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Nr. 66 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 34

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Mittwoch, den 9. Februar 1927

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Rechtsregierung und Arbeitszeit. Faschismus und Gewerkschaften.

Kleine Zugeständnisse statt eines allgemeinen Notgesetzes.

BIB.   verbreitet zur Arbeitszeitregelung folgende amt der Beratung zeigen, ob die Bürgerblodregierung ernsthaft liche Mitteilung: bereit ist, den Achtstundentag in Deutschland   gefeßlich zu

Das Reichstabinett hat in seiner heutigen Sigung seine gesichern. fchäftsordnungsmäßige Buftimmung zu den drei Borlagen des Reichsarbeitsministers erteilt, welche auf Grund des§ 7 des be ftehenden Arbeitszeitgefezes die Arbeitszeit für gemiffe Arbeiter. gruppen in den Gaswerken, Metallhütten und in der Glasindustrie auf acht Stunden beschränken. Anläßlich dieses Beschlusses gab das Kabinett ferner seine Bewilligung zu einer beschleunigten Erledigung des in der Regierungserklärung bereits angekündigten Notgesetzes über die Arbeitszeit.

Seit dem Bestehen der geltenden Arbeitszeitverordnung, also seit über drei Jahren, fordern die Gewerkschaften eine weitgehende Aenderung des§ 7, damit wenigstens für die hier­von erfaßten, besonders gefährdeten Arbeitnehmergruppen der Achtstundentag gesichert wird. Das ist wiederholt zu gesagt worden. Jetzt endlich soll wenigstens für einen weiteren reis die Anwendung erfolgen. Wir fönnen uns mit dieser äußerst bescheidenen Ausdehnung nicht zufrieden geben Das von den Gewerkschaften geforderte Notgefez per langt die Sicherung des Achistundentages für alle Ar­beiter und Angestellten. Davon ist in dem Be schluß des Reichsta binetts feine Rede. In diesem entscheidenden Punkte ist der Beschluß des Kabinetts ebenso dunkel gehalten wie die Regierungserflärung, die nur davon sprach, daß auch im übrigen Mißstände auf dem Gebiete der Arbeitszeit beseitigt werden sollen. Wahrscheinlich will sich die Bürgerblockregierung damit begnügen, die Straf: freiheit der Unternehmer einzufchränfen, die bei Leistung sogenannter freiwilliger Mehrarbeit besteht

Mißmut unter den Zentrumsarbeitern.

Köln  , 8. Februar.( Eigener Drahtbaricht.) Der schon seit längerer Zeit in der Kölner Zentrumspartei bestehende Gegen faz zwischen der Arbeiterschaft und den übrigen An­hängern des Zentrums hat sich infolge der jüngsten Borgänge, wie zum Beispiel bei der Besetzung des Kölner   Regierungspräsidiums und bei der Neubilbung der Regierung fo zugefpißt, daß jest von fatholischen Arbeitern die Rheinische Zeitung  ", unser Kölner  Parteiblatt, benutzt wird, um gegen die beiden offiziellen 3en­trumsblätter in Köln   zu polemisieren.

Eine Orientierung nach links?

Von der italienischen Grenze wird uns in Ergänzung früherer Mitteilungen geschrieben:

In italienischen Faschistenkreisen preist man die am 2. Fea bruar veröffentlichte Erklärung der Gemert­schaftsführer als einen neuen Sieg des Faschismus, als die Eroberung einer feindlichen Position erster Ordnung. In gewissem Sinne ist dieses Sieges geheul berechtigt. Männer, Die viel Anhang in den Massen haben und die Recht hohes Ansehen genossen, geben ihre feindselige Stellung gegenüber dem Faschismus auf und erklären sich bereit, sein korporatives Experiment zu unterstützen. Das ist feine fleine Errungen­fchaft, besonders, wenn man bedenkt, was der Faschismus den Gewerkschaften zugefügt hat, wieviel Trümmerhaufen von ftohlene Verbandsvermögen und wieviel Leichen Gewerkschaftshäusern, wieviel zwischen der freien Arbeiterorganisation und dem herrschenden Regime stehen.

