Nr. 214.
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Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertelfährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. proQuartal. Unter Kreuze band: Deutschland u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.
Vorwärts
12. Jahrg.
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Woher der Lärm?
Woher eigentlich der ganze Lärm? Was ist der Anlaß dazu, daß uns von den Reaktionären aller Schattirungen mit Zwangsgesetzen und administrativen Maßregelungen gedroht wird?
Freitag, den 13. September 1895. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
durch die ein Viertel des deutschen Volkes zu Staatsbürgern| sozialdemokratischen schristlichen und mündlichen Agitation zweiter Klasse gemacht wird, zu einer Aktion, die die zu nennen, in dem ein Ausdruck gegen irgend welche poschwersten Erschütterungen heraufbeschwört? litische Gegner gefallen wäre, der auch nur halbwegs an Stärte sich jenen vergleichen ließe, die ein Staatsanwalt bei einem Beamten für läßlich erklärte, wenn sie gegen Leute aus dem Volke gebraucht wurden.
Starke Ausdrücke! Ja, werden denn die von unserer Seite allein gebraucht? In den zur Beleuchtung unserer Zustände noch lange Hat sich die sozialdemokratische Partei irgend welche nicht genug gewürdigten Prozessen, in denen die staats- Wenn aber Staat und Gesellschaft keinen Schaden darHandlungen zu schulden kommen lassen, die als Aufruhr retterischen Thaten und Aussprüche des Gendarmen unter leiden, daß das Volk, die Leute niedersten Standes", ausgelegt werden können oder die Glemente zu einer An- Münter eine Hauptrolle spielten, wurde wiederholt bittere von Beamten mit Schimpfworten belegt werden, dann kann flage wegen Hochverraths bieten? Wäre das der Fall, Beschwerde über die Ausdrucksweise des besagten Beamten unmöglich Staat und Gesellschaft dadurch gefährdet die Staatsanwaltschaft hätte sich sicher den Anlaß im Verkehr mit dem Publikum geführt, und zwar nicht nur werden, daß hier und dort ein Mann aus dem zum Einschreiten nicht entgehen lassen. Fackelt sie von seiten sozialdemokratischer Angeklagter und Zeugen, Volke in seiner Kritik an Personen und Vorgängen einmal, doch sonst nicht lange, wenn sie in einem sozialdemo- sondern auch durch verschiedene indifferente Staatsbürger ohne obendrein ein den Beamten gestattetes Schimpfwort kratischen Blatt, in einer Agitationsrede, in einer Vereins- und Staatsbürgerinnen, denen sich allerdings nachsagen zu gebrauchen, mit seinen Ausdrücken über die Schnur haut. leitung Spuren auch nur eines Bergehens irgend ließ, daß sie nicht zu den bessergekleideten Gesellschafts- Und daß das keine Gefahr hat, das beweist deutlich das welcher Art zu entdecken glaubt. Keine aufmerksameren, klassen gehörten. Bezeichnungen wie Schweinebande" ent- öffentliche Leben in freieren Ländern, zum Beispiel in luchsäugigeren Leser hat die sozialdemokratische Presse, als fahren gar leicht dem Gehege seiner Bähne, wenn England, wo man ungestört die Königin selbst in Worten unter den eifrigen Beamten der Staatsanwaltschaft, teine er aus irgend einem Grunde ein forsches Auftreten für geboten kritisiren könnte, die hier zu Lande, gegen einen Schutzschärfer aufhorchenden Zuhörer der Redner, als in den mit hält. Zur Rechtfertigung dieses Verfahrens erklärte damals mann gebraucht, sofort die Staatsanwaltschaft in Bewegung Ueberwachung und Berichterstattung betrauten Polizeibeamten. der Erste Staatsanwalt Ruckser in Bochum : Jedermann wird, sehen würde. Eingegriffen, schneidig und stramm, wird häufig genug. Wie wenn er ohne Erregung ist, einsehen, daß es ein Unter- Doch wir erwarten ja gar nicht einmal die Vorurtheilsein Hagelschauer praffeln die Auflagen nieder. Was aber ist schied ist, ob man Leute niedrigsten Standes mit Schimpf losigkeit des gereiften englischen öffentlichen Lebens bei uns der Inhalt dieser Auflagen? Angebliche Beleidigungen, für die worten belegt, oder andere." Unseres Erachtens liegt in diesem zu Hause, aber was wir erwarten können, ist, daß man in wir indeß mit unserem durch Strafverfolgungen ge- Grundsage eine Durchbrechung der Rechtsgleichheit, die der Presse nicht solche Lappalien wie starke Ausdrücke in schärften