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fibenSausgabe Nr. 45 44. Jahrgang Ausgabe L Nr. 22
Vizugzbidlnimngr» und Sn,«lg«nurels, Nnd in der Morgensuslind« ongegcben »edoktloa: Sw. SS, cwdenstrab» 3 Fernsprecher- VSuhoss 192- 292 XeL-Sititcfle: Sozialdemokrat Berlin  
Derlinev VolKsblÄkk
(10 Pfennig) Donnerstag 27. Januar 1 �27
verlaz und«nzetginabteilun»! S-lchäftszett 8V<> btedUdt Verleger: vorwtlrla- Verlag GmbH. Bern  » STD. 08, clndenslrah» 8 Zerasprecher: VSahoft 292 207
Zentralorgan der Sozlaldemokratlfcben parte» Deutfchlands
Riesenkrach im Sürgerblock. Die Deutschnationalen schreien über Indiskretion.- Die Vereiubarnng bedroht?- Geraufe um Ministersitze.
Heute soll endlich der Bürgerblock werden. Heut« will man endlich zur Sache kommen, d. h. zur Verteilung der M i n i st e r s i tz«. Füns oder drei für die Deutschnationalen, ist die Frage.» Also sagen wir: vier! Ehe die Welt wurde, war das Chaos. Mit dem Bürger- block ist es nicht anders. Zunächst sieht man noch immer nichts als ein aufgeregtes Getümmel. Die Rechts presse schäumt über die Beröffentlichung der Richtlinien. Das Zentrum ist wütend, weil die Deutschnationalen entgegen der amtlichen Meldung erklären, sie hätten bisher überhaupt noch zu n i ch t s ihre Zustimmung gegeben. Wäre das richtig, dann wäre es ja ein Skandal, daß man die anderen Parteien über einpositives Ergebnis" beschließen ließ, das gar nicht existierte. Aber es ist ja nur eine erbärmlich« Verlegen- heitslüge. Das völkischeDeutsche Tageblatt" höhnt über die schwarzrotgoldenen Deutschnationalen". Die rechtsdeutsch- natwnaleDeutsche Zeitung" versichert, eineneue Krise" sei ausgebrochen. Die Deutschnationalen würden heute vor- mittag Herrn Marx erklären,daß man für die neue Regie- rung eine neue Grundlage wird suchen müssen, venn sie zustande kommen soll. Die offiziell deunchno�rmale li'esse wagt es nicht einmal, dieRichtlinien" ihren Lesern mitzu- teilen. Die.Lreu»>eitung" stöhnt über einen. groben Stö- rungsvcrsuch". Der.Lokal-Anzeiger" versichert, die Deutsch  - nationalen dächten nicht daran,.die Vereinbarungen" also gibt es doch welche!? umzustoßen, aber das Veröffentlichte seiunvollständig und zum Teil falsch". DieGermania  " hingegen anerkennt die Billig- keitderRichtlinien. Sie veröffentlicht sie an leitender Stelle. Sollten die Deutschnationalen noch Schwierigkeiten machen, so sei natürlich die ganze Vereinbarung bedroht. Das?ientrumsblatt glaubt, die Deutschnationalen würden sie schließlich schlucken, aber es zweifelt an der Auf- richtigkeit derneuen Bekehrung" und fordert einen Beweis der Loyalität: Solailge dieser Beweis der Loyalität noch nicht erbrocht ist, wird man es der lvählerschast nicht verübeln können, wenn sie die demokratische Tugend des Mißtrauens übt. Was dieLoyalität" betrifft, verweisen wir auf die gestrigen Vorgänge in der Zehlendorfer   Bezirksversammlung, wo ein Deutschnationaler die Farben der Republik   be- schimpfte, und auf die heutigen Kaisergeburtstagartikel der Rechtspresie. Um öle Ulinisterfltze. Die venlschnationalen traten gegen mittag zu einer Fraktions- sitzung zusammen. Die Sitzung war nur kurz. Danach begab sich Westarp zu Marx, um mit ihm über die Verkeilung der porlcseuilles zu verhandeln. Es scheint, daß auf die Richtlinien und ihr« Beröffentlichung kein Gewicht mehr gelegt wird, sondern nur noch auf die Minister- sitze. Di« demokratische Reichstagsfraktton setzte am Donnerstag morgen ihre gestern abend abgebrochene Fraktions- sitzung fort. Um �11 Uhr erschien Reichskanzler Dr. Marx im Reichstag. Darauf begaben sich sofort die demokratischen Führer Koch   und Dr. ch a a s zu ihm, um sich des gestern abend bereits von ihrer Fraktion erteilten Auftrages zu entledigen.