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Nr. 9844. Jahrg. Ausgabe A nr. 50

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Sonntag, den 27. Februar 1927

Zehnstundentag statt Achtstundentag!

Das Arbeitszeitnotgesetz des Bürgerblocks.

Ein Sieg der Bergherren

und der Schwerindustrie.

Die Borlage über die Neuregelung der Arbeitszeit, die dem Reichsrat und dem Vorläufigen Reichswirtschaftsrat zu gegangen ist, lautet folgendermaßen:

" Der Reichstag   hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird: Die Ver­ordnung über die Arbeitszeit vom 21. Dezember 1923( Reichsgesetzblatt I, Seite 1249) wird, vorbehaltlich der end­gültigen gefehlichen Regelung, wie folgt geändert:

1. Der Paragraph 6 erhält folgenden Absah 3: War die Arbeitszeit tarifvertraglich geregelt und ist der Tarifvertrag feit nicht mehr als drei Monaten abgelaufen, fo dürfen die im Absatz 1 bezeichneten Behörden nur Arbeitszeiten zulassen, die nach dem Tarifvertrag zulässig gewesen wären." 2. Der Paragraph 6 erhält folgenden 2 b jah 4: Wird die Mehrarbeit nach Absatz 1 aus allgemein wirtschaftlichen Gründen zugelaffen, so hat die zu­laffende Behörde sie davon abhängig zu machen, daß den Arbeitern über den Lohn für die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ein ange­meffener Zuschlag gezahlt wird. Als angemessen gilt mangels einer abweichenden Bereinbarung ein Zuschlag von fünf­undzwanzig vom Hundert. Kommt über die Berechnung des Zuschlags feine Einigung unter den Beteiligten zustande, so ent­scheidet darüber die zulaffende Behörde endgültig. Die Vorschrift

des Sal 1 gilt nicht für Lehrlinge."

3. Der bisherige Absah 3 des§ 6 wird Abjak 5.

Das ernstück des Entwurfs ist der§ 11 Abs. 3 der geltenden Verordnung. Nach diesem blieb bisher der Ar­beitgeber straffrei bei Duldung oder Annahme frei milliger Mehrarbeit", someit es sich um männliche Ar­bei über 16 Jahre handelt. Die Praxis zeigte, daß diese juristisch einfach unmögliche Konstruktion zu einer wilden ile berarbeit führte. Die weiteren Schutzbestimmungen, wonach diese freiwillige" eberarbeit feine dauernde sein darf, durch besondere Umstände veranlaßt sein muß und nicht durch Ausbeutung der Notlage oder der Unerfahrenheit des Arbeitnehmers" zu erwirfen ist, blieben in der Braris ohne Wirkung. Anflagen wegen Gesegesverletzung wurden auf Grund der Freiwilligkeit" der Ueberarbeit meift abgelehnt. Ueberschichten im Bergbau stets durch die Freiwilligkeit" So ist insbesondere der himmelschreiende Unfug der zahllosen legalisiert worden. Darum hängen die Unternehmer mit heißer Liebe gerade an dieser Bestimmung, die ihnen Straf­freiheit sichert. Um die Beseitigung dieser Bestimmung geht deshalb auch der zähe Kampf zwischen den Koalitionsparteien. Der Regierungsentwurf will diese Bestimmung fünftig beseitigen..

4. Der Paragraph 9. Absatz 1, erhält folgenden Wortlaut: gierungsentwurf hierfür die Voraussetzung. Während bisher

Die Arbeitszeit darf bei Unwendung der in den.§§ 3 bis 7 bezeichneten Ausnahmen 3 ehn Stunden täglich nicht überschreiten: eine Ueberschreitung dieser Grenze ist nur in Ausnahmefällen aus dringenden Gründen des Gemeinwohls mit befristeter Genehmigung der im§ 6, Absatz 1, be­zeichneten Behörde zulässig."

