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Kr. 22 44.�ahrgang
1* Seilage öes vorwärts
Ireitag, 14. Januar 1427
vorftanöswahl im Staötparlament. Genoffe Haß wieder Borsteher. Die Kommunisten bleiben draußen. Der Stadt­medizinalrat über die Grippe.   Die Verschickung Tuberkulöser.
Di« Kommunist«» der Berlin  «? Stadtverordneten- Versammlung gefielen sich gestern wieder mal in der Rolle einer unentwegten Opposition". Bei der Vorstandswohl versagten sie unserem Genossen Haß, dem bisherigen ersten Vorsteher, für seine Wiederwahl die Unterstützung. Wer, wie er, für Ordnung ge- sorgt und dem Stadtparlament die Arbeitsmöglich- keit gesichert hat, darf bei den Kommunisten nicht auf Beihilfe rechnen. Er wurde ohne ihre Hilfe gewählt. Aber die Folg« war, daß bei der Besetzung der anderen Posten im Vorstand die Kommunisten keine Unterstützung von der sozialdemokratischen Fraktion erhielten. So kam es, daß diesmal die Kommunisten völlig ohne Vertretung im Vorstand blieben. Das hatten sie wohl auch gewollt: denn e« war ihnen gewiß schon lange peinlich, daß im abgelaufenen Jahr der kommunistische Vorsteher- stellvertreter Degner stch ganz gegen den Kommunistenkomment vernünftig benommen hat. Fürpartomentarischen" Radau hat man mehr Bewegungsfreiheit, wenn man keinen Mann im Vorstand sitzen hat. Ein Mensch, der sich oernünftig aufführt und gegebenenfalls Trompete mitzublafen sich weigert, blamiert die ganze KPD  . * Die erste Sitzung der Stadtverordneten nach den Weihnächte- ferien eröffnete der Vorsteher, Genosie haß. mit einem Nachruf aus den kürzlich verstorbenen Stadtverordneten, Genossen Zubeil, den die Versammlung stehend anhörte. Zubeil ist mit seinen 73 Le- bensjahren das Zweitälteste Mitglied und mit seinen 35 Dienstjahren der d i e n st ä l t e st e Stadtverordnete in der Versammlung gewesen. Trotz seiner Volksschulbildung habe er sich zu einem kennt- nisreichen Politiker emporgearbeitet, und er hat seine Kenntnisie gern und willig der Stadt, ihrer Bevölkerung und der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt. In vielen Deputationen und Ausschüssen hat er in seiner temperamentvollen Weise gearbeitet: alle werden sein Wirken gern anerkennen und sein Andenken in Ehren halten! Der Vorsteher erwähnte dann die Wjährige Zugehörigkeit der Stadt- verordneten Genossen Theodor Glocke und des Demokraten Dave. Den Platz des Genossen Glocke schmückt ein großer Fliederstrauch. Zur geschäftsordnungsmähig am Ansang eines jeden Jahres vor- zunehmenden Wahl des Vorstandes der Versammlung übernahm Stadto. Weyer(Dem.) den Vorsitz. Der Kommunist Gaebel erklärte, daß seine Fraktion auf dem Standpunkt stände, der Vorstand müsse, den Mehrheitsverhältnissen entsprechend. nur aus Sozialdemokraten und Kommunisten zusammengesetzt sein. (Bei der Wahl vor einem Jahre hatten die Kommunisten noch nicht dieseErkenntnis!") Di« sozialdemokratische Fraktion habe aber ein solches Ansinnen abgelehnt. Gaebel suchte unter dem Ge- lächter der Sozialdemokraten das mit den Koalilionsbedürfnisscn der Sozialdemokraten zu erklären. Der bisherige, wiederkandidicrende Vorsteher habe das Vertrauen der Kommunisten verloren, weil er unterBruch der Geschäftsordnung mit PolizeigewaU gegen An- gehörige der kommunistischen   Fraktion vorgegangen sei".(Der Redner spielte damit auf die T u m u l t s z e n e n an, die die K o m- m u n i st e n anläßlich der Stadtratswahl im November aufführten!) Sie, die Kommunisten, werden daher einen eigenen Kandi- d a t e n in der Person des Stadtverordneten   Schwenk präsentieren und erst in einer etwa notwendig werdenden Stichwahl für den Sozialdemokraten eintreten. Bei der nun folgenden Zettclwahl bekam der kommunistische Kandidat ganze 32 Stimmen, während Genosse haß als Vorsteher die Mehrheit mit Stimmen erhielt. Die Wahl der drei Vorsteher- stellvertreter mußte ebenfalls per Stimmzettel vorgenommen werden, da die Kommunisten es sich leisteten, für jeden Posten einen eigenen Kandidaten vorzuschlagen. Sie erreichten damit lediglich, daß die Zeit verloren ging und daß sie nunmehr im Vorstand der Versammlung ganz ausfallen. Unsere Parteigenossen waren