« , Die demokratische Fraktion beschloß danach ein- stimmig, den Eintritt in die Regierung abzulehnen. die heruntergehandelten Richtlinien. Vergleich mit dem Urtext. Ein Geheimvrotokoll. DieRichtlinien" der deutschnationalen Grundsatzlosigteit als Regierungsprogramm des Bürgerblocks sind zum Eni- setzen ihrer Urheber und zum Vergnügen aller Republikaner frühzeitig veröffentlicht worden. An der Hand ihres Wort- lauts vermag sich das deutsche Bolk eine Vorstellung davon u machen, was bei dem Kuhhandel'der bishervaterländi- 'en Opposition" herausgekommen ist. Ein ganz klares Bild über dieses Ergebnis ermöglicht natürlich nur ein Ber  - gleich zwischen den tatsächlichen Richtlinien und ihrem U r- t e x t. Warum sollen wir ihn nicht auch veröffentlichen? E r befindet sich in unserem Besitz. Das möchten wir ausdrücklich feststellen, um von vornherein allen Dementis die Spitze abzubiegen. Also oernehmen wir, wie man im bürgerlichen Lager über Grundsätze denkt, indem man über ihre Formulierung verhandelt. Zunächst heißt es in dem Urtext:Uneinge- schränkte Anerkennung der Rechtsgültigkeit der Vertrags» werke von Locarno  ." Dasuneingeschränkt" ist fortaefallen. wie überhaupt der ganze Passus über die Außenpolitik eine Umgestaltung erfuhr. In bezug auf die Formu- lierungen über die Verfassung war anfänglich deren Schutzgegen alle Verunglimpfungen" festgelegt. Auch diese bestimmte Feststellung ist jetzt insofern verallgemeinert, als nur ein Schutz gegenalle herabfetzenden Ver- xmglimpfungeo" in Frage komm«» soll. Was herabsetzend"
ist, bestimmt im gegebenen Falle schließlich der künftige deutschnationale Innenminister. Wesentliche Aenderungen hat der Urtext über die Reichswehr   erfahren. Abgesehen von bestimmten ein- schränkenden Formulierungen sind im Vergleich zu dem Ent- wurf in den von den Deutschnationalen anerkannten Richt- linien ganze Sätze fortgefallen. In der Ausarbei- tung des Herrn Marx hieß es z. B., was die Rekrutierungs- Verordnung anbelangt und im gewissen Sinne auch den Auf- fassungen der Sozialdemokratie entsprach:Die unteren Ver- waltungsbehörden sollen in möglichst weitem Umfange zwecks Auskunfterteilung in Anspruch genommen werden." Von dieser Feststellung ist im den tatsächlichen Abmachungen ebenso wenig zu finden, wie von dem Hinweis auf die strenge Bestrafung, die eintreten sollte, wenn Reichswehr­angehörige zu irgendwelche« Wehrverbänden Beziehungen unterhalten. Der in den Veminbarungen mit den Deutsch  - nationalen im Vergleich zu dem Urtext diesbezüglich ge- strichene Satz lautet:Zuwiderhandlungen werden im Rahmen der bestehenden Gesetze t.'nd Bestimmungen streng geahndet." Man traut sich also nicht einmal, eine strenge Ähndung auszusprechen. Wer zweifelt unter diesen Um- ständen überhaupt noch daran, daß die ganzen Bestimmungen nicht ernst gemeint sind? Auch andere Bestimmungen des Entwurfs sind gestrichen worden. Statt desien hat man sich auf ein G e h e i m p r o- t o k o l l geeinigt, in dem es zunächst heißt, daß die Anerken- nung der Locarnoverträge nicht nur völkerrechtlich, sondern auch verfassungsrechtlich zu verstehen ist. In dem zweiten Punkt dieses Geheimprotokolls, der ehenfalls anfänglich vor aller Oeffentlichteit festgelegt werden sollte, heißt es, daß der Schutz der Verfassung sich aus den ganzen Artikel 3 der Reichsverfassung vom 11. August 1919 bezieht. Im dritten Punkt wird die Vereinbarung festgelegt, daß Anträge, die sich auf eine Abänderung der Verfassung beziehen, nur im gegenseitigen Einvernehmen der Regierungsparteien gestellt werden dürfen. vie neuen»Republikaner  " zu kaifers Geburtstag. DieKreuzzeitung  " mit dem KopfVorwärts mit Gott für König und Baterland!" veröffentlicht einen Leitartikel zu Kaisers Geburtstag. Ein« künftige Geschichtsschreibung werde die Der- dienste Wilhelms II. wieder rein hervortreten lassen. DieDeutsche Zeitung" ruft: heil dem Kaiserl" Sie fordert auf,mit allen Kräften daran zu arbeiten, daß das K a i j« r t u m wiederkehre." Der.Reichsbote", das deutschnationale Pastorenblatt, jammert überdiesen herrlichen Staat, den Staat der H o h e n z o l l t r n", den unsder schwarze Tag des Unisturzes" genommen hat.Für unseren in Ehrfurcht geliebten Kaiser und König er- bitten wir zu seinem Geburtstage von Herzen Golles Segen und Schutz, mit dem Wunsch«, daß Gott die Treuen   im Lande stärken, die Irregeleiteten aber zurechtbringen, und daß er endlich, so es sein heiliger Will« ist, den Kaiser und König auf den Thron seiner Väter zurückführen wolle." 