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heitsöeraubung aufgefaßt wissen wollten. Sie haben denn auch, wenn sie von sozialistischen Parteiführern um ihren Rat über Fragen der Parteitaktik angegangen wurden, ihn stets in diesem Sinne erteilt, das heißt, nie die taktische Formel über die große politische Aufgabe siegen lassen. Unter anderem legt davon Zeugnis ab ein Brief, den Engels mir am 23. Mai 1884, als eine Neu- wähl des Reichstags vor der Tür stand, über die Wahl- t a k t i k der Partei schrieb. Die betreffende Stelle lautet: Singer war hier, ich habe ihm unter anderem meine Ansicht wegen der Taktik bei Stichwahlen gesagt. Ich halte es nämlich für Unsinn, dafür eine für alle Fälle gültige Regel aufstellen zu wollen. die ja auch in Wirklichkeit nie eingehalten wird- Wir haben da eine große Macht in der Hand, die total unbenutzt bleibt, wenn Wahl- enthaltung in allen Fällen proklamiert wird, wo keiner der Unseligen in Stichivahl ist... Ich sagte ihm sogar, daß z. B. in Orten wie Berlin , wo der Wahlkampf ganz zwischen uns und dem Fortschritt (dem Vorläufer der heutigen Demokratischen Partei. Ed. B.) liegt, Verträge vor der Hauptwvhl nicht ausgeschlossen seien: ihr tretet uns diese Wahlbezirke ab, dafür wir euch jene natürlich nur, wenn man auch darauf rechnen kann, daß es eingehalten wird. ltSas mir ungeschickt erscheint, ist nur dies: auf Kongressen im vor- aus allgemein güllige Regeln aufstellen wollen für taktische Fälle, die der Zukunft angehören." Wenn man sich vergegenwärtigt, wie sehr und um welchen Zweckes willen der zuletzt entwickelte Vorschlag von der da- mals und noch später in der deutschen Sozialdemokratie vor- herrschenden Ausfassung hinsichtlich der bei Wahlen zu beob- achtenden Taktik abwich, so wird man keinen Augenblick dar- über im Zweifel sein, wie sich Friedrich Engeis heute zur Frage der Koalitionspolitik stellen würde. Er würde den Ent- scheid von keiner Rücksicht auf formale Gesichtspunkte, sondern nur von der voraussichtlichen Rückwirkung auf die all- gemeine politische Lage und Entwicklung ab- bänaig machen. So haben er und Marx in allen Fällen ent- schieden, wo doktrinäre Spekulationen und scheinradikale Schlagworte gegen das große politische Interesse der Arbeiter- klaffe an der V e r w i r k l i ch u n g und Befestigungder Demokratie ausgespielt wurden, haben sie schon im Manifest selbst im Zlbschnitt über den sogenanntenwahren" Sozialismus solchen Doktrinarismus auf das schärfste ver- urteilt. Sie waren nicht blind gegen die Schwierigkeiten der von ihnen für notwendig erkannten Politik und daher auch frei davon, die Voraussetzungen zu unterschätzen, die gegeben sein mußten, sollten die für die Durchführung dieser Politik er- forderten Schritte ihren Zweck erfüllen. Der Satz im oben zitierten Stück,natürlich nur, wenn man auch darauf rechnen kann, daß es«ingehalten wird", spricht dafür deutlich genug. Ihn sollten sich auch die Mittelparteien gesagt sein lassen, die die Notwendigkeit der Erhaltung der Republik für Deutsch - land erkannt und begriffen haben, daß diese ohne die Sozial- demokratie auf die Dauer nicht sichergestellt werden kann. Man ist in jenen Kreisen nur zu geneigt, Forderungen, welche die Sozialdemokratie in einer Koalition stellen muß, soll sie sich nicht selbst aufgeben, als Sache bloßer Laune oder eines Affitationsbedürfnisses des Tages zu betrachten und zu be- handeln. Es ist nicht genug davor zu warnen, dieser Neigung n« chzugeben. Die Sozialdemokratie hat Beweise genug dafür geliefert, daß sie'den bürgerlichen Mittelparteien keine Opfer zumutet, die sie nicht bringen können, ohne an ihrer Seele Schaden zu nehmen, sie m u ß und darf daher d a s g l e i ch e von ihnen verlangen. Vergesse man nicht, daß ohne die Lehre vom Klassen- kämpf, wie Marx und Engels sowie auch Ferdinand Lassalle sie ihr verkündet haben, die Sozialdemokratie in Deutschland nie die große, einheitliche und weitschauende politische Partei geworden wäre, die sie heute zum Segen des deutschen Volkes ist._

Ein Vertreter der Sowjetregicrung ist in Ria de Janeiro«in- getroffen, um Handelsbeziehungen mit Brasilien anzuknüpfen.

