Abendausgabe
Nr. 75 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 37
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10 Pfennig
Montag
14. Februar 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Großer Wahlerfolg in Oberschlesien . Im Bereich des Dalai Lama .
Starke Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen.
Breslau , 13. Februar.( Eigener Drahtbericht.) In einer Reihe von Städten und Landkreisen des deutsch - oberschlesischen Industriegebietes fanden am Sonntag Neuwahlen zu den Stadt verordnetenversammlungen und Kreistagen statt, die durch die kürzlich vom Preußischen Landtag vorgenommenen Eingemeindungen und Kreisumstellungen notwendig geworden maren. Besonders heftig wurde das Stadtparlament der jetzt größten oberschlesischen Stadt Hindenburg umstritten, wo die Stadtverordneten alle wichtigen Posten des Magistrats, darunter den des Oberbürgermeisters, den des zweiten Bürgermeisters und die mehrerer Stadträte zu besetzen haben. Auch in Beuthen , Gleiwiz und Ratibor sowie in den beteiligten Landkreisen hatte die örtliche Bahlbewegung in den letzten Wochen fast jedes andere politische Interesse zurückgedrängt.
Die scharfe linksgerichtete Agitation des Zentrums hat aber nur den Kommunisten empfindlich gefchadet. Diese haben in den großen Bezirken fast überall an Stimmen verloren, und der Rüdgang nimmt fich geradezu katastrophat aus, wenn man die heutige Zahl der tommunistischen Stimmen mit ihrem Höchststand bei den Reichstags. und Kommunalwahlen des 4 mai 1924 vergleicht. Dagegen springen die Erfolge der Sozialdemokratie, die überall in fieghaftem Bormarsch ist, geradezu in die Augen. In Gleiwih- Cand fonnte unsere Partei trok der geringen Wahlbeteiligung die Zahl ihrer Stimmen verdoppeln. Und das selbst gegenüber der Reichstagswahl vom Dezember 1924, die bereits im Zeichen der Konfolidierung stand!
ergebnissen in Sachsen und Thüringen ganz auffallend entscheidet. Auch die Wirtschaftspartei hat in Oberschlesien , nachdem sie sich ganz dem Hausbefiz ausgeliefert hat, nicht die erhofften und in anderen Teilen des Reiches erzielten Erfolge gehabt.
Die Wahlbeteiligung war im allgemeinen recht schwach und betrug in den Städten etwa 50 Proz. der Wahlberechtigten.
Stimmenzuwachs der Sozialdemokratie.
Die Sozialdemokratie erzielte an Stimmen bei der Reichstags Reichstags Prov. Landtagswahl 4 5. 24 wah17 12.24 wahl 19. 11. 25 745
633
899
•
•
687
657
704
1244 955
2325
2412
1461
1 159
408
899
1496
1852
1553
9
1854
5.722
4 594
0
1 158
940
Kommunal wahl. 13. 2.27 1 191 1236 3215 2277 1788 • 2 165 5 823 2250
Auf zu den Teeplantagen Indiens . Bon Franz Josef Furtwängler .
Darjeeling( Himalaya ), 2. Januar 1927. Die Untersuchung indischer Textilarbeiterverhältnisse führt notwendigerweise oftmals abseits von den städtischen 3entren, da zur Beurteilung der Lohngestaltung und anderer Fattoren sowohl die Kenntnis der Hausindustrie sowie auch der landwirtschaftlichen Refrutierungs gebiete des Stadtproletariats erforderlich ist. So haben wir schon wiederholt agrarische Distrikte aufgesucht.
Zahlenmäßig von größerer Bedeutung als die Lohnarbeiter der bäuerlichen Landwirtschaft sind diejenigen der großen, weltberühmten Te e plantagen im Norden und Nordosten des Landes, in Bengalen und Assam . Um diese tennen zu lernen, fuhren wir von Kalfutta aus nach Darjeeling. Die fleine Gebirgsstadt von 30 000 Einwohnern, deren Häuser wie Schwalbennester an dem steilen Berge Pleben, liegt 2400 Meter über dem Meere und wurde ihres Klimas und der landwirtschaftlichen Reize halber zum Sommerfize der Provinzregierung von Bengalen erforen. Acht Stunden lang fährt man von Kallutta in strikt nördlicher Richtung durch Dschungelwälder mit ihrem mannsEinzelergebnisse aus den oberschlesischen Gemeinde- und hohen Dickicht von Efeu und breiten Blattpflanzen. Endlich ein Stüd von jenem Indien , das wir aus Reisebeschreibungen fennen! Dann beginnt der Schienenstrang zu steigen. Immer rascher weicht die warme Temperatur der Gangesebene der Winterfälte des beginnenden Hochgebirges.
