Abendausgabe
Nr. 61+ 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 30
Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise find in der Morgenausgabe angegeben Redattion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292- 292
10 Pfennig
Sonnabend
5. Februar 1927
Berlag und Anzeigenabteilungs Geschäftszett 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297
Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Der Kapp- Landrat als Reichsminister.
Er lengnet, wird aber überführt! überführt! – Marr
Die heufige Reichstagsfihung brachte eine Ueberraschung, als das Haus über die Bertrauens- und Mißtrauensanträge für die Regierung abstimmen sollte. Jufolge der neuen Enthüllungen des Abg. Landsberg( Soz.), dem der Kapp- Minister Keudell nur hilflose Ausflüchte entgegenzusehen wußte, beantragte das Zentrum die Bertagung des Hauses um eine Stunde.
Die Bertagung wurde beschlossen, obwohl vorher Reichskanzler Dr. Marg eine Untersuchung der Vorwürfe gegen Keudell angefündigt hatte. Die Abgeordneten gingen in großer Erregung aus einander, um zu den neu bekanntgewordenen Tatsachen Stellung zu nehmen.
Damit
die breitefte Deffentlichkeit darüber entscheiden kann, welcher Art diese Kundgebungen waren, die bie Unterschrift von Reudell tragen und von ihm gedruckt und verbreitet wurden, bringen wir hier den Wortlaut zweier solcher Bekanntmachungen:
Sonderblatt.
Betanntmachung
Die bisherige Regierung ist zurüdgetreten. Die Grundlagen der neuen Regierung find: Die Achtung vor der Berfassung! Neuwahl des Reichspräsidenten und des Reichstags! Arbeit, Ruhe, Ordnung! Ich bin auf Grund des Gesezes über den Ausnahmezustand zum Ich bin auf Grund des Gesezes über den Ausnahmezustand zum Militärbefehlshaber für den Bezirk der Reichswehrbrigade V( Ost. Brandenburg , Restkreise von Bosen und Kreise Glogau , Freystadt , Grünberg und Fraustadt ) ernannt.
-
Mary kündigt Untersuchung an.
Auf der Rüdseite dieses Sonderblattes steht das in der Morgenausgabe miebergegebene famose Telegramm über die ,, Einigung zwischen der alten und der neuen Regierung". Wenn die mit Gefängnisdrohungen gespidten Anordnungen der Rapp- Firma Grüter- Reudell befolgt worden wären, wenn sich überall die Arbeiter den Putschisten gefügt Republik wäre gestürzt worden. dann hätten die hoch verräter gesiegt und die
Aber die Arbeiter haben sich zur Wehr gesetzt. Auch die fatholischen Arbeiter im Westen sind in den Generalstreit getreten und haben für die Republit ihre Haut zu Martie getragen. Jetzt sollen nun die Führer dieser fatholischen Arbeiter Herrn von Reudell, der im März 1920, gelinde gesagt, nicht auf der Seite der per fassungstreuen Bevölkerung stand, Vertrauen aussprechen! So will es das Zentrum... das Der aktive Kappist.
#
|
hof von 3äderid mit Militär beseßt, trotzdem daß in Zäderick die vollkommenste Ruhe herrschte. Am 21. März wurde auf Beranlaffung des Landrats die Oberbrücke bei Zäckerid von Gendarmen und bewaffneten 8ivilisten besetzt. In Bärwalde ließ der Landrat v. Keudell den Vertrauensmann des Land= arbeiterverbandes zu dem Mühlenbefizer Karge tommen und sagte dem Vertrauensmann folgendes: Die neue Regierung Kapp habe schon mit der alten Regierung eine Einigung erzielt. Er sollte fich ins unvermeidliche Schidfal fügen. Das hätte er, der Landrat, am 9. November auch tun müssen. Der Vertrauensmann wurde so= fort in Schubhaft genommen, sobald er Propaganda für den Generalstreit mache.
