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Man flctxlt mck banl nrtb ist der Vwge doch nicht recht froh. die man geschaffm hat. Klammert sich an alte Vorbilder, verwirft sie wieder und versteht nicht recht, warum etne Eiedlung, und geht sie von den gesündesten Prinzipien aus, heute im besten Falle wie aus einem Kinderbaukaften aufgestellt wirkt. Alles wurde berück- sichtigt. was die hohe Schul« der Städtebaukunft lehrte, jedem persönlichen Einfall de» Architekten wurde Rechnung getragen, alle Mittel angewandt und keines führte zu jenem Bild, da» dem Bau- meister aus alten Stadtstedlungen vorschrvebte. Und inan ist auch diesen Dingen schon so nahe gekommen. Man weih, dah ihre Ent- stchung dnderen Zusälligkeitm zu verdanken ist, als sie heute in unserer wirtschaftlichen Entwicklung gegeben sind und doch experi­mentiert man weiter. In jener Zeit, die uns baukünstlerisch so beglückt, gab es keine Baupolizeiverordnung nach unserem Sinne, die Fluchtsinien. Strahenbreiten, Vrandgiedel und Geschobhöhen vorschrieb. Jeder baute nach seinem eigenen Wohlgefallen und deshalb berührte uns auch in den mittelalterlichen Städten die un- endliche Langeweile de» Schemas nicht, die uns so oft in den modernen Städten entgegentritt. Im Mittelalter baute man nur vornehme Gebäude, wie Schlösser, Rathäuser, Zunfthäuser und wertvollere Patrizierwohnungen nach wohldurchdachten Skizzen und Nissen, alles übrig« wurde ohne jede Zeichnung hergestellt und nach Belieben geändert, eingerissen und hinzugefügt. /Ute dorfsieüluagea. Die alten märkische« Dvrfanlagen, um ein Beispiel heranzu- ziehen, sind slawischen Ursprungs. Die Häuser gruppieren sich fast kreisförmig um einen Dorfplotz. der in seinem Mittelpunkt den nie fehlenden Teich aufweist(so erzählt zu diesem Thema G. Eisen- Hardt in der HalbmonatsschriftAus der Heimat'). Bei den nach germanischer Bauweise angelegten Dörfern ziehen sich die Grund- stücke an der durchlaufenden Landstraße entlang, die sich an der Kirch« zu einem Platze erweitert und dann wieder in das alte Gröbenverhältnis zurückgeht. Die alten slawischen Bauernhäuser Hollen ihre besondere Grundribbildung und unterschieden sich wesent­

lich von den Häusern anderer Gegenden. Der Hausflur war nichl sehr groß, enthielt aber stets den Herd und galt als Mittekpunkl des Hanfes. Hinter dem Flur lag, durch die Wände getrennt, der Stall, rechts von dem Flur und Stalle wg die Dreschtenne, während auf der linken Seite meistens zwei Wohnräume Platz fanden. Hier und da wurden auch tu der Mark mitteldeutsche Bauernhäuser er­baut. Bei diesen war hinter dem Flur schon eine besondere Küche vorhanden, die Ställe grenzten nicht mehr unmittelbar an die Wohnräume, sondern rechts an Flur und Küche. Die Scheune lag auch hier unter demselben Dach und neben dem Stalle, hatte jedoch einen besonderen Eingang von außen. Die allen Dörfer entstanden fast immer unter dem Schutze der Durgen und Klöster und die Bewohner standen als Leibeigene oder Hörige in einem Abhängig- keitsverhältnis zu ihren Burgherren oder ihrer Klosterherrschait. Dorfstätten, dt« ihren Ursprung in dem Zusammenschluß freier Bauern hatten, stammen erst aus späterer Zeit. Neue Sieölungen. Bei der Reuanlage eines Dorfes ist die den Orb durchschneidende Berkehrsstraße wieder als Hauptstraße zu betrachten, je nach Be- dürfnis kann man dazu Parallelstratzen schaffen, die von Quer- straßen durchschnitten werden. Auch hier sollte nichts Gezwungenes und Steifes ins Leben gerufen werden, das den bäuerlichen Grund- besitz einzwängt und ihm sein« freie Entfaltung nimmt. Jedes einzelne Gehöft muß einen harmonischen Teil des Ganzen bilden, das aus der heimischen Jlur gewachsen ist. Einfachheit und Ueber- sichtlichkeit, bequeme Nutzbarkeit, verbunden mit dem Streben