Donnerstag
24. Februar 1927
Unterhaltung und Wissen
Der Fall der Basfejnaja Straße.
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( Berechtigte Uebertragung aus dem Russischen von A. Wasserbauer.) Mischa, ich muß unbedingt nach Paris fahren!"
" Mary, Liebste, gewiß werden wir irgendwann einmal nach Paris fahren..."
Aber so rasch als möglich, so lange ich noch diese schlanke Figur und meinen herrlichen Teint habe..."
"
Woher das Geld nehmen? Gut, ich verkaufe meinen Mantel, den Revolver. Du treibst auch etwas Geld auf. Aber ich fürchte, das wird nicht reichen..."
„ Bist du ein Mann oder ein Grünschnabel? Ein Mann, der tein Geld auftreiben kann, pfui!"
Durchdringend sah sie ihm ins Gesicht, rümpfte das Stumpfnäschen, streckte verächtlich die Unterlippe vor....( Mary war das schönste Mädchen von Petersburg . Sogar auf der Straße fiel fie auf: Sehen Sie nur, die schöne Blondine, die reinste Mary Pick ford .)
In Paris ift's leicht, Geld aufzutreiben. Aber hier, im tommunistischen Rußland ," brummte Michail.
Gib nur acht, daß du mich durch solche Reden nicht verlierst." Was soll ich denn tun, stehlen, rauben? Es bleibt nur das." Mischa, ich glaube, es ist ganz vergebens, wenn du hinter mir herläufft... du bist doch ein Grünschnabel.. Solche Männer flößen fein Bertrauen ein....“ Dieses Gespräch wurde während der Pause geführt. Es wurde finster. Abermals Bilder des bezau bernden Pariser Lebens. Ganz verzaubert ging man von dieser Borstellung fort. Finster, ohne um sich zu bliden, trat Michail mit seinen weiten Hosen direkt in eine riesige Pfütze.
Nachregen fiel auf Petersburg , es roch nach dem feinen Aroma con Pappelblüten. Beim Kronwerfpart streckte Mary ihre falten Fingerspitzen Michail hin:
,, Adieu. Ich fahre allein."
Wohin?"
Das geht dich nichts an!"
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Fünfmal hintereinander sah sich Mary den Film an.( Wenn sie ins Rino tam, erwartete sie dort bereits Michail.) Marn wurde immer schicker. Schnitt sich den Rod um sechs Zentimeter ab( über dem Knie!), trug einen neuen verrückten Hut, Seidenstrümpfe. Michail fürchtete sich förmlich, fie anzusehen, und wurde immer tüsterer.
Marg, was bedeutet das, schon wieder neue Schuhe?!" Sind nur ein wenig zu eng, ein Malheur!"
Um Gottes Willen, quäle mich nicht Mary, mer schenkt dir das alles?" „ Jedenfalls geht's dich nichts an. Set froh, daß du mich haft!" Eine ungewisse Eifersucht quälte ihn. Sein Kopf schmerzte ihn, so sehr war er damit beschäftigt, darüber nachzudenten, woher er Geld für die Pariser Reise- nehmen könnte.
Er verkaufte seinen Wintermantel, alle Bücher, seinen selbst fonstruierten Radioapparat, Schlittschuhe, Filzstiefel, borgte bei feinen Kameraden nach und nach anderthalb Tscherwonzen und ging nachts in einen Spielflub. In ein paar Minuten war alles Geld verspielt. Wollte sich dann an seinen Hosenträgern im Klosett erhängen, die Sache flappte aber nicht. Um drei Uhr nachts weinte er, laut schluchzend, auf dem Kai, unter der ägyptischen Sphing. Sicher trieb sich jetzt Mary irgendwo herum für ihn war es außer Zweifel, daß sie eben jemand umarmte, während die Sonne hinter der Festung, ihm gegenüber hochstieg.
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Es war unerträglich. Michail schnupfie auf, Tränen rannen über seinen billigen Rock. Ja, man muß sich entschließen, ein Bandit zu werden. Die Tasche voll Tscherwonzen, kann man dann, mit einem drohenden Messer in der Hand, Mary zwingen, treu zu sein, ihren Körper niemand anderem zu verkaufen....
Am nächsten Tag erklärte er Mary:
,, Ich habe alles versucht. Auch beim Kartenspiel hatte ich tein Glück. Du siehst, Mary, wie ich dich liebe: ich habe die Frage,' aus mir einen wirklichen Banditen zu machen, bereits im positiven Sinne entschieden....."