Der Bürgermeister von Mohrin veröffentlichte die Plakate der Rapp- Regierung nicht. Dafür wurde ihm vom Landrat v. Keudell Strafe angedroht.
Der Vertrauensmann des Landarbeiterper bandes in Klein- Bubisen wurde am 17. März von Gendarmen von der Arbeitsstelle abgeholt und zum Amtsvorsteher Tohn gebracht und dort
Die Abberufung des Herrn v. Reubell aus feinem in Gegenwart des Landrats Landratsamte ist am 4. Mai 1920 von der organisierten darauf hingewiesen, daß die neue Regierung jetzt am Ruder ist und Zu Nr. 22 des amtlichen Kreisblattes für den Königsberger Arbeiterschaft in einer Eingabe an den Minister er sich zu fügen hätte. Vom Amtsvorsteher wurde der BertrauensKreis. Ausgegeben am 17. März 1920. Severing gefordert worden In dieser Eingabe heißt es: mann in Gegenwart des Landrats aufgefordert, dafür Sorge zu ,, Die organisierte Arbeiterschaft des Kreises Königsberg/ Neumark tragen, daß am Nachmittag gearbeitet würde, sonst würde er als hat in zahllosen Bersammlungen, geftüßt auf den Erlaß der ver- Rädelsführer mit einem Jahr Gefängnis bestraft. Es wurden noch faffungsmäßigen Regierung, daß alle am Kapp- Puffch beteiligten Be- drei Landarbeiter geholt und die vier Mann wurden gezwungen, eine amten ihrer Aemter enthoben werden, einmütig die Forderung auf- Erklärung zu unterschreiben, daß sie am Nachmittag die Arbeit aufgestellt, die Regierung zu erfuchen, den Landrat v. Keudell , welcher nehmen. Am Nachmittag versuchten 12 Gendarmen den mit allen Mitteln vom 13. bis 20. März d. 3. gegen die verfassungs- Vertrauensmann zu verhaften. Auf die Anfrage nach mäßige Regierung gearbeitet hat, seines Amtes zu entheben. Die dem Haftbefehl wurde die Antwort erteilt, daß die Verhaftung auf Arbeiterschaft, somit der größte Teil der Bevölkerung des Kreises, Befehl des Amtsvorstehers erfolge. Der Gendarm Napiersti aus. sieht bei einem weiteren Verbleiben des Landrats im Amte eine Mohrin stieß die Frau des Vertrauensmannes zur Tür hinaus, so große Gefahr für die Republik und die Ordnung und daß sie zu Fall kam. Die Frau wurde darauf von den Gendarmen Sicherheit des Kreises, zumal als erwiesen angenommen werden mit Füßen gestoßen. Am 1. März vormittag wurde die Verhafmuß, daß Landrat tung des Vertrauensmannes durch zwei Offiziere, vier Gendarmen und 26 Soldaten vorgenommen und der Verhaftete auf einem der Transportwagen, die dem Landrat v. Keudell gehörten, abgeführt.
Es handelt sich für uns alle um Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung! Politische Stellungnahme ist hierbei gleichgültig! Generalstreit bedeutet unseren Untergang, gleichviel unter welcher Regierung.
Ich ordne an:
1. Borbereitungen und Heßereien zum Generalstreit in den lebenswichtigen Betrieben, Sabotage, find verboten.
2. Bersammlungen unter freiem Himmel sind verboten; in geschlossenen Räumen unterliegen fie meiner Genehmigung. 3. Drud und Vertrieb des Frankfurter Boltsfreundes find verbofen, weil die Zeifung und Druckerei zum Generalftreik geheht haben. Die Druderei wird geschloffen.
Zu 1 bis 3: Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft, falls nicht nach den Gesezen höhere Strafen angedroht find. 4. Die Zivilbehörden segen ihre Tätigkeit fort. Sie sind zunächst zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung an meine Weisungen gebunden. Ich fordere alle Besonnenen auf, mich in allen Maßnahmen zum ungestörten Gang des wirtschaftlichen Lebens zu unterstützen. Frankfurt a. d. Oder, 13. März 1920.
