�Soziale Störungen" im Sürgerblock. Gestandnisse der„DAZ.". Die aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziell unterhaltene ,L>AZ.", das frühere Stinnesblatt, sieht übrigens bei den bürgerlichen Parteien„soziale Störungen", die schleunigst behoben werden müßten: Die in unserer Zeitung veröffentlichten Aufsätze von Lambach und Glatzel zeigen deutlich, daß auch innerhalb der für jede Rc- gierungsentwicklung maßgebenden Parteien.Störungen" sozialer Natur eingetreten sind, die eine wachsende Gefahr für unser Staatsleben bilden. Mit Phrasen und äußeren Kompromissen kommt man um diese Klippen nicht mehr herum.... Eine Klärung dieser Verhältnisse wird sich sehr bald als unabwendbar herausstellen. Die Stellung der Deutschnationalen Partei z. B. würde in dieser Krise weitaus stärker und schwerer angreifbar sein, wenn eine deutliche Kundgebung die vielfach auftauchenden Zweifel und Bedenken zerstreuen könnte. Ohne geschriebene Programme überschätzen zu wollen, scheint uns ein« klare programmatische Stellungnahme zu den diskutierten sozialpolitischen Aufgaben wie über- Haupt zu der von Lambach gestellten sozialen Arbeit» nchmerfrage als wichtigstes Gebot der Parteiklugheit. Man sollte recht bald erkennen, worum es sich in diesem Augenblut dreht und was für die Entwicklung der Parteien auf dem Spiels steht. Das Blatt des Auswärtigen Amtes will also, daß„der Graf" ein sozialpolitisches Jrade befehle, um damit die sozial- politische Arbeitnehmerfrage Lambachs zu erledigen. Nun find aber sozialpolitische Fragen so harte Interessen- fragen, daß selbst„der Graf" sie nicht leichthin erledigen kann. Zudem befinden sich im deutschnationalen wie im volks- parteilichen Lager bisher christlich-gewerkfchaftlich wie gelb-wirtfchaftsfriedlich gebundene Kräfte. Sollen auch diese Gegensätze durch den Grafen oder durch Herrn Scholz aus der Welt proklamiert werden?
Oer Normalmens<b. Daö Reichsgericht als Sittlichkeitswächter. Der Schriftsteller Bruno Bogel war am 14. Januar 1926 vom Schöffengericht Leipzig wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften laut§ 184 StGB, zu 500 M. Geldstrafe verurteilt worden. Sein Buch:„Es lebe der Krieg!", sollte angeblich un- züchtige Schilderungen geschlechtlicher Erlebnisse aus dem Kriege enthalten. Die Anklage gegen ihn lautete außerdem auch auf Gotteslästerung. Doch hatte der Staatsanwalt sich im letzten Augen- blick wenigstens in dieser Beziehung eines Besseren besonnen. Der Berufungsinstanz vor der zweiten Strafkammer des Leip- ziger Landgerichts am 28. Mai 1926 lagen schriftliche Gutachten einer Reihe von Sachverständigen wie Thomas und Heinrich Mann , Fritz v. Unruh, Magnus Hirschfeld und an- derer prominenter Persönlichkeiten vor, die ebenso wie die vom Gericht vernommenen Sachverständigen Helene Stöcker , Kurt Hiller , Dr. Wichmann und Universitätsprofessor Dr. Iollis sich dahin geäußert hatten, daß das Buch des Genossen Bogel ein erschütterndes Kunstwerk vorstelle, daß auf sittlich unverdorbene, gesunde Menschen abschreckend und sozial fördernd, nicht jedoch unsittlich wirken müsse. Das Gericht sprach darauf den Genossen Bogel frei. Das sittliche Empfinden des Staatsanwalts konnte sich aber mit diesem Freispruch nicht zufrieden geben. So kam die Sache vor das Reichsgericht. Der Rsichscmwalt erklärte:„Nicht Gelehrte oder Künstler haben darüber zu entscheiden, ob ein Werk unzüchtig sei, sondern einzig und allein der gesunde Sinn des Durchschnitts unserer deutschen Bevölkerung." Diesen„gesunden Sinn" glaubte nun der Reichsanwalt in seiner Person zu verkörpern. Er ging aber sogar noch weiter und spielte sich auch als Beschützer der gottesgläubigen Christen auf. Er meinte: Die Frage der künstle- rifchen Absicht sei unerheblich. Allein der Standpunkt des Gottesgläubigen, der Aergernis nimmt, ist maß- gebend. Die Herren Reichsrichter glaubten nun wirklich, Sitt- lichkeit und Kirche gefährdet und verwiesen die Sache an die Straf- kammer des Dresdener Landgerichts zurück. Wer ist nun als Normalmensch anzusprechen? Die Richter des Leipziger Schöffengerichts, die verurteilen, oder die des Leipziger Landgerichts, die freisprechen, oder die Herren Reichsrichter, die verurteilen wollen?
