Nr. 56 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 29
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Donnerstag, den 3. Februar 1927
Der Bürgerblock stellt sich vor.
Zur heutigen Reichstagssigung.
Die Sigung des Reichstags, in der sich die neue Bürger-[ berg Offiziösen und den Stresemann- Offiziöfen zum blodregierung vorstellen will, beginnt pünktlich um 2 Uhr. Gefecht fommt. Das Neueste vom Kriegsschauplatz ist Das Kabinett hat gestern nachmittag sehr lange über der folgende Erklärung, die BTB. gestern abend verbreitete: Ertiärung gesessen, die Marg in dessen Namen alfo auch im Namen der vier deutsch nationalen Minister daß die deutsche Regierung hente am Quai d'Orsay zwei Roten Ein Berliner Spätabendblatt läßt sich aus Paris melden, abgeben soll. Die deutschnationale Fraktion versammelt habe überreichen lassen. In der einen Note sei von der Auflösung fich heute um 11 Uhr vormittags und wird dann wahrscheinlich der Berliner Sektion des Werwolf" Mitteilung gemacht worauch von dem Inhalt der ziemlich umfangreichen Regierungs- den, die zweite Note dementiere das Gerücht, monach der erflärung Renninis erhalten. Sollte sie mit den Richt- Kabinettsbeschluß über die letzten Instruktionen in der Entwaff linien übereinstimmen, die bisher von der deutschnatio nungsfrage nicht mit Zustimmung der deutschnationalen mi nalen Bresse wahrheitswidrig als nicht bindend" hinnister zustande gekommen sei. Wie wir von zuständiger Stelle er gestellt und totgeschwiegen worden sind, so wird es dide Köpfe fahren, sind derartige Mitteilungen von feiten der deutschen Regiegeben Auf der anderen Seite wird sich die Regierung darauf rung oder der deutschen Botschaft nicht gemacht worden. Damit entgefaßt machen müssen, daß die Opposition die heutige fallen auch alle an die Meldung geknüpften Schlußfolgerungen der Regierungserklärung mit jenen Richtlinien sowie mit dem Blätter. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß in der amtlichen Bentrumsmanifest sehr genau vergleichen wird. Mitteilung über die betreffende Kabinettssigung vom 31. Januar ausdrücklich festgestellt worden war, daß die neuernannten minister, melche die Geschäfte noch nicht übernommen hatten, an der Sizung nicht teilnahmen".
Die ursprüngliche Absicht, eine gemeinsame Er flärung aller Regierungsparteien abgeben zu laffen, foll, wie es heißt, endgültig aufgegeben sein. Keine diefer Parteien mill es sich nehmen laffen, zu dieser Erklärung ihr wie ich fie auffaffe auszusprechen. Ob es da nicht wieder einmal fleine Regieunfälle geben wird?
Ein solcher Regieunfall steht schon für die geschäfts= ordnungsgemäße Behandlung der Regierungserfläs rung in Aussicht. Die Opposition ist nämlich bereit, sofort nach ihrer Abgabe in die Debatte einzutreten, während eingelne Regierungs parteien den Wunsch nach einer Bause hegen sollen. Daraus würde sich das seltsame Bild ergeben, daß sich nur die Opposition über ihre Stellung zu dieser Erklärung von vornherein flar ist, während die Regierungsparteien es sich noch überlegen müßten, ob sie zu ftimmen oder nicht!
Da der Bürgerblod mit der sympathisierenden" Birt fchaftspartei über 270 Stimmen verfügt, ist das Ergebnis der Abst im mung, die am Freitag oder Sonnabend erfolgen wird, nicht ungewiß. Dennoch wird man es verstehen, wenn mancher im Regierungslager der fommenden öffentlichen Auseinandersetzung mit Beklemmungen entgegensieht. Ich molli', es wäre Schlafenszeit, und alles wär' vorbei!"