Sehvermögen keinen irgendwie brauchbaren Anhalt alle Leute niedersten Standes", wenn sie an der Gerichts- Besprechung der Tagesereignisse zum Vorwand nimmt, eine entdecken in allen den Erörterungen, die uns in unserer statt feierlich verkündet wird, tiefer kränkt, als alle Schimpf- gesetzgeberische Aktion gegen die Sozialdemokratie oder gar Parteipreffe aufgestoßen sind. Doch über die Straswürdig- worte der Welt und gegen den Staatsorganismus, in dem den Staatsstreich anzupreisen. teit der Kritik an Beitereignissen werden wir wohl niemals sie leben, unauslöschliches Mißtrauen einimpfen muß. derselben Ansicht sein mit den Staatsanwaltschaften im Denn dieser staatsanwaltschaftliche Grundfah bedingt, Deutschen Reich. Nehmen wir indeß einmal an, die staats- daß ein Mann, der nach unseren Klasseneinrichtungen den anwaltschaftliche Auffassung sei in allen Fällen, in denen seit dem Scheitern der Umsturzvorlage Anklage erhoben wurde, die richtige; jeder während dieser Frist inkriminirte Satz sei nach unserem Strafgesetzbuch strafbar. Was wäre dadurch erwiesen?
Beamten als ein Höhergestellter gilt, eine Person, niedrigsten Standes" unbedenklich beschimpfen kann, während der Beschimpfte, wenn er der Person höheren Standes in gleicher Münze heimzahlt, schiverer Strafe verfällt. Es ist dabei eine der besonderen Schönheiten eines bureaukratisch- militärischen Doch weiter nichts, als daß eine Anzahl von Staatsorganismus, daß jeder Beamte, auch ein Gendarm, Redakteuren einer ausgebreiteten Parteipresse nicht mit in den Augen eines staatsverwaltenden Kollegen höheren den Augen eines Staatsanwalts zu prüfen vermögen, wo Standes erscheint als irgend ein Mann, der durch selbst ein starker Ausdruck zulässig ist wo nicht, vielleicht auch thätige Arbeit sein Brot verdient.
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Als nenester Staatsstreich- Trompeter bläst der freikonservative Abgeordnete Arendt in die Posaune. Im Deutschen Wochenblatt" verlangt er summarisch Aenderungen des Preß-, Versammlungs-, Vereins- und Strafrechts, um die Sozialdemokraten rechtlos zu machen. Da er nun immerhin Nase genug dafür hat, zu wittern, daß auf gesetzgeberischem Wege unschwer was zu machen sein wird, nicht immer das Feingefühl dafür haben, ob ein solcher Brauchen wir Beispiele anzuführen, daß auch andere verfällt er gleichfalls auf das Gefasel von einem„ NothAusdruck in diesem oder jenem Zusammenhange sich mit Leute in amtlichen Lebensstellungen und von ähnlichem stand, der eine Nothgesetzgebung heischt, zu der der Kaiser dem guten Geschmack verträgt. Darüber mag sich Charakter und Temperament wie der Gendarm Münter und der Bundesrath nicht dem Buchstaben, aber dem Geist mancher aufregen, empfindliche Gemüther mögen sich von diesem ihnen durch die staatsanwaltschaftliche Auf der Verfassung nach befugt find." darüber ärgern, rachsüchtige Nache schnauben, wie der fassung gewährte Schimpfprivilegium ausgiebigen Gebrauch Das Eingreifen des Herrn Arendt hat nur noch gefehlt, Korpsbursch Wiederherstellung seiner Ehre fordert, wenn machen? Wir wollen nur an den Polizeidirektor Feichter um die Staatsstreichlerei lächerlich zu machen. Denn der besagte man ihn tuschirt" hat; aber wie in aller Welt kann in Straßburg erinnern, der sich ähnlicher Ausdrücke gegen Herr, dessen politisches Hauptgeschäft die Vertretung der interman solche angebliche Vergreifungen im Ausdruck zur Be- politische Gegner der Regierung bediente. nationalen bimetallistischen Silberhausse ist, sucht durch rabiate gründung einer Haupt- und Staatsaktion machen wollen, Nun wüßten wir nicht ein einziges Beispiel aus der Teutschthümelei und Patriotenkasperei es bei seiner chriftoWunder, daß damals also jedermann gern sein Geld her und daß sie selber eigenthümlicherweise gar nichts besaßen. gab für die Billete des Lopez. Schließlich hatte er auch Wo war also das Gold hiugekommen! Bielleicht war Herr nicht viel Federlesens gemacht, wenn irgend ein dummer German Winterfeld, der große Geldmann, der in solchen Kerl lieber mit seinen Unzen bleiben wollte und kein Sachen ja Bescheid wissen mußte, im stande, es allen zu Papiergeld mochte. Er hatte sie dann einfach weggenommen. sagen, die ihn danach fragen wollten.