Die Kulturfreiheit üer Staatsbürger. Teutschlands Mitarbeit am Minderheitenschutz. Breslau . 14. Januar.(Eigener Drahtbericht.) Der Direktor der Minderheitenabteilung im Bölkerbund. Colban, beendete gestern seine Studien in O st o b e r s ch l e s i e n und begab sich zur Fühlung- nähme mit den deutschen Staatsbehörden nach W e st o b e r» s ch l e s I e n. In Oppeln gab ihm der Oberprästdent Dr. Proschke ein Frühstück, an dem auch der Präsident der Gemischten Bölkerbunds- kommifsion für Oberfcblesien, Calonder, der Präsident des Gemischten Schiedsgerichtshofes, �aakenbeek, sowie Beamte der oberfchlesischen Provmzialverwaltung teilnahmen. Der Oberpräsideni erklärte in einer Rede, die Reichs- und Staatsregierung ebenso wie das ober- schlesifche Volk hielten unverbrüchlich am Minderheiten- schütz fest, den sie als eine heilige Aufgabe betrachten. Das Recht jedes Staatsbürgers auf die Wahrung seiner kulturellen und individuellen Lebensführung fei eines der positiven Ergebnisse des letzten furchtbaren Ringens der
Wellgeschichte gewesen. Der Völkerbundsdirektor antwortete in einer Ansprache, in der er besonders den Beitritt Deutschlands zum Völker- bund als eine Erleichterung der Genfer Arbeit für den Minderhellen? schütz bezeichnete: er erklärte, daß erdasBsrtrauenin den guten. Willen der deutschen Regierung habe.
Freiwillige" vereine in öer Sowjetunion . Ihr Zusammenbruch wird zugegeben. Es gibt in Sowjetrußland zahlreiche„freiwillige" Vereine und Gesellschaften mit Millionen von Mitgliedern. Aber es wäre ein Irrtum, nach der Zahl der millionenköpfigen„freiwilligen" Vereine über den Grad der Entwicklung der proletarischen Selbstbetätigung in Sowjctrußland zu urteilen. Alle diese Vereine— die„Internationale Arbeiterhilfe",„Hände weg von China ",„Biochemischer Verein" und viele andere— sind keine Ergebnisse der proletarischen Selbstbetätigung, sondern Schöpfungen der Diktatur. Nach der Aushebung jeglicher demokrallschen Freiheiten und der Unterdrückung der unabhängigen Oeffenllichkeit, hat sich die bolschewistische Diktatur immermehr von den Volksmassen isollert. Die Gründung der„freiwillgen" Vereine sonüe die„B e l e b u n g" der Sowjets und die Heranziehung der„ehrlichen Partei- losen" sind notwendig geworden, um irgendwelche Ersatzmittel für eine Oeffentlichkeit zu schaffen und den Abgrund zwischen der Staatsmacht und dem Volke zu überbrücken. Es hat sich aber sehr bald erwiesen, daß die künstlich— von der Obrigkeit — geschaffenen Ersatzmittel der proletarischen Oeffent- lichkeit sich nicht bewährt und sich in leblose, offizielle Unter. nehmungen verwandell haben. Jetzt wird der Zusammenbruch der sämtlichen Formen der„freien" proletarischen Oeffentlichkeit von den Bolschewisten selbst anerkannt und in der Sowjetpresse viel besprochen. „Die gegenwärtige Krise der freiwilligen Vereinigungen", schreibt die„Prawda" Nr. 3, ist dadurch verursacht worden, daß man bestrebt war, möglichst viel Mitglieder heranzuziehen, ihnen die