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Freitag

18. Februar 1927

Unterhaltung und Wissen

Sterbende Erde.

Klinge, tlinge, Reim, Micht schüttelt Todesfeim. Wer nirgends seine Heimat hat, Der hat nur schlechte Lagerstatt, Und findet nimmer heim.

Sing's und sag's der Nacht: Wir haben's weit gebracht.

Der Mantel flafft, der Stiefel schreit, Wir gingen viel zu lang und weit,

Und feine Türe lacht.

Menschenherz im Schnee,

Berzucke und vergeh'.

Der Weg verweht, die Welt verweht, Und wenn fein Stern dort oben steht, Dann gab es auch fein Meh

Du Bers in Todespein, Und wolltest Leben sein.

Die Welt und du sind weicher Fall, In Fernen meint ein Glockenschall. Dort schläft wohl Erde ein.

Franz Rothenfelder.

Nur ein Dienstmädchen..."

Bon May Dortu.

Zum

Nachts. Es geht auf zwei Uhr. Schläft die Stadt? Teil. Die Hochöfen schlafen nicht, sie flammen wirbelnd auf zum Dunklen Himmel! Güferzüge rollen. Im Stahlwert praffelt Eisen auf Eisen. Und in den Walzwerten zischt das rote Metall unterm Drud der hydraulischen Pressen.

Nachts. Im Herrenquartier der Stadt. Billa bei Villa. Alle Willen schlafen, den fatten Schlaf der Wohlgenährten. Dort am Straßened brennt aber noch helles Licht. Das ist die Weindiele, ein Lurusheim, die Aufschrift: Giselas Weinstuben".

In Giselas Weinstuben" geht es noch recht lebhaft zu. Frau Gisela felbst geht herum, nachts um zweie, fie trägt hierhin und dorthin die gläsernen Rebstöce, in denen die goldene Traube des Rheins blüht: Funkelnder Aßmannshäuser!

Der Stammtisch. Ein Strauß Neffen mitten auf dem Tisch, Nelken rot und Nelken weiß, Nelfen von der Riviera. Und neben den Neffen ein seidenes Fähnchen an goldener Stange: schwarzweiß­rot! Und um den Stammtisch herum acht Herren, viere davon sehr fett: Großindustrielle; und die anderen vier Herren sehr mager, Raffe, Kriegsoffiziere a. D. Lebend vom Gelde der Republik , beute ist der 4. des Monats, geftern gab's Geld. Frau Gisela, bitte, laffen Se den Herren Offizieren nochmal die grünen gläsernen Rebstöde blühen, daß man anstoße auf die Majestät in Doorn!

Biel Rauch im Saal. Das Licht mit gelber Seide verhängt. Ein dumpfes Stimmengerausche, gedämpftes Sprechen, wie es sich für Angehörige der besseren Stände gehört. Frau Gisela, bitte, dahinten bei den Herren Studenten find Gläser leer. Schon ift Gisela da, mit einem Scharmanten Lächeln bedient sie die schmissigen Jünglinge. Einer füßt der Gisela die weiße Hand, direkt auf die Rose des Ringes, eine Rofe aus funkelnden Brillanten. Frau Giselas Brüste erröten, sie ist erst achtundzwanzig, ihr Gatte foff fich zu Tode.

Immer der Stammtisch. Die Herren haben blaue Köpfe, die Glazen sind wie Monde über blauem Wasser. Die Herren haben goldene Zähne. Die Industriellen haben dide rote Meggerhände. Die Offiziere haben raffige Ariftofratenhände, unter den Nägeln blutfleckig: Berdun, Arras , Chemin des Dames!

Am Stammtisch ward es geil. Frau Gisela hört nicht mehr hin. Am Stammtisch redet man von Weibern ". Weiber in Flan dern, Mädchen in Polen , Kototten in Butarest, Tanzmädchen vom Zirkus

und fol Man weiß ja.

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Und wie benn? Der Junge hatte fest zugegriffen, Klara ging von ihm schwanger war nicht schlimm. Ich hätte bezahlt. Sie aber verlangte die Ehe. Das ging nicht. Es hätte Standal gegeben. Denken Sie: Ein Büttwig mit einer Bauerndirne! Unmöglich. Aber schön war sie doch. Und stolz. Sie verstehen, pöbelstolz, fie streďte bie Hände nach Adelsblut. Aber wir müssen die Führung rein halten, das find wir dem Baterlande schuldig. Ist so schon genug Böbelschaft am Regieren. Frau Gisela, bitte, der Rebstoc mill nochmals blühen. Brost Runde! Der Kuckud schlägt dreie.

