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Abendausgabe

Nr. 113 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 56

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8. März 1927

Vorwärts=

Berliner   Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Noch keine Verständigung mit Polen  . Der Kampf um das Notgesets.

Jeder wartet auf den ersten Schritt des andern.

V. Sch. Genf  , 8. März.( Eigener Drahtbericht.) Obwohl verschiedenheiten über die Auslegung des Locarnovertrages heute schon der dritte Tag ist, an dem der deutsche und der polnische erkennen. Die letzte Rede des Grafen Westarp bezeichnete der Außenminister in der gleichen Stadt verweilen, ist es zwischen ihnen Staatssekretär, um seine Meinung befragt, als ausgezeichnet.(!) noch immer nicht zu einer Aussprache über den deutsch  . Es gebe sehr viele Zugeständnisse, denen die deutsche Deffentlichkeit polnischen Konflikt gekommen. Sonntag war es wohl noch zu früh. zugestimmt habe, aber sie höre fich nicht gerne daran erinnern. So Der geftrige Montag war tatsächlich außerordentlich überlastet, aber lei es besonders mit der Berufung auf die Freiheit des Durch auch heute nachmittag ist teine Unterredung vorgesehen. Anscheinend marschs der Heere durch unser Gebiet, um Polen   und Tschechen kann sich keiner von den beiden Herren entschließen, den er ften gegebenenfalls zu unterstützen. Was Elsaß- Lothringen   anlange, so Shriff zu fun. Beide Teile tun fo, als hätten sie es nicht sehr sei niemals im Locarnovertrag bestimmt worden, daß, wenn jede eilig. Auf diese Art werden sie aber nur erreichen, daß anstatt der beiden Provinzen einen unabhängigen Staat bilden wolle, einer direkten Verständigung irgendein drifter, sei es Chamberlain es ihnen untersagt sei. Ueber die deutsch  - polnischen Beziehungen oder Briand  , seine Vermittlung anbieten wird, die dann nicht wird erklärte Schubert: Wenn wir die Handelsbeziehungen mit Polen  abgefchlagen werden können. unterbrochen haben, so deswegen, weil Polen   lernen muß, seine eigenen Interessen zu erkennen. Es weist aus seinem Gebiet die Untertanen aus, die hervorragend befähigt find, die Dinge in Polen   zu verstehen. Wir brauchen Klarheit in unseren Beziehungen mit Bolen. Bon allen Ländern Europas   hat Deutschland   die meisten Interessen in Polen  , die im Gegensatz zu Frankreich   und den Borrang haben." Eine Lösung sehe er in der Form eines England wirtschaftlicher Natur sind und gegenüber den politischen Rorridors nach Danzig  . Ein Zugang Bolens zum Meer könne ähnlich dem der Tschechoslowakei   eingeräumten sein.

Der Schulstreit einer Kommission überwiesen. V. Sch. Genf  , 8. März.( Eigener Drahtbericht.) Die heutige Bormittagssigung des Völkerbundsrates war nur furz, und wurde Don Stresemann, der sich in seine Vorsitzendenrolle sehr gut ein­gespielt hat, in flottem Tempo geleitet. Einziger Beratungspunkt war die Beschwerde des deutschen   Volksbunds über die oft ober. schlesischen Minderheitsschulen. Der Berichterstatter Urrutia- Columbien hat bisher nur einen rein referierenden Bericht ausgearbeitet, ohne zur Sache selbst Stellung zu nehmen. Er bat um Ernennung zweier Beisiger, die ihm bei der schwierigen Entscheidung behilflich sein sollen. Es wurden Scialoja- Italien   und van Trostwijt- Holland dazu bestimmt. Zwei Thesen stehen sich bekanntlich gegenüber. Die These des Deutschen Boltsbundes, die Don Calonder unterstügt wird, wonach ausschließlich der Wille der Erziehungsberechtigten für die Errichtung und den Besuch der deutschen   Minderheitsschule maßgebend sein müsse und dię polnische These, wonach man den Kindern polnischer Eltern nicht den Besuch deutscher Schulen gestatten fönne, weil das bedeuten würde, daß Minderheitsschulen für die Bevölkerungsmehrheit richtet werden. Ueber diesen Rechtsstreit wird wohl schließlich doch ein Gutachten des Haager Gerichtshofes eingefordert werden. Ferner beschloß der Völkerbundsrat auf Antrag des Bericht erstatters Bandervelde die Einberufung einer Breffetonfe­renz auf den 24. August d. J. nach Genf  . Zu dieser Konferenz sollen in erster Linie die Direttoren der großen Nachrichtenagenturen fowie der großen Blätter eingeladen werden. Die Wahl der Sach­verständigen wurde dem Berichterstatter Vandervelde   in Gemein­schaft mit dem Generalsekretär des Bölkerbundes übertragen. Grundlage der Arbeiten der Konferenz soll das Ergebnis der Be­zatungen der Konferenz der Nachrichtenagenturen vom August v. J. über Tariffragen, Berbesserung der technischen Verbindungen und das Eigentumsrecht an Nachrichten bilden.