Partei yalb-unö-yalb. Deutschnational die einen für, die andern gegen! Die Erklärung des Grasen von Seidlitz-Sond- r e tz k y, die wir im Morgenblatt wiedergaben, läßt keinen Zweifel darüber, daß die f ü h r e n d e Gruppe in der Deutsch - nationalen Partei unentwegt a» der monarchistischen Propaganda und an der Gegnerschaft gegen die Verständigungspolitik festhalten will. Besonders, da sie gleich- zeitig durch die Abschüttelung Loebells unterstrichen wurde. Jetzt kommt aber aus Wiesbaden die Meldung, daß dort der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Dr. v. D r y- ander aus Anlaß der Stadtverordnetenwahlen eine Rede gehalten, in der er nach dem Bericht derKölnischen Zeitung " erklärte, daßdie Deutschnationale Partei heute auf dem Boden der Republik st ehe und daß sie de nheutigcnStaatalsihren Staatbetrachte. Aus dieser Einstellung leitete Dr. von Dryander den dringen- den Wunsch der Deutschnationalen Partei her, an d e r R e- gierungbeteiligtzu sein, und rügtediedeutsch- nationalen Kreise, die bisher den Reichsminister des Aeußeren Dr. Stresemann immer wieder angegriffen haben. Dr. Stresemann brauche alle Autorität, einmal als Außenminister, zum anderen Mal auch als Vorsitzender einer Partei, mit der sich die Deutschnationalen auf das innig fte verbunden fühlten." An dieser Aeußerung Dryanders ist zweierlei interessant: erstens, daß die von i h m vertretenen Deutschnationalen im Gegensatz zu Westarp die Republik anerkennen und sie gar als«ihren Staat" betrachten: zweitens, daß die Deutschnationalen sich mit der Partei Scholzaufs innigste verbunden" fühlen! Nun mögen die Westarp-Leute sich mit Dryander und Loebell auseinandersetzen. Für uns aber wie für jeden Re- Mblikaner bedarf auch der zweite Teil der Ausführungen de- sonderer Beachtung: Scholz ist gleich Westarp, Westarp gleich Scholz! Auch wenn es noch einige Reibungen geben sollte. Zentrum gegen lturtius. In einer Auseinandersetzung mit der Hugenberg-Presse, die noch immer für eine Reichskanzlerschaft Curtius Reklame macht, wiederholt dieGermania " ihre Ansicht, daß ein Ka- binett Curtius keine Aussicht habe, vom Zentrum unter- stützt zu werden. Und sie fügt hinzu: Eine gesamtbürgerliche Regierung Turtius wäre eine ausgesprochene R e ch t s r e g i e r u n g, die für das Zentrum bestimmt nicht in Frage kommt. Ist eine Regierung mit den Deutschnationalcn für das Zentrum an sich schon eine u n v e r- baulich« Angelegenheit, so ist diese Regierung mit dieser volkspartellichen Spitze für da» Zentrum erst recht völlig unmöglich. Aber auch eine Regierung der Mittel Parteien unter Curtius müßte ihren Schwerpunkt nach rechts verlegen, und man kännte von einer Mlttelregicrung kaum noch reden. Auch diese ver- sästebung der polttischen Kräfte wird das Zentrum nicht mitmachen. Das ist unsere Meinung, hinter der, demLokal-Anzeigcr" sei es zwecks Vermeidung überflüssiger Dementis gesagt, kein o f f i- z i e l l e r Beschluß der Fraktion steht, die sich aber de ck t m i t d e n Auffassungen maßgebender Führer der Partei." Nun wird das Rätselraten nm die Kabinettsbildung weitergehen können. Eine Entscheidung wird selbswerständ- lich erst erfolgen, wenn der Reichstag wieder zusammentritt und aus diesem Grunde auch die Fraktionen wieder beraten können._ Der Koburger bestätigt. In der demokratischen Presse wurde kürzlich anschaulich geschil- dert, wie der Herzog von Sachse n-Koburg-Gotha seine Bezüge und das ihm vom Staat zur Verfügung gestellte Schloß dazu verwendet, um P u t s ch j u n g e r n in jeder erdenklichen Weise zu

Hessen . Der Her? Herzog geruhen setzt zu bementkere«. Er denkt nicht daran,politisch" zu sein. Nichts liegt ihm ferner als politische Betätigung. Er ist lediglich Mitglied desStahlhelm" und derF r o n t f o l d a t e n". Der Hcr- Herzog haben recht.Stahlhelm " undFrontsoldaten" sind unpolitisch, gänzlich unpolitisch. Wie könnten sie sonst die Lieb- lingskindcr der garantiert unpolitischen Reichswehr fein? Der Herr Herzog haben recht. Die Pulichfreunde find unpolitisch, gänz- lich unpolitisch und ihre Aktionen höchst legal obendrein. Wie könnte sonst ein deutsches Gericht, dessen Objektivität und Scharfblick außer Frage stehen, einem L ü t t w i tz Gehalt und Aufwertung für die Teilnahme am Kapp-Putsch zusprechen? Es wäre nicht erstaunlich, wenn ein hohes Gericht dem Äoburgcr ob dieser Erklärung eine Aufwertung seiner Bezüge zuerkennen wurde.