genötigt, gegen die kommunistischen   Kandidaten zu stimmen, nachdem die KPD.   dein Vorsteher, Genossen haß, ihre Stimmen verweigert hatte. Selbst bei der Wahl der sechs Beisitzer und deren Ersatz- leuten beantragten die Kommunisten jedesmal Zettelwahl und reichten dazu Kandidatenlisten ein. die nur aus Kommunisten zusammen- gesetzt waren. Ohne Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit es war inzwischen X8 Uhr geworden verfolgten sie ihre Demonstrations- Politik, die wieder einmal nur ihrem Agitationsbedürfnis galt und stahlen der Stadtverordnetenversammlung die Zeit, die besser auf die Erledigung wichtiger, dringlicher Vorlagen hätte verwendet werden können. Gewählt wurden die gemischten Listen, die Vertreter aller anderen großen Fraktionen enthielten. Mit ihrer lächerlichen Me- thode haben sich also die Kommunisten vollends aus dem Vorstand hinausgewählt. Die in Berlin   in der letzten Zeit beobachteten, anscheinend ver- mehrten Grippeerkraakungen oeranlaßten den Stadtmedizinolrat Prof. Dr. v. D r i g a l s k i zur Abgabe einer Erklärung, der folgendes zu entnehmen ist: »Die beobachteten Erkrankungsjälle stellen nach den Ermittlungen des Hauptgesundheitsamtes eine durchaus normale Zunahme von Erkältnngserkrankungen dar. die durch die Witterung bedingt sind: sie waren zu erwarten: und deshalb haben sich auch die Sraakenhäuser vorbereitet. Die Krankenanstalten sind bei normaler Einstellung durchaus noch aufnahmefähig, und es ist hier auch keine besondere Zunahme fest- zustellen. Roch bi, zum 8. Iannar hat das Reichsgesundheitsamt einebesondere Grippewelle" nicht seststellen können, und muh die hygienische Abteilung des Völkerbundes hat ein ähnliches Gut- achten abgegeben. Es ist nicht anzunehmen, daß wir in Berlin  etwa einer ähnlichen Epidemie entgegengehen, wie wir sie 18Zg und llllS hatten. Die dirigierenden Slerzle der städtischen Kranken­häuser hoben folgende Todesfälle angegeben: Virchowkranken- Haus l8. Moabit   6, Friedrichshain   8, Urban 2  , Westend 5, Weißen- fee 1, Renkölln 10, wobei die Todesursachen in einigen Fällen noch zweifelhaft ist. Diese Zahlen beweisen, daß wir vou einemmörderischen wüten" der Grippe nicht sprechen können. Trotz alledem hat die Gesundheitsbehörde Dertins ihren Mobil- machungsplan ausgestellt. Die Krankenplätze in den Kranken­häusern können ohne weiteres um 1000 vermehrt werden. Die Schulbehörd« hat dankenswerterweise Schuträum« mit Zentral- Heizung und elektrischem Licht für 1300 Plätze zur Verfügung gestellt. Der Magistrat Hot eine Verstärkung der Srankentrans- portmöglichkeiten beschlossen. Baracken für besonders infektlöss Kranke bcrellgeflelll und schließlich mit Firmen Verträge wegen abrufsfreier Lieferung von Lagerstätten und Behandlungsmoterial abgeschlossen. Entsprechende Vorlagen werden der Stadtverord- aelenversammlung bald zugehen. Aerzte und Pflegepersonal können ohne Schwierigkeilen vermehrt werden.(Bravo   im Hause!) Die Kommunisten hatten zu den Grippeerkrankungen ein« größere Anzahl von Anträgen eingebracht, denen die Dringlichkeit versagt wurde. Ein« von der s oz i a ld« m o t rat l s ch e n Fraktion eingebrachte Anfrage, die unser Genosie John begrün- dete, verlangte vom Magistrat Auskunft, was er zu tun gedenk«. um die in vielen Verwaltungsbezirken erschöpften Mittel zur ver- schickung Tuberkulöser wieder erneut auszuwerfen. Verbunden mit dieser A n f r a g e ist ein Antrag der Kommunisten, der zu dem gleichen Zweck die Bewilligung von 300 000 M. verlangte. Der vor» bereitende Ausschuß hatte sich diesem Antrage angeschlossen. Der Stadlmedizinalrak betonte als Magistratsvertreter. daß der Magistrat bereits 100 000 M. bewilligt habe mit der Maßgabe, daß nötigenfalls Nachbewilligungen gemacht werden sollen. Stadtv. Genossin Dr. Frankenthai vertrat die Ansicht, daß die Mittel für die Tuber-
