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Kampf öen Gefthlechtstrankhetten! Die Gesetzesvorlage vor dem Reichstag .

In seiner gestrigen Sitzung befaßt» sich der Reichstag mit der zweiten Beratung des Cesetzentwurfs zur Bekämpfung der Aeschlechtstrankhei'ten. Abg. Dr. Moses(Soz.) weist auf die bevölkerungspolitische Tagung der Arbekterwohlfahrt im September v. I in Jena hin, wo man sich auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf befaßt hat. In den Leit- sähen, die zu diesem Punkte«ingebracht waren, ist die Stellung der Referenten zu der Frage Prostitution und Reglementierung wie folgt festgelegt worden. 1. Die Prostitution ist nicht«in notwendiges Uebel, sondern ein Ueberbleibsel aus der Zeit der Sklaverei, der Mißachtung der Frau und ihrer Arbeit. Sie hängt in ihrer heutigen Form aufs engste Zusammen mit sexueller Unehrlich» kekt, wirtschaftlichen und sozialen Schäden. In demselben Maße, wie es uns gelingt, diese Schäden zu beseitigen wird auch die Prostitution überwunden werden. Darum muß e) unser Kampf stch dagegen richten, daß einerseits die Pro» stituirten ausgenützt und andererseits durch Reglemen- tierung, Kasernierung oder Bordellierung rechtlos gemacht werden: b) müssen wir nach Wegen suchen, die die Prostitution ein- dämmen und den Prostituierten den Weg zurück in ein Leben ebnen, das ihnen selbst und der Gesellschaft zunutze wird. 2. Der Kampf gegen die Gefchlechtskrank- Helten darf sich nicht aus sanitätspolizeiliche Zwangsmaßnahmen gegen eine kleine Gruppe gewerbsmäßig sich prostituierender weib- licher Personen richten, sondern er muß überall da einsetzen, wo eine Ansteckungsgefahr vorhanden ist, ahne Rück- sichtnahme aus Geschlecht oder sozial« Stellung der in Frag« kommenden Personen. In diesen Sätzen kommt unser« Stellung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Ausdruck, wobei ich allerdings' feststellen mochle. daß eine Minderheit in unserer Fraktion gegenüber dem§ 7 eine abweichende Stellung«innimmt. W«nn man auch im großen und ganzen dem Gesetzentwurf zustimmen könnte, so fordert er doch im einzelnen zur Kritik heraus, zumal in einem Teil der Be« ftimmungen der eigentliche Zweck, nämlich die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, kaum noch erkennbar ist. Leider werden noch immer rein sanitär« Fragen mit moralischen Tendenzen verbunden. Keinerlei Meinungsverschiedenheiten hsrrschan in unseren Kreisen darüber, daß man«ine wirksam« Bekämpfung der Geshsechlskrankbeiten ebenso wie der Säuglings- und Kindersterblich- feit, der Tuberkulose, des Alkoholismus usw. nicht allein mit gesetzgeberischen Maßnahmen vornehmen kann. In erster Linie ist dazu eine Bekämpfung unserer wlrtschafkNchen und sozialen Schäden nötig. Gesundheitspolilik treiben, heißt nun einmal in allererster Linie Lohnpolilik und Wohnpolitik im lluleresje der breiten Massen des Prolelarlals treiben. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Das gllt ganz besonders gegenüber unseren kmastrophalen Wohnung»- Verhältnissen. Aus der dermatologischon Abteilung des Rudolf- Dirchow-Krankenhauses in Berlin sind in der letzten Zeit geradezu grauenerregende Mitteilungen über den Umfang der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten unter den Kindern ge- macht worden. Der Redner schildert«in« Anzahl von Fällen, über die im Verein für Fürsorge für jugendliche Psychopathen berichtet worden ist, und in denen Kinder infiziert worden sind, die in elenden Wohnungen Hausen mußten. Der Berichterstatter Dr.