3m Zeichen üer»Richtlinien". DerReichsbote" druckt zum 27. Januar den Wortlaut einer Predigt ob, gehalten von Pfarrer Diedrich Johann Rump  - Berlin   am Mittwochabend in der Friedenskirche zu Potsdam  . Am Schluß derunpolitischen" 27.>Januar-Predigt lesen wir: Gemeinde, das ist unsere Art, immer noch und immer wieder Kaisers Geburtstags zu begehen. Im Gedenken der ruhmreichen und ehrenschweren Vergangenheit klagen wir um unser Vaterland: Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern!" lIes. 14. 12). Ich Erleiden einer Gegenwart, die uns immer wieder predigt:wehrlos ehrlos" straffen wir uns aus allem Klagen zu namhaftem Wollen: Krieg fei da» Lofungswork". Krieg allem unpreuhifchen, allem ondeukscheo Wesen. Sieg!" hallt es weiter fort! Im Blick aus eine dunkle Zukunft nifen wir einander zu:Immer aufs Reue empor, nur nicht erliegen! Wer sich nicht selbst verlor, muß einmal siegen!" Als Preußen aber, die Christen sein wollen, und als Christen. die preußisch fühlen, werfen wir Panier auf: Dem Kaiser treu bis in den Tod! wir schwören laut mit sreud'gcm Mute. 3n Friedenszeil, in Sriegesnot Treu bi» zum lehlm Tropfen Blute? Amen! Zur selben Stunde bereiten sich die deutschnationalen Minister vor,laut mit freudigem Mute" die Treu« der r e p u b l i t a- Nischen Verfassung von Weimar zu schwören. Amen! ikin Vorstoß öes linken Zentrums. Im Verlaus der gestrigen Froktionssttzung des Zentrums ver­suchten die Abgeordneten Io o s, WIrth und Schlack die mit den Deutschnationalen vereinbarten Richtlinien in wesentlichen Punkten noch klarer und eindeutiger zu gestalten. Die Fraktion ging jedoch darüber hinweg und stimmte den inzwischen veröffentlichten Formulierungen zu.
Angestellte und öürgerblock. Nnternehmeroffeusive auf die bürgerlichen Parteien. Von Fritz Schröder. Nicht kennzeichnet deutlicher die gewaltige Verschlechterung der sozialen Lage der Angestellten wie die seit Jahr und Tag zu verzeichnende St e l l e n l o s i g k e i t. Alle Kategorien von Angestellten werden von ihr betroffen: kaufmännische Angestellte, Bureauangestellte, Bankbeamte, Techniker, Künst- ler usw.; sie macht auch nicht halt vor den hochqualifizierten Angestellten. Die amtliche Erhebung vom 16. Juli 1925 zählte 67 000 stellenlose Angestellte, davon waren bereits zum damaligen Zeitpunkt 36 000 bis zu zwölf Monaten und länger stellenlos, Taufende seit Iahren. Diese Ziffern werden in den Schatten gestellt durch die spätere Entwicklung. Seiten vielen Monaten ist das Heer der stellenlosen Angestellten auf eine Viertelmiliion angewachsen. Der letzte Bericht der Reichsarbeitsoerwaltung über die Arbeitsmarkllage für An- gestellte weist 241 408 Stellenlose aus. In diesen trockenen Zisfern steckt eine unermeßliche Not. Nicht nur der stellenlosen Angestellten. Der Druck dieses Arbeitslosenheeres ist nicht ohne Rückwirkungen auf die soziale Lage der beschäftigten Angestellten geblieben. Unter dem Stichwort des Leistungstarifes haben die Unternehmer in weitem Umfange die Freiheit erhalten, die G e h ä l t e r z u drücken. So widerspruchsvoll das klingt, es ist dennoch Tatsache: Bezahlung nach Leistung ist die Kulisse, hinter der sich ein starker Gehaltsdruck abspielt. Dazu kommt eine bei- spiellose Verlängerung der Arbeitszeit; vielfach ist die Arbeitszeit