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Italien   für das rumänische Bessarabien.

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Ratifikation unter englischem Druck.

Das böse Gewissen der Chriftlichen.

Die christlichen Gewerkschaften sind aus der Front der Gewerkschaften ausgebrochen und haben sich in der Frage der Arbeitszeit eingereiht in die Front des Bürgerblods. Weil der Borwärts" diese Tatsache festgestellt hat, veröffent­licht der Deutsche  " aus der Feder des Herrn Steger­wald einen Abwehrartikel schwersten Kalibers.

Zunächst wird erzählt, daß die Sozialdemokraten ihre Eristenz nur der Großmut der christlichen Gewerkschaften verdanken. Als das sozialdemokratische Parteigebäude nach dem Umsturz selbst ins Wanten und Stürzen tam, hat es. die christliche Arbeitnehmerschaft abgelehnt, diese Situation agitatorisch auszunuzen und über die Sozialdemokratie her­zufallen." So Herr Stegerwald, der sich offenbar nicht der Lächerlichkeit dieser Behauptung bewußt wird.

Weiter erklärt Herr Stegerwald, daß es die christlich­nationale Arbeitnehmerbewegung gewesen sei, die sich der wiedererwachten sozialpolitischen Reaktion entgegenstellte, während die freien Gewerkschaften und die Sozialdemokratie feige die Flinte ins Korn warfen. Das war wohl zur Zeit. als Herr Stegerwald in Preußen der Rechtsregierung präsidierte.

des Bürgerblods erfährt man allerdings nichts. Geheimnis­Ueber die Gründe des Abschwenkens in das Lager voll wird nur gesagt, daß die christlichen Gewerkschaftsver treter sich in die Front des Bürgerblods eingereiht haben, um die Interessen der Arbeiterschaft ,, taktisch am geschichtesten wahrzunehmen". So mancher glaubt, taktisch besonders. schlau zu sein, wenn er sich von andern über den Löffel barbieren läßt.

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Statt der Gründe, die man nicht eingestehen fann, zieht Herr Stegerwald im Deutschen  " ein Schimpfregister auf, für das ihn die Rote Fahne" beneiden tönnte. Man wirft uns maßlose und unehrliche Hetze gegen die christlichen Ge­werkschaften vor, erklärt, daß man den tiefsten Abscheu über eine so verlogene Kampfesmeise empfinde, behauptet, daß die Sozialdemokratie weder Rückgrat noch Pflicht- und Ber­antwortungsgefühl habe, daß fie fich feige von der Traglaft einer pofitiven Mitarbeit drücke usw. Wie diese positive Mitarbeit nach Herrn Stegerwald aus­Rede nachlieft, die er am Sonntag in Fulda   gehalten hat. Nach dem Bericht der ,, Germania  " sagte Herr Stegerwald u. a.:

Genf  , 8. März.( Tul.) Der italienische Delegierte im Böller bundsrat, Senator Sci aloja, übermittelt foeben der Pressé fol­gende Mitteilung: Der italienische Ministerrat hat beschlossen, die internationale Konvention über die 3ugehörigteit von Bessarabien   zu Rumänien   vom Jahre 1920 zu ratifizie Die italienische Regierung hat sich hierbei von der Auf­erfassung leiten laffen, daß die Ratifikation dieses internationalen Pattes nicht länger hinausgezogen werden könne. Die italienische Regierung habe niemals die Bedeutung diefes inter­nationalen Abkommens verkannt, habe aber die Ratifikation bisher verzögert in der Hoffnung, daß die beiden beteiligten Regierungen, die von Sowjetrußland und Rumänien  , sich in diretten Versieht, darüber bekommt man einen Einblid, wenn man die handlungen über diese Frage einigen würden. Die italienische Regierung betont jedoch, daß in der nunmehr erfolgten Ratififation des Bessarabienabkommens feinerlei feindselige Handlung gegenüber Rußland   zu sehen sei.