5. Der§ 11, 2bsah 3, und der§ 12 fallen weg.

*

Endlich sind die letzten Schleier gefallen, hinter denen bis­her die Reichsregierung ängstlich ihr Arbeitszeitnotgesetz ver­borgen gehalten hat! Der Enwurf geht an den Bün schen der Arbeiter achtlos vorüber. An dem Grundsaß, daß die Arbeitszeit durch Tarifvertrag bis zu zehn Stunden verlängert werden kann, wird nichts geändert. Das bedeutet, daß weiter wie bisher besonders im Wege des verbindlich erklärten Schiedsspruches, des 3mangstarifs, die normale Arbeitszeit bis zu täglich zehn Stunden verlängert werden kann. Es ändert sich auch nichts an dem nach§ 6 dem Gewerbea uf­fichtsamt zustehenden Recht, von sich aus dort wo die Arbeitszeit nicht tariflich geregelt ist, eine Arbeitszeit bis zu zehn Stunden zuzulassen. Nichts ändert sich ar der Tat­fache daß weiter Mißbrauch mit dem Begriff Arbeitsbereit schaft" getrieben werden kann. Nichts ändert sich daran, daß der Arbeitgeber von sich aus ohne entscheidende Einrede an 30 Tagen im Jahr ie amei Ueberstunden dif­tieren kann. Nach wie vor fann selbst die zehn stündige Arbeitszeit aus ,, Gründen des Gemeinwoh Is" überschritten werden. Es bleibt das Unrecht, daß in den Betrieben und Verwaltungen des Reichs und der Länder sowie in den Verwaltungen der Gemeinden alle Ausnahme­befugnisse den vorgesetzten Dienstbehörden zustehen, so daß diese selbst herrlich über die Arbeitszeit ent­scheiden können.

China   muß frei sein.

Forderung der Gewerkschaftsinternationale. Amsterdam  , 26. Februar.  ( WTB.) Der zurzeit hier tagende geschäftsführende Ausschuß des Internationalen Gewerk­ schaftsbundes   hat eine Entschließung angenommen, in der zum Aus­druck gebracht wird, daß eine befriedigende Lösung der chinesischen Frage nur durch Aufhebung der Fremdenton3effio­nen und aller erterritorialen Rechte sowie durch wieder her­stellung der chinesischen 3ollautonomie erreicht wer­den könne. Ferner müßten die bisherigen Verträge durch neue Ab­tommen ersetzt werden, die auf der vollen Gleichberechti­gung Chinas   und der übrigen Mächte beruhen. Der. Internationale Gewerkschaftsbund   wird weiter die Bemühungen des britischen Ge­werkschaftsbundes und der britischen Arbeiterpartei zur Verhinderung eines bewaffneten konflikts zwischen China   und den fremden Mächten mit allen Kräffen unterstützen.

Frankreich   macht das britische Vorgehen nicht mit. Paris  , 26. februar.( Eigener Drahtbericht.) Die Lage in ben Ronzessionen hat sich, wie die Information" aus Schanghai   meldet,

ertauft werden. Was bisher durch einen juristischen Non Aber diese Selbstverständlichkeit soll teuer fens legalisiert war, foll nun in einem gewissen Ausmaß direkt erlaubt werden. Durch Abänderung des§ 9 fchafft der Re­im Steinfohlenbergbau und in einigen Gewerbezweigen ,,, die beiten", eine Ueberschreitung des Achtſtundentages nur aus unter besonderen Gefahren für Leben und Gesundheit ar­Gründen des Gemeinwohls" bis zu einer halben Stunde zu gelassen war, soll fünftig diese Schranke fallen. Selbst in diesen gesundheitsgefährlichen Berufen soll aus Gründen des Gemeinwohls" die Ueberschreitung der Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus durch eine befristete Genehmigung durch die Gewerbeaufsichtsbeamten zulässig sein.

Schwerindustrie! Das ist der Sieg der Bergherren und der

Aber damit noch nicht genug! Während bisher nach dem Wortlaut der Berordnung eine Ueberschreitung der Zehn­Stunden- Marimalgrenze als Regelarbeitszeit nicht zulässig war, wenn infolge des freien Sonnabendnachmittags die aus­fallende Arbeitszeit auf die anderen Arbeitstage verteilt murde, ebenso nicht die Arbeitsbereitschaft, soll nunmehr in diesen Fällen die regelmäßige Ueberschreitung der 10- Stunden­Grenze ermöglicht werden. Das bedeutet, daß zum Ausgleich des freien Nachmittags und sogar, um den völligen Ausfall des Sonnabends durch die 5- Tage- Woche herbeizuführen, Ueberschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit bis zu zehn Stunden täglich gesetzlich zulässig ist.

