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Menöausgabe Nr. 65 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 52
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Keine Truppen nach Schanghai  ! Das Ringen im britischen Kabinett.
Innerhalb der englischen   Regierung halten sich zurzeit die imperialistischen und die d«?notratischen Kräfte die Wage. Am Freitag und am Montag beriet das Kabinett, ohne zu endgültigen Entschlüssen zu kommen. Es handelte sich beidemal um die Frag?. ob die Truppentransporte von Schanghai   abgeschickt werden sollen. Die letzten Mitteilungen sprechen davon, daß das Kabinett»zur Bekundung seiner friedlichen Absichten* h ö ch st- wahrscheinlich der Ablenkung der Truppentransporte von Schanghai   zustimmen wird. Die totkräftige Protestbewegung der Labourpartei gegen die gewaltsame Auseinandersetzung mit Kanton hat also ihren Eindruck auf die Regierung nicht verfehlt. Zugleich hat sich das Kabinett sagen müssen, datz es mit dem Dersuch, Schanghai   mit Waffengewalt zu verteidigen, den Radikalismus in der Kantonbewegung nur stärken und den Verlust der englischen Konzessionen in China   nur um so sicherer herbeiführen würde. Inzwischen»mt die amerikanische   Regierung dem militärischen Befehlshaber der Nordarmee in Schanghai   und der Kanton- regierung den Borschlag gemacht. Schanghai   zu.neutralisieren*. Das hieß« nichts anderes, als der nationalen Bewegung zuzumuten, sie sollte auf ein« Eroberung von Schanghai   verzichten. Der naiv anmutend« Vorschlag hat natürlich keine Gegenliebe gefunden. In Peking   selbst hat das diplomatische Korps gegen die Entlastung des englischen Zollinspektors protestiert: aber auch die chinesische   Zentral- regierung kümmert sich immer weniger um die Mächt«. Im Gegen- teil ist sie bemüht, sich in ihrem diplomatischen Kampfe gegen die Mächte von der Kantonregierung nicht übertreffen zu lasten. Es ist sogar möglich, daß sie demnächst von ihren Rechten als Völker­bundsmitglied Gebrauch macht. Jedenfalls ist der chinesische  
Gesandte in Rom  , der China   im Völkerbünde und auch im Völker- bundsrate vertritt, dem China   seit dem Herbst angehört, in Genf  eingetroffen, offensichtlich, um das diplomatische Terrain dort zu sondieren. Ein« Aktion im Dölterbundsrat hängt nur davon ab, ob die chinesisch« Zentralregierung sich davon eine Derbesterung ihrer diplomatischen Position verspricht oder nicht. Iedenfalls kann jeden Tag eine überraschende neue Wendung in dem Ringen um China   durch eine Initiative im Völkerbünde eintreten. Kanton warnt vor See Trvppealaaüung. London  . 8. Februar. Reuter meldet aus Hankau  : Heute haben zum erstenmal seit der Vertagung der Verhandlungen zwischen O'Malley und Tschen neue Besprechungen stattgefunden. Seitens der nationalen Behörden wurde erklärt, daß man fast ein Uebereinkommen erreicht habe, daß jedoch die Nationalpartei, bevor sie ein solches Abkommen unterzeichnen könnte, erwarten müßte, die Ablichten Großbritanniens   in Schanghai   zu kennen. Die Nationalpartei fürchtet, dort gleichzeitig auf den Wider- stand des nordchinesischen Generals Suntschuanfangs, und den der britischen Truppen zu stoßen. Seitens der Nationalpartei wurde betont, daß ihr« Regierung die Verpflichtung übernommen habe. die Fremdenntederlassung in Schanghai   nicht anzu- greifen. Die gegenwärtigen ausländischen Streitkräfte dort seien ausreichend, um Unruhen zu begegnen. Die Nationalpartei bracht« den Wunsch zum Ausdruck, die britischen Streitkräfte sollten in Hongkong   oder sogar in Singapvre gelandet werden, um nicht ein« gefährliche Reaktion in Kanton auszulösen.