Schwarzweißrote Empörung. Z�ürdie Nationalflagge darf kein Geld ansgegcbe« werde«! DieDeutsche Tageszeitung" hat reichlich spät entdeckt, daß neben dem schwarzweißroten Flaggencrlaß des Herrn Luther auch ein preußischer Flaggcnerlaß besteht, der es den Schulen zur Pflicht macht, bei besonderen Anlässen die Reichssahne zu zeigen. Wo noch keine Nationalflagge vor- Hemden ist, soll sie angeschafft werden. Dos Kultusministerium ist bereit, im Bedürstigkeitsfalle die Mittel zu erstatten- Darüber gerät das Agrarierblatt ganz aus dem Häuschen. Es rechnet vor, daß die Beschaffung der Reichsfahne für die Landschulen allem eine Summe von 1,2 Millionen Mark beanspruchen würde, und dafür sei bei derallgemeinen Notlage" tem Geld da. Daß die Agrarier stets zugeknöpfte Taschen haben, wenn es sich um den Staat handelt, war auch ohne den Notschrei derDeut- schen Tageszeitung" bekannt. Die Junker werden es sich deshalb gefallen lassen müssen, daß der Staat für sich sorgt, ohne sie um Rat zu fragen. Die Rechnung derDeutschen Tageszeitung" setzt voraus, daß die Landschulen noch nicht im Besitz der Reichssahna und auch nicht willens sind, sie anzuschaffen. Das ist ein« Vi i ß- a ch t u n g der Nationalflagge, die sich, um In der Sprache des Agrarierblattes zu sprechen, c�p ehrliebendes Volk nicht gefallen lassen kann. Das Auitusministerlum hat also allen Grund, die Zu- stände in den Landschulen etwas genauer auss Korn zu nehmen und die Anstalten vor dem Terror der deutschnationalen Sippschaft zu schützen. Das Organ der Landbündler hat noch andere Sorgen. Die preußische Regierung ist der Frage nähergetreten, ob es nicht dien- lich wäre, zur Verbreitung der Reichsfarben in den Nordseebädern die staatlich unterstutzten Kinderheime mit kleinen Nationalflaggen zu versehen. Das ist nun schon gar nicht auszudenken und dieDeutsche Tageszeitung" tobt: Man scheut sich also nicht, unschuldig« Kinder zu össentlichen Demonstrationen von Amts wegen zu gebrauchen. Damit ist allerdings der Gipfel republikanisch- pädagogischer Entgleisungen erreicht. Das e r ste Aufkeimen nationalen Empfindens soll schon«n der Kinderseele getötet werden. Schrecklich, wirklich schrecklich! Daserste Aufkeimen nationalen Einpsindens" wird durch eine Versorgung der Kinderheime mit Nationalflaggen getötet, die preußische Regierung läßt sich die Der- breitung der Reichsfahne angelegen sein es wird Zeit, daß sich die Deulschnationalen an der Reichsreglerung beteiligen! Dann wird's richtig. Eine Zeltschrift der polnischen Minderheitsvölker erscheint unter dem TitelRatio in Warschau . Sie erscheint monatlich, hat sich die Wahrung der Interessen und Verteidigung der Rechte der in Polen lebenden nationalen Minderheiten zur Ausgabe gemacht und bringt Aussätze in vier Sprachen tpalnisch, englisch, französisch und deutsch ). Die führenden Politiker der in Polen wohnhasten Deut- schen, Ukrainer , Weißrussen , Litauer und Juden arbeiten mit. Den vudapesler Frankensälschern wurde am Freitag zunächst ein Strafaufschub von zwei Monaten gewährt. Die völlige Bc- gnadigung der Fälscher wird insbesondere von einer Gruppe rechts­stehender Persönlichkeiten betrieben, die angeblich bereits 2M00U Unterschriften für ein Gnadengesuch gesammelt hat.