kulösen nicht nur zur Berschickuna, sondern auch zur Verbesserung der allgemeinen Lebenslage der Kranken verwandt werden sollten. Stadto. Genosse vlaschzick schloß sich diesen Ausführungen an und oerlangte eine Erhöhung der ausgeworfenen Mittel. Wir Sozial- demekraten verlangen, daß sich die Versammlung dem Ausschuß- beschluß, 300 000 Mark zu bewilligen, anschließt. Das geschah denn auch in der Abstimmung.   Die Vorlage wegen des Neu- baues der Untergrundbahn nach Lichtenberg   wurde ohne Debatte dem Haushaltausschuß überwiesen. Vor Eintritt in die Tages- ordnung brachte der Vorsteher einige eingegangene Anträge zur Kenntnis der Versammlung, unter denen sich der s o z i a l d e m o» kratische wegen der Nachbewilligung von Mitteln zur Fortsetzung der Speisung bedürftiger Schul- linder und ein kommunistischer wegen der Einführung der 45stündigen Arbeitswoche in den städtischen Betrieben befinden.
400 Grippekranke in Krankenhäusern. Nur wenig schwere Fälle. Leider ist noch immer ein weiteres Steigen der Zahl der Grippeerkrcmkungen zu verzeichnen. Das ungesunde feuchte Wetter, das auch in nächster Zeit kaum eine wesentliche Aenderung erfahren wird, ist ein nur zu guter Krankheitsförderer. Die Groß-Berliner Krankenhäuser sind sämtlich stark besetzt: inzwischen sind Maß- nahmen getroffen worden, um dem ständig steigenden Ansturm einigermaßen gerecht zu werden. Das Hauptgesundheits- am t der Stadt Berlin   teilt dazu folgendes mit: In den BerNner städtischen Krankenhäusern be­finden sich zurzeit 809 Grippekranke. Dir Zunahme seit gestern beträgt also 100 Fälle. In den Krankenhäusern sind seit dem 7. Januar-fiebenzehn ausgesprochene Grippetodcsjälle vor­gekommen. Die Krankenhäuser sind in ihrer Gesamtheit durchaus aufnahmesählg. Sollte die Erkrankungszisser wesentlich steigen, so werden die bestehenden LaamiuasmöglichMten ver­mehrt und notfalls andere Gebäude für Srankenbehandluugs- zwecke herangezogen werden. Zu letzlerer Maßnahme ist bislang noch kein Anlaß gewesen, doch ist sie in jeder Beziehung vor­bereitet. Zu dem vom Hauptgesundheitsamt herausgegebenen Bulletin ist noch zu bemerken, daß zahlreiche Erkrankte, bei denen nicht aus- gesprochene Lebensgefahr besteht, eine Heimbehandlung vor- ziehen. Noch am Mittwoch war der Andrang in den Kranken- Häusern außerordentlich stark. Gestern dagegen war ein leichtes Abflauen der Aufnahmegesuche Grippekranker zu verzeichnen. Es wäre aber voreilig, von einer Abnahme der Krankheitszahl zu sprechen, die schon heute eine erneute Steigerung erfahren kann. Da Grippeerkrankte in jedem Falle den Vorzug haben, unbedingt im Krankenhaus aufgenommen zu werden, mußten z. B. gestern einige andere leichte Krankheitsfälle zunächst abgewiesen und auf heute vertröstet werden, zumal täglich zahlreiche Wiedcrher- gestellte die Krankenhäuser verlassen. Allein bei der Ortskrankenkasse, die anderen Kassen nicht mit einbezogen, werden täglich etwa 800 bis 000 neue Fälle von Grippecrkrankungen gemeldet. Eine Zahl, die mit Vorsicht aufzunehmen fft, da es sich kaum um ausgesprochene schwere Grippe handeln dürfte. Noch allem scheint die Krise noch nicht überstanden zu sein und die Epidemie ihren Höhepunkt noch nicht erreicht zu haben.