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Am Dienstag veröffentlichte die" Rheinische Zeitung  " gleich zwei Zuschriften aus tatholischen Kreisen, in denen der Unmut der Linksschichten im Zentrum deutlich zum Ausdruck kommt. In einer dieser Zuschriften wird gesagt, daß sich bald zeigen müßte, melche Früchte die Paarung der katholischen mit der fapitalistischen Weltanschauung zeitigen wird. Man solle das Ergebnis dieser Baarung abwarten, dann aber sei eine flore Entscheidung zu treffen. Wenn die Zentrumsfraftion nicht den Mut zu einer solchen flaren politischen Linie aufbringe, fei fie nicht mehr des Berleiten. An allen Eden und Enden macht sich das Miß­trauens ihrer Wähler wert.

Eine zweite 3ufchrift in der gleichen Nummer des Blattes wirft den beiden Sentrumsblättern, der Kölnischen Volkszeitung" und der Rheinischen Vollswacht vor, daß sie über die Ausein andersetzungen innerhalb der Sentrumspartei, die hinter ver­fchloffenen Türen geführt wurden, zwar rede, die Deffent lichtet aber irreführend informiert habe. Die Bericht erstattung der Zentrumspresse, so heißt es, entspreche weder dem Angesichts solcher Pläne gewinnt die Attion der sozial tatsächlichen Verlauf noch der Stimmung, die in diesen internen demofralischen Reichstagsfraktion erhöhte Bedeutung. Sie hat Bersammlungen zum Ausdruck komme. Der Kampf in der 3en den Entwurf der Gewerkschaften als Initiativgesetz im Reichs trumspartei sei noch nicht zu Ende, sondern er merde weiter. tage eingebracht und fordert seine Berabschiedung als Mingehen. Der demokratische Boltsstaat müsse leben, selbst wenn dest maß eines annehmbaren Notgesetzes. Es wird sich bei Parteigruppen sterben müßten.

Keudell soll bleiben!

Herr Marx hat etwas gut zu machen." Die Hugenberg- Bresse hat gestern früh von der Sozial­demokratie verlangt, fie solle ,, mit dem Hut in der Hand ehr furchtsvoll" vor Herrn v. Keudell stehen. Gestern abend wandte sich dann der Berliner Lokal- Anzeiger" mit einem ähnlichen Anfinnen an den Reichskanzler Herrn Marg. Er schließt seinen Artikel mit der etwas diktatorisch flingenden Aufforderung:

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Herr Marg hat da nach seinem feineswegsglorreichen Auftreten vom Sonnabend etwas gutzumachen.

Mit ihrer Aufforderung an die Sozialdemokratie wird die Hugenberg- Presse ganz bestimmt fein Glück haben. Etwas anders steht es vieleicht mit dem Reichsfanzler. Herrn Marr. Sein, feineswegs glorreiches Auftreten am Sonnabend" be­steht darin, daß er eine Untersuchung gegen seinen neuen Ministerfollegen angekündigt hat. Vielleicht hat der Ber­liner Lokal- Anzeiger" recht für die Zukunft. Wäre es nämlich richtig, daß das Zentrum jetzt schon ent­fchloffen ist, eine Krise unter allen Umständen zu vermeiden und zu diesem Zwed Herrn v. Keudell zu halten, dann wäre die Untersuchung nur noch eine Farce, und der Ausgang wäre für Marg und das Zentrum wenig glorreich. Auf keinen Fall wäre er mit den sehr selbstbewußten Tönen zu vereinbaren, die Herr Brälat& a as jüngst in einer Bersammlung in Biberach   angeschlagen hat, in der er sagte:

Fragen Sie doch einmal auf feiten der Rechten, ob sie diese zwei letzten Wochen der politischen Eheschließung als Flitter wochen bezeichnen tann? Eine Partei, die sich gefallen lassen muß, daß ein von ihr präsentierter Minister Don uns abgelehnt wird, merkt, daß das Regieren teine Freude sein kann, und wenn der Fraktionsführer ge­zwungen wird, feine eigene Rede au forrigieren, ist das feine Stärkung der Autorität. Als der Kampf um Herrn v. Reudell brandete und ihm vom Zentrum nur ein be dingtes Bertrauenspotum ausgestellt wurde, da hatte man das Gefühl, daß das Zentrum noch niemals so eindeutig und unerbi: flich seinen politischen Kurs eingehalten hat wie in diesen sturmbewegten Wochen.

