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Nr. 88 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 45

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutfchlands

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Dienstag, den 22. Februar 1927

Gewerkschaftserfolg in Sachsen .

Das Verhandlungsergebnis.

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Achtstundentag in Leipzig . Vereinbarung vorbehaltlich der Zustimmung der Parteien.

5. Magreglungen dürfen beiderseits night ftatt finden. Die Arbeitsaufnahme hat unverzüglich zu erfolgen, spätestens aber Montag, den 28. Februar 1927. Die Er­flärungsfrist der Parteien unter sich ist Donnerstag, der 24. Fe­bruar 1927.

J. St. Dresden, 21. Februar.( Eig. Drahiber.) Die Verhand| Kraft und ist mit dreimonatiger Frift bis zum Quartals­lungen in der fächsischen Metallindustrie, die am Montag in Dresden schluß, erstmalig bis zum 31. März 1928, kündbar. im Arbeitsministerium stattfanden, schienen mehr als einmal zum Bruch zu führen. Nach zehn stündigen Berhandlungen ist es schließlich gelungen, eine Vereinbarung zu treffen, die praktisch für die Leipziger Metallarbeiter, die jetzt allein im Tarif tonflikt stehen, die Wiederherstellung des Achtstunden tages bedeutet. Bei den bevorstehenden Berhandlungen in der sächsischen und in der mitteldeutschen Metallindustrie, wo die Tarife zum 31. März ablaufen, wird die jetzt im sächsischen Arbeits­ministerium zwischen den Parteien direkt getroffene Vereinbarung automatisch zur Durchführung tommen. Die Bereinbarung hat im wesentlichen folgenden Wortlaut:

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Zur Erläuterung dieser Vereinbarung ist zu bemerken, daß die Arbeitszeit bisher gleichfalls 48 Stunden war, jedoch fonnte der Unternehmer die Arbeitszeit bis zu 52 Stunden nach seinem Be­lieben ausdehnen. Da außer dieser Vereinbarung für Leipzig cine Bereinbarung besteht und weiter in Kraft bleibt dies ist ausdrücklich erklärt worden, daß ueberarbeit nur ge 1. Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich aller leistet werden darf, soweit fein Blak frei ist, soweit Pausen beträgt 48 Stunden in der Woche. technisch Neueinstellungen nicht möglich sind, so bedeutet die Ver­einbarung, daß Ueberstunden nur geleistet merden dürfen, wenn Neueinstellungen nicht möglich sind und wirtschaftliche Notwendigkeit für den Betrieb nachgewiefen ift. So wenn die unbedingte mit ist der Achtstundentag praftisch errungen. Boraussetzung dafür ist allerdings, daß die Arbeiterschaft darauf hält, daß der Achtstundentag auch wirklich nicht überschritten wird, wenn die wirtschaftliche Notwendigkeit dafür nicht unbedingt vorliegt. Diese Bereinbarung bedeutet nicht nur einen großen Erfolg für die Leipziger Metallarbeiter und den Deutschen Metallarbeiterverband , fondern einen großen Erfolg für die Gewerkschaftsbewegung über haupt. Es ist gelungen, zu verhindern, daß ein Schiedsspruch gefällt wird, der den Arbeitern eine im Belieben des Unternehmers stehende ueberarbeit auferlegt, ein Schiedsspruch, der dann für verbindlich erflärt wird, ohne daß die Arbeiterschaft dagegen anfämpfen fann.

2. Ubweichend von dieser Regelung fann die Arbeitszeit, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse es unbedingt erfordern, für einzelne Arbeitergruppen, Abteilungen oder für den ganzen Betrieb von der Betriebsleitung im Benehmen mit der gefehlichen Be­triebsvertretung bis zu 51 Stunden in der Woche ve längert werden. Diese Ueberarbelt wird durch einen Zuschlag von 10 Prozent bezahlt.