Kreistagswahlen.
Die Stimmenverhältnisse der wichtigsten übrigen Parteien stellen sich in den einzelnen Wahlfreifen, verglichen mit den Reichstags- und Kommunalwahlen vom Mai 1924 und den Brovinziallandtagswahlen vom November 1925, folgendermaßen dar:
In Ratibor - Stadt erhielten: die Demofraten 538 Stim men( 753, 819); die Polnische Stathalische Boltspartei 772( 1061, 604); Kommunisten 1306( 2001, 852); Deutschnationale 2317( 4965, 3181); 3entrum 7313( 7104, 8295).
Ratibor Land: Deutschnationale 2899( 6604, 4345); Kommunisten 1587( 3965, 1408); Bolnische Katholische Volkspartei 1878( 5670, 2242); 3entrum 7220( 8264, 10 745).
Auch sonst brachten die Wahlen mancherlei interessante Ergebnisse. Die heftigen Erregungen, denen Oberschlesien durch die fremde Besetzung und durch die Polenputsche Jahre hindurch ausgefeßt war, sind einer Zeit ruhiger Entwidlung gewichen. Als deutliches Kennzeichen dafür fann man den Umstand ansehen, daß die Polen sowohl in den Städten wie auf dem Lande start an Anhang verloren haben und daß die rechtsradikalen Gruppen der Nationalsozialisten und Bölkischen, die in dem von Stürmen burchtobten Oberschlesien besonderen Nährboden gefunden hatten, fonische Katholische Volkspartei 1108( 882, 569); Deutschnationale 2807 gut wie ganz verschwunden sind.
Bon den großen Parteien vermochte das Zentrum in einer Reihe von Bezirken noch Reserven an die Wahlurne zu bringen, doch hat es in so wichtigen Städten wie Beuthen bereits einen Rückschlag erlitten. Der Zusammenbruch der Bölkischen hat den übrigen Rechtsparteien einen gewiffen Stimmenzuwachs in einzelnen städtischen Kreisen gebracht. Auf dem Lande hat jedoch Die Demokraten haben
Beuthen Land: Bolnische Katholische Volkspartei 1870 ( 2367, 1741); Demokraten. 519( 232, 518).
Beuthen Stadt: Demokraten 1307( 1667, 1114); Pol( 3352, 4756); Stommunisten 3704( 5027, 1240); Wirtschaftspartei 1166( 500); Deutsche Volkspartei 679( 1860); Zentrum 6852 ( 8084, 7393). Gleimiz Land: Zentrum 9409( 9222, 15 159); Polnische Katholische Bolkspartei 1619( 4607, 345); Demokraten 380( 309, 391); Kommunisten 2028( 9265, 2676); Deutschnationale 2689( 3410, 3474).
3
Geiwig Stadt: Zentrum 11 672( 12 852, 11 567); Demo
TO
Weitere sechs Stunden fahren wir mit einer schmalspurigen Gebirgsbahn, deren Wagen und Lokomotive wie Spielzeuge aussehen. Mehr fletternd als fahrend bewegt sie sich die Berge empor. 43 Millionen Rupien, d. i. über 60 Mill. Mark, hat der Bau dieses Spielzeuges gekostet, das pro Jahr eine Biertelmillion Reisende und daneben mancherlei Fracht transportiert.
Jezt treten Nadelwälder an die Stelle der Dschungeln; die Sommerseiten der Berge aber sind entholzt und werden von den Bewohnern als Gärten benußt, welche sich in einigen Metern Breite treppenförmig übereinanderreihen: eine Riesenarbeit, diese Gärtchen in das steile Gebirge hineinzustechen! Oftmals sogar wird die Fläche durch eine lose Mauer hergestellt, die dann mit Erde beschichtet wird.
gleiche Zeit Köln oder Frankfurt . Bir dagegen Darjeeling hat jeẞt etwa die Temperatur wie um die empfinden infolge des rajchen Ueberganges aus der Wärme Kalkuttas diese Kälte viel beißender.
ihren fleinen Bestand gut gehalten und auf dem Lande teilweise traten 776( 1243, 843); Kommunisten 4141( 10 949, 3706); Deuta Nepal ist das Indertum nur noch durch eine Minderheit
noch etwas vermehrt. Die Splitterparteien der Mitte und ähnliche unpolitische" Gruppen sich nach ihren Erfolgen in der Inflationszeit gänzlich zusammengebrochen, was um so be merkenswerter ist, als diese Entwicklung sich von den letzten Wahl.
nationale 2981( 4468, 4735).