nach malerischer Wirkung muß b?i der Anlage von Bauerngehöften als Grundlage dienen Was nun die modernen Städteanlagen betrifft, so sei vor allen Dingen die Lage selbst eine gesunde, bequeme und angenehme. Zu tief gelegene Orlschaflen gellen als ungesund, zu hoch gelegene geben schwierige Zugänge und erschweren den Ber- kehr. Gesundes Trinkwasser muß am Platze sein und sollte nicht erst durch teure Wasserversorgungsanlagen weit hergeholt werden. Die Vorbedingungen, die bei unseren Vorfahren bei den Städte- gründungen ausschlaggebend waren, gelten auch noch für uns: Knotenpunkte der Verkehrsstraßen, schiffbare Flüsse, die Nähe des Meeres, gut und aufblühende Umgebung usw. Der Stadtplan soll nicht w regelmäßige Vierecke oder Kreisformen geteilt werden. sondern zwanglos au» dem Gelände hervorgehen. Auf gute Steigungsoerhältniss« der Hauptstraßen Rücksicht zu nehmen, ist für den Verkehr unbedingt erforderlich Schnurgerade Straßen cm zu- streben fft nicht immer vorteilhaft, auch die gekrümmten Straßen haben in der heutigen Städtebaukunft ihre Berechllgung. Bei hügeligem Gelände wird der Städtebauer von selbst auf die Anlage gekrümmter Straßen verwiesen, die sich dem Terrain vorteilhafter anpassen und dabei geringere Kosten der Abtragungsarbeiten ver- Ursachen. Oft wird gesagt, daß gekrümmte Straßen für den Der- kehr weniger geeignet sein sollen: als Gründe werden der durch die Krümmung bedingte ivsitere Weg und die Unübersichtlichkeit einer solcl?en Straße angeführt. Diese Einwände sind vollständig belanglos, im Gegenteil ist auf einer gekrümmten Straße die Einschätzung der

Entfenmng eines hemnjausenden Kraftsahrzeuges viel besser mög- llch als auf einer schnurgeraden. Aus Rücksichten für den Verkehr könnte deshalb sogar die gekrümmte Straße der geraden vorgezogen werden. Außerdem ist nicht abzuleugnen, daß auch das Architektur- bild, das eine solche Straß« bietet, ein viel abwechslungsreicheres und malerisches wird. Es ist trotzdem selbstverständlich, gerade Straßen möglichst anzustreben: bei Haupt- und Prunlstraßen ist dies sogar unerläßliche Bedingung. Zu lange Straßen wirken leicht langweisig und ermüdend und es ist ratsam, sie zu teilen, Krümmungen und Verfettungen anzulegen. Auch sollte auf ein gutes Abschlußbild einer Straße Bedacht genommen werden, da die einfachen Durchkreuzungen der Etroßenzüge der malerische» Wirkung entbehren. Um die Eckbaustellen vorteilhafter zu gestalten, ist es gegeben, die Straßenkreuzungen rechtwinklig anzulegen. Gerade Straßen, die genau von Norden nach Süden laufen, sind möglichst zu vermeiden, weil sie im Sommer bedeutend unter der Hitze zu leiden haben. Was eine Stadtanlage neben den wirkungs-, vollen Architekturbildern besonders wertvoll und anziehend macht, sind ihre Plätze, Parkanlagen, Rasenflächen und Promenaden. Die Blahanlagen müsse« nach ihren Bestimmungen eingerichlel, ekwa« erhöht, regelmäßig und möglichst zugfrei fein. Vor jedem öffent- llchen. viel besuchten Gebäude sollte ein entsprechend großer Platz angelegt werden, der vor allen Dingen auch zur besseren Wirkung des Gebäudes beiträgt. Die den Platz einschließenden Gebäude dürfen, um den freien Raum nicht winzig erscheinen zu lassen, nicht höher al, die Breite des Platzes fein. « Es handev sich schließlich bei all diesen Dingen um Fragen, die nur nach der Sachlage beantwortet werden können. Wir leben ein anderes Leben als unsere Votväter, sie stellten andere Ansprüche(ob höhere oder geringere, soll hier nicht entschieden werden), sie banden ihre Existenz in ganz ariderem Maße an die Scholle, an das bißchen Mauer- und Fachwerk, als wir es kennen. Und auch wir werden im Laufe der Jahre zwangsläufige zu der neuen Form unserer Siedlungen kommen, die unserem Wesen und unserer Art entspricht.