<S u m- per t sagt am Schluß seiner Darlegung: Im ganzen haben wir im Laufe dieses Jahres etwa SO Krankheitsfälle dieser Art beobachtet, die auf V« r- gewaltigung, Inzest, Familieninfettion oder Berkehr von Kiwdern untereinander zurückzuführen sind* Die Fürsorgerin beim Zentraljugendamt der Stadt Berlin , Tharlott« Meyer, berichtet, daß vom Februar 1SZ2 bis März 1024 2S und vom 1. März 1024 bis 15. Juli 1925, also in nur etwas mehr als einem Vierteljahr, 89 solcher Fälle von Sittlichkeitsdekikten an Kindern bekannt geworden seien. Der Oberarzt der dermatologischen Abteilung am Virchow-Krankenhaus bezeichnet die Mietskasenie geradezu als die ideale Brutstätte für Ge- schlechlskrankheiten. Man sieht also, wie neben der Wohnungsnot die Bettennot auf die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten, namentlich unter den Kindern geradezu katastrophal einwirkt. Man muß Dr. Gnmpert zustimmen. wenn er fordert, lede» Kind müsse sein eigenes Bett haben wie jedes Tier fein eigenes Lager habe. Di« Verfassung sagt, daß die Jugend gegen sittliche, geistig« oder körperlich« Verwahrlosung zu schützen sei. Wenn unsere Gesellschaft sich ihrer Aufgab« im Sinne der Versa siung mehr als bisher bewußt sein wird, dann wird man auch auf dem Gebiet« der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten mehr erreichen als durch derartige Gesetze, mehr auch als durch ein Schmutz- und Schundgesetz, das sich gegen Dinge richtet, die viel weniger Einfluß auf die sittliche .Haltung unserer Jugend ausüben, als solche Zustände» wie ich sie ge» schildert Hab«, die man geradezu als kulturschande bezeichnen kann. (Sehr wahr bei den Soz.) Wir versprechen uns nlchks im Kampfe gegen die Geschlechts- krankheiken auch nach Annahme dieses Eulwurfs, wenn mau nicht gleichzeitig in ganz anderer weise als bisher den sozialen Schäden zu Leibe rückt. Darum ist auf der bevölkerungspolitischen Tagung in Jena auch gefordert worden: Schaffung von gesunden und billigen Wohnungen, ausreichende Entlohnung der Arbeit. ganz besonders durch gleich« Bezahlung für gleich« Arbeit von Mann und Frau, Ausgestaltung der unter- stützenden Erwerbslosenfürsorg«. besonders bei den .Jugendlichen, daß sin« sittliche Gefährdung durch Arbeitslosigkeit oer- mieden wird. Schlleßlich oerlangte die Tagung weitestgehende Auf- klärung der Bevölkerung über die Geschlechrskrankheiten durch Wort, Schrift und Bild, rechtzeitig« und aufklärende sexuelle Erziehung der Jugend in Schul« und Elternhaus. Im Aueschuß war bei der ersten Lesung«in« Bestimmung aufge- Nammen worden, die in der zweiten Lesung wieder zu Fall kam und die wir jetzt von neuem einbringen, wonach aufklärend« Bor » träge, Schriften. Abbildungen oder Darstellungen über Geschlechts- krankheiten, ihre Verhütung und ihre Erscheinungen nicht von der im f? 11 enthaltenen Bestimmung getrosten werden. Aus«igen«? Erfahrung kann ich sagen, daß mir kurz vor dem Krieg« die Haltung solcher ausklärenden Vorträge in Berlin wegenGefährdung der öffentlichen Moral und Sittlichkeit" untersagt worden ist. Die Abhaltung einer solchen Versammlung wurde ge>- stattet, wenin nur Männer zugelasien würden. Tatsächlich sorgte auch die Polizei dafür, daß alle« Weibliche von der Auf- klärung der Leiden innerhalb und außerhalb der Ehe ferngehalten wurde. Es folgte dann«in generelles Verbot, das von dem damaligen Polizeipräsidenten o. Iagow ausging zu einer Zeit, als dieser Herr sich bei der bekannten Schauspielerin Tilla Durieux . die im Gegensatz zu dem Junggesellen Herrn o. Iagow innerhalb der Ehe lebte, zu einem Sonntognachmittagkaffee angemeldet hatte, um stch bei dieser Geleaenheft über die Lage der Schau» Ipielerillnen zu ftlforvuerellZ

