können die Arbeiter gar nicht lange genug arbeiten und nicht schlecht genug entlohnt werden. Die im Reichsverband der Deutschen Industrie und in der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände maß» f lebenden Herren, die heute im Bürgerblock das große Wort ühren, sehen allerlei Gefahren für den Bestand der kapitalistischen Gesellschaft, wenn der Arbeiter und der An> gestellte bei kurzer Arbeitszeit eine große Kaufkraft besijjt, anders ausgedrückt, wenn es ihnen gut geht. Dem Ar- beiter und dem Angestellten kann es nach der Praxis dieser prominenten Unternehmervertreter gar nicht schlecht genug gehen. Wir wollen hier gar nicht auf die amerikanischen Unter nehmer oerweisen, die bei der Vertretung ihrer kapitalistischen Interessen gewiß nicht hinter den deutschen Unternehmern zurückstehen. Wir möchten aber nur einmal hier die Frage stellen, wie man sich im Bürgerblock die F o l g e n der wirt- schaftlichen Entwicklung in dem jetzt eingeschlagenen Tempo vorstellt. Alle Programme der Arbeitsbeschaffung, alle Not- standsarbeiten haben sich als wirkungslos ergeben. Die Arbeitslosigkeit ist nicht geringer geworden. Wenn wir von den Saisonschwankungen des Arbeitsmarktes absehen, dann kann man wohl sagen, daß wir gegenwärtig in Deutschland im Durchschnitt ein Heer von Arbeitslosen von zwei Millionen unterhalten müssen. Geht es in dem gegenwärtig beliebten Schlendrian in der Arbeitszeitfrage weiter, dann wird bei der fortschreitenden Rationalisierung auch dieses stehende Arbeitslosenheer noch vermehrt werden. Glaubt jemand ernsthaft im Bürgerblock, daß man damit Zuständen entgegentreibt, die zu Wirtschafts- frieden und zur Stabilisierung des kapitalistischen Systems führen? Jedenfalls wird innerhalb des Bürgerblocks bei dem Kampf gegen die Wiederherstellung des Achtstundentags über- sehen, daß die Arbeiterschaft nicht nur ein Faktor im Pro- duktionsprozeß und auf dem Warenmarkt, fondern auch ein politischer Faktor von entscheidendem Gewicht ist.
Christliche Arbeiter für �lchtstunüentag. Protest gegen die Regierungsvorlage. Köln . 11. März.(Mtb.) Das deutsch « Gewerkschaftskartell Köln tchristlich-nationale Gewerkschaft) hat abermals zur Arbeitszeit- frage Stellung genommen und in einer Entschließung erklärt, daß die Gesetzesvorlage über die Arbellszeitftage nicht den berechtigten Erwartungen entspreche. In dem Gesetz müsse festgelegt werden, daß der Achtstundentag nicht nur theoretisch, sondern auch p r a k- tisch zu gelten habe. Der vorliegende Entwurf enthalte zwar grundsätzlich den Achtstundentag, doch seien derart weitgehende Aus- nahmen zugelassen, daß in Wirklichkeit der jetzige Zustand noch erheblich verschlechtert werde. Der vorläufige Zinanzausgleich. Eine politische Regelung zugunsten Bayern ». Nach wochcnlangen Verhandlungen sind die Regierungsparteien endlichn unter sich soweit einig geworden, daß st« dem SteuerausschuH des Reichstags einen gemeinsamen Abänderungsantrag zu der Re- gierungsvorlage über den Finanzausgleich unterbreitet haben. Der Antriig sieht vor, daß das Provisorium statt auf ein Jahr auf zwei Jahre verlängert wird. Die G e s a m t g a r a nt i e für die Einkommen-, Körperschafts- und Umsatzsteuer zusammen soll von 2,4 Milliarden auf 2,6 Milliarden erhöht werden. Die be- sondere Umsatzsteuergarantie, die der Reichsrat verlangt und die die Reichsregierung bekämpft, soll in Fortfall kommen. Dafür aber will man eine andere Verteilung der auf- kommenden Steuerbeträge vornehmen. Don dem Gesamtbetrog sollen 456 Millionen nicht nach dem örtlichen Aufkommen, sondern nach der Bevölkerungszahl zur Verteilung gelangen.