Skizzen[ Nachdruck verboten.
aus dem füdamerikanischen
Hinterlande.
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Und daß am Ende vom Liede die früheren Unzenbefizer Und nach dem großen Kriege waren wieder die Billete Im Handumdrehen wurde er unter die Soldaten gesteckt, gar nichts mehr besaßen, und daß man für die Papiere, aufgetaucht. Nur sahen sie diesmal eleganter aus, wie ohne viel Federlesens zu machen; aber nicht um in der die 16 Pesos bedeuten sollten, nicht einmal mehr eine früher. Damals waren es einfache weiße Zettel gewesen Uniform müßig umherzulaufen, sondern um Zwangsarbeiten Schachtel schlechter Zündhölzchen erhielt, daran war am mit schlechtem schwarzem Druck. Auf einem war ein Ding zu verrichten in der Hauptstadt; um Biegel zu machen, Ende das unschuldige Papier auch nicht Schuld gewesen. das ein Schaf darstellen sollte, auf dem anderen ein Pflug; Häuser zu bauen und Straßen im stand zu halten; Arbeiten, Das hatte der Krieg zu wege gebracht, der die Nation ver- aber alle hatten ganz deutlich die Aufschrift getragen: die schwerer waren, als Mais zu hacken und Tabat zu nichtet hatte, die alles bezahlen wollte; nichts weiter. Jeder Die Nation bezahlt." Die neuen waren sicher schöner. blatten. Und der Sargento stand dabei bei der Arbeit und mußte geduldig tragen und leiden, auch den Verlust seiner Sie hatten allerlei Farben, waren blau und roth, trugen kizelte jeden mit dem Säbel, wenn er lässig sein wollte. Unzen. Dazu war es eben Krieg gewesen. Und der war schöne Frauenköpfe, Dampfschiffe, Lokomotiven, Krieger und Das war nun allmälig alles anders geworden seitdem und heute ja nicht mehr möglich, nachdem der Tyrann und die Freiheitsmützen, die man alle sofort auf den ersten Blick viel bequemer. Schon Lopez der Sohn hatte die Bank- Tyrannen verschwunden waren. erkennen mußte, so schön waren sie dargestellt. Was ver zettel tennen gelernt und für gut befunden auf seinen Allerdings war es, wenn man es recht nehmen wollte, schwunden war, das war die Aufschrift" Die Nation bes Reisen in England und Frankreich . Als er zurück- eigentlich wunderbar, wohin das viele Gold gezahlt". Statt dessen befanden sich in kleiner Schrift die tam, tamen gleichzeitig mit ihm die Papierblätter, gangen war, das das die Tyrannen aufgehäuft hatten. Worte darauf: Die Handelsbank bezahlt" oder„ Die die Geld bedeuteten und waren. Sie waren Unzen, Denn während des Krieges hatte ja keine Waus aus dem Nationalbank bezahlt" und weiter nach dem Gesetz von Besos und Realen, und waren doch nichts weiter als Papier. Lande gehen können, geschweige denn viele große und schwere dem und dem Datum". Die Billets hatten sich allgemach Aber auf jedem dieser Blätter stand klar und deutlich, daß Karraten mit Gold und Silber. Die Brasilianer hatten von Jahr zu Jahr vermehrt, und die Aufschriften, handelnd die Nation diese Papiere bezahlen würde, wenn man es dazumal die ganzen sechs Jahre hindurch einen engen von Banken und Gesezen, waren immer zahlreicher geworden; wollte und sie wollte. Die Nation, dieses unfaßbare