v. Schubert macht in deutschnationaler Politik. Paris  , 8. März.( Tul.) Der Excelfior" veröffentlicht eine Unterredung feines Genfer   Berichterstatters mit Staatssekretär v. Schubert. Das von Briand   dem Petit Parifien" gewährte Interview, so erklärte Herr v. Schubert, laffe gewisse Meinungs

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Italien   hatte noch vor wenigen Monaten Rumänien   die Rati fitation des Bertrages verweigert, weil es mit der Sowjetunion  gut stehen wollte. Daß die Ratifikation jetzt beschlossen wurde, beweist, daß England dahinter stedt. Es läßt sich die Unterstügung der italienischen Politif mit der Ratifizierung einer gegen die russi­schen Ansprüche gerichteten Vereinbarung bezahlen. Natürlich han delt es sich um feine feindselige" Handlung im technischen Wort­finn, zweifellos aber um einen diplomatischen Aft, den Moskau   als starte Unfreundlichkeit von seiten Roms empfinden wird.

Die Agrarier fordern.

Der Reichslandbund bei der Regierung des Besitzblocks.

Amflich wird mitgeteilt: In der Reichskanzlei fand gestern eine Besprechung des Reichstanzlers mit dem Präsidium des Reichslandbundes, in Gegenwart des Reichswirt­fchaftsministers, des Reichsernährungsministers, des Reid, sjuftizministers, for.e Vertretern des Auswär­figen Amtes und Reichsfinanzminifteriums über handels­politische Steuer- und kreditfragen statt.

Beim Wiederzusammentritt des Reichstages will der Bürgerblod die Forderung der Arbeiterschaft nach dem Ach t- stundentag abwürgen. Dafür meldet der Reichs­landbund die Forderungen der Großagrarier an. Man tennt sie: höhere Zölle, höhere Breise, weniger Steuern, mehr Kredit. Herr Schiele und Hergt, die deutschnationalon Minister, erschienen vor der Agarier delegation. Der Reichsfinanzminister, der ressort mäßig an diesen Forderungen mindestens so start interessiert ist wie der Reichsjustizminister Hergt, ließ sich der treten. Aber Herr Hergt muß Eifer zeigen, wenn die Agrarier fordern.

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Die Krise in   Mecklenburg. Bolkspartei für Bürgerblock. Temokraten lehnen ab. Die Bollspartel in Medlenburg hat sich in den letzten Tagen mit der dort bestehenden Regierungsfrise befaßt und folgende Enfchließung angenommen:

Die Prüfung der gegenwärtigen politischen und wirtschaft. lichen Lage läßt die Bildung einer bürgerlichen Roa Iitionsregierung auf möglich breiter Grundlage geboten erscheinen. Nach parlamentarischem Brauch ist es Pflicht der Frattion der Deutschnationalen Boltspartei, als

der größten bürgerlichen Fraktion des Landtages, Berhandlungen über die Bildung einer solchen Regierung einzuleiten."

Der Sinn dieser Entschließung ist die Bildung eines Bürger blods auch in Mecklenburg-   Schwerin. Inzwischen haben die De mofraten bereits verlautbaren lassen, daß sie fich an einer solchen Regierung nicht beteiligen. Sozialdemokraten und Demo fraten werden jedenfalls bei der morgen stattfindenden Neuwahl des Ministeriums die bisherigen Minister präsentieren.

Der Ueberfall in Nastaetten.

43 Nationalsozialisten in Untersuchungshaft, 25 in Polizeigewahrsam

Koblenz, 8. März.( BTB.) Von den wegen des Ueberfalls in Rafta etten verhafteten 69 Nationalsozialisten wurden 43 in das Untersuchungsgefängnis eingeliefert, die übrigen 26 mit Ausnahme eines Kraftwagenführers, der frei gelassen wurde, verblieben im Bolizeigewahrsam. Der Ein berufer der Versammlung in Raftaetten, die von den National­fozialisten gesprengt worden war, waren Geistliche beider chriftlichen Bekenntnisse und Rabbiner. Der einzige bei den Zusammenstößen abgegebene Schuß, der von dem fáwerbedrängten Oberlandjäger in die Menge gefeuert worden war, traf einen achtzehn jährigen Jüngling aus   Singhofen in die Stirn und führte fetmen Tod herbei.  