Außerdem aber ist eine neue Vorschrift vorgesehen, die die Lände? veranlasten soll, in ihren Bestimmungen über die eigen« Real- besteuerung über die Bemessung der Gemeindeantelle an den Reichs- steuern, sowie über die eigenen Steuern der Gemeinden Vorsorg« dafür zu treffen, daß die Mehrerträge der Ueberweisungen aus den Reichssteuern in erster Linie zurSenkung derRealsteuern verwendet werden. Ueber die gemeindlichen Getränke- st e u e r n wird in dem Antrag nichts gesagt, so daß anzunehmen ist, daß die Regierungsparteien in dieser Frage nicht einig sind. Die Regierungsparteien legten aber ferner einen Antrag vor, der den Anteil Bayerns an der Bier st euer von 17 2<X> 000 M. auf 45 Millionen erhöht, den Württembergs von 3.3 auf 8,6 Millionen und den Badens von 2,2 auf 5,7 Millionen er. höht und zwar teilweise rückwirkend für 1926. Eine weitere Be- stimmung garantiert den vorwiegend agrarischen Ländern. vor allem Bayern , ihren Anteil an der Einkommen, und Körper- schastssteuer nach§ 35 des Finanzausgleichsgesetz trotz der Mehr- Überweisung aus dem neuen Umsatzsteuerschlüssel. Nach einer dürftigen Erläuterung dieses Antrags durch di« Re- gierungsparteien oertagte der SteuerausschuH seine Beratung auf Montag. Die von den Regierungsparteien vorgelegten Abänderungsanträge verändern den Charakter des provisorischen Finanzausgleichs völlig. Aus einer sachlichen, auf die Bedürfnisse von Reich. Ländern und Gemeinden abgestellten Rege- lung wird eine rein politische Regelung. Unter dem Druck der Bayerischen Volkspartei stnd Bayern Zugeständnisse gemacht worden, für die eine sachlich« Begründung nicht ge- geben werden kann. Bayern , das di« teuerste und veralteste Der- waltung besitzt, das seine eigenen Steuerquellen künstlich schwächt, erhäll auf Kosten anderer Ländern und auf Kosten des Reiches Sondervorteile. Da außerdem angekündigt ist, daß auch die Ab- f i n d u n g e n Württemb«rgs und Bayerns für ihr P o st r e g a l erheblich aufgewertet werden sollen, ergeben sich weitere schwere Be- lastungen des Reiches, zumal auch Preußen für seine Eisenbahn- abfindungen bereits feine Aufwertungsansprüche anmeldet. Alles in allem kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Rechtsblock die Regelung des'Finanzausgleichs in erster Linie zu einer Stabilisierung seiner politischen Herrschaft durch finanzielle Konzessionen an Bayern be- nutzen will. Hrzefinfti in Dochum. Grundsteinlegung zum neuenPolizeipräfidium-Uebergabe der Polizeiuntertunst„Minister Karl Geveriug". Lochum. 10. März.(Eigener Drahtbericht.) Am Donnerstag wellte der preußische Innenminister anläßlich der Grundstein- l e g u n g zu dem neuen Polizeipräsidium und zur Ueber- gäbe der neuen Polizeiunterkunft an die Schutzpolizei in Bochum . In der bei dieser Gelegenheit gehaltenen Rede befaßte sich Grzestnski auch mit dem neuen Polizeibeamtengesetz. Der Gesetzentwurf bring« grundsätzlich den immer wieder von den Polizeibeamten geforderten einheitlichen Aufbau der Polizei. Er bringe auch eine Rege- lung ihrer Stellung im Beamtenrecht. Die Polizeibeamten- schaft müsse sich bewußt sein, daß jede ihrer Handlungen zu er- folgen habe unter dem Gesichtspunkt freudiger hingebender Be- jahung des neuen republikanischen