Beröffentlicht:
Der Landrat. v. Keudell.
Zweites Sonderblatt.
v. Keudell von den Vorbereitungen zum Kapp- Putsch bereits längere Zeit unterrichtet war."
In den Anlagen werden dann folgende weiteren Feft stellungen gemacht:
In Zellin ist von dem Amtsvorsteher Hoes Militär zur Verhinderung des von der verfaffungsmäßigen Regierung befohlenen Bauer nach dem Butsch herausgegebenen Erlasse sind bis Streits angefordert worden. Die von der Regierung Ebert 25. April in Zellin nicht veröffentlicht worden. Im September 1919, als der Pastor Braun sein Amt als Schulverbands vorsitzender niederlegen wollte, ist er vom Candrat v. Kendell auf gefordert worden, das Amt weiterzuführen, da es doch bald anders täme. Am 14. März wurde auf Beranlassung des Landrats der Bahn
In Neuenhagen Bral.h wurden auf Wunsch des Domänenpächters der Gendarm Großmann und der Hülfsgendarm vom Landrat beauftragt, auszufundschaften, ob der Bertrauensmann der Landarbeiter dazu aufgefordert habe, den Generalftreit mitzumachen.
in der gestrigen Reichstagssigung zugegeben hat, durch Durch diese Angaben wird das, was Herr v. Reudell schon interessante Einzelheiten ergänzt. Ganz als das verfolgte Unschuldslamm, als das er sich dem Reichstag vorzustellen verfuchte, erscheint danach der neue Reichsminister des Innern nicht. So was wird Hüter der deutschen Reichsverfassung!
Untersuchung gegen Keudell.
Hilflose Ausflüchte des Ertappten.
-
Die Reichstagssigung unterbrochen.
müßten jezt zu einer gang neuen Volksordnung tommen, für die auch die sozialistischen Arbeiter gewonnen werden müßten.
Die heutige Reichstagssigung begann bereits um 11 Uhr bei| Sentrum sehe seine Aufgabe darin, vermittelnd zu arbeiten, und wir nur mäßig besetztem Hause. Bei der Fortsetzung der Aussprache über Zu Nr. 22 des amtlichen Kreisblattes für den Königsberger Kreis. Die Erklärung der Reichsregierung erhält das Wort Ausgegeben am 18. März 1920.
Königsberg i. d. Neumart, den 15. März 1920. Bekanntmachung:
Auf Grund des Gesezes über den Ausnahmezustand verordne ich im Auftrage des Reichskanzlers( Rapp! D. Red.) im Intereffe der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit für den Bereich der Brigade V. Kreis: Krossen, Büllichau, Oft und West Sternberg, Stadtfreis Frankfurt a. d. Ober, Soldin, Königsberg i. d. Neumark , Landsberg , Friedeberg, Arnswalde , Glogau , Frenstadt, Grünberg , Fraustadt , Bomst, Meserig, Schwerin a. d. Barthe: § 1.
Berboten find der Drud, öffentlicher Verkauf, die Verteilung oder sonstige Verbreitung aller Telegramme, plafate, Ertrablätter, Flugblätter und Zettel oder ähnlicher nicht periodisch erscheinender Blätter, die irgendwelche Unordnungen oder Rundgebungen der ehemaligen Regierung Ebert- Bauer enthalten. § 2.
Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot, die Auffor. berung und Anreizung dazu werden, fofern die bestehenden Gefeße Peine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängnis haft oder Geldstrafe bis zu 15 000 Mart bestraft. Frankfurt a. d. Oder, 14 März 1920.
Der Militärbefehlshaber: Freiherr v. Grüfer, Generalmajor. R.-W. Brigade V. 5. 1. K. Nr. 962.
Beröffentlicht: Die Ortsbehörden ersuche ich für fofortige Weiterverbreitung zu sorgen. Der Landrat. v. eudell.
Abg. Stegerwald( 3.).
Staate wiederherstellen.