Zunächst hatte das Kabinett gestern eine schwere Sigung. Um 4 Uhr nachmittags hatte sie begonnen, um 9 Uhr machte man eine Abendbrotpause, um später fortzu fahren. Man fann daraus ohne weiteres schließen, daß es nicht leicht war, sich zu einigen!
lichkeit verschweigt, ist kein anderes als die berühmte Nacht Das Spätabendblatt", dessen Namen des Sängers Höfausgabe" Hugenbergs.
nationalen Minister zur vielberedeten Eniwaffnungssigung Ein anderes Hugenberg- Blatt will wissen, daß die deutsch des neuen Kabinetts nicht nur nicht erschienen, sondern auch gar nicht geladen gewesen seien. Will man ausnahms meise die Richtigkeit dieser Hugenberg- Meldung unterstellen, und Schiele in diesem Fall mehr Glüd als alles andere so muß man sagen, daß die deutschnationalen Herren och gehabt haben. Doch das Schicksal schreitet schnell... Im Reichstag gibt es fein Vorbeibrüden mehr, da muß zu den Beschlüssen des Kabinetts Stellung genommen werden!
Keine Drückebergerei!
Die Kabinettsfraktion Hergt muß mittun. Ginigung über alle Bunkte erfolgt ist, steht nunmehr auch die for BIB. meldet: Nachdem in der Entwaffnungsfrage die fachliche schaftertonferenz und der Deutschen Botschaft in Paris unmittelbar melle Erledigung durch Notenaustausch zwischen der Botfahrtgeräts sowie über die fachlich bereits in den Pariser Vervor dem Abschluß. So ist am 31. Januar über die Frage des Lufthandlungen Anfang Dezember geregelten Fragen, die die Verbände und die ungesegliche Einstellung in die Reichswehr betreffen, der abschließende Notenaustausch erfolgt Der Notenwechsel über die Ost feftungen und das Kriegsmaterial ist in
Seit der Bürgerblod gebildet ist, scheint tein Tag vergehen zu können, an dem es nicht zwischen den Hugen- den nächsten Tagen zu erwarten.
Demonstrationsstreik in Deutsch österreich .
Gegen die reaktionären Arbeitermörder. Wien , 2. Februar. ( Eigener Drahfbericht.) Der viertel. stündige Demonstrationsstreit gegen die mordbefleckten Frontfämpfer" ist nahezu überall musterhaft durchgeführt worden. Die Blätter stellen feft, daß die Eisenbahnen auf der Strede stehen. blieben, in Wien die Straßenbahnen und Autos eine Viertelstunde lang auf offener Straße hielten und ebenso das Telephon in der Stadt wie im Fernverkehr eine Viertelstunde unterbrochen war. Selbst im Burgtheater wurde die öffentliche Generalprobe von Jules Romains " Diffafor" um 11 Uhr unterbrochen.
Die bürgerliche Neue Freie Preffe" schreibt zu dem Streif: Es war nicht nur eine Demonstration des Schmerzes, es war auch eine Drohung, ein Wint mit dem Jaunpfahl: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!"
Die fozialdemokratische Preffe veröffentlicht beweisträftige Jn. dizien über den Zusammenhang ungarisch - faschistischer Treibereien mit der Aufpufschung der bürgerlichen Reaffionäre.
am
Wien , 2. Februar. ( Eigener Drahtbericht.) Das Begräbnis der beiden Opfer der burgenländischen Grenzfämpfe gestaltete fich zu einer gewaltigen Kundgebung. Aus Wien waren bereits Dienstag einige hundert Schutzbündler zu Fuß nach dem Burgen lande abmarschiert, denen sich unterwegs die Genossen zahlreicher Ortsgruppen anschlossen. Am Mittwoch fuhren dann von Wien drei Sonderzüge mit etwa 3000 uniformierten Schutzbünd'ern sowie zahlreichen Abordnungen von Betrieben und Biener Organisationen nach Schattendorf .