3. Mehrarbeit aber die 51. Stunde hinaus ist mit der gefeglichen Betriebspertretung zu vereinbaren. Ueber­flunden find diejenigen Arbeitsstunden, die der einzelne Arbeitnehmer ch einem Tage über die betrieblich festgelegte Arbeitszeit hinaus tat­fächlich leistet. Diefe Ueberstunden werden die erste mit 25 pro­3'ent, alle noch darüber hinausgehenden, auch nacht, Sonn- und Feiertag mit 50 Prozent 3ujhlag bezahlt. Ale Ueber­ Stunden unter Ziffer 2 und 3 find auf die vereinbarten Stundenlöhne zu zahlen.

4. Diese Regelung triff nach Wiederaufnahme der Arbeit in

Drei Jahre Reichsbanner.

Ein Siegesmarsch.

=

Heute vor drei Jahren wurde das Reichsbanner Schwarz­Rot- Gold gegründet. Die Geschichte tennt faum ein zweites Beispiel dafür, daß sich aus kleinen Anfängen in fo furzer Zeit eine so ungeheure Organisation entwidelte. Die Re publit, die bis dahin nur als Begriff exiftierte, gewann durch fie Gestalt, Stimme, Farbe, Bewegung. Das Hohn­wort von der Republik ohne Republikaner " erstarb den Gegnern auf den Lippen.

Es war ein Siegesmarsch ohnegleichen. Ja, vom Stand­punkt des Reichsbanners aus fönnte man beinahe sagen, das Reichsbanner habe zuviel gefiegt. Ohne seine Arbeit, die bald jeden Gedanken an Wiederherstellung der Monarchie als Abermiz erscheinen ließ, hätten die Deutschnatio­nalen gewiß nicht ihre äußerliche Kapitulation vor dem republikanischen Gedanken vollzogen, ohne diese Kapitulation hätte aber auch das Zentrum nicht seinen Bund mit jenen neuen ,, Republikanern" schließen können, an deren an deren republikanische Gesinnung niemand glaubt.

So erscheint die Lage des Reichsbanners heute etwas schwierig, weil manche meinen, feine Mission sei eigentlich fchon erfüllt und weil die Berbindung einzelner oft genannter Mitglieder mit schlecht verkappten Monarchisten Argwohn und Unruhe schafft. Trozdem wird man es verstehen, wenn das Reichsbanner über augenblickliche Parteifonstellationen hin meg seine überparteilich republikanische Stellung be= haupten will. Je höher man die Gefahren des augenblid­lichen Regierungszustandes im Reiche einschäßt, desto not­wendiger erscheint es, daß das Reichsbanner feine bisherige erfolgreiche Arbeit nach derselben Methode und in demselben Tempo fortsetzt.

W

Schreckensherrschaft in Echanghai.

Vom nordchinesischen General ausgeübt. London , 21. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Außenminister Chamberlain erklärte am Montag im Montag im Unterhaus, daß in Shanghai nur geringfügige Unordnungen durch die Streifenden hervorgerufen worden seien. Es tann nach den hier vorliegenden Nachrichten tein Zweifel darüber bestehen, daß der chinesische Polizeipräsident von Schanghai , Wu- Bo- Ticheng, ein Untergeneral des Matschalls Sun, in den beiden lehten Tagen in der Stadt ein wahres Shredensregiment geführt hat. Eine große Zahl von Personen, denen nichts anderes als Streif­poftenftehen und die Berteilung von Flugzetteln zur Caft gelegt merden fonnte, wurde von den Militärfommandos verhaftet und

Die Vereinbarung ist nach einem zwar furzen Kampf mobei bemerkt werden muß, daß in Leipzig die Arbeiter schon drei ochen streifen aber immerhin nach einem scharfen Kampf durchgesetzt worden.

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Der Setzer als Zensor.

Inquisition des Reichsgerichts.

Bon Robert Breuer .

Das Reichsgericht hat den Berfäufer einer Buchhandlung wegen Hochverrats verurteilt, meil er Bücher vertrieb, bie zwar weder beschlagnahmt, noch verboten waren, deren In­halt aber nach Auffassung des Gerichts geeignet sein soll, zu Gewalttaten gegen den bestehenden Staat aufzufordern. Das Reichsgericht hat in einem anderen Fall die Befizer, den Profuristen, die Maschinensezer und den Boten wegen Hochverrats verurteilt, weil in ihrer Buchdruckerei Bücher hergestellt worden sind, die der gleichen Wirkung der Vorbereitung eines politischen Umstoßes bezichtigt werden.