Marx untersucht. Mit größtmöglicher Beschleunigung. Die Seudell-Akkeu des preußischen Innenministeriums sind beim Reichskanzler eingetrofsen und Dr. Marx läßt milkeilen, daß er die Anlersuchung mit größtmöglicher Beschleunigung durchführen wird. Aus die Beschuldigungen, die da» Blatt de» Znngdeulschen Ordens sowie der.Demokralische Zeiwngsdienst" neuerdings gegen Keudell erhoben und die wir in unserer heuligen Morgenausgabe wiedergegeben haben, hüllt sich die Reichsregiernng im allgemeinen und Minister Keudell im besonderen bis jetzt in tiefes Schwelgen. Tie politische Vergangenheit des Herrn von Zleudell. Die Presse der Deutschnationalen verteidigt Herrn von Keudell, indem sie überunsachliche Kampfesweise* undpersönliche Hetze* zetert. Persönliche Hetze gegen Herrn von Keudell? Davon ist uns nichts bekannt. Herr v o n K e u d e l l ist ein scheinbar unbeschriebenes Blatt zum Reichsinnenminister ernannt worden. Wir haben nachgeforscht, was politisch auf diesem Blatt bisher zu lesen stand. Schließlich ist es nicht unwesentlich, zu wissen, wes Geistes Kind politisch der Mann ist. in dessen Hände das Reichsinnenministerium und der Schutz der Verfassung gelegt werden soll. Zur Auslese der leitenden Staatsmänner gehört eine solche Nachprüfung. Es ist selbstverständlich, daß politische Vergangenheit und politische Ge- s i n n u n g eines Mannes, der für ein leitendes Staatsamt bestimmt ist, klar und eindeutig vor den Augen der Oeffent- lichkeit liegen muß. Sie gehören nicht zu seinen Privat- angelegenheiten. Merkwürdigerweise haben die Regierungs- Parteien bei dieser ganz merkwürdigen Regierungsbildung an solche Selbstverständlichkeiten nicht gedacht. Es ist die Pflicht der Opposition, sie oaran zu erinnern. Die Opposition ist das Gewissen der Regierung. Sie empört sich über die Zweideutigkeit, die in Herrn von Keudell an die Spitze des Reichsinnenministertums gelangt. Persönliche Hetze? Persönliche Hetze sieht ganz anders aus. Die Spezialisten darin sitzen auf der rechten Seite. Sie haben Herrn Erzberger infam gehetzt, sie haben geaen Friedrich Ebert   gehetzt, gegen Scheioemann, gegen jeden republikanischen Politiker. Die schändliche Methode, mit Hilfe des Eids bis in die geheimsten Falten des intimen Lebens gegnerischer Politiker hineinzuschnüffeln, ist eine Erfindung der Deutschnationalen  . Davon ist bei Herrn vonKeudell gar keine Rede. Es handelt sich nicht darum, was er in seinem Privatleben tut und ist, sondern nur um sein politisches Gesicht. Sollen wir verschweigen, daß er ein Kappist ist? Damit die deutschnationale Presse, die überp e r s ö n- l i ch e Hetze* sich beklagt, den Unterschied erkennen lernt. verzeichnen wir ein Musterbeispiel persönlicher Hetze gegen einen Staatsmann. Am 30. Dezember 1925 schrieben die Hamburger Nachrichten ein dcutschnationales Blatt über denReichskanzlerMarx: ..Man sollt« Herrn Marx das menschlich« Mitgefühl für seine Bersorgungsab sichten nicht versagen, den» nachdem da» deutsch  «
Volk ihn als Präsidentschaftskandidat beiseite gestellt hat. wird den Geknickten die Zerknirschung über diese Treulosigkeit an seinem himmelhochgepriesenen Völkerbundspazisismu» übermannt haben, so daß er glaubt, Deutschland   aus dem Schoß« des Völkerbundes heraus doch noch mit seiner Heilsbotschaft umstricken zu können. Daß er damit sein politische. Schaltendasein l« Deutschland   mit einem ein- träglicheren Pasten in Genf   vertauscht, sehen nur seine Gegner. Seitdem in Deutschland   die Bahn für jeden Tüchtigen frei geworden ist. ist es eigentlich doch nicht mehr verwunderlich, daß sich Parteihäupter um«inen Posten bemühen, der zum Wohle Deutschland  » mit 2000 Schweizer Franken monallich dotiert ist. Wer dem Altar dient, soll auch vom Altar leben, dieses Wort ist doch seit dem glorreichen Umsturz in Deutschland   zum ehernen Gesetz für jeden politischen DUettanten geworden.* Das ist persönliche Hetze in der niedrigsten und gehässigen Form. Die Leute aber, die so hetzen, klagen übermangelndes Taktaefühl, wenn öffentlich festgestellt wird, daß an der Spitze des Innenministeriums ein Kappist und Gönner der Putsch- organisationen steht! Verteidiger des Kapp-Putjches. Der.Jag* des Herrn Hilgenberg fordert von uns, wir sollten mit gezogenem Hut ehrfurchtsvoll* vor Herrn v. Keudell stehen. Warum? Weil er, der K a p p i st, der Pro- tektor der Olympia, als Reichsinnenminister die R«- publik schützen will. Weil er zu den K a p p i st e n gehört, die nach dem«Tag*,die besten Kräfte der Nation* sind. West die Republik   sich aufbaut auf Hochverrat, wenn nicht auf Schlimmerem, auf M e u- t e r e i. feiger Desertion und gebrochenen Eiden. Das konnte und kann der nationale Mensch nicht vergessen!* Also Herr v. Keudell war im Recht, als er feinen Le- amteneid brach, und den Hochverrätern Beihilf« leistet«! Wovor sollen wir nun den Hut ziehen? vor dem Mut, mit dem sich Herr v. K« u d e l l zu dem, was der nationale Mann nicht vergessen kann, im Reichstag nicht bekannt hat?
