Nr. 58+44. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Freitag, 4. Februar 1927
Die Regierungserklärung des Bürgerblocks.
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Westarp legt das Regierungsprogramm aus. Sie bleiben Monarchisten!
Der Plenarfaal bes Reichstags war gestern bei Beginn der Shung nur mäßig befeßt, dagegen die Tribünen überfüllt. In der Diplomatenloge sieht man u. a. den Botschafter der Vereinigten Staaten Mr. Schurman. Nach und nach nehmen auf der Regie: rungsbant unter Führung des Reid; skanzlers Dr. Marg die Mitglieder des neuen Kabinetts Play.
Präsident Löbe eröffnet die Sizung um 2 Uhr. Er verliest die bereits bekannte dem Reichstag amtlich mitgeteilte Ministerliste. Bor Eintritt in die Tagesordnung verlangen die Kommu nisten die sofortige Behandlung einiger von ihnen eingebrachten Interpellationen über den Achtstundentag, die Wohnungsnot und die Kontordatsfrage.
Bräfident Lobe erklärt hierzu, daß nach der Geschäftsordnung die Verbindung dieser Interpellationen mit der Erklärung der Regierung unzulässig sei. Das Haus tritt dann in die Beratung der Tagesordnung ein: Entgegennahme einer Regierungss erflärung.
Reichskanzler Dr. Marx:
Die Reichsregierung, die am heutigen Tage vor die deutsche Volksvertretung trift, ist sich einig, daß die Grundlage unserer Politik, die Anerkennung der Rechtsgültigkeit der in der Verfassung von Weimar gegründeten republikanischen Staatsform, auch für die Arbeit der neuen Regierung volle Geltung behalten soll. Sie wird entsprechend der feierlichen Erklärung des Herrn Reichspräst denten in dem an mich gerichteten Briefe vom 20. Januar, daß die neue Reichsregierung getreu der geltenden Weimarer Verfassung für das Wohl des Vaterlandes arbeiten solle, ihr Dant dem gefunden Ginn für Ordnung und dem ungebrochenen Lebenswillen des deutschen Boltes kann unser wiederaufgerichtetes deutsches Staatswesen heute als innerlich gefestigt angesehen werden. So soll es auch bleiben: Es ist der feste Wille der Reichsregierung, für den Schuh, die Achtung und die Ehre unserer gelten den Verfassung in ihrer Gesamtheit, ihrer Organe und ihrer Reichsfarben, wie sie in Artikel 3 der Reichsverfassung festgelegt sind, mit Tatkraft einzutreten. Die Reichverfassung ist durch Beschluß der Nationalversammlung rechtmäßig zustande gekommen. Es ist daher auch die selbstverständliche Auffassung aller in der gegen märtigen Regierung zusammengeschlossenen Fraktionen dieses Hohen Haujes, daß Abänderungen von Einzelheiten der bestehenden Berfassung auf dem verfassungsmäßig vorgeschriebe. nen Wege vorgenommen werden müssen.
Jeden Verfuch gewaltsamer oder fonft ungefehlicher Abänderung wird die Reichsregierung als Hochverrat ahnden. Insbesondere wird fie auch gegen alle Vereinigungen, die den rechtswidrigen und gewaltsamen Umfturz der bestehenden Staatsform bezwecken, vorgehen. Wie sie von allen Deutschen Achtung der Reichsverfassung verlangt, so gilt diese Treupflicht felbst verständlich unter Wahrung des verfaffungsmäßig gewährleisteten Rechts auf freie Meinungsäußerung vor allem für die Beamten. Diesen ist die Beteiligung an den vorgenannten Vereinen und Bestrebungen zu verbieten.
Der tatkräftige Schuß der Weimarer Beriaffung schließt feines megs aus, der großen Bergangenheit Deutschlands mit Achtung zu gedenken.