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Hier kommt der Schupomann. Er steht stramm: Die Herren verzeihen, Feierabend!" Disziplin muß sein, wir gehen.

Das Lotal leert fich. Frau Gisela geht schlafen, fie wird träumen Dom Händefuß, sie ist erst achtundzwanzig.

Alle Herren schlafen jezt. Früh um viere. Die ersten Fern züge donnern über die Bahnstrecke. Die Hochöfen flammen! Die Walzwerfe prefsen die glühenden Stahlblöde platt, Funken sprühen. Arbeitende Menschen wischen sich den Schweiß von den roten Stirnen. Im Dome läutet ein erstes Glöcklein. Am Friedhofe blänfert ein Marmorstein, drauf steht golden: ,, Klara!" Herr Oberst von Büttwih ließ sich nicht lumpen. Er hat den Stein be­zahlt. Klara war schön. Schade! daß sie nur ein Dienstmädchen mar. Ja! ja! ja!

Offenes Antwortschreiben

Beilage des Vorwärts

Bir Jungens' wurden also täglich friegsfanatisiert und suchten die fünftlich uns aufgepropfte Begeisterung in irgendeiner Art von uns zu geben.

Zuerst stürzten wir uns auf die Bleisoldaten, die wir in den entzückt von ihnen, daß wir es für eine patriotische Tat hielten, Schaufenstern jeden Tag bewunderten. Wir Schulbuben waren so Mutter beim Einholen zu bemogeln und das requirierte" Geld in Bleifoldaten anzulegen.

Unfer engeres Trio hatte sein Arsenal, zu dem außer Infan­terie, Artillerie und Kavallerie eine richtig schießende Kanone fam, allerdings nur mit Federkraft und man bloß mit Erbsen, wie ich enttäuscht feststellte.

Das Arsenal war auf dem Hausflur Nummer 8 unter dem Haufloß angelegt. Wir besuchten uns abends abwechselnd und immer der andere brachte die Armee mit Zubehör, damit Mutter nicht neugierig wurde, wo ihr Junge den Krimsframs her hatte.

Auf Mutters Tisch wurden nun Schlachten çelenkt und geschlagen bis Vater tam und der Tisch zur Abfütterung gebraucht wurde.

Doch bald war uns die Geschichte über. Als daher eines Abends wir den Hauflog kippten und sahen, daß unser ganzes Lager ab­transportiert" war, waren wir gar nicht so sehr betrübt, sondern nächsten Abend sollte der Feind ausfindig gemacht werden, den wir unser Trio beschloß, nunmehr richtig Krieg zu führen". Bis zum dann jämmerlich verhauen wollten.

Die Kriegspsychose der Schule wurde dadurch in die Tat um­gesetzt, daß wir uns Waffen, d. h. Degen und lange Schwerter sowie Lanzen aus Holzabschnitten einer Schneidemühle, wo wir für Mutter Feuerung holten, für den nun bevorstehenden Ernstfall annettierten. Ein neunjähriger Schulfollege war glücklicher Befizer eines prächtigen Taschenmessers und verstand die Holzschnigerkunst so

des Reichskanzlers Marx an den Landarbeiter Graffe. glänzend, daß er uns täuschend Degen, Säbel und Lanzen schmigte.

Lieber Freund!

Wenn Herr v. d. Often, der politische Freund meines hoch­

geschähten Ministerkollegen Seudell, Sie aus Ihrem Arbeitsver­hällnis entließ, weil Sie bei der Reichspräsidentenwahl für mich flimmten, so scheint mir im Bereich der Möglichkeit zu liegen, daß Herr v. d. Often in wohlverstandenem Patriotismus verständliche und verständige Rüdfichten auf die polnische Landarbeiterschaft nahm, die zu beschäftigen durchaus im Jntereffe einer Befferung der Beziehungen des Reichs zu Polen lag.

Wenn Sie infolge der Maßregelung Ihre Kuh zu veräußern fich genötigt jahen, und wenn Herr v. d. Often Ihnen fagte, Sie fönnten sich ja von mir die kuh wiedergeben laffen, so ist zu be­merken, daß Heren v. d. Often eine Disposition sowohl über die etatsmäßigen Mittel des Reichspräsidenten , als auch über meine privaten Einfünfte allerdings nicht zustand, womit der Fall gegen­standslos geworden sein dürfte.