Der Militärkampf in Portugal  . Beschießung von Oporto  . Paris  . 8l Februar.(Eigener Drahtbericht.) Die in den Pariser Morgenblättern vorliegenden Nachrichten au» Lissabon   widersprechen sich. Nach den offiziellen Nachrichten der hiesigen portugiesischen Gesandtschaft sollen sich die Rebellen gestern abend bedingungslos ergeben haben. Anderen Nachrichten zufolge habe man aber die Beschießung von Oporto   mit erneuter Heftigkeit wieder auf. genommen. Als sicher gilt nur, daß diese Stadt, die über 200 000 Einwohner zählt, unter der Beschießung außerordentlich schwer ge- litten hat. Englischen Nachrichten zufolg« sollen schon vor der Wiederaufnahme der Beschießung die Zahlen der Verluste unter der Zivilbevölkerung 4 Tote und 200 Verwundet« betragen haben. Zahlreiche Matrosen sollen ebenfalls offen für die Rebellen Partei ergriffen und plünderrd die Straßen von Lissabon   durchzogen haben. In Lissabon   sind sämtliche öffentliche Gebäude und all« großen Warenhäuser geschlossen. Die Regierung hat ISO Iour. nalistcn und Politiker, die ihr als verdächtig erschienen, verhaften lassen. Sie sind nach einem Fort in der Umgebung von Lissabon  gebracht worden, da die Bemannung der Kriegsschiff«, auf welche p« zuerst gebracht«erb« sollten, sich weigerte, sie auszunehmen,
Zentrum und Kapp. Nützliche Erinnerungen zum Fall Keudell. Die deutschnationalen Blätter finden es ganz in der Orb- nung, daß ihr Minister oonKeudell als preußischer Landrat im Kapp-Putsch   den Generalstreik bekämpft hat. Auf das kurze Gedächtnis ihrer Mitmenschen spekulierend, ver­suchen sie jetzt diesen Generalstreik als eine verdammenswerte Tat hinzustellen, während sie für die Handlungen Keudells, der sich so eifrig in den Dienst der Putschisten gestellt hatte, volles Verständnis und volle Sympathie zeigen. Auf diese Art hoffen sie das Zentrum für das Verhalten Keudells im Kapp-Putsch   milder zu stimmen. Deshalb ist es wohl an- gebracht an die Worte zu erinnern, die in den Tagen des Kapp-Putsches von berufener Zentrumsseite gegenüber den Putschisten auf der einen und gegenüber den streikenden Ar- beitern und Beamten auf der anderen Seite gebraucht worden sind. Es war in der Sitzung der Nationalversammlung   am 18. März 1920 in S t u t t g a r t. Da sprach als Redner des Zentrums der Abgeordnete und Reichsgerichtsrat Bur- läge: .Im Lager der Aufrührer war versammelt ekelhafte Falschheit und hinterlistiger Bruch des Ehren- worts, Verführung der Soldaten zum Treubruch... Was ist angebracht gegenüber diesen Aufrührern? Gibt es da überhaupt noch Raum für das, war wir Milde nennen? Ich will diese Frage klar beantworten. Wir können Milde wallen lassen gegenüber den Mannschaften, denn sie sind verführt worden und wir dürfen nicht vergessen, daß ihnen noch der klare Blick sehll«, den die Führer hatten, und daß sie unter der mili- «arischen Befehlsgewalt standen. Das sind Milderungsgründe, die oürfen wir würdigen. Aber dieser Milde muß an die Seite lrclen eiserne Strenge gegen die Verführer, insbesondere gegen die Rädels- führer: denn wir müssen es aussprechen: das Volk, das in starker Einmütigkeil diesen Aufruhr niedergeworfen hat. hat auch das Recht, Strenge gegen diese Leute zn fordern.