Du bist ein Narr. In der Bar auf der Michajlowstaja- Straße habe ich wirkliche Banditen gesehen. Tapfer sind sie, wie die Teufel und lustig!"
ift.
„ Gut, gut, Mary. Wir werden noch sehen, wer der Tapferste Nun, hast du schon etwas ausfindig gemacht? fragte sie neugierig. Diese Antwort hatte sie von Mischa scheinbar doch nicht ermartet, aber sie gefiel ihr.
Bielleicht.. brummte er, wir werden schon sehen. Eine Zeitlang spielte er so mit ihrer Neugier, murmelte unzusammenhängendes Zeug. Er sagte, es sei ein Nepmensch, den er verfolge. Der sei zwar bis auf die Zähne bewaffnet( Gummiknüppel, Stod mit Stilett und Revolver), aber er wäre plöglich ins Aus land gefahren. Mary glaubte alles.
,, Misha, hat er viel Geld gehabt?" " Ungefähr zweitausend Tscherwonzen. Die hat er stets bei fich getragen, im Portefeuille."
Mary war verblüfft. Im Geiste rechnete sie sich bereits sor, was sie alles von dieser Summe faufan tönnte. Von dieser Minute an arbeitete ihr Kopf in derselben Richtung. Einen neuen Depmenschen aufzuspüren, der zweitausend Tschermonzer.besitzt Ihr Benehmen Mischa gegenüber änderte sich. Er fühlte sogleich alle Vorteile des Banditentums.
„ Vor allem, Mischa, sei nicht eifersüchtig. Wenn ich in Gesellschaft von Männern bin, so geschieht dies zu unserem gemeinsamen Borteil! Lieben tu ich nur dich allein! Und wir werden nach Paris fahren..
Mischa erwartete sie im Park vor dem Admiralitätsgebäude. Er erkannte sie schon von weitem. Rosafarbenes Kleid, ebensolcher Hut. Ihre Wangen waren gerötet. Ohne zu grüßen, setzte sie sich neben ihn auf die Bant, spähte nach beiden Seiten, damn sagte sie: .Gefunden ich habe einen ,, Run? Wen?"
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,, Ein Nepmensch. Kolossale Gelder. Berheiratet. Inter essiert sich für Frauen, ist furchtbar dumm. In der Bar unter dem Namen Tante" bekannt. Nun, Mischa( ihre Augen weiteten sich). nun Mischa. heißt's: den Augenblick nicht paffen.
per=
Er soll mir nur unter die Hände kommen. Ich merde ihn ausmeiden... gründlich.
Deutsche Marine.
Beilage des Vorwärts
Auf jedes deutsche Kriegsschiff fommer 1 dmiral und 4 Kapitäne.
DE
ZYX
„ Nun fehlt bloß noch einer, der uns führt..."
Mary führte Mischa in die Bar, um ihm die„ Tante" zu zeigen. Bei dem ersten Blick, den Michail auf den Nepmann warf, schlug jein Herz stärker. Die„ Tante" erwies sich als riesiger Mensch mit fettem, blaurasiertem Gesicht und weibischen Zügen. Schick angezogen nur Schmuggelmare. Auf dem fleinen Finger ein großer Brillant. Bon lärmenden Mädchen umringt, tranf Mineralwasser. er
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Mary flüsterte Mischa zu:
Durchreise hier geschäftlich. Lille wundern sich, wieso er noch ,, Seine Familie ist momentan in Moskau . Er ist nur auf der geschäftlich. Lille wundern sich, wieso er noch meer, für Spekulanten). Also: man muß sich doppelt eilen." nicht in Solowfij iſt( Berbannungsort nahe dem Nördlichen Eis ihm vorbei. Mit einladend wiegendem Gang, hüftenwackelnd, ging fie an
" Blondinchen, set dich zu mir!"
„ Ich bin besetzt" antwortete sie, naserümpfend.
ihr etwas ins Ohr. Mary befreite sich, zuckte mit den Achseln und Trotzdem fing er sie bei den Händen, zog sie an sich und flüsterie ging weiter. Michail sah, wie die„ Tante" das Taschentuch herauszog und sich das fette Gesicht und den Hals unter dem Seidenfragen abwischte. ( Schluß folgt.)
