Nr. �»».Jahrgang Mittwoch, 23. 5ebrllar1H27
Wir hiiben stille Sehnsucht nach den Felsen, nach pittoresken Schloffen, nach steil absteigenden Schluchten und vermoosum Urgestein. Wir leben aus einer glatlen oder nur leicht gewellten Sand- fläche, die, natürlich rein wirtschaftlich genommen, ihre bedeutenden Vorzüge hat, aber unser romantisches Gefühl, unser Sinn sü? Abwechslung und Kontraste wird nur wenig befriedigt. Niemand wird behaupten wollen, daß unsere norddeutsche märkische Land- schaft nicht ebenfalls jedem Sinn für Noturschönheiten genügen kann, aber das eigentlich Großartig« des Naturwaltens erblicken wir mehr in den Gebirgen, in den Felsen die selbst harter Bestandteil der Erdkruste sind. Unser Land dagegen ist nur Aufschüttung auf dem auch irgendwo in der Tief« vorhandenen felsigen Grund, oer- rz'tterter Schrott einst vorhandenen Felsgesteines. Tie riesige Granitschale vor dem alten Museum im Berliner Lustgarten ist aus einem 1600 Zentner schweren Granitblock in den Rauenschen Bergen hergestellt, der von einem' noch größeren Felsblock ab- gespalten ist, dessen ander« Halste noch heute an Ort und Stelle liegt. Goethe, der auch ein eifriger Mineraloge und Geologe war, sah in diesem Stein Reste verwitterten Gesteins, und sie galten ihm als Beweis dafür, daß es auch im nördlichen Deutschland nicht am Urgebirge gefehlt habe. Doch inzwischen hatte man erkannt, daß die Gesteine der Berliner Gegend weder aus den südlichen Gebirgen Deutschlands , noch aus dem Untergründe stammen, sondern daß sie durchaus mit den Gedirgsarten übereinstimmten, die man weit im Norden in den Ostseeländern, wie Schweden , Norwegen und Finn- land, antrifft. Im Jahre 187? war der schwedische Geologe Torell nach Rüdersdorf gekommen und fand dort auf den frisch abgedeckten Kalkschichten die Schrammen, die ihm aus seiner nordischen Heimat so wohl bekannt waren. Dort wußte man längst, daß Eismaiien, die riesenhaft angewachsenen Gletscher der skandinavischen Hoch- gebirge, über das Land hinweggezogen waren, das feste Gestein gerundet, geschliffen und mit Schrammen bedeckt hatten. Auf Grund der übereinstimmenden Schramnnmg des Muschelkalkes mit der vom Gestein von Rüdersdorf schien die Herkunft erklärt. Märkisches 5Llsgestein. Es gibt unter den fand- und tonreichen Eiszeitablagerungen der Mark Stellen, an denen ält�es, festes Gestein an die Oberfläche tritt. Diese Stellen liefern Urkunden über Zeiten, die hundertmal weiter zurückliegen als die. in denen unser Sand und unser Lehm entstand. Im neuesten..Brandenburgischen Jahrbuch" gibt Professor Dr. Friedrich Solger interessante Aufschlüsse darüber. Ea sind nur wenige Punkte, die uns innerhalb unserer Hcimatprooinz Aufschlüsse in
igentlichen Gesteinen liefern. Es handelt sich im welentlich«« mir m drei Stellen: den koschenberg bei Senslenberg, den Gips von Sperenberg und die Rüdersdorser Kaltbrüche. Bei der Kreide von Schmölln in der Uckermark wird es bestritten, daß sie wirklich an- tehender Fels ist. Dielleicht liegt nur eine große Scholle vor, die as Eis an anderer, wenn auch nicht allzu entfernter Stelle los- gerissen und eine Strecke weit verfrachtet hat. Am Koschenberg wird heute ein Steinbruch auf Grauwacke betrieben, deren Schicksten von Quarzgängen in NNO.-Richtung durchsetzt sind. Dieser Kluft- richtung folgt auch ein Gang von Diabas(Eruptivgestein von grün- licher Farbe), ein Zeichen, daß die gebirgsbildenden Kräfte, die die Grauwacke. wahrscheinlich zur Zeit der Steinkohlenbilduna, zer- trllmmerten, dabei dem Schmelzfluß der Tiefe einen Weg össneten, auf deni er in das Gestein eindringen und zu Diabasgestein , einem nahen Verwandten des Basaltes, erstarren konnte. An diesen Grau- wackenbruch schließt sich nordöstlich ein nicht mehr in Betrieb befindlicher Granilbruch, dessen voden jetzl von einem See eingenommen wird. Auch der Granit ist erstarrter Schmelzfluß aus der glühenden Tiefe, der einst, und zwar vor dem Diabas, in eine nordwestlich gerichtete Kluft der Grauwacke eindrang, und die Hitze des Granites reichte hin, um die Grauwacke in seiner Nachbarschaft so weit an-
Tonschichtenbildungen.