Man wird Herrn Raas bis zu einem gewissen Grade bei pflichten fönnen. Was die Deutschnationalen über fich ergehen ließen, war allerdings erstaunlich. Doch tommt es nicht auf den Anfang, sondern auf das Ende an, und uns will es Icheinen, als ob das Ende der Zentrumsherrlichkeit im Bürgerblock schon da wäre. Läßt sich das Zentrum tatsächlich mit dem Rapp- Landrat v. Keudell auf eine Galeere schmies

den, so wird das ein eklatanter Sieg der Deutsch  nationalen sein, der ihr Selbstbewußtsein mächtig heben wird. Die von Herrn Kaas gerühmte Unerbittlichkeit" dauert eben nur bis zum nächsten Umfall, der sich, wie es scheint, schon in den allernächsten Tagen aus Anlaß des Falles v. Keudell vollziehen wird.

Der Reichstag   wird bei Behandlung einer fommunisti­schen Interpellation und eines fommunistischen Mißtrauens antrags gegen v. Reudell noch einmal Gelegenheit haben, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen, und dann wird das Bentrum ohne Borbehalt entscheiden müssen.

Die Suche nach der Quelle.

Die Deutsche Zeitung" hatte behauptet, daß das Material zu den Angriffen des Gen. Landsberg   gegen v. Keudell vom preußischen Staatsministerium geliefert sei. Minister präsident Braun hat dem Blatt eine Berichtigung geschickt, in der er feststellt, daß das Ministerium dem Gen. Landsberg   fein Material zur Verfügung gestellt hat.

Für den Panzerzug fann er nichts! WIB. meldet: Die Mitteilung einer Korrespondenz, Reichs­minister v. Reubell   habe während des Kapp- Butsches einen in Rüstrin ftationierten Panzerzug nach Bärwalde   entsandt, ent­behrt jeder Grundlage. Es handelt sich um eine Maßnahme des damaligen Kommandanten von Rüstrin, die ohne Anregung und ohne Wissen des Herrn v. Keudell angeordnet ist.

Der Koalitionsstauffe. Zentrumsärger über einen Regierungsbruder.

Wir veröffentlichten fürzlich den Brief des deutschnationalen Ad­geordneten v. Stauffenberg   an den württembergischen Staats­präsidenten Bazille, in dem der Schreiber in den gehäffigsten Wen­bungen sich über die Zentrumspartei   und besonders ihren Anhang im Schwabenlande erging.

Jezt hat in Biberach   eine Sihung des Landesausschusses der mürttembergischen Zentrumspartei   stattgefunden, die sich mit dem Stauffenberg   aus dem Koalitionslager beschäftigte und dem Brief­schreiber bestätigt, daß erfchwerste Berlegungen der poli. tischen Ehre des Zentrums und der persönlichen Ehre unserer Freunde im Oberland" ausgesprochen habe. Es wird besonders darauf hingewiefen, daß der Stauffenberg   sich durch Zentrums mahler mancherlei Ehrenamter habe verschaffen laffen, ohne seine wahre Gesinnung zu zeigen.

Jezt weift das Zentrum die Beschimpfungen, die sich der Frel herr deistet, in einmütiger Berbundenheit" zurüd. Aber im Reichs. tag nimmt das Kabinett Marg auch die Stimme Stauffenbergs  .