Groschen aus den Taschen zu ziehen und in jedem Betrieb Orts- zweige sämtlicher öffentlicher Organisationen zu gründen. Aber von einer wahren Selbstbetätigung, von einer wahren Oeffentlichkeit war kaum zu spüren. Die leitenden Organ« der„freiwilligen" Ver- eine haben die Arbeit durch einen besoldeten Apparat geführt. Die Ortszellen der„freiwilligen" Verein« wurden mechanisch angepflanzt. Selbst das Moskauer Komitee der KPD. der SU. hat endlich ein- sehen müsien, daß die Jagd nach Mitgliedern, die einen solchen'Derein nur formell beitraten, aufhören müsse, und daß der Grundsatz der individuellen Mitgliedschaft mit aller Strenge durchgeführt werden müsse.' Die Sache ist eben die, daß unter den Bedingungen der Diktatur eine nur scheinbare„Freiwilligkeit" bestehen könne. Denn wer den „freiwilligen" Beitritt verweigert, wird als ein„politisch Ver- dächtiger" betrachtet. Die freiwilligen Beiträge und Sammlungen sind in Wirklichkeit obligatorisch. Di« Organisation und die gesamte Tätigkeit dieser angeblich„freiwilligen" Vereine stehen unter der Kontrolle der bolschewistischen Parteizellen und der staatlichen Organe Die wahre Ursache dieser Erscheinung liegt jedoch darin, daß proletarisch« Oeffentlichkeit und Selbstbetäti. g u n g. die für den sozialistischen Aufbau unentbehrlich sind, mit der terroristischen Diktatur sich nicht vereinigen lassen.
Der Kriegslaftenetat. Der Ausschuß beschließt genaue Kontrolle. Im Ausschuß für den Reichshaushalt wurden in der Donners- tagssitzung die Haushalte der Reichsschuld» der Kriegs- l a st e n und des Reichstags nach längerer Aussprache, die für eine breitere Oeffentlichkeit wenig Jnteresie bot, unverändert ver- abschiedet. Von Bedeutung war nur daß der Haushaltsausschuß bei der Behandlung des Haushalts für die Kriegslasten zur besseren Kontrolle der Verwaltung wieder einen kleinen Schritt nach vorn gemacht hat. In diesem Haushalt wird u. a. ein Sammel- fonds für vermischte Ausgaben in Höhe von 18 Mil- lionen Mark oerlangt. Aus diesem Sammelfonds sollen alle mög- lichen Ausgaben bestritten werden: restliche Entschädigungszahlungen für Reparations-, Restimtions- usw. Leistungen, Ausgaben zur Be- Hebung von Notständen, Aufwendungen für soziale Fürsorge, Kosten von Äuslegungsausschüsien und Schiedsgerichten sowie unvorher- gesehene Ausgaben, die infolg« des Verfailler Vertrages und seiner Vor. und Nachverträge notwendig werden. Vom Genossen Müller- (franken ging der Antrag ein, daß die Regierung über die Spezial- Verwendung dieses Ausgabefonds dem Haushaltsausschuß alle drei Monate Rechenschast geben solle. Die Regierung widersprach dem Antrag mit der schon oft gebrauchten Motivierung, daß der Reichstag ja später bei der Rechnungslegung von der Der- wendung dieses Fonds Kenntnis erhalten würde. Der Ausschuß nahm aber den sozialdemokratischen Antrag einstimmig an. Ein zweiter Antrag Müller-Franken, den Fonds von 18 Mil- lionen auf 8 Millionen herabzusetzen, fand leider«ine Mehr- heit nicht. Eine