Ihr Ersuchen schließlich, ich möchte dafür Sorge tragen, daß die politischen Freunde meines hochgeschätzten Kollegen Keudell fich in der deutschen Republik wie anständige Menschen betragen, ist ein Berlangen, dem zu entsprechen in Anschauung der von mir ge­leiteten Polifit des kabinetts nicht in der Lage zu sein mit republikanischem Gruß lebhaft bedauert

3hr Wilhelm Marg.

Da räuspert fich Herr Oberst von Büttwig, ein tiefes klaffisches Die Schlacht am Grauen Kloster.

Räufpern, vor dem in der Etappe die Ordonnanzen zitterten. Herr Oberst hat was Besonderes auf dem Herzen, fein Herz fnurrt schon: Aehähä! Herr Oberst hat das schnarrende Wort.

So: Bon ,, Weibern ", ja! ja! ja! Aber von einem besonderen Beibe will ich erzählen. Von der Klara. Von dem Dienstmädchen. Sie haben wohl in der Zeitung deren Tod gelesen, nichts Besonderes, ein Fall wie er täglich tausendfach vorkommt, ein Mädchen liebt, ein Jüngling von Stand versagt sich, das Mädchen geht ins Wasser. Ja! ja! ja! Klara hieß sie. Sie war vom Lande. Treues Bauernblut. Nicht blond nicht rot. Goldig war das Haar! Die Augen opalen, wie Mondscheinglang an Wolfenfüften ja! ja! ja! Frau Gisela, bitte, laffen Sie dem Herrn Oberst den Rebstock nochmal golbig blühen. Prost!

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Also Klara. Wie sie war? Schlank wie eine Birte. Sie war bei uns schon ein halbes Jahr in Dienst. Sie war ein schönes Mädchen, ich hatte ähnliche in Flandern stehen gesehen! gesehen! gefehen! Jawohl!

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hm! die Herren ver­

Also Klara ist schön. Klara tocht, pußt, schlägt Zeppiche und geht Sonntags aus. Klara war schön. Ich ward rot, wenn ich sie fah. Meine Frau ward ärgerlich, wenn ich rot ward. Sie ver stehen. Ja! ja! ja!

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Nun, man ift Offizier, man kann sich die Triebe vertneifen, man hat Disziplin aber Klara blieb Klaro. Ein Birtenbaum in meinem Hause, mit golbenem Haar, dahinter die opalenen Wolfen der Mondscheinnacht. Ich träumte von Mara. Sie verstehen, man ift raffig, troß seiner sechzig.

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Da fam Edgar ins Haus, mein Aeltefter, von der Universität, von den Bonner Borussen hm! Sie folgen? Ein flotter Bursch, den Geschmad des Vaters Klara fieht ihn, sie verliebt sich in ihn und der Bursch greift zu. Schade, daß Klara ein Dienst mädchen war, nur ein Dienstmädchen, wirklich schabe! Jegt ist fie tot.

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Tot? Sie werden schwarz, meine Herren. Sie trauern? Ge­wiß, es war schrecklich. Man fand Klara im See, schon ein bißchen verwest, die Ratten hatten das einst liebliche Gesicht angefressen. Edgar wollte fich erschießen, ich fchickte ihn nach Spanien , daß fich fein Blut austobe, Malaga , Granada und so. Ja! ja! ja! Roftet ' ne Stange Gelb,

Von Adolph Hoffmann .

Gern gehe ich durch die Klosterstraße am Grauen Kloster vor. über.

Es geschieht sehr oft, denn ich liebe fie, meine Singuhr", ja wohl, meine Singuhr". Erstens bin ich von meinem vierten Monat an bis zum neunten Jahre in der Sieberstraße, damals hieß sie noch Gaffe, berzogen worden.

Außer den Straßenschildern ist auch darin nichts verändert. Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ist das Haus Nummer 8 neugebaut, später Nummer 16. Sonst ist alles übrige unverändert geblieben.

Nur eine Beränderung am Grauen Kloster erweckt jedesmal mein Mißfallen, und zeigt mir immer von neuem die Ungerechtig teiten unserer Zeit.