1 Die geföhvdete Moral spielt auch ein« große Rolle im§ 15, wonach in ß 134 des Strafgesetzbuches eine Borschrist eingefügt werden soll:Wer in einer Sivc oder Anstand verletzeirden Weis« Mittel. Gegenstände oder Versahren. die zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten dienen, östentlich ankündigt, an- preist, oder solche Mittel oder Gegenständ« an einem dem Publikum zugänglichem Orte ausstellt." Wir stehen auf dem Standpunkt, daß «s keinen besseren Schutz gegen die Ausbreitung der Ge- schlechtskrankheiten gibt, als jedem die Gefahren vor Augen zu führen, indieersichbei Betätigung des Geschlechts- triebes hingibt, und ihm die Anwendung eines Präservativs zu empfehlen. Was durch«in« systematisch durchgeführte Vorbeugung erreicht werden kann, zeigen ja zahlreiche Statistiken, die besonders im Kriege durchgeführt worden sind. Es will mir scheinen, als ob die deutsche Gesellschast zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten aus Furcht, bei den Kreisen Anstoß zu erregen, die in der Propo- aanda für diese Prophylaxe auch ein« Gefährdung der öffentlichen Moral erblicken, nicht gern bei«wer Aufklärung über die Gefahren des Geschlechtslebens davon spricht. Der Erfolg des ganzen Gesetzes steht und fällt mit der unent- geltllchen ärztlich«» Behandlung und unentgeltlichen Lieferung von Medikamenten. Wir müssen dahw streben, daß weder Geschlechtskranke, ob ver» sichert odernicht, überall unentgeltliche Behandlung finden können. In Nordamerika , England und in den nordischen Staaten find w großzügister Weise Ambulatorien für Geschlechtskrank« eingerichtet, in denen auch die Anonymität gewahrt wird. Ohne unent gelt- liche Behandlung ist eine energisch« Bekämpfung der Geschlechtskrank- keiten einfach undenkbar. Die Aerzt« sträuben sich noch dagegen, wie sie sich auch sewerzest gegen die Einrichtung von Beratungsstellen gesträubt hoben. Ich kann jetzt leider nicht aus eme Reihe von Punkten eingehen, insbesondere nicht auf die Tatsache» daß eine Bekämpfung der Ge­schlechtskrankheiten, besonders unter den Jugendlichen nicht möglich ist. wenn man nicht gleichzeitig auch dem chauptkuppler, dem Al- kohol zu Leibe geht(Sehr wahr! links.) In der Frage der Laienbehandlung, zu der mancher meiner Parteifreunde eine andere Stellimg als ich einnimmt, gebe ich zu bedenken, daß in der letzten Zeit Stimmen aus ärztlichen Kreisen laut geworden sind, die eme Aufrollung des Problems der sogenannten Kurpfuscherei in der setzigen Zeit nicht für opportun Halfan. Die Aufrollung dieses Problems gerade bei diesem Gesetzentwurf könnte vielleicht auch sär die Aerzteschoft manche unangenehme Diskussionen zeitigen. Glaubt man wirklich, daß das Staatsexamen den Mediziner gegen den Vorwurf feit, daß er in der Behandlung von Geschlechtskraok- heften auch ein Kurpfuscher sei? Ein erheblicher Teil in der Fest»

stellung von Diagnosen bei Geschlechtskrankheften beruht doch auf rechnischem Könnsn. Trotz aller Ärftik an einer ganzen Reihe von Bestimmungen bedeutet Doch dieser Gesetzentwurf einen Fortschritt, msbesondere was die letzren Paragraphen, die Aushebung der Reglemenuerung, Kasernierung, Bordellierung und anderes mehr betrifft. Ich hvffe, daß gerade zu diesen Paragraphen keine neuen Antröge eingebracht werden, di« eme Verschlechterung der ganzen Vorlage bedeuten müßten, damit es dem weitaus größten Teile meiner Parteifreund« ermöglicht wird, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdeuwkrateni) Dr. Spuler(Daatl.): Die