Die Erhaltung einer möglichst großen Anzahl leistungsfähiger Eigenbetriebe von Handwert, Handel und Gewerbe hält die Reichs regierung für eine volkswirtschaftliche, soziale und staatspolitische Notwendigkeit. Zur Förderung des Handwerks soll unter anderem handwerkliche Fragen neu regeln wird. Die monopolistische der Entwurf einer Novelle zur Gewerbeordnung dienen, die wichtige Ausbeutung des deutschen Marktes muß verhindert und dafür gesorgt werden, daß die Ereignisse der wirtschaftlich fortgeschrittenen Organisationsformen und der sich entwickelnden Rationalisierung allen Teilen der Bevölkerung zugute tommen. Die Reichsregierung wird sich nach Kräften für die Hebung der Rauftraft und der Lebenshaltung einsehen. Dazu gehört auch die Förderung der Kapitalbildung und weitere Senfung des Binsfußes, sowie Erleichterung der Kreditgemährung. Ziel aller Einzelmaßnahmen der Reichsregierung auf dem Gebiete der Wirt. schaftspolitik ist Ausgleich der Interessen und Eingliederung aller Wirtschaftskräfte in den Dienst am Gemeinmohl.
politit im Sinne der gegenseitigen Berständigung weiter vers| zubahnen, das Abströmen der landwirtschaftlichen Bevölkerung in folgen wird. Die Außenpolitif, welche die Reichsregierung feit die Städte aufzuhalten und deren Arbeitsmarkt zu entlasten. Striegsende ohne Unterlaß unbeirrt verfolgt und die schließlich zu dem Londoner Dawes Abkommen, zum Vertragswert Locarno und zum Eintritt in den Bölkerbund geführt hat, ist gekennzeichnet durch den Berzicht auf den Gedanken der Revanche, ihre Tendenz ist vielmehr die Herbeiführung einer gegen: feitigen Verständigung. Wie auch immer die Haltung einzelner Parteien in der Bergangenheit gewesen sein mag, für die zu funft fönnen die durch jene Afte angebahnte Entwicklung und die dadurch geschaffenen Grundlagen allein maßgebend sein. Reichskanzler und Außenminiffer würden dem an fie ergangenen Rufe zur Uebernahme ihrer Aemter nicht entsprochen haben, wenn sie nicht durch die geführten Verhandlungen über die Regierungsbildung die feste Gewähr dafür befäßen, daß die bisherige Außenpolitik im Sinne der gegenseitigen Berfländigung von allen Mitgliedern des Kabinetts einmütig gebilligt wird und daß hinter dieser einmüfigen Billigung diejenigen Fraffionen stehen, welche die Regierung unterstützen. noch bedarf es ernster Arbeit, um für unser Volk die Stellung die ihm unter den anderen Bölkern zufommt. An erster Stelle der moralischen und politischen Gleichberechtigung wiederzugewinnen, steht dabei die Aufgabe, die freie Ausübung der Souve ränitet über das deutsche Staatsgebiet wiederherzustellen. Die Reichsregierung muß erwarten, daß sich auch bei der Lösung dieser Der Reichskanzler betonte sodann, daß die Locarno und VölkerAufgabe die Politik der gegenseitigen Berständigung bemähren wird. bundspolitik des Reiches keine Herabminderung unseres Interesses großen, außerhalb des Bölkerbundes stehenden Staaten bedeutet, an der Pflege unserer sonstigen internationalen Beziehungen zu den insbesondere zu den Staaten, denen wir durch wirtschaftliche und politische Berträge verbunden sind.
Und der Achtstundentag?