längere Aussprache entspann sich dann noch bei dem Etatsposten im Kri«gslastenetat, der die Gewährung einmaliger Beihilfen an die für die Anfertigung von Waffen, Munition und Kriegsgerät zugelasienen Fabriken vorsieht. Genosse Stücklen verlangt eine genaue Nachprüfung dieses Postens, und es wurde nach einer längeren Debatte beschlossen, eine kleine Kommission zu beauftragen, an Ort und Stelle die Verhält- mffe in diesen Fabriken nachzuprüfen. Dieser kleinen Kommission sollen auch die Verträge vorgelegt werden, die die Heeres- Verwaltung mit den in Betracht kommenden Fabriken abge- schloffen hat. Stonüal in Sraunstbweig. Der Vorsitzende der Dcutschnatronalcn der Nötigung überführt.— Die schwarzweißroten Regierungs- instanzen weigern sich einzugreifen. Braunschweig . 13. Januar.(Eig. Drahtber.) Ein neuer politischer Skandal beschäftigt jetzt das Land Braunschweig . Die Sozialdemo- tratie des Braunschweiger Landtags hat erreicht, daß sich ein par- lamentarifcher Untersuchungsausschuß mit der sehr merk- würdigen Personalpolitik der schwarzweißroten Regierung beschäftigt. In diesem Ausschuß kam am Donnerstag u. a. folgender Fall zur Sprache, der attemnähig belegt wurde: Im Jahre 1911, also vor fast 16 Iahren, fand in Braunschweig ein Ehescheidungsprozeh statt, in dem der damalige Landrichter Dr. Röpke mit zwei anderen Richtern das Urteil fällte. Das Urteil behagte zwar dem einen Teil nicht, der den damaligen herzoglichen Iustizminister anrief. Dieser fand jedoch keinen Anlaß zur Anfechtung des Urteils. Der inzwischen Landgerichtsrat gewordene Dr. Röpke ist Demokrat und deshalb den Schwarzweißroten im Weg«. 16 Jahr« nach dem Urteil erscheint bei ihm der Studien rat Naumann, der Landesvorsitzende der Deutsch - nationalen und erklärt Röpke: „Wenn Sie Ihre politische Betätigung nicht ein- stellen,«erden meine Leut« das Urteil von 1911 ver- öffentlichen." Dr. Röpke beschwerte sich darauf beim Landgerichtsprä- s i d e nt e n Levon, der diese Sache dem Iustizminister unterbreitete mit dem Antrag auf Bestrafung Baumanns. Der Iustizminister fordert« vom General st aatsanwalt Hol- l a n d ein Gutachten ein. Holland ist auch fchwarzweißrot und ferner Kirchenrat. Er erklärte, ein Strafverfahren fei zwecklos, da wohl Bestrafung nickst erfolgen wird. Schließlich fragte der Iustizminister noch beim deutschnationolen Landesschulrat für das höhere Schulwesen an, ob gegen Studienrat Baumann disziplinarisch vorgegangen«erde. Der Landesschulrat antwortete, es liege dazu kein Grund vor, denn Baumann habe seine Handlung in seiner Eigenschaft als Abgeordneter begangen! So kommt es, daß der deutschnationale Studienrat ungestraft gegen einen polltischen Wider- sacher Nötigung begehen kann, obwohl das Strafgesetzbuch für dieses Delikt Gefängnis vorsieht. Der Untersuchungsausschuß wird am 21. Januar durch Der- nehmung der Beteiligten die Darstellung der amtlichen Akten be- stätige» laffeu,«
Das Kreöitgebaren öer Staatsbank. Dritter Tag des Barmatprozesses.