und Kordon ums Land gezogen an allen Ausgängen und aber dafür gab es auch jetzt keine Tyrannen mehr. Man ungreifbare Ding, das immer reicher ist als alle Menschen Schlupflöchern, und nie war der große Schaß erschienen. befand sich in einer freien Republik, in der jeder thun und der Republik zusammen, und das noch immer reich ist und Und vor dem Kriege hatte Lopez es nicht erlaubt, daß er laffen konnte, was ihm beliebte. Der Handel war frei, Geld in der Tasche hat, wenn es längst allen mit nach außen ging. Wer konnte sagen, wo er geblieben jeder konnte auf dem Rio Paraguay hin und herfahren einander ausgegangen ist.-- Und wie bequem war das war. Die meisten Besitzer früherer Unzen brauchten sich und kaufen und verkaufen, was er wollte, für Billets oder Papier wie praktisch die neue Einrichtung! Wer früher schließlich auch teine grauen Haare mehr darüber für Gold und Gilber, wie er gerade Lust hatte. ein paar Unzen gehabt hatte in seinem Sack in Gold oder wachsen zu lassen, wo ihr Geld eigentlich geblieben und so zogen tagaus tagein Gold und Silber und gar in Silber, war immer arg genirt gewesen. Er fühlte sein mochte. Sie befanden sich an Sie befanden sich an einem Drte, wo Papier hin und her. Wenn irgend jemand unter ihr schweres Gewicht allenthalben, und sie rissen ihm alle man weder an Gold noch an Papiergeld zu denken braucht den Gauchos nun gerade einmal Silber oder Gold haben Augenblicke die Taschen durch. Der Gaucho fonnte ihret- und sich um gar nichts mehr zu scheeren hat, ebensowenig wollte, sei es um ein Uhrgehänge zu besitzen oder um seiner wegen nicht so behende das Pferd erklimmen, wie er ge- wie der große Banknotenfabrikant Lopez II. selber, der zu China einen Ring machen zu lassen oder einen Haarkamm, mocht, und wollte er sie zu Hause laffen deswegen, so Cerro Corá faulte. Die anderen lagen an den Lomas ta- oder für sich selber einen Peitschenbeschlag oder silberne wußte er nicht, wo er fie unterbringen sollte, da lentinas in den Sümpfen, am Paso de la patria, in den Sporen, ging er einfach in die Bank mit seinem Billet and er feinen so sicheren Geldschrank hatte, wie ihn Wäldern des Landes, oder sie waren gar hinunter- siehe da, die Bank bezahlt, was früher die Nation nicht 3. B. Herr German Winterfeld besaß. Billete waren geschwommen den Rio Paraguay hinunter und ruhten in gethan hatte. Zwar nicht immer in Unzen, wie man wollte; also zu praktisch. Die Weiber steckten die Bettel einfach den Mägen der Alligatoren und des Fischzeugs, das ihre aber doch klingendes Geld irgend welcher Art. In der letzten in den Busen und spürten gar nicht, daß sie einige Leiber gefressen hatte. Aber hin und wieder gab es doch Zeit hatte sie allerdings nicht ganz mehr soviel gezahlt, wie Pfund Silber umhertrugen, und die Gauchos knüpften fie noch einen Sohn oder eine Tochter, die sich daran erinnerten, fie eigentlich sollte und wie auf dem Bettel stand. ins Halstuch und ritten leicht und behende davon. Was daß seine Eltern ihrer Zeit einmal Gold und Silber besessen hatten ,! ( Fortsetzung folgt.)