Kirche gegen die Freidenker. Die Kirch« hat wieder einmal ein Flugblatt an die Berliner  Bevölkerung verteilen lassen, das gegen die Freidenker hetzt und> auffordert, den Kirchenaustritt nicht zu vollziehen. Die Frei­denker werden als Bauernfänger bezeichnet. Di« Kirche muß es sich gefallen lassen, daß dieser Ausdruck auf sie zurückfällt. In diesem Flugblatt behauptet die Kirche, daß sie 200 bis 300 Proz. mehr für den Staat leistet, als der Staat für die Kirche. Ein. Statistiker will berechnet haben, daß der Staat durch das Liebes� werk der Kirche im Jahre 120 bis 150 Millionen Mark erspart. Als Beweis, daß die Kirche nicht arbeiterfeindlich ist, wird ein Be- schluß eines Kirchentages zitiert, in dem es heißt:Die Arbeiter sind nicht eine Masse, die nur abgelohnt zu werden braucht, sondern gleichzuachtende Volksgenossen, die um ihre soziale Gleichberechtigung ringen und ein Recht auf Anerkennung, Berständnis und Würdigung
Die Wunöer Oer Klara van tzaag. B2  ] Bon Johannes Duchholh. Aus dem Dänischen übersetzt von Erwin Magnus  . Hedwig dankt auf ihre stille Art. Sie hat hundert Dinge zur Erinnerung an die Gnädige bekommen, aber nicht eines freut sie so wie dieses Bild. Diese Mädchenblumen hatten etwas von Frau van Haags Seele in sich. Aus dem Schlaf- zimmer kann man kleine knirschende Schritte von Herrn van Haag hören, der sich zum Abschied fein macht. Er öffnet die Tür und sagt auf den Korridor hinaus:Warum kommt der Wagen nicht?" Dagmar antwortet, sie werde di« Gnädige fragen. Unterdessen schleppt ein Zollbeamter die beiden Koffer auf die Steintreppe hinaus. Es ist spät. Ein Junge kommt mit einem großen Strauß weißer Rosen, die Dagmar ent- gegennimmt und an Herrn van Haag abliefert. Warum.kommt der Wagen denn nicht?" fragt er. Die Gnädige sagte, sie wüßte es nicht." Legen Sie die Blumen aufs Bett und dann gehen Sie hinunter und sehen Sie. ob der Wagen noch nicht kommt." Ja," sagt Dagmar und geht ruhig in die Küche, wo sie sich auf den Holzschemel neben dem Herd setzt: Dagmar ist nicht so dumm, sie weiß, wenn man den Wagen sehen kann, dann ist er da. Denn er kommt ja von Sören Fuhrmann gerade um die Ecke. Außerdem soll Dagmar zum Ersten gehen. Sie will nicht unter Frau Wang dienen, nein, das will sie nicht. Aber jetzt rasselt Sören Fuhrmann heran, wendet auf dem Hafenplatz und fährt vor die Tür. Er springt ab und schleudert mit einem Bärengriff die beiden Koffer auf den Vordersitz des offenen Wagens. Dann steigt er wieder auf den Bock und läßt seine bekannten Kunstknaller über den Köpfen der Roten explodieren. Frau van Haag und Hedwig haben angezogen bereit gestanden, auf die Uhr gesehen und Fieber gehabt, daß Sören zu gut gehorchen und zu spät kommen würde. Dann macht Frau van Haag ihre letzten Schritte die Steintreppe des Knarrebyer Zollamtes hinab, tadellos frei und leicht in der Haltung, unbegreiflich jung. Merkwürdige Frau Klara sie hatte eine großartige Begabung für ewige Jugend. Und war ein elender Faulpelz, wenn es hieß, sich in Hinfälligkeit und Alter zu finden. Ein Hohn auf ihren Taufschein war Frau Klara. Hedwig und sie sahen aus wie zwei gleichaltrige Freundinneu.