Winterlust.
lleber Lindau , auch Schwäbisch- Benedig geheißen, blaut diesmal der sprichwörtliche Himmel. Auf den nahen Bergen leuchtet neuer Schnee zwischen starren, schwarzen Winterwäldern. Es weht ein talter Hauch von dorther. Schon ist der See da und dort am flachen Ufer gefroren, in Klein- Benedig" aber wird jezt in Scharen dem Eislauf gehuldigt. Die Türme der zierlichen alten Inselstadt spiegeln sich scheu und zurückhaltend in der blanken Fläche zwischen Brücke und Bahndamm. Schlittschuhe blitzen in der blauen Sonne, und in tausenderlei Linien wogt und gleitet es durcheinander. Keine andere Bewegung, vielleicht nicht einmal der Tanz, ist so nahe verwandt und verschwistert mit der Musit, hat soviel schwingende Seele, Formschönheit, fünstlerisches Maß und zugleich Uebermaß wie der Schlittschuhsport. Er ist die unendlich feinfühlige Kunst der frohiodenden Kurven, die Seligkeit der wie Verse dahinschmelzenden Bogenlinien, ist halb Tanz, halb Flug, bei dem man endlich einmal die Arme so recht als Flügel gebrauchen darf. Er schenkt in jeder Sefunde die Seligkeit des Sturzes, des Gichverlierens an jene berauschende Grenze, wo die irdische Schwerkraft aufhört, schenkt die unerklärliche Bollust, sich über das Gleichgewicht hinweg in den Abgrund hinaus zubeugen, dessen Tücken und Rätsel zu verkosten und doch nicht zu stürzen, doch nicht hinabzufallen, schenkt die wunderliche Bollust, die Schwerkraft wie im Scherz zu meistern, ihrer zu lachen und thr dennoch ergeben zu bleiben. So, fliegend, tanzend dahinzugleiten, um sich selber zu freisen, rückwärts sich selber zu entfliehen, in immer neuen Kurven ins Unendliche hinauszuschmelzen und doch gegenwärtig zu sein, die Beine in die Lüfte zu werfen, die Arme schwungvoll zu heben, zu fliegen und doch auf dem Festen zu bleiben: das ist das selige Geheimnis eines zünftigen Eisläufers.
Das Eis fracht und singt unter den stählernen Flügelsohlen, singt das Lied von der Seligkeit der Kurven.
Mit welcher Verachtung hat man doch seinerzeit in der Schule jene parabolischen Kurvenlinien, jene fich ins Unendliche erftredenden Hyperbeln und Intregalfurvenscharen als eine nur der Wissenschaft angehörende, trrden nüzliche Sache betrachtet! Aber jetzt sind sie auf einmal lebendigstes Leben, unbestreitbare Bollust und Wonne, Musik und Schmelz und Kunst geworden. Alle diese vielen Hunderte von Menschen ergeben sich je nach Gemüt und Befähigung ihrem Glück bis tief in den Abend hinein, und noch bei Nacht singt es in ihrem Blut vom Schmelz der Kurven.
Mich aber lockt es nun doch noch aus dieser trunkenen Winter: sinfonie hinaus in die Einsamkeit.
Im Desterreichischen drüben entdecke ich schließlich ein mir zu sagendes, menschenleeres, überfrorenes seichtes Uferstück des star? zurückgegangenen Sees. Ein Rest von Altwasser- und Fischgeruch sticht mir in die Nase, es ist ein Geruch, wie ich ihn einst in der Jugend
aus dem Bollen erlebte, als ich in den abgelassenen heimischen Rohrweihern bis an die Lenden im Schlamm stand und große, heftig um sich schlagende Fische daraus hervorzog und dabei aufschrie dor Jagdglück.
Das Eis ledt hier in vielen langen Zungen ins große Raffer hinaus, das in stummen Hauchwellen heranmeht. Der See glänzt golden und goldsilbern. Tintenschwarze Wasserhühner mühlen darin, Mowen setzen sich sacht auf die milchsilberne Glut. Glizernde Wasserblasen treiben ein leises, heimliches Spiel am Rande der Eiszungen. Benn aber das Kielwasser eines Dampfers durch diese Wafferruhe herandrängt, dann wirkt der See plößlich ganz außerordentlich mild und erregend. In zischenden Schaumwellen raft er heran, pflatscht, flirrt und focht er unter den tückischen Zungen, mehrt er sich zornmütig gegen den drohenden Bann des Winters. Wenn man bei dieser Kälte den Möwen einen Brocken zuwirft, hat man gleich einen ganzen Schwarm freischender, schrill frächzender, spitz fistelnder, immerzu freisender, flatternder Vögel über sich. Die Kälte macht eben alles zahm. Ich werfe also die Armie empor und spende mein Vesperbrot, hier in Desterreich" Jause" genannt, diesen öblichen Vögeln des Himmels, die da nicht säen und doch ernten. Und dann gebe ich mich wieder dem Schmelz der Kurven hin. Es sind jetzt lauter Parabelansäße siebenter Ordning, was ich da mache.