Schattendorf selbst war geradezu überfüllt von den Massen. Die Leiche das erich offenen Rindes war in der Wohnung der Eltern aufgebahrt, wo Schutzbündler die Toten wache stellten. Zunächst murde die Leiche von dem Dechanten des Ortes eingefegnet, der als demokratisch befannt ist, während der als Reattionär bewährte Pfarrer neranlaßt worden war, den Ort
Subinler ben Garg burch ben gangen Drt trugen. Als der Zug
verlassen. Dann sangen Arbeitersänger einen Choral, worauf an die Stelle tam, wo die beiden Menschen getötet wurden, hielt er turze Zeit. Die Stelle, wo die Leichen gelegen hatten, war mit Kränzen bedeckt. Der Zug bewegte sich dann zum Friedhof, der dicht an der ungarischen Grenze liegt. Hier sprach ein Bertreter des Bundes der Arbeiter- Kinderfreunde, namens der Sozialdemokratie, der burgenländische Landeshauptmann- Stellvertreter Gen. Löser und der Bürgermeister von Schattendorf , Gen. Grasse .
Als der Sarg beigesetzt war, bewegte sich der Zug nach Klingenbad), wo die Trauerfeier für den ermordeten Schutz bündler stattfand. Dort sprachen Dr. Otto Bauer und Dr. Jultus Deutsch im Namen der Parteivertretung und des Schußbundes.
Der lettische Putsch versuch. Bis jetzt zwölf Personen verhaftet.
Riga , 2. Februar.( Eigener Bericht.) Die Untersuchung des Bolmarer Butsches ist vorläufig noch nicht abgeschlossen. Insgesamt sind bisher 12 Bersonen verhaftet worden, und zwar außer Olin noch ein zweiter Offizier, acht Unteroffiziere und zwei Zivilpersonen. Sie werden sich in Riga vor dem Kriegsgericht u verantworten haben.
In einer Versammlung des Arbeitersportvereins erklärte der sozialdemokratische Außenminister, man müsse in dem Abenteuer des Leutnants Olin vielmehr sehen als nur den Unfug eines betrunkenen Offiziers. Die Wolmarer Vorgänge als„ Komödie zu bezeichnen, wie es in der Rechtspreffe geschehe, sei ein verbreche rifes Spiel mit dem Staat. Hinter Olin ständen gewiffe faschistische Berbände, die den ersten Berjuch unternommen hätten, die beftehende Staatsordnung zu ftürzen. Sollte aber den Arbeitern der Fehdehandschuh zugeworfen werben, so würde ein einziges Bataillon rbeitersportler genügen, um die Faschisten über den Haufen zu rennen.
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Wohin reiten Sie?"
Ich weiß nicht! Fragen Sie das Pferd!" Ob Stresemann wohl heute noch den Standpunkt vertritt, daß der Eintritt der Deutschnationalen in das Kabinett feine hat ihn bekanntlich eingenommen, als die Regierungskrise auf Belastung für seine Außenpolitik bedeutet? Er ihrer Höhe war, aber inzwischen haben sich die Dinge anders entwidelt als er es felbst angenommen und wahrschein lich auch gewünscht hat. Vier Deutschnationale sind in das Schiff eingestiegen. Die Volkspartei selbst hat ein Ministerium opfern müffen. Herr Geßler, auf deffen Beibehaltung, vorfichtig ausgedrückt, das Auswärtige Amt keinen übertriebenen Wert legte, ift geblieben, und von Herrn Mary, der nach der Verfassung die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat, befürchtet man, daß er sich der Partei des Grafen Westarp enger verbunden und stärker verpflichtet fühlt als der des Herrn Stresemann.
die Richtlinien anerkannt, nach der die bisherige Außenpoltik Freilich haben die Deutschnationalen in irgendeiner Form fortgesetzt werden soll, und der Außenminister hat daraus die von gestern jezt für seine Ideen und sein Snftem der friedBerechtigung zu der Erklärung geschöpft, er habe die Gegner lichen Verständigung eingespannt. Ob er indessen trotz seinem überzeugt ist, fann fraglich erscheinen. Er hat es mit dem unverwüstlichen Optimismus von seinem Erfolg so vollständig gleichen Pferd im Jahre 1924 ja schon einmal versucht. Es trable eine zeitlang auch ganz wader mit, bis es dann plötzlich an einer schwierigen Ede ausbrach und den hoffnungsExperiment noch einmal unternommen werden, ohne Jezt soll dasselbe freudigen Lenker bitter enttäuschte. daß die Voraussetzungen günstiger geworden wären.