zuschmelzen, daß sie heute härter und dunkler aussieht als die un- veränderte Grauwacke und die Schichtung nicht mehr erkennen läßt. Entstehungsgeschichte. Es ist ein sehr kleiner Ausschnitt aus einer sehr bewegten Zeit der Erdgeschichte. Im Ansang der Steinkohlenperiod«— so nimmt man an— lagerte sich der Sand ab, aus dessen Verhärtung die Grauwacke hervorgegangen ist. Wir finden sie in ganz ähnlicher Ausbildung wieder in den sächsischen Steinkohlenrevieren, wo sie die Unterlagen der kohleführenden Schichtengruppe bildet. Auch beiin Koschenberg mag einmal Steinkohle über der Grauwacke gelegen haben: aber die gebirgsbildenden Bewegungen, die folgten und den Granit und wahrscheinlich auch den Diabas eindringen ließen, stauten diese Schichten zu Hohen Gebirgen auf, den sogenannten„varislischcn Alpen", an deren Abtragung die oerwitternden Kräfte im Bunde mit Regen und Wind bald so kräftig arbeiteten, daß schon zur Zechstein - zeit die Gebirge eingeebnet und damit an dieser Stelle die etwa vor- handenen Kohlenschicksten zerstört waren. Wenn heute der Koschcn- herg als erster Vorposten des Lausitzer Gebirges seine Umgebung um ungefähr 70 Meter überragt, dann dürfen wir das nicht als ein Ueberbleibsel jener„varistischen Alpen" der Steinkohlenzeit ansehen, sondern es ist die Folge jüngerer Erdbewegungen, die in der Hauptsache der jüngeren Tertiärzeit zuzuschreiben sein dürften. Sie haben die damals eingeebnete„Rumpfiläche" wieder emporgehoben und damit der nagenden Kraft von Wasser und Wind wieder ausgesetzt, bis endlich das Eis der Eiszeit darüber wegging und den Fuß der Anhöhe in sein« Ablagerungen einhüllte während es von der Kuppe die mürben Stücke fortriß und über die Umgebung verstreute. Weiter im Norden hat die Rumpffläche, die nach Abtragung der varistischen Alpen die Oberfläche bildete, bald eine Senkung erfahren, das Meer der Zechsteinzett überflutete sie und lagerte seine Kalke auf ihr ob, dann trocknete es aus und lieferte die für uns so wichtigen Salz- lager, insbesondere die zur Ablagerung gekommenen Kalisalze. Der Boden des ausgetrockneten Meeres bildete nun eine Wüste. Die Wüstenwinde und gelegentlicher Regen wehten und schwemmten darüber den Wüstensand, der vielleicht aus der Verwitterung der letzten Reste der varistischen Alpen hervorgegangen war. Wir be- zeichnen diese Schicht heute als den Buntsandstein. Eine neue Sen- kung ließ ihn von neuem vom Meere überfluten. Aus diesem lagerte sich der kalk ab, den die Rüdersdorfer Brüche ansschließen, während der Gips von Sperenberg mit jenen eben erwähnten Salzbildungen zusammenhängt. Von besonderer Bedeutung sind noch die Verhältnisse der größeren Tiefen von Rüdersdorf . In regelmäßiger Lagerung fand man hier unter dem oberen Buntsandstein den aus Sandsteinschichten bestehenden mittleren und unteren Buntsandstein und darunter die anscheinend