Am Grauen Kloster hat man 1895 eine Tafel angebracht, die verkündet, daß Otto von Bismard 1830-1832 dort die Schulbänke gebrückt hat. Das mag ja wichtig für die Nachwelt sein, aber ist es denn etwa weniger wichtig, daß ich dort am Grauen Kloster gegen bie Schüler desselben die erste Schlacht tommandiert und gewonnen habe?

Warum verkündet das nicht eine Gedenttafel? Ich fann nur annehmen, daß diese Begebenheit dem hohen Magistrat bisher nicht betannt war und deshalb will ich sie jetzt erzählen.

Alfa! Ich war erst acht Jahre alt. Der Krieg 1866 war be­endet. Wilhelm der Siegreiche" war an der Spitze seiner Truppen in Berlin eingezogen, b. h. eigentlich war er gar nicht der Gleger, denn unser Lehrer, Herr Kreidebrind, aus der Gemeindeschule in der Klosterstraße gegenüber meiner Singuhr" wo jeßt das hatte uns stolz mehr benn einmal erzählt, daß Stabthaus steht die Sieger von Königgräß die Bolksschullehrer seien.

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Wir Achtjährigen konnten uns das nicht so recht vorstellen, denn wir bewunderten damals, wenn auch mit heiligem Grauen, an den Lehrern nur das Talent, den Rohrstod zu schwingen. Und daß ba vor der Feind Angst haben sollte, tonnten wir nicht recht begreifen.

Aber darauf fam es nicht an. Die Hauptsache war für uns Jungens, daß der Lehrer von Schlachten und Heldentaten so anschau lich erzählen konnte, vielleicht gerade so wunderbar, weil seine Schil. derungen von keiner Sachkenntnis getrübt waren.

Es verging fast nicht eine Stunde des Unterrichts, die nicht auch mit Kriegsgeschichten brapiert wurde. Da mußte natürlich auch der 64er Strieg noch herhalten. Besonders schilderie Kreidebrint uns immer wieder die Erstürmung von Düppel.

Unstreicher Groschens Friz aus der Waisenstraße verschaffte Silber­bronze und Pinsel, und so funfelten und blizten unsere Waffen im Sonnenschein wie bei Lüzoms wilder verwegener Jagd".

Ein Winkel im Vorraum eines Engros- Lederlagerfellers in der Klosterstraße wurde unser Zeughaus". Aber der Feind war immer noch zu suchen.

Am Montag mittag mer er gefunden. Ein Mitschüler unserer Klasse jaß mittags gegenüber dem Grauen Kloster auf der Treppe zur Mecklenburgschen Buchhandlung und hatte an einem dünnen schwarzen Seidenfaden ein Portemonnaie, das auf dem Bürger­steig lag.

Als ein Schüler des Grauen Klosters mit seiner bunten Müze daherftolziert kami, sich danach bückte, 30g unser Koller das Ding weg und riß aus. Der Graue Klosterbruder stutte einen Moment, wurde firschrot, sette dem Ausreißer nach, und da er längere Beine hatte als dieser, holte er ihn in der Siebergasse ein und gab ihm eine so schallende Ohrfeige, daß wir, die wir uns in respektvoller Entfernung hielten, sie fnallen hörten.

Das war die Kriegserklärung. Die Siebergasse machte mobil zu einem ernsthaften Feldzug gegen das Graue Kloster.

Elf Jungens wurden noch am selben Abend angeworben. Ich selbst ging zu meinem Freund Grosche in der Waisençasse, um ihn zu ersuchen, die Baisen- und Parochialgasse ebenfalls zu mobilisieren. Meine beiden anderen Schulkollegen bemühten sich, im Jüdenhof und in der Reezengaffe Truppenanwerbungen vorzunehmen. Am Mitt­woch mittag, 1 Uhr, stand die ganze Heeresmacht" in allen Haus­fluren in gedeckter Stellung".

Das erste Armeekorps" hatte die Siebergasse und die benach­barten Häuser der Klosterstraße als Feldlager bezogen. Natürlich führte ich dieses als Feldmarschall". Das zweite Armeekorps, das die Seite neben dem Grauen Kloster befeht hielt, führte" General " Grosche.

Unsere Waffenvorräte waren schleunigst durch Requirierung bei Muttern ergänzt.