Beratungen im Ausschuß haben zu unserem großen Bedauern ein weitgehendes Mißtrauen gegen die Aerzteschaft gezeigt. Dem ist bis zu einem gewöhn Grad« zuzustimmen. Es wird darauf ankommen müssen, die Schwächen unserer ärztlichen Ausbildung, denn nur darin liegt das Mißtrauen gegen die Aerzteschaft begründet, zu überwinden. Aba. Vickes(D. Vp.): Die S y p hi l i s e r k r a nk u ng e n find iu der(etzten Zeft zurückgegangen. Leider ist das von den Tripper- erkrankungen nicht zu fogen. Trotz erheblicher Widerstände gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzentwurfes stimmen wir dem Gesetz zu. Besonders müssen wir beanstanden, daß die persönlich« Freiheit des einzelnen außerordentlich stark durch die gesetzlichen Bestimmungen eingeschränkt werden soll. Wir hoffen, daß die Aussührungsbestimmungen zum Gesetz im Sinne unserer Abänderungswunsche erlassen werden. Frau Arcndsee(Komm.): Di« Schuld an der Ausbreftun« der Geschlechtskrankbeiten liegt in den elenden Verhältnissen der breiten Massen begründet Der vorliegende Gesetzent- wurf ist ein Beispiel dafür, daß die Regierung nichts Errsslhaftes tun will und kuliu. um den Geschlechtskrankheiten entgegenzutreten. Um eine durchschlagende DerSnderung herbeizuführen, wird es erst einer völlig anders gearteten Struktur der Gesellschaft bedürfen. In Ruß­ land werden die rechten Schritte zur Bekämpfung der Geschlechts- krankhetten getan. Abg. petzold(W. Dg.): Dem Gesetz sollt« von allen Parteien zugestimmt werden, obgleich auch wir erheblich« Bedenken dagegen einzuwenden haben Es müssen Mittel ausgebracht werden, die auch den Kreisen ein« Benutzung der staatlichen Schutzmaßnahmen ge- stallen, die nicht den Krankenkassen oder ähnlichen Organisationen angehören. Ferner sollte bestimmt werden, baß die Behandlung durch Saloarsan dem Ermessen des«inzenen überlassen wird. Abg. Bayersdörser(Payr. Vp.)-. Einer erfolgreichen Durch­führung des Gesetzes wird nur bei veranlworllicher Mitarbeft der Aerzteschaft möglich sein. Trotz verschiedener Bedenken, die schon rm einzelnen besprochen wurden, stimmt die Bayerische Volks- partei für das Gesetz. Abg. v. Ramia(Volk.) trägt eine Reche von Bedenken gegen das Gesetz vor, insbesondere findet der Behandlung szwang nicht faine Zustimmung. Infolgedessen werde fein« Fraktion vor- ausstchiftch gegen das Gesetz stimmen. Der Redner häll die Keuschheit bis zur Ehe noch immer für das best« DorbeugungsmiUA gegen die Seuche der Geschlechtskrankheiten. Gegen 6 Uhr vertagt das chaus die weitere Beratung auf Sonn- abend mittag 12 Uhr.

Die beörohte volksgesunöheit. Geburtenrückgang. Zunahme der Krankheiten. - Soziale Not als Ursache.

Zu Beginn der gestrigen Sitzung nahm der Preußische Land- ,ag für den verstorbenen Dizeprästdenten Garnich , der der Deutschen Volkspartei angehörte, die Ersatzwahl vor. Abg. Dr. o. Camp« (D. Vpt) schlug dafür den Abg. Dr. Wiemer(D. Dpi.) vor, der darauf mit 262 Stimmen gegen 22 Stimmen, die der Abg. Pieck (Komm.) erhielt, zum 8. Dizeprästdenten gewählt wurde. Hierauf trat das Haus in die Beratung des Etats des Wohl- fahrtsministeriums ein. Nach der Berichterstattung durch den Abg. Dr. Stsmmler(Z.) nahm zunächst das Wort Wohlfahrtsminffter hirksiefer: Di« gesundheitlichen Verhältnisse haben in Preußen zweifellos eine Besserung erfahren. Aus der Abnahme der esterblich- keit, insbesondere bei d«-r Tuberkulose., darf aber nicht der gefährliche Trugschluß gezogen werden, daß die ungeheuren Schaden der Kriegs» und Inflationszeit überwunden find. Es wird weiter die wichtigst« Aufgabe für das Reich, den Staat und die Kommunen bleiben müssen, für befriedigende Gelundheltsverhält- nisse zu sorgen. Nach den Ausführungen des Ministers ist die Sterblichkeitsziffer von 14,9 auf 1000 Einwohner vor dem Kriege auf 25 im Jahre 1918 gestiegen und bis zur ersten Hälfte des Jahres 1925 auf 12,2 zurückgegangen. 