unter ganz Norddeutschland verbreiteten Schichten des Steinsalzes, die schon oben erwähnt wurden. Bei der Austrocknung des damaligen Meeres wurde zuerst der schwefelsaure Kalk teils als Gips(wasserhaltig), teils als Anhydrit(wasserfrei) abgelagert, darüber das Steinsalz(Chlornatrium), das von regelmäßigen Schnüren des noch weiter ausgeschiedenen Anhydrites durchzogen wird. Endlich kristallisierten die am leichtesten löslichen Kalisalze aus. Der Meeresboden lag trocken. Staub bedeckte ibn und bildete eine dünne Decke„Salzton". Dann drang neues Meerwasser ein, es begann wieder die Ausscheidung von Anhydrit und dann von Steinsalz. « In Sperenberg wie in Rüdersdorf sind auch die Gletscherströme der Eiszeit nicht spurlos über die hier aufragenden älteren Schichten fortgegangen. Das zeigten in Rüdersdorf bis vor kurzem die berühmten Gletscherschrammen auf der Oberfläche des
2(5Z
Gerichtstag. von Fred Börence. Copyrlelt I92S b» P«nl Zsoinay, Wie»'
„Jacques," sagte die Patin, einen Augenblick benutzend. wo die Mutter nicht im Zimmer war,„dein Vater darf auf keinen Fall zurückkommen: er hat nicht das Recht dazu; die Mutter hat nun ein wenig Ruhe gefunden, man mutz ihr den schwer errungenen Frieden lassen." „Das ist ganz meine Ansicht." „Du armes Kind, jetzt taucht schon wieder eine neue ganz imerwartete Schwierigkeit auf. Eott weiß, wohin das führen soll!" „Es wird ihn ins Grab bringen, er wird Frieden haben, sie wird Frieden haben, wir werden Frieden haben. Amen!" meinte Adrf höhnisch. „Du bist grausam, aber für euch alle wäre es wohl zu wünschen," murmelte die Patin. Die Mutter trat mit Paul ins Zimmer und ich ging ins Dureau. Wie ich vorausgesehen hatte, wurde meine Bitte bewilligt, und am nächsten Tag war ich in Lyon . Ein großes Spital. Endlose Treppen, graue Gänge, eine Reihe von Zimmern, eines w'e das andere. Das Her? tlopst mir heftig: ich bin erregt vom Geruch des Jodoforms und in Erwartung der kommenden Dinge. Ich runzelte die Siirn. das sollte Gleichaültigkeit vortäuschen. Nummer 123. hat mir der Hauswart gesagt. Ich klopfte: ke'ne An wart: in klopfte ein'westrsma! und das Geräusch vibriert in meinem Körper. Eine Schwester kommt. Sie wünschen?" „�errn Bastonrt." ,Er ist gerade im Rad' bitte warten Te ein wenig." lind sie sch'ießt nur wieder die Tür vor der Nase zu. Lange Zeit blieb alles ruhig. Manchmal huscht jemand über den lorgfäiiig gebürsteten Korridor. Ich gehe unge- dnldig ans und ab und Irachtz das Geräusch meiner Schrine zu dämpfen. Mein ganzes Wesen ist van einer unbeschreib- llchen Unruhe gepackt. Ich muß jetzt alles erfahren. Wieder kstipfte ich an der Zimmertür Nummer 123. Die Schwester erscheint. „Verzeihen Sie, Schwester, ich bin der Sohn Herrn Val- eourts: ich möchte wissen ob sein Zustand sehr ernst ist?" Sie sieht mich einen Augenblick an und macht einige Schritte aus dem Korridor.