Als Landgerichtsdirektor Neumann zu Beginn des heutigen dritten Verhandlungstages die Sitzung kurz nach 10 Uhr eröffnete, mußte er feststellen, daß die Anklagebank sich wiederum ohne Wissen des Gerichts verkleinert hatte. Den gestern bereits abwesenden sechs Angeklagten hatte sich heute als siebenter Henry B a r m a t zugesellt, über deffcn Nichterscheinen selbst sein Vertei- diger sehr erstaunt war, well, wie dieser dem Gericht erklärte, Henry Barmat ihm ausdrücklich gestern versichert habe, er werde heute kommen, weil er„gerade Zeit habe". Oberstaatsanwalt Rausch begnügte sich aber mit der Anwesenheit von vier An- geklagten, und zwar Julius Barmat, Klenke, Dr. Hellwig und Hahle, und das Gericht gab sich schließlich auch mit dieser Tatsache zu- frieden, da die anderen Angeklagten für den heute noch immer zur Erörterung stehenden Fragenkomplex der Beziehungen zwischen der Amexima und der Staatsbank vorläufig nicht gebraucht werden. Das Gericht beschloß ferner die Hinzuziehung der Büchersachoerstän- digen Jonas und V e l o w. Der Vorsitzend« richtete dann noch in Ergänzung seiner gestri- gen Vernehmung einige Fragen an den Angeklagten Dr. Hell- w i g, vor allen Dingen dahingehend, ob er denn auch zu a n d e- r«n Kunden die gleichen freundschaftlich-intimen Beziehungen aufrechterhalten habe, wie zu dem Inhaber der Amexima Dr. Hellwig bestätigt das. Im Anschluß hieran trug Rechtsanwalt T a o o t e einen länge- ren Beweisantrag der Verteidigung Julius Barmats vor. der die Ladung von 12 weiteren Zeugen verlangte. U. a. soll Dr. Rühe von der Staatsbank darüber gehört werden, daß die Seehandlung über den Umfang der Amexima nie im unklaren ge- wefen fei, ferner, daß sie an Banken noch ganz andere Kre- dite gegeben habe, zumal sie damals sich in einem großen Geld- Überfluß befunden hätte. Der ehemalige Syndikus der Amexima, Dr. B e r n st e i n, der zurzeit in Paris lebt, soll bezeugen, daß Julius Barmat gegen die sogenannte„Lebensmitteltlausel" bei den Staatsbankkrediten energisch protestiert und ihre Zurückziehung erreicht habe. Ferner soll er bekunden, daß Direktor Linke von der Ehromo-A.-G. den wert dieses Unternehmens Julius Barmat gegenüber aus 10 Millionen Mark geschäht habe. Ein Dr. Balle soll bekunden, daß die Direktion der Chromo-A.-G. die Arbeiterschaft der Fabrik gegen die„dreckigen Berliner Juden" aufgewiegelt und Sabotage getrieben habe. Ebenso soll Mini- sterialdirektor Kautz als Zeuge über den Wert der Chromo-A.-G. gehört werden, ferner der Landtagsabgeordnete E r n st Heil- mann und der Bankier Blum aus Berlin , die im Hotel Bristol zugegen gewesen sein sollen, als Direktor Linke den Wert der Chromo-A.-G. auf 10 Millionen Mark schätzte. Die Staatsbank als kreüitgeberin. Hierauf wurde der Sachverständige Staatsfinanzrat Soldat von der Preußischen Staatsbank vernommen, der über den Aufbau der Seehandlung und die Kreditpolitik der General- direktion eingehend gehört wurde. Auf Befragen des Vorsitzenden schilderte der Sachverständige, daß in den kritischen Iahren 1923/24 die Generaldirektion aus dem Präsidenten, drei Mitglie- dem, zwei Stellvertretern und einem kommissarischen Beirat be- standen habe, die die laufenden Geschäfte bearbeiteten. Auf Befragen des Gerichts verbreitete sich Staatsfinanzrat Soldat dann über die Frage der Kredite, bei denen er den Lombardkredit und den Konto- korrentkredit unterschied. Der Lombardkredit wurde durch die Kasse