800 000 Menschen ssnd während des Krieges durch die Hungerblockade in Deutschland gestorben. Ein erheblicher Teil davon wäre sonst sicherlich erst zu«wem erheblich später liegenden Zeitpunkt ge» starben: das trifft besonders für die an Tuberkulose Erkrankten zu. Von erheblicher Bedeutung ist die Tatsahe, daß die Gelwrlenzlsfern eineu bedenklichen Rückgang aufwelsea. Von 28,2 aus 1000 Einwohner im Jahre 1913 ist die Ziffer auf 20,7 in der ersten Halste des Jahres 1925 gefallen, d. h. auf den niedrigsten Stand, der bisher beobachtet wurde. In manchen Großstädten ist der Geburtenrückgang derart erschreckend. daß die Gefahr naherückt, daß überhaupt kein Ueberschuß der Ge- burtenfälle über die Sterbefälle mehr erzielt wird. Dieser Rückgang ist zweifellos durch die wirts ch»a f t l i ch e Not unseres Volkes bedingt Der allgemeine Gesundheitszustand Ist durchaus unzureichend und wird durch die mangelhafte Ernährung des Volkes zweifellos ungünstig beeinflußt So haben die Tuberkuloseerkran- kungen zugenommen und die Skrofulöse, die als ein Vor- stadium der Tuberkulose im Kindesalter anzusehen ist, ist unter der Jugend außerordentlich verbreitet Der Gesundheitszustand von Klein- und Schulkindern läßt auherordenllich viel zu wünschen übrig. Zwar ist in den letzten Jahren eine geringe Besserung eingetreten, aber es ist«rschiftlernd. daß viele laufend Schulkinder körperlich und geistig infolge der wirtschaftliche« Rot so zurückgeblieben sind, daß sie als Vierzehnjährige den Eindruck von Rsuvjährigen machen. (Hört, hört!) Gegenstand ernstester Sorge für den Staat bildet die Seuchenbekämpfung. Die Scharlachfälle sind im letzten Jahre auf das doppelte gestiegen. Die Häufigksft der TvvHusertran- kungen ist durch mangelhaft« Abwässerbeseitigunq verschuldet die eine der schädlichsten Kriegsfolgen ist Das ist besonders in Hau » n v v e r in Erscheinung getreten. Besondere Beobachtung verdient di, furchtbar st e Volksseuche, die Tuberkulose. Zwar ist rn Preußen die Tuberkulosesterblichkeit von 50500 im Jahre 1923 auf 25807 im Jahre 1925 gefallen. Dagegen muß fest- gestellt werden, daß die Erkrankuogszlffer w der Zunahme begriffen ist(Hört, hört!) Dies« Tatsache ist zum größten Teil auf di, furchtbare Wohnungsnot zurückzukühr»«, di« felbstverftänd- sich dr« Ansteckungsgefahr erhöht Das Ministerium hat im letzien Jahr« in einer Reih« von Provinzen Arbeftsgemeinschaften zur Tuberkulosebekämpfung«w geruht«, di« auch w den übrigen Landes- fallen eingeführt werden sollen. Der Minister stellt weiter den Entwurf eines preußischen Jrrengesetzes in Aussicht das sich möglichst mft dem neuen Relchsstrafgesetz im Einklang befinden soll. Der Schutz der in gewerblichen Betrieben Be» schüft igten soll nach Mäglichkeft ein« Erweiterung er»

