenden Berfrägen zugute tommen.
frage für das widerrechtlich enteignete Stickstoffwert Chorzów sind Die deutschpolnischen Berhandlungen über die Entschädigungswieder aufgenommen worden. Am 7. Januar beginnen auch die feit zwei Jahren ohne sichtbares Ergebnis geführten deutsch - polnischen Wirtschaftsverhandlungen wieder einmal.
Wenn der Ruf zur Regierungsbildung an Dr. Curtius ergeht, so wird zunächst der Versuch gemacht werden, ein Kabinett auf der Grundlage einer Koalition sämtlicher bürgerlicher Parteien zu bilden. Ob dieser Versuch gelingen wird, wird nach den vorausgegangenen Erfahrungen start bezweifelt. Die Zentrumspreffe läßt jedenfalls teine Gelegenheit vorübergehen, ohne eine Absage an die Adresse der Deutschnationalen zu richten. Wie sich das Zentrum endgültig entscheiden wird, muß man aber noch abwarten. Sagt es nein, so wird nur noch der Versuch übrig bleiben, ein Kabinett der Mitte zu bilden. Nach welcher Seite dieses Kabinett orientiert sein wird, ist heute noch eine müßige Frage. Sichern die Deutschnatio nalen ihm wohlwollende Neutralität zu, so wäre ein solches Kabinett durchaus lebensfähig. Es fönnte sogar der Ausgangspunkt einer neuen innerpolitschen Entwicklung werden. Es wird bei den Deutschnationalen stehen, ob es dazu kommt. Gegen eine Orientierung nach fints fprechen außer schwerwiegenden fachlichen Gründen auch die Streitfragen, die sich an die Besetzung des Reichswehrministeriums und an die Person des Reichswehrministers gefnüpft haben. Dr. Geßler wird den Sozialdemokraten nicht preisgegeben werden. Die Beauftragung des Herrn Curtius ist also gewiß. Benn man aber der Germania" glauben darf, ist sie auch schon wieder erledigt Für eine Rechtsregierung tommt Herr Curtius nicht in Frage, weil das Zentrum eine Rechtsregierung nicht will, und für eine Regierung der Mitte tommt Herr Curtius nicht in Frage, weil das Zentrum Herrn Curtius nicht will Die ,, Germania " verweist auf die ,, Deutsche Tageszeitung", in der gesagt wird, daß sich die Deutschnatio nalen auf eine verschleierte Rechtsregierung nicht einlassen werden, und fährt dann fort:
Wir vermuten, daß die Deutsche Tageszeitung" die Stimmung der deutschnationalen Reichstagsfraktion richtig wiedergibt. linter daß auch, diefer Plan undurchführbar ist. Es wird daher von diesen Umständen wird Herr Dr. Curtius zu der Erkenntnis kommen, volksparteilichen Blättern auch schon der Vorschlag gemacht, die Regierung auf der bisherigen Grundlage wiederherzustellen und dann fofort eine neue Entscheidung im Reichstag zu suchen. Das scheint,