Meine Singuhr" spielte ihren Choral, und als er zu Ende wat, öffneten sich die Pforten des Grauen Klosters, die Schüler mit ihren bunten Müzen stolzierten gravitätisch und vornehm, ganz wie es fich für Böglinge einer höheren Lehranstalt und Söhne der besser ange­zogenen Gesellschaft, vielleicht zufünftige Bismards, schickt. Wir aber lagen auf der Lauer,

Mein Freund Grosche, der" General ", und ich, der Feld­marschall", hatten uns je eine Trillerpfeife gekauft.

Der durch die Ohrfeige so empfindlich Beleidigte war als Adju­tant" dem General des zweiten Armeekorps beigegeben. Denn da er sehr persönlich mit dem Attentäter in Berührung gefommen war, fannte er ihn am besten. Ich hatte ihn, wenn auch nicht als leiden­der Teil, ebenfalls von Angesicht zu Angesicht gesehen. Er konnte

uns also nicht entwischen.

Sein Erscheinen sollte von dem" General " oder Feldmarschall", je nachdem, mer ihn zuerst entdeckte, mittels Trillerpfeifensignal an­gekündigt werden. Unsere Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Truppen wurden bei der Kampfbegier, die sie beseelte, ungeduldig. Ich ließ durch reitende Staffetten ja, wir hatten auch Kavallerie ( vier Mann hatten nämlich ihre alten Steckenpferde mitgebracht) den in den Hausfluren aufgestellten Truppen den Befehl über­bringen, Ruhe zu halten, bis zum Angriffssignal.

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Auf einmal, fast gleichzeitig, gaben Feldmarschall" und Gene ral" das Angriffsfignal. Die Pfeifen schrillten so energisch durch die Luft, daß an der Droschtenhaltestelle Königstraße sämtliche Droschfenfutscher auf den Böcken aus dem Schlaf auffuhren, weil fie glaubten, der Portier von Nig" Hotel hätte gleich zwei Bahnhofs­touren.

Im nächsten Augenblick hatte sich die Klosterstraße in ein Kampffeld verwandelt. Mit einem wüsten Indianergeheul stürzten fich beide Armeekorps unter der glorreichen Führung ihres Feld­marschalls und Generals auf den buntbemühten Feind.

Getreu den Erzählungen des Lehrers Kreidebrint mußten die glorreichen Führer Feldmarschall" und" General ", um ihr mert­volles Leben zu schonen und ihre Feldherrntalente dem Heere zu be­wahren, hinter der Front bleiben.

Der Feind war im ersten Augenblick verdußt, fonnte sich auch nicht recht wegen der unter dem Arm getragenen Lehrbücher wehren und hielt dieselben als Schuß Lor Kopf und Gesicht, um dann nach der Königstraße zu auszureißen.

Aber nicht umsonst hatte unser Lehrer Kreidebrint uns am Bor­mittag wieder die Ersturmung von Düppel und die Schlacht bei Königerät geschildert und ausführlich erklärt, daß die Hauptsache aller Strategie nach gewonnener Schlacht die Verfolgung des Feindes fei, um zu verhindern, daß er sich wieder sammele und Atem schöpfe. Aber ich glaube, er hatte auch feine Neigung dazu. Er war per­schwunden. Mappen, Bücher, Mützen, ja, selbst einige Brillen be­deckten bas Schlachtfeld.

Die Droshkentutscher waren, als die Schlacht sich nach der Königstraße herumzog, teilweise vom Bod gestiegen, um die Chose mit den Augen verfolgen zu fönnen. Und da sie uns Bantinen­gymnasiasten durch Zurufe anfeuerten, hatte ich den Mut gefaßt, mir den vordersten Droschtenbock als Feldherrnhügel auszuersehen. Es muß ein sehr imposantes Bild gewesen sein, wie ich im Ruffen­fittel mit einem langen Holzabschnitt in der Luft herumfuchtelte und meine Kommandos brüllte, an die fich natürlich feiner meiner Unter­gebenen fehrte.

Inzwischen war der letzte Rest der Grauen Klosterianer direkt vor Gumperts Konditorei von beiden Armeekorps vollständig um­zingelt. Da tamen mir Lehrer Kreidebrinks schöne Schilderungen von stolzen Gefangenentransporten in den Sinn und brachten mich

auf die Idee, ben Sieg mit einem Umzug durch die Sieber, Baro­chial- und Reegengaffe abzuschließen, bei dem wir unsere Gefangenen im Triumph mitführten. ( Schluß folgt.)