Staates und seiner Verfassung. Der Innenminister gab dann der neuen Polizeiunterkunft zur Er- innerung an die Verdienste des Ministers Severing um di« Or- ganisation und die Festigung des Staates und insbesondere um die großen Verdienst« Severings um das Ruhrgebiet den Namen „Polizeiunterkunft Minister Karl Severing ". Bei der Begrüßung der Mannschaften in der Turnhalle der neuen Polizeiunterkunft, zu der Minister Grzesinski in Begleitung der Vertreter der Berliner Regierung, des Regierungspräsidenten K ö n i g- Arnsberg sowie des Polizeipräsidemen S ti ebler und des Offizierskorps erschien, wurde der Innenminister von den Offi- zieren und Mannschaften mit lautem Jubel begrüßt, spontan auf die Schultern gehoben und unter endlosen Hochrufen durch die Turnhalle getragen. Der Innenminister war von
dieser spontanen Huldigung völlig überrascht und brachte seinen herzlichen Dank darüber zum Ausdruck, in der er in erster Linie ein Symptom des Geistes einer neuen Zeit und zwar des immer mehr sich durchsetzenden Gedankens der republikanisch-demokra- tischen Staatsform erblicke.
Genfer Entscheidungen fallen morgen. Eine Ueberwachungsfrage. V. Lab. Gens. 11. März.(Eigener Drahtbericht.) In der Saarfrage ist noch immer kein Fortschritt zu melden. Indessen wurde dieser Punkt auf die morgige Tagesordnung gesetzt, da man hofft, bis dahin eine Einigung zu erreichen und die Kraftprobe einer Abstimmung im Rat auf diese Art zu vermeiden. Ebenso wird der oftoberschlesische Schulstreit erst am Sonnabend zur Beratung kommen, da über die Einzelheiten der Einigung weiter verhandelt werden muß. Endlich ist der u n g a r i s ch- r u m ä n i s ch e Kon- f l i k t endgültig auf die I u n i t a g u n g verschoben worden, da es sich als unmöglich erwiesen hat, innerhalb weniger Tage eine Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Seiten dieses Problems zu erzielen. Infolgedessen beschäftigte sich die heutig- Ratssitzung nur mit Rebenpunkten, von denen die Frage des Opiumhandels die relativ wichtigste war. Ueber einen weiteren Gegenstand der Tagesordnung, von dem bisher kaum gesprochen wurde, der aber für Deutschland recht unan- genehm ist, wird hinter den Kulissen noch eifrig verhandelt. Es handelt sich um die Ueberreichung der Liste der deutschen zivilen Flugzeugführer. Deutschland hat sich seinerzeit bei der Unter- Zeichnung de» Luftfahrabkommens dazu verpflichtet, diese Liste beim Völkerbundssekretariat zu überreichen, jedoch zu einer Zeit, als das Investigotionsrecht des Völkerbundes noch nicht geregelt war. Deutschland befürchtet nun, daß dies« von ihm geforderte Vertrags- «rfüllung als eine erst« Investigation aufgefaßt werden könnte. Man ist daher bestrebt, in gütlichem Einvernehmen ein« Ab- setzung dieses Gegenstandes von der Tagesordnung der jetzigen Session des Rates zu erzielen und die Wünsche der Gegenseite auf ander« Art zu befriedigen. Darüber verhandelt« im Laufe des gestrigen Tages schon während mehrerer Stunden Staatssekretär v. Schubert mit dem Berichterstatter des Rates über diesen Punkt, dem tschechostowakischen Außenminister Benesch. Benesch hat sich nicht abgeneigt gezeigt, Deutschland entgegenzukommen und es wird zurzeit noch eine Einigungsformel gesucht.