Frau Klara steigt in den Wagen. Hedwig folgt ihr; sie hält ihr Bild in den Händen und sieht sich nach einer Stelle um, wo es sicher stehen kann. Los, Sörensen!" Im selben Augenblick stürzt der alte Poulsen aus dem Bureau heraus und schwankt zum Wagen herunter. Der Unterkiefer bewegt sich ein paarmal lautlos auf und ob. Die Dienstmütze reitet aus Unachtsamkeit verwegen auf seinem schmutziggrauen Haar. Ach schwarze Locken hatte der alte Poulsen einmal. Sören halt!" Poulsen hält ein Stück Papier   in der Hand. Er entblößt den Kopf und reicht das Papier   Frau Klara. Ein Bettler, der sich seiner Königin mit einer Bittschrift nähert! Wollten Sie mir Lebewohl sagen, Poulsen! Dank. Vielen Dank. Wir sind gute Freunde gewesen seit dem Tage, als ich kam. Seien Sie sicher, daß ich Ihrer stets freundlich gedenken werde. Ein Brief Danke." Die Rede," sagte Poulsen, setzt die Mütze wieder quer und kaut lautlos mit dem Gaumen. Die Rede, ja," sagte die Gnädige freundlich wie zu einem Kinde. Sie kommen ja nie wieder!" Das alte mummelnde Gesicht des alten Mannes bricht in Schmerz zusammen. Seme Worte sind Notschreie. Und Frau van Haag ergreist sein« Hand und sieht ihm in die Augen: ihr Blick ist ein reiches Geschenk. Ich werde sie lesen. Ich werde sie aufheben. Aber Poulsen", Frau Klara wendet sich zu Hedwig und sie wechseln einen einzigen beredten Blick,wollen Sie dies Bild an- nehmen. Ich habe es selbst vor vielen Jahren gemalt. Wollen Sie es als einen Dank von mir für Ihre fülle, feine Freundschaft gelten lassen?" Hedwig und Frau Klara reichen das Hyazinthenbild zu- sammen Poulsen, der unter der Last fast zusammenzubrechen scheint. Frau Klara sagt noch ein paar Worte, wird aber über- tönt von einer zornigen Stimme, die Sören ausschilt. Es ist van Haag, der heruntergekommen ist. Sein Zeug ist wie aus dem Ei gepellt, aber sein Gesicht ist rot vor Erregung, er ist die Treppe heruntergelaufen. Wie kann man in seiner Stellung und in seinen frischen Bügelfalten laufen! Herr van 5)aag droht Sören gefährlich mit seinem großen Strauß und sagt:Und wo haben Sic gedacht, daß ich sitzen soll!" Sören hat nicht tiefer über diese Frage nachgedacht: den-
noch zeigt er ohne Zögern auf den kleinen, mageren Platz neben seiner breiten Rückenpartie und sagte:Hier!" Auf dem Bock! Sind Sie wahnsinnig? Nehmen Sie die Koffer weg sofort!" Ich kann doch die Koffer nicht entbehren, Julius." Dann bleibe ich zu Hause." Ja." Aber das ist doch sinnlos. Das ist doch formlos. Soll ich vor der ganzen Stadt zum Narren werden. Nun ja, dann nimm diese Rosen, di« ich für dich gekauft habe. Trag sie selber, du darfft sie nicht Hedwig tragen lassen, der Leute wegen, Klara!"> Leb' wohl, Julius." Julius van Haag schlägt die Absätze zusammen. Sein Zylinder blitzt dreimal in der Lust dem fortrollenden Wagen nach. Untadlig ist er vom Scheitel bis zur Sohle. Aber hinter ihm an der Wand steht ein« Vogelscheuche. Ihre gekrümmten Finger drehten an einer Schnur von einem kleinen Bilde im Goldrahmen. Der Bermel   ist weit über das Handgelenk geglitten und hat ein Folterinstrument von engem Oberhemd entblößt. Es ist der alte Poulsen, der starr die leere Straße hinunterblickt. Sören ließ die Roten dürch die Straßen rasen: sie konn- ten ihm nichts vormachen. Er wußte, was sie leisten konnten. Frau Klara lehnte sich zurück und sog den aufreizenden Pferdeschweißgeruch ein. Die Sonne fiel ihr gerade ins Gesicht. Sie sah nicht zur Seite, aber es zeichnete sich ein Lächeln um ihren Mund. Willst du den Draht abmachen, Kind, von den Rosen," sagte sie und reichte den Strauß Hedwig.Aber vorsichttg, hörst du?" Der Wagen ließ das Stempflaster hinter sich und glitt nach dem Bahnhofsweg hinüber, auf dem sich wie auf einem sandbestreuten, knirschenden Stubcnboden fahren ließ. Eg- Holms standen an der Ecke, verbeugten und verneigten sich. Di« Gnädige erhob sich halb und schwang ihr weißes Taschen- tuch. Gleich darauf war der Wagen an der Bahn. Der Zug hatte Verspätung, so daß sie reichlich Zeit hatten. Dank, ihr roten Hottepferdchen," sagte die Gnädige, streichelte jedes von ihnen den Hals, drehte ihnen die Stirn- locken irnd verteilte nach einem hastigen Blick nach allen Seiten den Rosenstrauß zwischen ihnen. Aber die Roten hatten keinen Sinn für Raffinement: sie schleuderten die Rosen weit fort in den Wegstaub. Schämt euch, ihr Biester," sagte Sören. (Fortsetzung folgt.)