Ergebnis langer Verhandlungen zwischen dem Nun ist aber die Erflärung der Gewerkschaftsführer das Ministerpräsidenten und einigen Gemert­schaftspertretern. Bei diesen Verhandlungen waren natürlich für beide Teile ihre Zwecke und Ziele ausschlag­gebend. Mussolini   sieht seit langem, daß ihm die Männer fehlen, um leistungsfähige Organisationen zu bilden und zu trauen gegen die Geschäftsgebarung der Führer der faschistischen Syndikate geltend. Ein Teil von ihnen sind geradezu berüchtigte Lebemänner, die die sozialen Probleme in eleganten Restaurants, beim Rennen und in Gesellschaft fini den Einfluß, den es im Ausland haben wird, die Männer von Kurtisanen zu ergründen suchen. Weiter berechnet Musso­der Konföderation ihren Frieden mit dem Faschismus machen zu sehen. Er umwarb also die einst Verfolgten, weil er sie brauchte, um ihrer Fähigkeit und Rechtschaffenheit wegen und als Aushängeschild seiner Firma ,, zum sozialen Frieden".

Warum aber haben sich die Gewerkschaften umwerben lassen? Sicher nicht um ihrer persönlichen Sicherheit, ihres persönlichen Ehrgeizes oder Borteils willen, denn wer in diesen Punkten sterblich war, der hat längst unter den Fitichen des Faschismus Schuß gesucht. Diese Männer, die heute in vielen Kreisen unserer Bewegung sehr streng beurteilt werden, sehen in der offiziellen Annäherung das einzige Mittel, noch in irgendeiner Weise unter dem Proletariat und für das Proletariat zu wirken. Sie glauben, in die faschistischen Kor­porationen einen modernen Geist tragen zu können, rechnen darauf, die aus den Freien Gewerkschaften in die faschistischen Gilden getriebenen Genossen schützen und ihnen ein Rückhalt fein zu können.

Sicher ist, daß man ihnen Zusicherungen gemacht hat im Sinne einer gewissen Selbstverwaltung der heute ganz auto­fratisch von oben regierten Korporationen. Bei der scharfen Spannung zwischen der Monarchie und Mussolini  , die sich namentlich an die Veröffentlichungen Cesare Rossis in den Pariser ,, Quaderni" anschließt, ist es durchaus begreif­lich, daß Mussolini   wieder einmal den Bersuch macht, sich nach hat, die das Vertrauen der Massen genießen, feine, die mit links zu orientieren. Da er in seinen Reihen feine Männer den Arbeitern anders umzugehen wissen als mit der Reit­peitsche, braucht er Leute aus dem feindlichen Lager. Und die jezt aufgelöste Konföderation der Arbeit stellt sie ihm, in der Zuversicht, dadurch dem Proletariat zu dienen.

Da wir auf Grund unserer langjährigen Kenntnis der Männer, die soeben den schweren Schritt der Annäherung an den Faschismus getan haben, jedes persönliche Motiv unbe­dingt ausschließen müssen und als undiskutierbaren Aus­gangspunkt jeder Diskussion die lauterste Absicht voraussetzen, den Massen und der Arbeiterbewegung zu dienen, so kann sich die Kritik des Schrittes mur um die Frage drehen: Wer ge­winnt bei dem Handel? Und die Antwort lautet für uns ent­mutigend: Der Faschismus gewinnt.

Denn die Arbeiterbewegung gibt ihm, was er nicht hat, was er gewissermaßen, der Definition nach, nicht haben kann: rechtschaffene und tüchtige Männer, die die Sache über die Person stellen. Die bestohlene und vergewal­tigte Gewerkschaftsbewegung gibt von dem Wenigen, was sie gerettet hat, für einen Teil des Ansehens, der Achtung und der Liebe, die ihr die Massen zollten, in das feindliche Lager über. Sie ſtüßt das mantende Gebäude der faschistischen Syndikate durch die letzten ideellen Säulen, die der Ver­müftung getrogt hatten. Der Faschismus erstarkt und brüstet sich seiner Fähigkeit, alles in feinen Bannkreis zu ziehen. Die Massen aber bleiben verdugt und verwirrt stehen, weil sie ihre Führer, die einst an der Seite Matteottis ge­fämpft haben, heute mit dessen Mördern pattieren sehen. Es will uns daher scheinen, als feien auch diesmal die Ar­beiter die Geprellten. Mussolini   braucht heute Führer, um durch sie ein paar moralisch und technisch minder­merte Führer zu verdrängen. Die verachteten und verlachten