Auf das Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitit übergehend, erklärte der Reichskanzler: Alle Maßnahmen der Regierung müssen von dem Streben zeugen, nach aller Möglichkeit die ungeheure Zahl der Arbeitslosen zu verrringern und die Lage dieser Unglücklichen zu verbessern. Die neue Reichs regierung wird es als ihre besondere Pflicht ansehen, die berech tigten Interessen der breiten Arbeitermassen zu wahren. Das im Sommer vorigen Jahres aufgestellte Arbeitsbeschaffungs programm wird zielbewußt zu Ende geführt werden. Die Regierung wird auch weiterhin bemüht sein, durch öffentliche Aufträge, namentlich der Reichspoft und Reichsbahn , die Arbeitsmög lichkeiten zu vermehren, den inneren Markt zu stärken und zur Gee fundung unserer Wirtschaft das Ihrige beizutragen. Die Leistungsfähigkeit der Arbeitsvermittlung soll gestärkt, das Um Schulungs- und Fortbildungswesen, insbesondere zugunsten der jugendlichen Erwerbslosen und der Angestellten ausgenutzt werden. Die Regierung legt entscheidenden Wert darauf, daß der dem Reichs tag vorliegende Entwurf eines Gesetzes über
Arbeitslosenversicherung möglichst vor dem 1. April verabschiedet wird. Wie auf dem Gebiete der Arbeitstofenversicherung, foll auch Noch vor wenigen Wochen hat in diesem Hohen Hause und an für das ganze Arbeitsrecht der große Gedante der Gleichberech dieser Stelle einer der Herren Abgeordneten mit Recht darauftigung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hingewiesen, daß ein Bolt, das seine Geschichte nicht ehrt, nicht wert immer mehr zur praktischen Auswirkung gebracht werden. ist, daß es noch einmal zu einer geschichtlichen Bedeutung fommt. Deshalb soll nach der einmütigen Auffassung der Reichsregierung auch der Vergangenheit und ihren Symbolen Achtung und Ehre gezollt werden.
Reichsschulgesetz auf chriftlicher Grundlage. Unsere ganze heute bestehende Kultur ist auf christlicher Grundlage erwachsen. Aus diesem Mutterboden heraus muß sich der Geist des deutschen Volkstums immer wieder erneuern. Solche Gedankengänge werden ihre Auswirkung finden bei dem von der Reichsregierung in Aussicht genommenen Reichsschulgeset. Dabei ist für eine grundsäßliche Gleichstellung der in Artikel 146 der Reichsverfassung vorgesehenen Schularten zu forgen.
Die Rechte und Interessen der Beamtenschaft, auch ihr materielles Wohl nach Kräften zu fördern, betrachtet die Regierung als eine selbstverständliche vornehme Pflicht. Was die Finanz lage des Reichs angeht, so wird es auch in Zukunft das Bestreben der Reichsregierung bleiben, die Interessen des erwerbstätigen Rolfes in allen seinen Schichten mit denen der öffentlichen Wirtschaft in Einklang zu halten. Freilich bedarf es dazu äußerster Sorgfalt, um nicht gegenüber den vorhandenen Einnahmemöglichkeiten in Schwierigkeiten zu fommen. In den Rahmen der allgemeinen Finanzlage wird auch das Problem des Finanzausgleichs einzufügen sein. Es wird das Ziel der Reichsregierung sein müssen, eine Uebereinstimmung mit den Ländern über die Gesamtheit des Finanzausgleichsproblems möglichst bald herbeizuführen. Die Reichsregierung hat dabei volles Verständnis für die Wünsche der Länder und ihrer Gemeinden auf ein gesundes Eigen
leben.
Reichswehrreform?
Der Wehrmacht wird die Reichsregierung ihre besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge widmen. Sie wird mit größtem Nach druck bemüht sein, das Vertrauen des deutschen Boltes zu seiner Wehrmacht in allen Schichten und in allen Barteien zu feftigen. Das Heer muß dem politischen Kampf ein für allemal entzogen werden. Die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 31. Dezember 1926 über unge jegliche Einstellungen wird strengstens durchgeführt werden.