Ueber die Berggipfel schleichen dicke, dunkle Schneewolken, mättgoldene Abendsonne zerrinnt zu bläulich- weißer Dämmerung an den Hängen der nahen Pfänderhöhe, die schwarzen Wälder werden noch schwärzer, und der Schneehauch der Alpen wird immer schneidender. Die zierliche Inser Klein- Benedig schlägt einen dicken Dunstmantel um sich und ihr winterliches Kurvenfest, und das weite Wasser dunkelt fremd und lauernd aus der hereinbrechenden Nacht zu mir herüber.
Jetzt ist es höchste Zeit, daß ich meine Schlittschuhe abschraube. Schon sticht ein beleuchteter Dampfer wie ein Traumgebilde in den dunklen Dunst hinein. Sein Borderdeck ist in den Schneemonaten alle Tage mit lauter Schneeschuhen bedeckt. Wenn aber die Mannen und Männinnen vor dem Aussteigen in der Nacht ihre langen Bretter aufpflanzen, sieht das Borderdeck aus wie ein Wald..
Ein scharfer Eiswind weht über den dunflen See, an dessen Saum da und dort ein fernes Lichternest glimmt, und in der Höhe brennen meit zerstreute, große, harte Sterne.
Eigentlich ist der Winter überall gleich, und wo er Eis bringt, bringt er auch die Kurvenfeste.
In meiner Herberge wimmelt es heute von Schneeschuhläufern. Ein hübsches Hosenfräulein erzählt von der Winterwonne in den Bergen:" Wir hatten strahlende Sonne den ganzen Tag und blüh weißen Bulverschnee mit lauter Diamanten darauf," schwärmt sie voll Inbrunst.
In dämmeriger Ede sizzt ein Handwerksbursche bei einem kleinen Gläschen. Der kennt den Winter auch von der anderen Seite. Th: n bedeuten die unzählbaren Kurven seiner beschneiten Landstraße, auch wenn sie noch so schmelzend dahinfließen, nichts meniger als Wonne.
"
Das Lesen im Fahren. Es ist unrichtig, anzunehmen, daß man in den Berkehrsmitteln nur eine geringere Beleuchtung braucht, als man für gewöhnlich aufwendet. Im Gegenteil, es muß die Beleuchtung hier höher sein. In den verschiedenen Verkehrsmitteln in Berlin wurde nach einem Vortrag von Dr. Bloch im Elektrotechnischen Verein" durch Leseproben festgestellt, wieviel Prozent der normalen Sehschärfe bei der in diesen Verkehrsmitteln vorhandenen Beleuchtung von 25 Lur erreicht wird. Im Ruhestand werden bei 25 ur 85 Prozent der Sehschärfe erreicht, im Fahren erzielte man bedeutet 19 Prozent Verlust, im fahrenden Autobus fogar nur 53 in der Stadt- und Straßenbahn nur 66 Prozent der Sehschärfe, das Prozent der Sehschärfe, was einem Berlust von 33 Prozent entspricht. Die Herabsehung der Sehschärfe durch das Fahren ist also so groß, als wenn die Beleuchtung in den Straßenbahn auf 5 Lur, im Autobus fogar auf 2,5 Lug herabgefekt worden wäre, d. h., es müßte die Beleuchtungsstärke auf das 5 bzw 10fache gesteigert werden, um in den fahrenden Verkehrsmitteln so wie im ruhenden Zustand lefen zu fönnen. Man sollte in den Berkehrsmitteln mindestens eine Beleuchtung von 50 Lur fordern. Dies ist sowohl für die elektrische Bahn, wie für den Autobus leicht durchzuführen, ebenso bei den elektrisch betriebenen Bollbahnen. Schwieriger ist die Durchführung dieser Maßnahme in mit Dampf betriebenen Bahnen. Aber auch hier wird man durch Einführung stromsparender Lampen und guter Beleuchtungskörper das Ziel erreichen können.