Redner wendet sich zunächst gegen die sozialdemokratischen Abgeordneten Müller- Franken und Landsberg . Das Zentrum habe Das Zentrum wolle jetzt die Verwurzelung dieser Massen mit dem feinen Weg zur Bildung der Großen Koalition oder einer Mitteregierung gesehen, es sei auch falsch, die jetzige Regierung als Bürgerblod oder Rechtsregierung zu bezeichnen; ihre praktische Bolitit werde nicht anders beschaffen sein als die einer Großen Koalition. Auch diese Regierung habe Arbeiter hinter sich, deren Interessen sie wahrnehmen würde. Die Bezeichnung bürgerliche Parteien" wirkt schon etwas altmodisch. Das Zentrum habe doch unter seinen 4,2 millionen Wählern mindestens 1,2 Mil lionen Arbeiter und Angestellte. Aehnlich liege es auch bei den Deutschnationalen. Sind denn die Arbeiter feine Bürger?( 3urufe von den Sozialdemokraten.)
3m Zentrum gebe es teinen Menschen, der die jetzige Koalition als wünschenswert angesehen habe. Deshalb habe der Redner pon dem, was er gefagt und geschrieben habe, nichts zurüdzunehmen. Was das Zentrum tun tonnte, sei geschehen, die zweite Möglichkeit sei die jeßige Regierung gewett, um ein Mittefabinett mit unterstützung von links zu ermöglichen, die britte Möglichkeit die Reichstagsneuwahl, aber bie hätte teine Berbesserung der politischen Verhältnisse gebracht, man würde sich nach einer Neuwahl nur noch weiter nicht nur von der Weimarer, sondern auch von der Großen Koalition entfernt haben.( Sehr richtig! im Zentrum.) Auch bei den Deutsch . nationalen seien Kräfte vorhanden, mit denen das Zentrum zu fammenarbeiten könne. Aber wichtiger sei es, die Kräfte von links zur Mitarbeit am Staate heranzuziehen. Bor dem Kriege habe der Klassenfampf zerrüttend auf den Staat eingewirkt, jest müßten wir aus der Atmosphäre herauskommen, in der jehrzehntelang fich Be fizende und Befiglose im Haß gegenübergestanden hätten. Das
In der Schulfrage wolle das Zentrum nicht, daß auf die gläubigen Schüler der ungläubige Lehrer losgelassen werde. Die Kinder sollen so erzogen werden, wie die Eltern es wünschten. Die Dissidenten sollen nicht wie früher unterdrückt werden, aber auch die Kinder der Gläubigen sollen feinem Zwange unterworfen werden. Die beste Schulpolitik sei die, die die Kinder zu Staatsbürgern erziehe, aber auch die verschiedenen Bekenntnisse achte.
Die Aufnahmefähigkeit der deutschen Wirtschaft muß gesteigert werben burch die Förderung der Landwirtschaft und durch die He bung der Kauftraft der Arbeiter und Angestellten.
Den Arbeitern fomme es nicht auf hohe Nominallöhne, sondern auf hohe Reallöhne an. Es müsse verhütet werden, daß die Mittelherbeigeführt werden wie in Amerka und England. Auf dem Geschichten noch weiter hinabgedrückt werden. Das Zentrum wolle feine Proletarisierung des Mittelstandes, es sollen nicht Zustände biete der Arbeitsbeschaffung müsse zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit das denkbar Mögliche geschehen. Den jugendlichen Arbeitslosen müsse besondere Sorgfalt zugewendet werden. Auch die Wohnungsfrage set mit dem größten Ernst zu behandeln. Man müsse die notwendigen Mittel zu erträglichem Binsfuß zum Bau von Wohnungen bereitstellen und durch Typisierung den Wohnungsbau verbilligen.
Den Weg, den Abg. Müller- Franken eingeschlagen habe, könne man nicht gehen, nämlich erst Cohnerhöhungen und dann Mieterhöhungen. Sört! hört! bei den Soz.)