Deutsch- französische Handelskonferenz.

Die Führer der   deutsch- französischen Handelstonferenz haben sich auf eine neue Basis geeinigt. Dr. Poße begibt sich mit dem Protokoll nach   Berlin. Das Reichsfabinett wird morgen zu den Bereinbarungen Stellung nehmen.

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Bei der gekennzeichneten, sehr unterschiedlichen Arbeitszeit fann man nicht mit einem Schlage plötzlich den Achtstundentag gefeglich für die ganze deutsche gegenüber der   deutschen Wirtschaft, als wenn man den Elefanten Wirtschaft Dorschreiben! Das ist dieselbe Prozedur. auf den Porzellanladen losläßt. Was in dem llebergangsgesetz er­stunden ein angemessener 3 uschlag bezahlt und daß die frei reicht werden muß, ist, daß für alle Arbeit über 48 Wochen­stunden ein angemessener 3uschlag bezahlt und daß die, frei­willige Mehrarbeit" über 10 Stunden täglich entweder gefeßlich verboten oder mindestens so eingeengt werden muß, daß fie nur in vereinzelten Ausnahmefällen zulässig ist.

Für eine derartige positive Mitarbeit" haben die Gewerkschaften sowohl wie die Sozialdemokraten allerdings feine Lust, die politische Traglast zu übernehmen. Herr Stegerwald erklärt rund heraus, daß nach den Absichten des Bürgerblocks, den zu unterstützen die christlichen Gewerf­schaftsvertreter bereit und entschlossen sind, nicht nur der 3ehnst und entag zugelassen werden soll, sondern fogar darüber hinaus eine Arbeitszeit, über deren Grenzen Herr Stegerwald sich in ein Dunkel hüllt, das gar nicht mystisch ist.

Troß der Zweieinhalb Millionen Arbeiter, die in Deutsch­  land vergebens nach Arbeit ausschauen und von der Gesamt­heit mit Hungergroschen mühsam über Wasser gehalten werden müssen, erklärt Herr Stegerwald, daß es nicht an gängig sei, nun auf einmal zum Achtstundentag zurückzu­lehren. Wenn man diese Absichten des Bürgerblocks aus bem Munde des Herrn Stegerwald erfährt, dann begreift man die Aufregung im   Deutschen". Die christlichen Arbeiter, die schon jetzt rebellisch sind, sollen abgelentt werden. Man will ihnen einreden, daß die christlichen Ge­mertschaften die Interessen der Arbeiter ,, taktisch am ge­schicktesten" vertreten, indem sie den Achtstundentag preisgeben.

Ein anderer christlicher Gewerkschaftsvertreter, der volks­parteiliche Reichstagsabgeordnete Otto Thiel, veröffentlicht in der Täglichen Rundschau" einen Leitartikel, der bezeich nenderweise mit folgendem Satz beginnt:

Der Kampf um die zufünftige Gestalt der Vorschrift über die Arbeitszeit hat sich nachgerade zu einer Landplage ausgewachsen."

Also so führen die christlichen Gewerkschaften den Kampf um den Achtstundentag! Sie empfinden ihn als eine ,, Land­plage". Sie ziehen es vor, sich in die Klubräume des Bürgerblods zu flüchten, um dort die Interessen der Arbeiter so zu vertreten, daß, wie Herr Stegerwald in   Fulda an­gekündigt hat, die Rückkehr zum Achtstundentag verhindert und der Zehn- und Zwölfftundentag ermöglicht wird.

Borausgefeht natürlich, daß die Arbeiter sich das gefallen laffen. Das steht allerdings auf einem anderen Blatt, und ficherlich nicht im Programm des Bürgerblocks. Wie man im Lager des Bürgerblocks denkt, dafür spricht nicht nur der Entwurf der Reichsregierung, man braucht nur zu lesen, was die Koalitionsgenossen der chriftlichen Gewerf­schaften darüber schreiben, um Klarheit zu bekommen. Um