„Ja, sein Zustand ist sehr ernst. Sie können alles Nähere vom diensthabenden Arzt Dr. C... erfahren: er ist gerade hier, bis zehn Uhr bleibt er im Spital." Bevor ich noch weitere Fragen stellen kann, ist sie schon verschwunden. Mein« Erregung wächst, wieder gehe ich auf und ab. Ein leichtes Geräusch, ich wende mich um und sehe am Ende des Korridors.zwei Wärter ein Wägelchen schieben, in dem ein Kranker sitzt: sc�ne Gesichtsfarbe ist fahl, er hat einen großen blonden Bart. Ich� habe ihn im Halbdunkel erkannt. Es ist mein Bater! Ich bleibe wie festgenagelt stehen und blicke ihn an. Er kommt jetzt gerade an einem Fenster vorbei, das Licht fällt voll auf ihn. er ist totenblaß ein Zug tiefer Traner. unendliche Müdigkeit liegt auf seinem Gesicht, aber nichts Niedriges. Es ist die Haltung eines Generals, der nach schwerem Kampf die Schlacht verloren hnt und der sich jetzt ins unvermeidliche Schicksal fügt. Mitleid, Gewissensbisse, Zärtlichkeit lassen mich etwas vortreten. In diesem Augenblick bemerkte er mich, seine Augen leuchteten, mit einer impulsiven Bewegung streckte er mir die Arme entgegen, er stieß einen Schrei aus:„Mein Sohn, mein Sohn!" Schon war ich bei ihm— ich hatte alles vergessen. Die Versöhnung war vollständig, ohne daß ein ein-iges Wort von beiden Seiten gesprochen worden wäre. Als sich unsere erste Erregung gelegt hatte, machte mein Vater den Krankenwärtern ein Zeichen, daß sie ihn in sein Zimmer zurückführen sollten. Seine ersten Worte galten dem Betinden meiner Mutter. War sie gesund? Wieso hatte sie v?n seiner Krankheit erfahren? Durch die Zeitung! Fast schien es, als freute er sich darüber. Nach emer Vrrtelstt'nde kam der diensthabende Ar't mtt der Schwester. Mein Vater stellte mich vor sagte Wort für Wort dasselbe, was mir meine Mutter für ihn auf- getragen hatte und umarnste m-ch aerührt:„Küsse sie herzlichst statt meiner und �age ihr. daß ich sie lieb habe." Als Ich das Zimmer verließ, flüsterte mir die Schwester zu: „Erwarten den Arzt Im Korridor." Bald kam der Doktor. Er war hing und hatte einen gütigen, traurigen Ausdruck. Er blieb bei mir stehen und reichte mir die Hand. „S'? wünschen den Zustand Ihrers Herrn Vaters zu kennen?" Ich nickte. „Gestalten Sie mir eine Frage?"
„Bitte sehr." „Ihr Vater lebt nicht mit Ihrer Frau Mutter?" „Nein, seit fünf Iahren nicht mehr." Schweigen. .„Sein Zustand ist sehr bedenklich, die Niere ist angagrifsen. wenn er mit dem Leben davonkommt, wird es doch nicht mehr lange dauern. Was er auch getan haben mag, so würde ich immerhin Ihrer Frau Mutter raten, ihm zu verzeihen: er hat wohl sehr gelitten, das können Sie mir glauben, moralisch und körperlich." Ich blickte ihn ganz verwundert an. Gr sprach langsam, seine Stimme klang ernst und sehr traurig, er hatte wohl auch sein Geheimnis! „Meine Mutter hat ihm schon. lange verziehen," mur- melte ich. Ein schönes Lächeln verklärte fein Gesicht.„Nun dann ist ja alles gut. Auf Wiedersehen, mein junger Freund," und er reichte mir die Hand.„Nur Mut," setzte er ganz leise hinzu und entfernte sich mit raschen Schritten. Ich blieb ganz betäubt aus demselben Platze stehen. Dieses Gespräch, dem unsere stumme Versöhnung vorausgegangen war, machte an mir einen starken Eindruck. Ich fuhr nach Genf zurück, das Herz floß mir über von Verzeihen. Auf dem Vahnhof Eornavin erwartete mich die Mutter: sie trug ihr blaues Kleid und war ganz blaß. Mit einem Wort hatte ich sie beruhigt. Dann er-ählte ich ihr alles getreulich, auch das Gefpräib mit dem jungen Arzt. Als mein Bericht zu Ende war, schnitt AndrS ein« Grimasse und meinte:„Na also, jetzt haben wir ihn wieder auf dem Hals" „Aber ein Vorteil ist doch dabei, Andrä," erwiderte ich lachend,„wir zwe, sind jetzt gute Freunde." In dieser Nacht weckte mich ein fürckstersicher Schrei, der aus dem Zimmer der Mutter drang Mit einem Satz war ich bei ihr. Das elektrische Licht brannte, sie saß in ihrem Bett. Als sie mich erblickte, öffnete sie die Arme:„Jacques, dein Vater wird sterben, ich habe ihn hier an meinem Nett gesehen," „Aber Mama, du hast nur aetränmt, beruhige dich." „Mich beruhigen! Unmöglich? Ich habe ihn im Sarg liegen gesehen: er war ganz weiß und als ich näher trat, um ihn auf den Mund zu küssen, begann er plötzlich zu sprechen: Das ist dein Werk. Hättest du mich vom Spital nach Hause bringen lassen, so wäre ich nicht gestorben." (Fortsetzung folgt)