Line neue Museumsöebalte. Der Berliner Museumsdirektor Prof. Dr. Oskar Wulff scheidet aus dem Kaiser-Friedrich-Museum aus. Der Gelehrt« stellt sich mit seinem Rucktritt in Gegensatz zu der Museums- »crwaltung und ihren Grundsätzen und er rnmmt in dem demnächst erscheinenden Hest von Paul Westheims�.Kunstblatt" das Wort, um seine Stellungnahme zu begründen. Seine Ausführungen packen die Fragen der staatlichen Kunstpslege, ohne einen Namen zu nennen, sachlich an und versuchen, den Kurs der amtlichen Museumsoerwal- tung, den Wulff verurteilt, herumzuwerfen. Besonders ist es das Deutsche Museum, dessen Borbereitung der Gelehrte mißbilligt. Was dafür gesammelr wird, ist so führt Wulfs aus eine lieber- fülle von Werken des IZ./16. Jahrhunderts und des Barock, dein Besucher wird die Vorstellung ausgedrängt, daß die deutsche Kunst erst damals ihre Blute erreicht, das hohe Mittelalter aber, das bei uns wie in Frankreich und Italien eine groß« monuinentale Kunst besah, bleibt vernachlässigt. Wulfs stellt dem die Arbeit des russischen Reichsinstiwts für Kunstgeschichte gegenüber, wie sie eben auch In Berlin durch die Ausstellung byzantinisch- russischer Monu- mentalinalerei im Kunstgewerbemuseum bekannt wurde, und wünscht auch für Deutschland derartige große Wiedergaben der Wandge­mälde des Mittelalters und Abgüsse der großartigen Plastik jener Zeit. Die Versenkung in den echten Monumentalftil des Mittel» alters wurde, so meint Wulfs, die Gesundung unserer expressionisti- schen Kunstströmling, die sich heute im Tafelbild austobt, fördern, sie für größere selbständige Ausgaben reis machen Und eine Neube- lebimg der Wandmalerei vorbereiten. Die Berliner Museen dagegen werden seit 50 Jahren Im Geiste des privaten Kunstsammlers geleitet. Dieser sieht das Kunstwerk mit den Augen des modernen Menschen an, den eigentlich nur die ,Mache" erfreut. Zur strengen und religiösen Kunst bleibt diesem der Zugang im allgemeinen verschlossen. Meister des religiösen Bildes wie Peruginö und Greco fehlen in der Berliner Galerie, Ebenso fehlt die Folgerichtigkeit in der Frage Schau- und Lehr- sammlungen: bald kommen die Bilder ins Depot, bald wieder ins Museum zurück. Wulff schreibt:Der offizielle Kunsthandel im Museum kehrte zur Urform des Tauschhandels zurück und erwirkte sich dazu die staatlich« Genehmigung. Es gelang, dem ersten preu- ßischon Kultusminister der Republik die Erlaubnis abzuringen, aus entbehrlich« Depotstücke als Tauschwerte zurückzugreifen. Aus diese Weis« mögen in dem verflossenen Jahrfünft noch einige wertvolle Neuerwerbungen gemacht worden sein, auf der anderen Seit« aber wurden Werte weggegeben, die vielleicht nicht für die Schansamm- lung erforderlich waren, aber der wissenschaftlichen Bedeutung zum Teil nicht entbehrten. In einer anschließenden Liste tellt da»Kunst- blast' mit daß auf diesem Wege Werte von Watteau, Ruisdael , Maroni und Bellini durch Tausch oder Verkauf aus dem Kaiser. Mednch-Musum fortgegeben worden sind. Die Forderungen von Wulff sind also: Keine weitere Ausae- staltung der Kunstsammlungen noch den Gesichtspunkten der Sammeltätigkeit, da der Wetteifer mit den großen Geldmächten aus dem Kunstmarkt aussichtslos ist. Statt dessen Ausbau der Lehr- sammlungen, auch durch Kopien in besonderen Räumen und Museumepilege sür ollgemeine Volksbildung. Ausbau besonders der deutschen Abgußsannnlung aus dem Mittelalter mit Nachbildungen