In den Urteilsbegründungen heißt es, daß der Laden­verkäufer aus dem Inhalt der Bücher ihre Gefährlichkeit hätte feststellen, und daß er sie darum als ungeeignet hätte zurüd­weisen müssen. Auch die Buchdruckereibefizer, die Setzer und der Bote wären verpflichtet gewesen, den Inhalt der Manuskripte zu prüfen und wegen dessen hochver­räterischen Tendenz die Arbeit zu verweigern.

Wir sind an mancherlei Urteile der politischen Recht­Hochoerratsprozessen gegen Buchhandlungsgehilfen und Szer sprechung gewöhnt; aber das, was das Reichsgericht in diesen vollbracht hat, muß man dreimal und zehnmal lesen, um nicht an eine Mystifikation durch erfindungsreiche Berichterstatter zu glauben. Auf welchem Weltkörper leben eigentlich diese Richter? Was wissen sie von der Wirklichkeit? Ueberlegen sie auch nur für einen Augenblid die Voraussetzungen und die Folgen ihrer, in die Freiheit der Wirtschaft, in das Recht der Verfassung, in die öffentliche Moral verlegend eingreifen­den Gewaltsprüche?

Der Sachverständige für den Buchhandel hat den Leipziger Richtern tiarzumachen versucht, daß von einem Sortimentsan­gestellten unmöglich verlangt werden fönne, die Bücher, die er zum Verkauf bringt, zu lesen. Jeder vernünftige Mensch muß sich fagen, daß weder vom Besizer, noch vom Profu­riften, noch vom Maschinensezer, noch vom Boten der Druckerei solche Brüfung verlangt werden kann. Es gehört auch nicht viel Erfahrung dazu, um zu wissen, daß in den meisten Fällen alle diese Personen gar nicht befähigt wären, solche Prüfung vorzunehmen. Hat das Reichsgericht nicht. empfunden, daß es von den Angeklagten unmög ihm geforderten Prüfung durch Ladenverkäufer und Sezer eine Verwirrung fondergleichen anrichten würde, ja letzten Endes die Herstellung von Druckschriften unmöglich machen

D

flandrechtlich ohne jedes gerichtliche Verfahren enthauptet. Taufende haben sich in das Gebiet der internationalen on- liches verlangt, und daß die Durchführung der von 3effionen geflüchtet, wo fie, fofern sie mit der Führung des Streits verquidt find, von den ausländischen Freiwilligen verhaftet wurden. Der chinesische Polizeipräsident von Schanghai fordert ihre Aus­lieferung. Troß diefes Terrors und der teilweisen Rüdfehr von Arbeitern zur Arbeit hat sich am Montag die Anzahl der Streitenden gegenüber Sonnabend verdreifacht.

Um Montag ist in Shanghai ein weiteres britisches Bataillon des Suffolf- Regiments von Honkong und eine Batterie leichte in­

difche Artillerie eingetroffen.

Britisch- chinesischer Hankauvertrag.

London , 21. Februar.( Amil. Britischer Funkdienst.) Das in Santau unterzeichnete Abkommen zwischen O'Malley und Tschen behandelt die künftige Rechtslage der britischen Kon geffion in Hantau. Ueber den Inhalt verlautet, daß bis zum 15. März die Polizeigewalt und die Leitung der öffentlichen Arbeiten in der Konzession in den Händen der chinesischen Behörden bleiben sollen. Am 15. März soll auf der allgemeinen Jahresver­bleiben sollen. Am 15. März foll auf der allgemeinen Jahresver jammlung der Steuerzahler der Konzeffion die Auflösung der alten britischen Munizipalverwaltung ausgesprochen die von der Kantonregierung nach dem Borbild der Einrichtungen und die Berwaltung einer neuen Körperschaft übertragen werden, in den unter besonderer Verwaltung stehenden Bezirken gebildet

werden wird.