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Gerichtstag. Bon Fred D�rence. CopTrtchi 192! br Paul Zaolnar, Wici'

Ich war über diesen Schmerz, der mir unverständlich blieb, ganz bestürzt. Heute glaube ich die Ursache zu wissen: Körperlich« Uebermiidung, seelische Kämpfe, das zermürbende Elend und noch etwas anderes, was ich aber erst später verstehen konnte, hatten sie vollständig erschöpft. Auch ihre Züge begannen sich zu verändern. Sie sah nicht mehr wie eine heilige Schmerzensmutter aus, was sie früher so an- ziehend gemacht und weshalb ich sie so oerehrt hatte. Ihr ziemlich großer Mund wurde schmäler, ihre schönen Lippen, die geschaffen waren, Küsse zu empfangen, schrumpften, ihre blauen Augen entfärbten sich in«in mattes Grau. An manchen Tagen behandelte sie mich als kleines Kind, dann wieder wie einen Mann. Ich war immer ganz ver- wundert und fand sie ungerecht. Ihre Laune, die so rasch wechselte, brachte mich aus der Fassung. Ich hatte schon bemerkt, daß ich ihr nicht mehr alles sagen durfte. Schon am frühen Morgen, bevor ich zur Schule ging, beobachtete ich sie. An ihrem Gruh kannte ich gleich, wie ihre Stimmung war. Manchmal fragte ich sie ganz besorgt:Hast du schlecht ge- schlafen, Mama?' Warum sollte ich denn schlecht geschlafen haben?' Nein, nein, laß' mich in Ruhe.' Ich ging mit meiner angepfropften Schultasche fort und dachte: Zu Mittag wird schon wieder alles gut sein. Aber manchmal schwieg sie auch während des Mittag- esiens und fand nur das und jenes an mir oder Alice auszu- setzen.Alice, halt' dich gerade' oder..schling' das Essen nicht so rasch hinunter. Bei dergleichen Anlässen war ich immer ganz bestürzt, ich konnte dann keinen Bissen mehr hinunter- würgen. Was hast du denn? Jetzt trotzt du schon wieder, natür- lich, weil dein Vater nicht da ist. Mein Gott, mein Gott, wie unglücklich ist doch eine Frau, wenn sie allein in der Welt steht und ihre Kinder so erziehen muß.' Diese Borwürse trieben mir das Blut in den Kopf, dieselbe Wut. die ich bei den Ungerechtigkeiten meines Vaters empfunden hatte, schnürte mir das Herz zusammen, aber nun fühlte ich noch Bitterkeit und namenlosen Ekel. Ich starrte sie mit weit geöffneten Augen an, sicherlich las sie einen Vorwurf darin und pflegte sodann meine Erregung mit einem Wort zu besänftigen. Ein anderesmal wieder trieb sie mich bis zum Aeußerfteu,_

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Warum machst du Augen wie ein sterbender Karpfen?' Große Tropfen entfielen mir. Sie wurde zornig:Schon recht, du bist ja die ärgste Heulllese, kaum sagt man ein Wort, da fängst du schon zu weinen an; wenn du nichts anderes aus deinen Romanen herausliest� dann verbiete ich dir, fernerhin ein Buch anzurühren, du wirst ganz unerträglich ... dein Bater hat recht gehabt.' Du bist ungerecht," rief ich, alle Klugheit vergessend. Sie stand auf und gab mir eine Ohrfeige. Du elendes, undankbares Kind, dein Vater hat dich gut erkannt, na wart' nur, bis er wiederkommt.' Er wird nie mehr kommen... und ich fürchte mich auch nicht mehr vor ihm... wenn er es wagte, mich noch einmal anzurühren, würde ich fortgehen.' So, fortgehen würdest du? Und wohin, wenn man fragen darf?' Ich schrvieg. Da geriet sie von neuem in Wut und ohr- seigte mich aufs neue Ich schaute sie starr an, sie wurde immer zorniger und entfernte sich drohend. Ohne viel über das Vorgefallene zu sprechen, versöhnten wir uns bald darauf. der Frieden kehrte wieder ein, aber es blieben doch immer Spuren des Gewitters zurück. Die