der Staatsbank geregelt und überwacht, während der Konto- korrentvertehr unter Aufsicht der Generaldirektion durch die Korrespondenzabteilung seine Erledigung fand. Das Gericht verlangte von dem Sachverständigen nun die Angabe genauer Richt- linien, nach denen die Kredite vergeben wurden. Staatssinanzrat Soldat erklärte jedoch aus die sehr eingehenden Fragen von Land- gerichtsdirettor Neumann, daß eine scharfe Unterscheidung eigentlich nicht stattgefunden habe. wenn auch Privatpersonen von der Staatsbank kein Lombardkredit eingeräumt werde. R.-A. Juliusberger: Diesen Ausführungen muß ich wider- sprechen, Herr Sachverständiger, denn ich selbst bin Kunde der Staatsbank, und mir, ebenso wie anderen Privatpersonen ist zum Ankauf von Effekten usw. von der Kasse der Staatsbant wiederholt der billige Lombardkredit nicht etwa ge- währt, sondern sogar direkt angeboten worden. Sachverständiger Soldat: Das soll aber eigentlich nicht sein. Im Anschluß hieran kam es zu lebhaften Auseinanderjetzungen zrrstfchen der Verteidigung und Staatsfinanzrat Soldat, in die auch der Angeklagte Dr. Hellwig wiederholt eingriff. R.-A. Juliusberger behauptete, daß gerade die Kontodarlehen bei der Staatsbank niedri- gere Zinssätze hätten als die Lombardkredite, was der Staatsfinanz. rat jedoch bestritt. Dr. Hellwig erklärte hierzu, daß alle diese Dinge ständige Differenzpunkte zwischen ihm und Soldat gewesen seien. Im Gegensatz zur Auffassung des Staats- finanzrats stehe er auf dem Standpunkt, daß noch ein Lombardkredit demjenigen gegeben werde, der mit bestimmten Unterlagen zur Staatsbank komme und einen Kredit verlange, ohne deshalb in lausenden Geschäftsverkehr mit der Staatsbank zu treten. Im Konto- verkehr erhalte derjenige Kredit, der dauernder Kunde der Staats. bank fei. So, wie Staatsfinanzrat Soldat es darstelle, sei es viel- leicht vor dem Kriege, nach dem Kriege aber bestimmt nicht mehr gewesen. Auch Dr. Hellwig bestätigte, daß wiederholt im Lom- bardkredst höhere Zinsen gefordert worden seien als im Kontoverkehr. Dr. Hellwig wies dann weiter darackf hin, daß Staatssinanzrat Sol- dat im Jahre 1923 mehr als ein halbes Jahr wegen Krankheit der Staatsbank ferngeblieben fei. Als der Sachverständige dann weiter ausführte, daß vom Mai 1924 ab eine Vorschrift erlassen worden sei, daß jedes wichtige Geschäft erst einmal der Generaldirektion vor- gelragen werden müsse. trat man in eine lange Erörterung über die Frage ein, was ge- schehen sei, wenn ein Referent trotz alledem einmal einen größeren Kredit ohne die Generaldirektion bewilligt hätte. Der Sachverstän- dige erklärte, daß in einem solchen Falle eben der Präsident und die anderen Mitglieder die vollzogene Tatsache zur Kenntnis nehmen mußten, daß aber das Geschäft selbst nicht rückgängig gemacht worden sei. Ober st aatsanwalt Raasch wies dar- auf hin, daß bereits seit dem Dezmber 1923 eine Verfügung des Bräfidenten der Staatsbank bestanden habe, wonach jeder Renten- markkredit und jeder Vapiermarkkredit im werte von über 300 Mark von der Entscheidung der Generaldirektion abhängig gemacht werden mußte. Der Sachverständige erklärte, daß diese Anordnung mehr für den inneren Dienstbetrieb bestimmt gewesen sei. Schließlich bekundete der Sachverständige noch, daß die Barmat-Kredite mit einer Ausnahme bei der Merkurbank sämtlich als K o n t o v o r- s ch Ü s s e gewährt worden seien.