2576); Deutsche Volkspartei und Deutschnationale 5444( 4582); Hindenburg : Polnische Katholische Boltspartei 2101( 1563, Kommunisten 9236( 14 870, 9780); Demokraten 1247( 1010, 1665); Zentrum 10 753( 6066, 11 063).
Die Tagung der Internationale.
-
Ubrüftungskonferenz
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Das
Paris , 14. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Das Erefutiv- gefordert, alle bemokratischen Regierungen soweit als möglich zu fomitee der Sozial stischen Internationale hat am Sonntag feine zwingen, vom Völkerbund zu verlangen, cbenfalls gegen dieje Arbeiten beendet. Da auf Antrag der französischen Delegation auf Kriegsgefahren zu protestieren. Der französische Delegierte die Tagesordnung auch die Debatte über die Abrüstungs: Renaudel forderte dann, daß der Kongreß eine Erklärung zu der fonferenz gefcht worden war, wurde die Sihung bis in die Späten Abendstunden hinein verlängert. Im Berlauf der Morgensthung wurde die Diskussion vom Vortrage über den Faschismus wieder aufgenommen. Bon verschiedenen Delegationen wurden inter essante Mitteilungen über die Möglichkeit der Entwicklung in ihren Ländern abgegeben. Auf Vorschlag des russischen Delegierten Abramowitsch und eines Delegierten von Georgien wurde beschlossen, der Refulution über den Faschismus einen Abschnitt über die Graufamfeiten in Rußland und Georgien hinzuzufügen. Die Kommission von sechs Mitgliedern, die beauftragt war, eine Entschließung auszuarbeiten, in welcher die Debatte über
zufammengefaßt wird, legte dem Kongreß am Sonntag ein Manifest vor. In ihm wird auf die verschiedenen Kriegsgefahren hingewiesen, die gegenwärtig am politischen Himmel der Welt schweben und denen man die Aktionsmöglichkeiten des Sozialismus entgegensetzen könne und müsse. In ganz besonderer Weise wird der amerikanische Imperialismus und die Kriegsgefahr, die er in sich berge, gebrandmarkt. Der amerikanische Imperialismus, heißt es in dem Manifest, der gestern sich noch zugunsten der Völkerrechte aus. gesprochen hatte, befämpft heute in seiner Sucht nach dem meritanischen Petroleum die Unabhäng gfeit des merikanischen Volkes und organistert methodisch Aufstände gegen die merikanische Ar beiterregierung. Gleichzeitig greife er mit Gewalt in die inneren Känipfe der Republiken Zentralameritas ein. Das Manifest fordert alle amerikanischen Sozialisten und die Sozialisten aller Länder auf, gegen diesen amerikanischen Imperialismus zu protestieren. Abschließend verlangt das Manifest die Zusammenarbeit der gesamten sozialistischen Presse aller Länder in dem Kampf gegen den italienischen Faschismus sowie gegen seine Bafallen in Ungarn , Rumänien und Bulgarien . Die Sozialisten werden aufs
abgibt und vor allen Dingen feststellt, daß eine solche Ronferenz die Billigung der Sozialistischen Internationale nicht finden tönne. Der französische Delegierte vertritt den Standpunkt, daß die Abrüstung zur See nicht von der Abrüstung zu Lande getrennt werden fönne, und Amerika . welches sich geweigert habe, an den Arbeiten des Bölferbundes teilzunehmen, nicht auf die Unterstützung der Völker rechnen dürfe, die Vertrauen zu Genf haben und überzeugt find, daß der Genfer Bund den Völkerfrieden durchsetzen werde. Im übrigen fet es nicht das Recht einiger Großmächte, über die Freiheit der Meere zu verfügen. die aile Nationen ohne Ausnahme intereffieren. Die französische Delegation unterstützte diese Borschläge Renaudels, dem sich auch die belgische Delegation anschloß. Die englische Delegation dagegen betonte, daß sie feinerlei Auf. trag hätte, an der Diskussion über diese Frage teilzunehmen, da die Frage nicht auf der Tagesordnung stehe. Am Schluß der Tagung gab der deutsche Delegierte Wels einen Bericht über die Zusammen. hänge der
deutschen Reichswehr und Sowjetrußlands.