Mutter hatte es stets so geliebt, Ausflüge zu machen. An jedem Sonntag und Donnerstag hatte ich frei und ach, sie leider auch, da gingen wir alle vier aus der Stadt. Diese Ausflüge sind die schönsten Erinnerungen meines Lebens. In der freien Natur war meine Mutter ganz ver- ändert, sie wurde wieder jung und lachte beinahe glücklich und erzählte mir Geschichten. Sie redete mit mir von den Bewohnern des Waldes, machte mich auf ihre Besonderheiten aufmerksam und deklamierte die Fabeln von La Fontaine , die sie alle auswendig wußte. Ich hörte diesen munteren Schil- derungen des Tierlebens andächtig zu, sie entzückten mich. Dabei saßen wir im Schatten einer Tanne(die Mutter liebte diesen Baum mehr als alle anderen) oder wir schritten rüstig aus. Auch Paul und Alice hörten aufmerksam zu. Es war uns streng verboten, eine Blume abzureißen. ,L)as tut ihnen weh,' sagte die Mutter. Sie duldete auch nicht, daß man einem Tier irgendein Leid zufüge und sie war sehr erzürnt, als Alice eines Tages eine Grille, den kleinen Philosophen der La Fontaineschen Fabeln, zertrat. Manchmal gingen wir frühzeitig vom Hause fort und übergaben Alice ihrer Patin, denn ihre Beine erlaubten ihr noch nicht, lange Ausflüge zu machen. Paul wurde in fein Wägelchen gesetzt. Ich erinner« mich noch ganz genau an einige dieser Ausflüge, sie waren ja für mich der Gipfel der Seligkeit._______ i

Eines Mvrgens waren wir zwischen sieben und acht Uhr in der Richtung nach Cologny aufgebrochen. Als wir im Wald waren, wollte Paul aus seinem Wägelchen steigen und laufen. Er trippelte vor uns, feine bloße Gegenwart ließ uns die ganze Natur festlich erscheinen. Er trug einen rosa- farbenen verwaschenen Leinenkittel. Sein schönes, lockiges Haar fiel Ihm auf die Schultern, sein blasses Gesichtchen war gerötet, die großen, schwarzen Augen weit geöffnet, sie blitzten vor Freude. Er sah rund herum, nichts entging seiner Auf- merksamkeit. Als er einen Marienkäfer entdeckte, stieß er einen Freudenschrei aus und bat meine Mutter, ihm die Geschichte vom Marienkäferchen zu erzählen. Die Mutter erzählte die Geschichte so, daß er sie verstehen konnte. Das Bübchen war höchst zufrieden, lief nach links und rechts, voll Interesse für all das Neue. Gegen elf Uhr machten wir eine Rast, um unser einfaches Mahl zu verzehren. Die Mutter war hungrig, ihre blassen Wangen hatten sich gerötet, ihre blauen Augen leuchteten, sie genoß ganz selig die Schönheit der Natur. Jene seltenen Stunden brachten uns zueinander, ließen uns allen Streit vergessen, der uns so oft getrennt hatte. An jenem Sonntag waren wir ganz glücklich und ich lehrte Paul das hübsche Lied von Rambert, das bei uns die Kleinsten singen: Auf einem Glockenturme, Am Neste festgeklebt, Saß angsterfüllt ein Schwälbchen, Sein kleiner Körper bebt. ,-Nur Mut.' ruft seine Mutter, Breite die Flügel aus, Und flieg' mit raschen Schlägen Weit in die Welt hinaus." Ich hatte ihm schon die ersten zwei Strophen beigebracht. die er sehr hübsch sang. Die Mutter vereinte ihre Stimme mit der unsrigen; zuerst zitterte sie ein wenig, dann wurde sie sicherer und mit schöner Altstimme sang sie die letzte Strophe: Mit ihm flog seine Mutter .Und sang aus voller Brust Das frohe Schwalbenliedchen Zu Gottes Preis mit Lust. Mit einer impulsiven Bewegung fiel ich ihr um den Hals, küßte sie wahnsinnig ab und war ganz begeistert:Mama, wie schön bist du, wie schön bist du, sing' noch etwas." Lachend machte sie sich los. Jacques, du bist ja närrisch, laß' mich in Ruh." (Fortsetzung folgt.), j