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Was die Richtlinien praktisch zu bedeuten haben, ist von der deutschnationalen Presse den etwas erstaunten Anhängern im Lande schon auseinandergesezt worden. Sie sollen im besten Falle die Minister binden; die Partei ist frei. Wenn dann die Partei nicht mehr mitmachen will, wenn sie auf die große Abrechnung am Rhein oder an der Weichsel dann möchten wir die Minister sehen, die einem solchen Sturm oder an beiden Strömen zusammen nicht verzichten milldie Stirn bieten.
Wir dürfen allerdings damit rechnen, daß sie zunächst sehr zahm und sehr zurückhaltend sein werden, denn nachdem man soviel Opfer gebracht hat, um an die Krippe zu gelangen, kommt es auf eine Handvoll Zugeständnisse mehr oder weniger auch nicht mehr an. Doch wie lange mird das gehen? Schon droht eine erste recht peintiche Probe aufs Erempel: die Erledigung der berühmten Restpunkte aus dem Versailler Bertrag. Deutschland hat in der Angelegenheit der Herstellung von Kriegsmaterial fowie in der der Ostfestungen offenbar recht weitgehende Zugeständnisse gemacht, mehr als ursprünglich nicht nur von den Deutschnationalen legte Schritt in dieser Richtung ist am Montag in einer Kabinettssigung getan worden, der die neu ernannten deutschnationalen Minister nicht beigewohnt haben.
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für denkbar und erträglich gehalten und erklärt wurden. Der
Ihre Abwesenheit wird mit dem Umstand begründet, daß fie ihre Aemter noch nicht offiziell übernommen hätten. Das ist eine sehr fadenscheinige Ausrede, und man braucht nur nachzulesen, was die Kreuz- Zeitung " zu dem Beschluß der Regierung sagt: Troß der recht minimalen Zusammenfehung" habe das Rumpffabinett die Instruktion für den deutschen Delegierten bei der Botschafterfonferenz beschlossen. Die Berantwortlichkeit für den Beschluß des Kabinetts," so heißt es dann weiter ,,, ruht natürlich auf den Mitgliedern des bisherigen Kabinetts, die an der Beratung teilgenommen haben. Das wird insofern von Bedeutung sein, als die Frage der Ostfestungen und des Kriegsmaterials im Reichstage noch zu Diskussionen Anlaß geben wird. Denn in der Frage des Kriegsmaterials muß ein neues Reichsgesetz beschlossen werden.
Mit diesen Bemerkungen gibt die Kreuz- Zeitung " selber zu, daß die Sache sich zuletzt nicht auf das Rumpfkabinett abschieben läßt. Das verfluchte parlamentarische System verlangt, daß Farbe bekannt wird. Das Gesetz muß im Reichstag verabschiedet werden, und dann rettet die Deutschnationalen kein Gott vor einer flaren Entscheidung.
Wie sie sich aus der Affäre ziehen werden, wollen wir abwarten. Vielleicht beißen sie auch in diesen fauren Apfel. Vielleicht machen sie noch ganz andere Kanosfagänge, um nur am Ruder zu bleiben. Aber schließlich kommt es bei der Fortführung der bisherigen Außenpolitie" doch nicht nur darauf an, daß Opfer gebracht werden. Wir wollen doch auch Gegenleistungen von der anderen Seite, und Thoiry fchloß vor allem die Hoffnung auf die baldige Befreiung der Rheinlande ein. Glaubt Herr Stresemann , dieses Ziel mit einer Rechtstoalition erreichen zu können?