Das also ist das neue Arbeitszeitnotgesetz des Bürger­blods! Die wenigen, völlig unzulänglichen Berbesserungen dieses Gefeßentwurfs, die außerdem zu einem großen Teil durch andere Berschlechterungen der Arbeitszeitverordnungen tompensiert werden, sind der ganze Inhalt einer Gesetzesvor­lage, mit der man angeblich der Ueberstundenmißwirtschaft zu Leibe gehen will. Die Reichsregierung muß sich darüber flar sein, daß sie auf dem von ihr eingeschlagenen Wege das Arbeitszeitproblem niemals lösen kann; eine Lösung ist einzig und allein möglich auf dem durch die Gewerkschafts­forderungen gezeichneten Weg.

seit der Beilegung des Streits und der Wiederaufnahme des Straßenbahnverkehrs wesentlich gebessert. Die gelandeten fran. zösischen Truppen sind wieder eingeschifft und fran­ zösische   Freiwilligenforps, die sich gebildet hatten, aufgelöst worden. An der am Freitag von den englischen Landungstruppen vor­genommenen Belegung des Bahnhofs und strategischer Bunkte auf chinesischem Gebiet rings um die Konzeffionen, an der auch pro forma" eine italienische Truppenabteilung 50 Mann teilgenommen hat, haben sich weder französische noch amerikanische oder japanische Truppen beteiligt. Die französische  Breffe äußert die Befürchtung, daß mit diesen Operationen die eng­lische Regierung schwere Verantwortung auf sich ge­laden hat.

Löbes Befinden. Andauernd zufriedenstellend.

Don

Am Sonnabend abend wurde folgende Mitteilung ausgegeben: Die Untersuchung des Reichstagspräsidenten Lobe um 7 Uhr abends ergab. daß der zufriedenstellende Berlauf der Krankhell weiter anhalt

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

Bostschecktonto: Berlin   37 536 Banktonto: Bant der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Ballftr. 65: Diskonto- Gesellschaft. Devoktenkaffe Zindenftr. 3.

Unser Ziel.

Die deutsch  - französische Verständigung geht voran! Wenn irgendwo in der Südsee eine Insel durch ein Erd­beben oder einen Orfan vernichtet wird und fünfzig Menschen dabei zugrunde gehen, steht in feinem europäischen  Blatt darüber mehr als furze Notizen an versteckter Stelle. Wenn aber in Moabit   ein Haus durch eine Explosion zer­stört wird und fünf Leichen aus den Trümmern geborgen werden, dann ist es selbstverständlich, daß jede Berliner Zei tung diesem Unheil einen großen Teil ihrer ersten Seite widmet.

Ist das nicht im höchsten Maße ungerecht? Sind Süd­seeinsulaner nicht ebensolche Menschen wie Berliner  , Menschen mit seelischen und physischen Empfindungen, Men­schen, um die ihre Nächsten trauern, Menschen, die ihr Erden­dafein zwischen Arbeit und Rast, Freude und Sorge voll­brachten? Es ist ungerecht, daß uns das Schicksal der 50 auf Samoa   oder Tahiti   kalt läßt, während uns der Tod der fünf Berliner   Bürger in größte Aufregung versett. Es ist ungerecht, aber es ist so. Solche Ungerechtigkeiten werden von uns allen alltäglich begangen und sind so selbstverständ­lich, daß sie niemand empfindet. Vielmehr hat der bloße Hinweis auf sie etwas unerwartetes, Abgeschmacktes und beinahe Groteskes.