Es werden ferner der Deffentlichkeit in nächster Zeit ergänzende Anordnungen bekanntgegeben werden, nach denen beim Relrutierungsverfahren die Berücksichtigung aller verfassungstreuen Boltstreife fowie unter Mitwirkung der Verwaltungsbehörden der Länder durch tatsächliche Auskünfte der ausnahmslose Ausschluß aller verfaffungsfeindlichen Elemente bei der Einstellung von Freiwilligen gewährleistet sind.
Daß ich bei der Verkündung und Verwirklichung dieses Programmis in vollster Uebereinstimmung mit dem Herrn Reichswehr = minister und den Herren Chefs ber Heeres- und Marineleitung zusammenarbeite, stelle ich mit allem Nachdruck feft. Ich richte andererseits an alle Parteien und an die gesamte deutsche Deffentlichkeit die Aufforderung, auch ihrerseits unserer Wehrmacht das Vertrauen entgegenzubringen, das sie sich durch ihre selbstlose Aufbauarbeit unter den schwersten Bebingungen verdient hat und weiter verdienen soll.
Der nächste Schritt wird die Schaffung einer umfassenden Arbeitsschuhgefeßgebung unter besonderer Berücksichtigung der Bergarbeit sein. Darin soll ausgehend von den deutschen Verhält nissen die Arbeitszeit einschließlich der Sonntagsruhe in Einflang mit den internationalen Bereinbarungen geregelt werden. Auf Grund einer solchen Gesetzgebung ist die deutsche Regierung
zur Rafifizierung des Washingtoner Abkommens bei enffprechendem Vorgehen der westeuropäischen Industrieländer bereit. Noch vor dem Inkrafttreten der neuen Arbeitszeitregelung follen weitere Erleichterungen durch Kürzung der Arbeitszeit für die Arbeiter besonders gesundheitsschädlicher Industrien geschaffen und auch im übrigen Mißstände auf dem Gebiet der Arbeitszeit beseitigt werden.
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In der Sozialversicherung erstrebt die Reichsregierung möglichste Einfachheit, Uebersichtlichkeit und Wirtschaftlichkeit und tritt wo fich noch Lücken zeigen. für den geeigneten Ausbau ein. Den Kriegsbeschädigten und Kriegerbinterbliebenen gilt die befondere Sorge der Reichsregierung. Das Das landwirtschaftliche Siedlungswert in dünnbevölkerten Gebieten wird die Reichsregierung nachhaltig fördern. Auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege wird die Reichsregierung den bisherigen Weg zielbewußt weitergehen, die Fürsorgepflichtverord nung soll und muß so durchgeführt werden, wie ihr Sinn und 3wed es erfordern. Das deutsche Bolt reicht allen Kulturvölkern die Hand in dem ernsten Streben, dent sozialen Fortschritt in der ganzen Welt zu dienen. Die Reichsregierung wird deshalb auch fürder regen Anteil nehmen an den Arbeiten des Internationalen Arbeitsamtes.
Abbau der Wohnungs- Zwangswirtschaft.
Die Bekämpfung der Wohnungsnot durch Förderung des Bohunngsbaues wird nachdrücklichst betrieben werden, so daß der schlimmste Notstand in einigen Jahren behoben sein wird. Dem Fortschreiten des Wohnungsbaues muß der Abbau der Woh nungszwangswirtschaft schrittweise folgen. Dem landwirtschaftlichen Wohnungsbau wird be= sondere Aufmertfamteit geschenkt werden müssen. Berbesserter Wohnraum ist bei entsprechenden Löh nen die Voraussetzung für vermehrte Einstellung deutscher Arbeiter auf dem Lande.
Das Wirtschaftsprogramm.