Er erinnerte an die Erklärungen Scheidemanns im Reichslag und legte dem Kongreß u. a. die Photographie eines Telegramms vor, aus dem hervorgcht, daß die cichswehr 50 000 Dollar bei einem amerikanischen Bankier zur Bezahlung von in Rußland für Konto der Reichswehr hergestellter Munition und Waffen überwiesen hat. Das Telegramm, ebenso andere Dokumente der deutschen Delegierten wurden vom Kongreß mit Interesse aufgenommen. Er beschloß, bie Dokumente in zwei Broschüren in deutscher und fran zösischer Sprache zu veröffentlichen und so die Doppelzüngigkeit der Bolitit der Sowjets zu brandmarken.
Hier in dem Grenzwinkel von Britisch- Indien, Tibet und tibetanische Mongolenstämme, die sich nicht nur nepalischer Gurkhas vertreten. Die übrigen Bewohner find durch die breiteren, schligäugigen Gesichter und einen robusten Körperbau( hier sieht man wieder Waden!), sondern mehr noch in ihren Wesenszügen und Gepflogenheiten vom Inder unterscheiden. Sie sind geräuschvoller als der vornehm stille Inder und haben auch nicht den ausgeprägten, selbst mit religiösen Uebungen verflochtenen Reinlichkeitssinn, den man im inneren Indien auch bei dem ärmsten Menschen findet. Da für haben sie andererseits einen fernigen Humor, den in In dien sonst nur der Bengale( dieser aber in feinerer Form) zeigt. In ihrer Sprache muß es weder den Laut" noch das deutsche ,, Sch" oder englische ,, sh" geben, welche sie beide nicht aussprechen können. An Stelle des" sprechen fie durchweg" B" und statt Sch" immer„ S". Daher flingt es wenig appetitlich, wenn die Kellner einen Fisch anbieten. Beinahe unglaublich ist die Art und der Umfang, in welchem sie Lasten zu tragen vermögen. Eine zarte, kleine Frau trägt einen fast zwei Zentner schweren Koffer filometerweit den Berg hinauf. Die Bürde lehnt wie ein Tornister am Rücken, die Tragseile dagegen gehen nicht über die Schultern, sondern über die Stirn, auf der nahezu die ganze Schwere ruht.
Um von Darjeeling nach den typischen Teegärten und den Behausungen der„ Kulis" zu gelangen, bedarf es einer weiteren Reise, zu der wir das einzig mögliche Verkehrsmittel, nämlich gemietete Reitpferde benüßten. Schrader, der vor drei Jahrzehnten in einer Kavalleriefaserne gedrillt wurde, gab hierbei ein ganz gutes Bild ab. Das meinige da gegen muß zunächst fatastrophal gewesen sein. Ein verhun gerter Wolf, der unsern Waldpfad kreuzte, wandte sich schaubernd ab, als er mich mit verkrampften Schenkeln auf dem bockbeinigen Hengste figen sah; und dem wackeren Gurkhajüngling, der als Führer mitritt, mußte ich eine Zigarette nach der andern schenken für die ans Heldenhafte grenzende Unterdrückung seines Lachens. Zwei Stunden später gings wesentlich besser und mein Mongolenpferdchen störte mich in feiner Weise mehr am Genuß der herrlich wilden Landschaft. Von Saumpfaden blickten wir in Abgründe und tief unter uns lag ein Meer von Wolfen, wie man sie sonst nur ge legentlich über seinem Haupte zu sehen gewöhnt ist. Ein feltfamer Anblick! Dann famen wieder prachtvolle Wälder und mir gelangten zu einigen der religiösen Stätten dieses merkwürdigen Grenzlandes.
Beim eigentlichen indischen Volke, im Landinnern, beherrscht der brahmanistische Hinduismus das Feld der religiösen Bekenntnisse. Neben ihm hat nur der Islam die beträchtliche Zahl von siebzig Millionen Befennern. Da= gegen wurde der nüchtern- philosophische Buddhismus , der einftmals in allen Teilen des Landes an Stärte ebenbürtig