länger als in der Vorkriegszeit. Die Not- läge der Angestellten wird gründlich für die Leistung so- genannter freiwilliger Mehrarbeit ausgenutzt. Was diese Entwicklung bedeutet» kann nur der voll er- messen der daran denkt, daß ein Arbeitslosenproblem in des Wortes furchibarster Bedeutung noch vor einem Jahrzehnt für die Angestellten nicht existierte. Jetzt erst sind die An- R'tellten vom typischen kapitalistischen   Arbeits- i ck s a l mit all seinen verhängnisvollen Folgen erfaßt. Und doch ist das erst der Anfang einer Entwicklung. So revo- lutionierend die Einführung von Bureaumaschinen bereits auf die gesamte Bureauorganisation gewirkt hat. diese Entwick- lung ist noch nicht abgeschlossen. Die amtlichen Arbeitsmarkt- berichte spiegeln das deutlich wieder.Das Ueberangebot an ersten Fachkräften aller Art ist nach wie vor erheblich."Die älteren Angestellten waren verschiedentlich wieder stark ver- treten und kamen häufig aus langjährig(bis zu 35 Jahren) innegehabten Stellen."Wie bisher wurden fast nur junge, gut ausgebildete Fachkräfte verlangt, an deren Leistungen die weitestgehenden Anforderungen gestellt wurden(z. B. Bilanz- buchhalter bis zu 22 Iahren, die nicht nur perfekt französisch und englisch   sprechen und schreiben, sondern auch ihre Kennt- nisse für beide Sprachen im Äusland erworben haben sollten)." Das sind so einige Stichproben aus dem letzten Bericht. Vor dieser harten Wirklichkeit zerrinnt der letzte.roman- tische Zauber um den Kaufmannsberuf: er hat sich längst geflüchtet in die steinernen Lettern, die vorm Hause verkünden: Mein Feld ist die Welt." In einer solchen Situation ist der A u s b a u des An- gestelltenschutzes mehr denn je gebieterische Not- wendigkeit. Unter Führung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion hat der Reichstag   im Juli vergangenen Jahres diese Aufgabe in Angriff genommen. Unter dem Vorsitz des Genossen A u f h ä u s e r kam der Unterausschuß des Reichstags zu einstimmigen Ergebnissen. Die sozial- demokratische Reichstagsfraktion versuchte bei der Verab- schiedung des Kündigungsschutzgesetzes einen weiteren Ausbau des Kündigungsschutzes und die Einführung von Abkehrgeldern, wie sie das österreichische Angestelltenrecht seit langem kennt entsprechend den Beschlüssen des Unter- ausjchusses durchzusetzen. Das scheiterte an dem Wider- st and der bürgerlichen Parteien. Die Beratungen im Reichstage lösten eine umfassende OffensivederUnternehmer aus. Mit bajuvarischer Grobheit erklärte der Verband der Arbeitgeber des Bau­gewerbes für München   und der Arbeitgeberverband des Süd- bayerischen Holzgewerbes, daß die Abgeordneten des Unter- ausschusies entweder fest geschlafen oder auf dem Mond oder in Eglfing  (eine bayerische Verrücktenanstalt) gewesen sind, somit wäre es unmöglich, in der derzeitigen Wirtschaftslage solche Beschlüsse zu fassen. Die Zeitung des Deutschen Indu- stoieschutzverbandes er nennt sich stolz die älteste, größte und lesstungsfähigste Slreikentschädigungsorganisation der deutschen Industrie berichtete, daß sofort gegen die Beschlüsse des Unterausschusses Einspruch bei sämtlichen nicht sozialistischen Reichsiagsftaktionen erhoben wurde. Das Kündigungsschntzgesetz war nicht ganz zu verhindern. Deshalb wurden in einer ausführlichen Denkschrift die bürgerlichen Parteien davor gewarnt, dielen Weg fort- zusetzen. Wer zu lesen versteht, wird sich im klaren darüber sein, was gemeint ist, wenn auf ein immer mehr um sich greifendes Desinteressement für die Parteien in Arbeitgeber- kreisen hingewiesen wird. Schließlich soll auch etwas für die Wahlgelder geleistet werden. Ein vertrauliches Rundschreiben des Zentraloerbandes des deutschen   Großhandels enthüllt die letzten Geheimnisse zwischen Unternehmern und bürgerlichen Parteien. Fleißig sollte Material zur Bekämpfung der sozialpolitischen