* Bekanntlich ist diese Hoffnung der verfassungstreuen Be- völkerung, der der Redner des Zentrums in der Nationalver- sammlung so beredten Ausdruck gab, schmählich ent- täuscht worden. Heute bezieht sogar der Haupträdelsführer. der General von Lüttwitz, Pension von der Re- publik und die Zentrumsfraktion scheint sich mit diesem Skan- dal gar zu leicht abgefunden zu haben. Nun hören wir weiter, wie der Abgeordnete Burlage  sich weiter über die Kapp-Rebellen äußerte. Der Zu- fall, daß er zusammen mit einigen anderen Abgeordneten in dem gleichen Zuge von Berlin   nach Dresden   gefahren war» wie der vermittelnde General Märker, hatte in einigen jüd- deutschen   Blättern die Anffassung aufkommen lassen, daß diese Abgeordnete eineZioildeputation* der Regierung Kapp- Lüttwitz als Unterhändler mit der Regierung Ebert-Bauer bildeten. Diesem Gerücht trat B u r l a g e'mit folgenden Worten entgegen: Wir sollten eine Deputation gebildet haben, ousgesandt von Kapp-Lüttwitz! Meine Damen und Herren, ich habe freilich schon einig« Male in meinem Beruf(als Richter. D. Red.) mit Ber  - blechern zu tun gehabt, aber doch nur irr der Weife, daß ich sie mit meinen Kollegen zusammen ins Zuchthaus schickte oder zu noch schwererer Strafe verurteilte: eine andere Gemeinschast möchte ich mit dieser Sorte Menschen nicht haben."(Bravo.) Und nun das Urteil Burlages über den von Keudell so wacker bekämpften Generalstreik: Ich bemerkte vorhin, daß ich Großes auf dieser Reise(von Berlin   nach Dresden   und Stuttgart  . D. Red.) wahrnahm, wir haben gesehen, wie der Generalstreik, diese furchtbare Waffe, ge- handhabt wurde. Wir haben oft Aufenthalt unterwegs nehmen müssen und haben die Eisenbahner beobachten können, wie sie den Generalstreik lenkten. Und ich muß gestehen: Sie haben Ihre Pflichten so darf man sich ausdrücken erfüllt, sie haben den Generalstreik gehandhabt mit selbstbewußter Kraft, aber ge- paart mit kühler Besonnenheit und weiser Einsicht.(Bravo  !) Mit solchen deutschen   Männern, meine Damen und Herren, können wir zusammengehen.(Bravo  !). Ich habe auch sonst Großes gesehen. Ich habe in ver- schieden«« Städten, wo der Zug hielt, deutsche verfassungstreue de» schlichten Manne» gesehen. Man kam zu uns und berichtete über die Lage in den betreffenden Städten. Diese verfassungstreue fleht turmhoch erhaben über jenen gewissenlosen polltischen Kinds- köpfen, die nur einen ganz kleinen Ausschnitt des deutschen   Volke, zn sehen vermögen." So urteilte ein Führer des Zentrums über den General» streit. Unter dem frischen Eindruck des Erlebnisses. Bald danach wurde Burloge sogar Vorsitzender der Zentrums» fraktion und blieb es bis zu seinem leider zu früh eingetre- tenen Tode; sein Nachfolger auf diesem Posten wurde Dr. Marx. Wir verzichten darauf, die Ausführungen der fozialdemo- kratifchen und demokratischen Minister und Fraktionsredner in der denkwürdigen Stuttgarter   Sitzung wiederzugeben. Auch sie verherrlichten mit Zustimmung der Zentrums- abgeordneten den Generalstreik und sprachen allen daran be- teiligten Volksgenossen den Dank der verfassungsmäßigen Re- oierung aus. Und am Schluß dieser Aussprache brachte der P r ä s i d e n t der Nationalversammlung die Gefühle der ver- fassungstreuen Volksvertreter noch einmal zum Ausdruck. Der Präsident sagte dabei u. a.: Wir hoffen, daß im Verlauf von wenigen Tagen, ich möchte hoffen von Stunden, der Generalstreik