Die zunehmende Berflechtung Deutschlands in die Weltwirtschaft, sein steigender Anteil am Weltmartt berechtigen ebenso wie deutliche Anzeichen der Erholung seines Binnenmarftes von der schweren Krise des Winter 1925/26 zu der Hoffnung wirtschaft. lichen Wiederaufstiegs. Die Regierung wird durch Aus förderung den Abfaz unserer Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu bau des Handelsvertragsweris und durch Export. erweitern tatkräftig bemüht sein. Alle Maßnahmen, die bestimmt und geeignet sind, wirtschaftsfeindliche Schranken zu beseitigen und Wirtschaftefolidarität zu weden, wird sie bereitwillig unterstühen. Sie wird sich an der Weltwirtschaftskonferenz durch tätige mit arbeit beteiligen. Die Pflege unserer heimischen Landwirt schaft wird sich die Reichsregierung ganz besonders angelegen Locarnoturs mit deutfchnationaler Hilfe. fein laffen. Es wird darauf Bedacht genommen werden müssen, daß bie schwebenden Schulben der Landwirtschaft in Auf keinem Gebiete ist die Stetigkeit in den Bielen der Reichs- langfristigen Realkredit au tragbaren Bedingungen übergeführt regierung in höherem Grade die Voraussetzung fruchtbringender werden und das ein Ginfen tes allgemeinen Pinsfuges auch den Arbeit als auf dem Gebiete der Außenpolitit. Die Stetigkeit landwirtschaftlichen Schuldnern zugute tommt. Nur durch Siche. ift Grundlage des internationalen Vertrauens. So verfteht es fid) rung des Ertrages der landwirtschaftlichen Ar.. von selbst, daß die Reichsregierung die bisherige Außenbeit wird es gelingen, eine gefündere Bevölkerungsnerteilung an- i
Nach endgülliger Konffifuierung des Reichswirtschaftsrates wird die Reichsregierung die im Artitel 165 der Reichsverfassung vorgesehene Mitwirkung der Arbeiter und Angestellten in der Wirtschaft im Geifte der fürzlich im Vorläufigen Reichswirtschaftsrat zustandegekommenen Einigung weiter ausbauen.
Hergt soll die Justiz reformieren!
Auf dem Gebiete der Rechtspflege harren große Aufgaben der Erledigung. Der Entwurf eines allgemeinen deutschen reich auf diesem wichtigen Gebiete bringen soll, wird voraussichtlich Strafgesetzbuches, der uns auch die Rechtseinheit mit Defter in diesem Frühjahr dem Hohen Hause vorgelegt werden. Damit in engster Berbindung steht der gleichfalls vorbereitete Entwurf des Strafvollzugsgefeges, durch den der alte Wunsch nach einer reichsrechtlichen Regelung des Strafvollzuges verwirklicht werden soll. In der tätigen Mitarbeit an der Gestaltung und Fortbildung der zwischenstaatlichen Rechtsbeziehungen sieht die Reichsregierung eine wichtige Gegenwartsaufgabe. Neben der von dem Deutschen Juristentag zur Prüfung der Reform bedürftige feit des Attienrechts eingesetzten Kommission nimmt die Brüfungsarbeit der Reichsregierung ihren Fortgang, die mit Be fchleunigung gefördert werden soll. Mit ernster Sorge sieht die Reichsregierung, wie Rechtsprechung und Gerichte mehr und mehr zum Gegenstand einer maßlosen öffentlichen ritit gemacht werden. Die Reichsregierung ist sich bewußt, daß die Justiz, um ihren hohen Beruf zu erfüllen, des Vertrauens der Bevölkerung nicht entbehren fann und wird zur Fest guna diefes Bertrauens tun, was in ihren Kräften steht. Das hohe Gut der richterlichen Unabhängigfeit, bie unentbehrliche Grundlage jeder geordneten Rechtspflege, ist die Reichsregierung gewillt, mit allen Mitteln zu schüßen. Zum Schluß erflärte der Reichstanzler, die neue Regierung werde mit Ernst und Festigkeit an die von ihr übernommene schwere Arbeit herangehen und ihr Bestes einsetzen, um auf dem Wege zum Wiederaufstieg unser Reich und Bolt vorwärts zu bringen, und appellierte an die Mitarbeit Der deutschen Bolksvertretung und an ein geschleifenes Zusammenhalten des Bolles.