Arbeiter im allgemeinen den ungeheuren Geschehnissen im Fernen Osten nicht das Maß an Interesse entgegen­So erklärt es sich letzten Endes auch, daß der deutsche Freiheit. Sein Kampf ist in erster Linie ein nationaler, bringt, das sie, absolut betrachtet, verdienen. Ein Bolt, reicher an Zahl als alle Europäer zusammengerechnet, ringt um seine aber im Hintergrunde stehen doch, vielfach unbewußt, wirt­Schaftliche und soziale Triebfräfte. Aber China   ist weit, fremd in unseren Ohren, daß man Mühe hat, sich auch nur die Namen seiner Städte, Minister und Generäle flingen so ftinftive Sympathie für die Sache der Südchinesen vermag der deutsche Proletarier nicht aufzubringen. Er hat sein die wichtigsten zu merken. Mehr als eine allgemeine, in­Scherflein den englischen Bergarbeitern während ihres halbjährigen Ringens ohne Zögern gegeben, aber für die Tertilarbeiter von Schanghai  , die unter noch viel grauen­hafteren Bedingungen ohne Unterschied des Alters und Ge­schlechts ausgebeutet werden, zu sammeln, würde ihm schwerer

fallen.

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utopisches Unterfangen, wollte man versuchen, diese mensch­Auch das ist ungerecht. Aber es ist so. Und es wäre ein lichen Unvollkommenheiten innerhalb weniger Jahre zu meingut der werktätigen Maffen aller Länder sein wird, dürf ändern. Bevor die ideale internationale Gesinnung Allge­Befreiungsprozeß in Ostasien  , von dem wir eigentlich nur den ten noch manche Jahrzehnte vergehen. Mag sein, daß der Anfang aus weiter Ferne erleben, in späterer Folge auch für die europäische   Arbeiterschaft von ungeahnter Tragweite sein wird; mag sein, daß, weltgeschichtlich gesehen, der euro­ päische   Krieg von 1914 bis 1918 nur ein Kinderspiel war im lismus und der Kolonialpolitik langsam abbröckelt die Bergleich zu der Tatsache, daß das Gebäude des Imperia­deutsche Arbeitertiasse wird sich ganz naturgemäß in erster Linie auf die Probleme konzentrieren, die sie un­mittelbar angehen. Sie hat ihre eigenen Ausbeuter, mit denen fie ringt; sie hat ihre eigenen nationalen Afpi­rationen, deren Berwirklichung ein seelisches und kulturelles Bedürfnis ist; und sie hat ihre eigenen schmerzlichen, blutigen Erfahrungen gemacht, aus denen sie lernen muß. Sie lebt im Herzen Europas  . Ihre eigentliche Mission ist, das Banner des Spzialismus zunächst in Europa   voran­zutragen. Das Lehrgeld der zehn Millionen Toten dar unter zwei Millionen Deutsche   die der Krieg verschlungen hat, verpflichtet sie, vor allem darauf zu achten, daß alle Kriegsgefahren auf dem eigenen Kontinent bekämpft und ge­bannt werden. Nur indem wir den Kapitalismus als die doppelte Ursache von Ausbeutung und Krieg erfolgreich be­kämpfen, werden wir den Fortschritt der Menschheit sichern.

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Das deutsche Sprichwort: Die Haut liegt uns näher als das Hemd" flingt in seiner politischen Anwendung furchtbar egoistisch und alles eher denn internationalistisch.

Doch steckt ein großer Kern von Wahrheit in ihm, deren Verkennung uns den sozialistischen   Idealen nicht näherbringen würde. Sorgen wir durch die Aufklärung und Organisation der Massen zunächst in Deutschland   selbst dafür, daß der Ka­pitalismus zurückgedrängt wird, dann leisten wir damit zu­gleich die nüzlichste Arbeit für das gesamte europäische   Pro­Letariat. Und der Vormarsch des Sozialismus in Europa  ist die Voraussetzung für den erfolgreichen Befreiungs­tampf der Chinesen, Inder, Aegypter usw. Nicht umge= tehrt

Es bleibe dahingestellt, welche wahren Beweggründe die großzügige Agitation inspirieren, die die Bolschewifi aus An­laß des chinesischen Befreiungstampfes ins Leben gerufen haben. Sie erflären sich oftentatin und etwas aufdringlich für