von Wandgemälden an den oberen Wandslächen. Denn eine neu« Satzung für die Museen, da die Leitung durch einen Generaldirektor sich als nachteilig erwies heute kann nicht mehr wie vor hundert Jahren ein einzelner überall der Sunftsorschung folgen und eine unfehlbare allgemeine Kennerschaft gibt es nicht. Jeder Lamm- lungsleiter muß im Ministerium die Bedürsinsse seiner Abteilung vertreten können. Also Demokratisierung der Verwaltung, nur mit einem Verwaltungsdirektor und einer Direktorenkonferenz. Endlich neue Bestimmungen für die Sachverständigenkommissionen, die Halste der Mitglieder sollte der Minister frei bestimmen. Das jetzige System wird demnach von Wulff rückhaltlos ver- urteilt. Ob seine Borschläge, die jedenfalls auf langjähriger Sach- kenntnis beruhen, überall das Richtige treffen, will uns allerdings zweiselhast ers-steinen. Wulfs urteilt da mehr vom Standpunkt des gelehrten llinversitätslehrers als des Museumspslegcrs. Di« Lehrsammlung durch die Kopien der Monumentalkunst auszuge- stalten, das ist die Ausgabe eines kunstgeschichtlichen Instituts wie des russischen, dessen Arbeit Wulfs rühmt, aber nicht eines Museums im bisherigen Sinne, das Meisterwerke der Kunst im Original vor- führen soll. Der Museumsbegriss ober ist ja überhaupt in letzter Zeit sozusagen ins Fließen gekommen: wenn wie bisher weiter ge- sammelt wird, ist kaum abzusehen, welches Riesenausmaß dann die großen staatlichen Sammlungen annehmen werden und wer dann bei dieser Uebersulle des Schönen aller Zeiten und Völker das über- Haupt noch alles soll ansehen können, außer eben dem Spezial- forscher, dem Wulff mit seinen Lehrsammlungen besonders dienen würde. Der Gelehrte rührt damit an ein Problem, das nun einmal aufgetaucht ist und das unter Beteiligung von allen Seiten wird gelöst werden müssen, wenn die Museen nicht Riesenscheunen ohne lebendige Beziehung zum Publikum, Kunstspeicher ohne Verhältnis zur Gegenwart werden sollen.

Kasperle. Kasperle mit seinem rotbockigen, ewig lächelnden Gesicht, aus dessen Mitte weithin sichtbar«ine schön geschwungene Nase heraus- ragt, ist ein aller, lieber Freund der Kinder. Generationen vor uns haben sich schon an seinem lustigen Geschwätz ergötzt, Gene- rationen nach uns werden es noch tun. Und wir selber? Standen wir nicht einmal klapsenden Herzens vor dem geschlossenen Vorhang de» Kasperletheaters, dicht aneinandergedrängt, aus Zehenspitzen emporgereckt, um ja recht gut sehen zu können nock ehe das Spiel überhaupt begonnen hatte, und vergaßen angesichts des er- hofften Kunstgenusses olle Herrlichkeiten eines bunten, lustigen Kinderfestes? Karussell und Schaukel und Topsschlagen, alles, alles wurde bedeutungslos, wenn der kleine Kerl da oben anfing, seinen Unsinn zu treiben. Und wenn ein Glücklicher gar unter dem Weihnachtsbaum ein eigenes Kasperletheater gesunden hatte, so war das der Inbegriff aller Seligkeit. Man konnte dann, wie es gerade paßt«, selber den Kasperle und olle die anderen, die seine Gefola- und Gegnerschaft bildeten. Tod und Teufel, Schutzmann und Hexe, König und Königin, Ihre lustigen Stücklein ausführen lassen oder, was vielleicht noch ichöner war, man durfte wieder Zuschauer sein, undenkbar lang« Zeit hintereinander, vom Kaffee- trinken bis zum Abendessen, solange nur irgend die Weihnachtstage den Erwachsenen Zeit ließen, unser« Klnoerwünsch« zu erfüllen.