Die außerordentlich lange Erklärung des Reichskanzlers wird von den Kommunisten wiederholt durch Zurufe unterbrochen. Der Beifall am Schlusse der Rede, die beim Reichstanzler zulegt außer ordentlich eintönig vorgetragen wird, ist sehr mäßig. Das Haus tritt dann in die Besprechung der Erflärung ein.
Demokratischer Mißtrauensanfrag.
Bräsident Löbe teilt mit, daß folgender Antrag eingegangen fei: Die Reichsregierung hat nicht das Bertrauen des Reichstags. Koch- Weser , Ertelenz( Dem.) und Genossen.( Gelächter rechts, 3ischen links.) Es find ferner zmei fommunistische Mißtrauensanträge eingegangen.
sprechung der Regierungserflärung ein. Als erster Redner sprach Nach der Rede des Reichskanzlers trat das Haus in die Be Genosse Hermann Müller , dessen Rede wir im Hauptblatt wiedergehen.
Abg. Graf Westarp( Dnat.):
Das Ziel, das wir uns auf dem Kölner Parteitag vom 9. Sepe tember 1926 gejezt hatten, und das wir seitdem in gerader nie perfolgt haben, ist erreicht. Das kann und soll ein Wendepunkt in der inneren politischen Entwicklung werden. Um dieses Zieles willen haben auch wir schmere Entschlüsse fassen und große Opfer bringen müssen. Das gilt für das fachliche wie für das persönliche Gebiet. Eins darf ich vorweg mit aller Bestimmtbeit aussprechen:
Opfer unferer Ueberzeugung, unserer grundsäklichen Einstellung auf die Ziele unjeres Parteiprogramms sind von uns nicht gebracht oder in Aussicht gestellt worden.
Wir haben volles Verständnis dafür gehabt, daß die Zens trumsfrattion den gerade für ihre Partei und den Herrn Reichstanzler schweren Enischluß der Abkehr von Linfsorientierung und Politik der Mitte mit einer Kundgebung ihrer programmati schen Auffassungen begleitet hat. Aber es darf festgestellt werden, daß das sogenannte 3entrums manifeft überhaupt nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen ist, und daß man von uns ein Bekenntnis zu den barin ausgesprochenen Grundsägen gar nicht verlangt hat.
Die durch Indiskretion veröffentlichten Richtlinien geben in ihrer Beschränkung auf einige einzelne Punkte tein vollständiges Bild. Wir hatten in Ruhe den Tag abgewartet, an dem die Regierungserklärung und das, was wir bei loyalfter Beachtung aller getroffenen Abreden dazu zu sagen haben, die volle Klarheit erbringen würde.
die Verhandlungen bei der Befehung der Minifferlen. Es wird noch Fast noch schwieriger und für uns opferreicher gestalteten sich piel guten Willens von allen Seiten bedürfen, um auf der Grundlage vertrauensvollen Zusammengehens zu der nötigen Festiga tert der neuen Regierungsgemeinschaft zu ge langen.
Der Redner wendet sich dann der Außenpolitik zu und erflärt:
feits nicht, daß die deutsche Außenpolitif unter dem Wechsel innerWir haben volles Berständnis dafür, und wollen auch unsererpolitischer Konstellationen leidet.( Schallendes Gelächter links.) Dazu ist nicht erforderlich, daß wir von unseren Grundsägen etwas preisgeben. Aufgabe einer jeden deutschen Regierung ist es, beutsche Politik( Buruf: Berlegenheitsgerede!) zu te ben Daß bei Deutschlands Wehrlosigkeit eine Polifik der Gewalt, der Revanche, nicht möglich ist, wissen wir so gut wie jeder andere. Bon uns ist nicht verlangt worden, unfere bisherigen Auf faffungen über die deutsche Außenpolifit der letzten Ja preiszugeben.