Ein entsprechendes Abkommen soll dieser Tage für die britische Konzession in Kinkiang abgeschlossen werden.

Unionspolitik in Nicaragua .

Durch weitere Truppenlandung fortgesetzt. Managua , 21. Februar. ( WEB.) Jn Corinto wurden 1800 amerikanische Marinesoldaten gelandet. Außerdem befinden fich 400 Mann in Leon und 350 in Chinandega . Auch sind die Eisenbahnen, Brüden und andere wichtige Punkte von amerikanischen Truppen befeht worden.

Nur eine Fortsetzung!

Corinto, 21. Februar. ( WIB.) Admiral Latimer erflärte, es sei die Aufgabe der neuen in Nicaragua gelandeten amerika nischen Truppen, die Eisenbahnverbindungen nach denjenigen Bunt. ten, an denen sich Amerikaner oder andere Ausländer befinden, auf recht zu erhalten. Im übrigen bedeute die Truppenfandung nur eine Fortfegung der amerikanischen Politit, die fich auf den Schutz von Leben ind Eigentum der Ausländer be­schränke; die Landung sei daher nicht als ein Schritt zu einer Inter­vention aufzufaffen.

müßte?

Bei der Undefinierbarkeit dessen, was nach dieser Leip­ ziger Judikatur Hochverrat iſt, riskiert jeder Sezer, der irgendeine politische Schrift herstellt, mehrjährige Festungs­ftrafe. Er muß also, um sich zu schüßen, 3 enfor des Manu­ffriptes werden. Wie soll er verfahren, wenn ihm im Betrieb der Kreuz- Zeitung " ein Artikel des Herrn Everling vor­gelegt wird, ein Artikel, der rundheraus sagt, daß die Mon­archie die eigentliche Staatsform Deutschlands fei, und daß alles geschehen müffe, dem König die Wege zu ebnen? Ist der Kampf für die Monarchie und dessen Organisation in den Augen der Leipziger Richter fein Hochverrat? Er ist, min= beftens in demselben Maße wie das Drama einer fommu­nistischen Dichterin, das von Thomas Münzer handelt, oder wie der Roman Bechers, der die Furchtbarkeit des Gift­gases im Bürgerkrieg zeichnet, Borbereitung eines Hochver­ratsunternehmens". Borbereitung auf lange Sicht. Das Hochverrat nicht mehr ein bestimmtes Unternehmen anstrebt, nämlich ist die neueste Erfindung des Reichsgerichts, daß der fondern daß er bereits in Ideen, in Gedanken, in Welt­anschauungen sich erfüllen Bann! Aber freilich nur, wenn kommunisten, nicht wenn Monarchisten solche unerhörten Ideen" haben und predigen. Diese Ein­seitigkeit überschlägt sich ins Groteske, menn selbst Ge­dichte von Goethe bei gewisser Anwendung als In­strument des Hochverrats gekennzeichnet werden.

"

Grotest ist auch der Mangel an politischem Gefühl, von dem das Reichsgericht in die Irre geführt wird. In einer der Anklageschriften heißt es, daß, wie gerichtsbekannt, die KPD . den Bürgerkrieg vorbereite und ihn als ein nahe bevorstehen­des Ereignis betrachte. Außer dem Reichsgericht dürfte in Deutschland niemand an solche Deklamation alauben, am wenigsten werden es die Kommunisten tun. All die Bücher und Büchlein, die Traftätchen und Katechismen, die das Reichsgericht für so gefährlich hält, sind erst durch solch unzu­längliches Verfahren am unzulänglichen Objekt weiteren Kreisen bekannt geworden. Einer Förderung der in dieser Literatur vertretenen Ideen hat sich das Reichsgericht viel eher schuldig gemacht, als der Ladenverkäufer, der den Thomas Münzer" oder die ,, Barrikaden an der Ruhr" neben einigen Zentnern unverfäuflicher Matulatur in seinem Lager aufbewahrte. Wenn das Reichsgericht glaubt, durch seine ge­quälte und dem gefunden Menschenverstand ebensowenig wie der politischen Moral eingehenden Urteile den Kommunismus