Das war nicht einmal immer so ganz einfach. Gewiß, ein Phantasie- begabter Dater oder ältere Geschwister improvisierten oft rasch ein Spiel: vor ollen Dingen kam es darauf an, daß Kosperle aus allen Tücken und Kämpfen als Sieger hervorging. Kam dazu noch ein lustiger Dialog, der nicht nur aus derBuhne" des Theaterchens, sondern auch zwischenBuhne" undZuschauerraum" an den Höhepunkten hin und her flog, so waren wir Kinder restlos bc- friedigt. Freilich, mit dem flotten Dialog haperte es manchmal, und auch der befriedigende Ausgang des'Stückes konnte oft nur damit erreicht werden, daß Kasperle einen riesigen Knüppel herbei- schleppte und alle seine Widersacher der Reihe nach tot schlug. Manchmal erschoß er sie auch zur Abwechslung oder er hängte sie auf. Das war nun gewiß kein schönes Ende, aber es war für unsere kindlichen Empfindungen wenigstens ein moralisches: Kasperle, der in unserem Herzen als der gute, lustige Kamerad unserer Kinder- tage einen festen Platz hatte, siegte über' die Schlechten. In Wahr- heit freilich war dergute" Kasperle bisweilen ein recht schaden- froher, heimtückischer Gesell, der die anderen einfach hinterrücks überfiel, sie prügelte oder gleich umbrachte. Zahllose Kasperlestücke hatten ihn dazu gestempelt. Rur wir merkten es nicht, weil wir unseren" Kasperle von vornherein für gut hielten und daraus die Schlußfolgerung zogen, daß jeder, dem er etwas zuleide tat. eben schlechr fei.(Eine K'.nderlogik, die bekanntlich auch sehr vielen Er- wachsenen zu eigen ist.) Aber um nun den Kindern unserer Zeit einen wirklich lustigen, liebenswerten Kasperle zu schenken, hat Feli Fechenbach sich seiner angenommen und ihn zu einem guten Republikaner erzogen, der niemanden erschießt oder erhängt oder totschlägt, und der es nicht nötig hat, sich erst an Bier oder Schnaps zu betrinken, wenn er besonders ausgelassen sein will. Von den netten, lustigen Stücklein, die Fechenbach schon in de» Kindersreundeveranstaltungen zum Jubel der Sachverständigen aus- geführt Hot. sind jetzt zwei,Kasperle als Nachtwächter" undK a s p e r l e �a l s Lehrbub", in Heftchen zum Preise van 20 Pfennig erschienen, die vielen EUern eine erwunsckte Ergänzung zum Kasperletheater ihrer Kinder bedeuten werden. Auch auf prole- tarischen Kinderfesten wird man die hübschen, anspruchslosen Stücke gern aussühren._ T. E. Schulz. ErstaulkSbruiigea der Woche. Vietisi. Theater l d. ftlofterftr.t Peniion Schöner".- Ml«w. C a sin o» Theater?»Ein Tag im Paradies". vonner»«. Städtische Oper:Das Glockchen dos Ere­miten". Freit Neues Theater a in Z o o:.Modellbans Srevettc." Sonood. Oper am Platz der R e p u h Ii k:Wazzek". Urania Vorträg«.Die versunkene g I o t t e". 10.(5, 7, 9), It.(5, 9);Der Frauen iibersibuii, leine l oziale Be. d e u tuna". 11(7);.Die Technik der Nundlunkempiän gel", 12. t7):.Biochemie und die Nunderwirkung der Nah« r u n g". 13. l?):.99 a S will die neuzeitliche körpe'-kultur", 14. l7);Filmschauspieler und Filmschaulpielerinnen", 13.(9);Schnelldampfer Kronprinz Wilhelm alsHtlsS- t r e u z e r im Krieg«', 1«.(7). valeska Gert führt ihr« gesprochenen und getanzten Grotesken am 18, nachmittag» 4'/« Uhr. im Thcater am tkursürstendamm vor. vie vierte staatllche PrtvatmvsittehrerprSsviig sür die Provinz Branden« Dura und Berlin findet am 29. März und den daraussola enden Tagen üatt Meldung«, zu dieser Prüfung find d!S spätestens 20. Februar an da» Pro- vinzialschullollezwm in Berltn-Lichlerfelde, Zehlendorfer Str. S2,«inzureichen.