fahren. Di« Anstellung von fünf Gewerbeärzten Hab« sich als un- umgänglich natwendig erwiesen. Mehr einzustellen sei bei der Fwanzkaae des Staates leider nicht möglich gewesen. Im weiteren Verlauf seiner Rede verweist der Minister auf den Unfug mft Ge- hei mml'tteln, dem durch ein Reichsgesetz gesteuert werden müsse und stellt oorfchärste Bestimmungen gegen die Rausch» und Betäubungsmittel m Ausficht«ch'ießlich sogt er die Förderung staatlicher Sportpflege zu, die wesentlich zum Wiederaufstieg unsere- Voltes diene. Im Rahmen der geringen Mftfal, die bei der Finanz­lage zur Verfügung stehen, werde das Mwisterrum nach besten Kräften für die Hebung der Dolksgssundheft arbeiten. Abg. Frau Luuerl(Soz.): Im Hauptausfchuß haben all» Partelen die außerordentliche Dürftigkeit der w den Wohlfahrtsetat eingestellten Mittel be- mangelt Dabei müßt« eigentlich dieser Etat der wichtigste sein. (Sehr richtig! link».) Zum Optimismus haben wir außerordentlich aermgen Anlaß, wenn festgestellt werden muß, daß Preußen mit seiner Säuglingssfarblichkeft an neunter Stelle stehe. Belgien , Frankreich . England, Skandinavien haben nur di« Hälfte der preußischen Sterblichkeit. In einzelnen Bezirken Preußens ist die Sterolichteft der unehelichen Kinder doppelt so hoch, wie die der ehe- lichen. lieber den Rückgang der Geburtenziffern zu lamentieren, wäre unnütz oder geschmacklos. Hier liegt die Ursache vielfach im schmerzlichen Verzicht auf das Kind, das durch die Notloge nich: ernährt werden kann. Es ist Pfllchk des Slaaies. alles werdende und vorhandene Leben zu schützen. In dieser Richtung liegt unser Antrag betreffs Schwangeren- fürsorge auf Bereitstellung von 2 Millionen Mark. Der entsetzliche Mißbrauch der Frauenkrast be- dingt einen grauenhaften Massenmord an werdendem Leben. Wohlhabende Frauen haben die Möglichkeit, sich zu schonen, wenn sie ein Kind unter dem Herzen tragen. Die 5ilassenscheidung wird nicht geringer zwischen diesen und den doppell und dreifach über- arbeiteten Frauen, wenn diese stch 5 Wochen vor der Geburt etwas schonen können.(Sehr richtig!) Im Einverständnis mit den Ge- werkschaften aller Richtungen fordern wir die Vermehrung der Gewerbeärzte. Die fünf bisher eingestellten sind viel zu gering. Berufskrankheiten sind heute nicht mehr unvermeidbar. Und deshalb ist der richtig geschult« Gewerbearzt unerläßlich. Die rallonallsierleu velriebe bringen die große Gefahr vorzelllgeu Verbrauchs der Arbeitskraft Dabei sind die unerlöhllchen Vorbedingungen der Rationali­sierung, Herabsetzung der Ärbeftszeit und ausreichende Ernährung nicht gegeben. Wir fordern auch Vermehrung der weib- lichen Gewerbeaufsicht Schließlich handÄ es sich hier nicht allein um Fragen der Wirtschaftlichkeft van Betrieben, s widern um richtig angewandte Menschenökonomie.(Sehr richtig!' links.) Genossin Kunert wendet sich sodann gegen die deutschnationalen An- träge gegen die Surpfuscherei, die zum großen Teil dem Standesdünkel und der Vielwisserei gewisser Aerzfa«nt- springen. Durch ein Darbot würde sie nur im geheimen blühen. Sie schlleßt mft der Aufforderung, daß der Staat endlich das Laborieren an Symptomen aufgeben möa». Vorbeugende Maßnahmen durchzuführen fei di« erste Vorbedingung zur Hebung der Volksgesundheit(Bravo ! links.) Abg. Dr. Ouaet-Faslem(Dnat) führt vefchwerd«. daß der Herr Finan-mtnisier zahlreiche«mfrimmig gefaßte Beschlüsse de- Landtage« auf Vermehrung der Wohlfahrtsausgaben nicht durchaeführt habe. Abg. Dr. West«(Z.) verlangt staatliches Eingreifen gegen b-trug-rlsche M rtt e lsta n d s ka s? e n. insbesondere die «elbsthrlf« m Breslau . Di» deutschen Aerzfa hätten in der In- flatronszeft ungeheure Opfer gebracht und den neuen machwollen Aufbau der Krankenkossen ermöglicht Die Aerzte wollten auch jetzt kerne Verschlechterung der Sozialgesetzgebung und Sozialversicherung. aber di« Arztfrage m der Sozialversicherung müsse gelöst werden Dfa Fortsetzung der Beratung des Wohlfahrtsetats wird auf Sonnabend. 11 Uhr, osrtagt