Garantievertrag Sowjetunion�Cettlanü . Ei« Durchbruch durch die russische Selbstisolierung. Moskau , 11. März.(MTB.) Das Mitglied des Volkskom- missariats für Auswärtiges. Araloff, und der lettische Minister des Aeußern. Zielens, haben den Garantievertrag zwischen der Sowjetunion und Lettland paraphiert. Noch nicht in Ueber- einstimmung gebracht stnd lediglich die Texte der Anhäng« zum Der- trage, darunter der Text der Note Lettlands über seine Beziehungen zum Völkerbund im Zusamemnhang mit dem Garantieoertrag. Die Verhandlungen über die Anhänge zum VeOrag wird der beooll- mächtigte Vertreter der USSR. in Lettland , Lorenz, führen.
5ememorüprozeß Vilms. Tie Verteidigung beruft sich auf die Verfassung von Weimar! vor dem Schwurgericht des Landgerichts lll begann heute unter Vorsitz von Landgerichrsdirektor Siegert der Fememordprozeß Wilms. in dem sich wegen Mordes, Anstiftung zum Morde und Begünstigung folgend« Angeklagte zu verantworten hoben: Der kaufmännische An- gestellte Oberleutnant a. D. Fritz Fuhrmann aus Potsdam , der Bergwerksvolontär, ehemalige Feldwebel Peter Umhoier aus Petershagen bei Berlin, der Landwirt Erich Klapproih, der Direktor des Verbandes der Landvolkgenossenschaft Oberleutnant
Mutter unS Sohn. Von M. Soschtschenko . Ich habe dieses Gespräch wortgetreu aufgeschrieben. Und Gott straf« mich, wenn ich auch nur etwas übertrieben habe. Ich habe nichts übertrieben. Es ist alles genau so gewesen wie ich sage. Das Gespräch fand im Gefängnis statt. Im Besuchsraum. Eine Mutter kam, ihren Sohn zu besuchen. Es war ein wahrhast inniges Wiedersehen. Die Mutter weinte vor Freude und auch der Sohn schien sehr gerührt zu sein. Nachdem die erste Wiedersehenssteude vorbei war, setzten sich beide nebeneinander auf«ine Bank. So, sagt« der Sohn, da bist du also. Ja, Waßinka, sagte die Mutter. So, wiederholte er. Voller Interesse schaut« er auf die kahl«, graue Wand, dann auf den Ofen, aus die Tür und richtete schließlich den Blick auf seine Stiefelspitzen. So, sagt« er zum dritten Male und seufzte. Die Mutter seufzt« auch und schaute sich im Zimmer um. während sie an den Fransen ihres wollenen Umschlagtuches zupft«. Na ja, sagte der Sohn und putzt« sich geräuschvoll die Nase. Danach saßen sie drei Minuten schweigend da. Endlich sagt« der Sohn: Weißt du. Mutter, die Besuchszeit ist neuerding» sehr vertürzt worden. 20 Minuten soll sie jetzt nur noch dauern. Das ist aber wenig, sagte die Mutter vorwurssvoll. Ja, wirklich, das ist nicht viel, erwiderte er. Ich denke, Waßinka, daß das sogar sehr wenig ist— 20 Minuten. Man kann sich ja nichts sogen, gor nichts... Die Mutter schüttelte betrübt den Kopf und fügte hinzu: Na, ich werde schon gehen, Waßinka, es wird Zeit. Na gut, Mutter, geh. Beide standen eifrig auf, seufzten und umarmten sich. Der Sohn sagte: Na ja. Gut. Besuch' mich doch mal, Mutter... ja, was wollte ich denn noch jagen? Ach so, raucht der Herd in der Küche immer noch? Der Herd? Ja, Waßinka. Der raucht immer noch. Neulich war die ganze Wohnung voll Rauch... So, ja... na, dann geh, Mutter... Mutter und Sohn blickten einander liebevoll und zärtlich an und trennten sich. <«u» dem Russischen von Nina Stein)
3m Theater am Schiffbauerdamm findet am 13.. abend« S Uhr, die 200. Siufiührung von RaunalS.Grabmal de« unbekannten Soldaten- in der Inszenierung von Berthold Viertel , mit Erila Burgin, Ernst Karchow , Robert Müller statt.
5ranzöststhe Schauspieler im Theater öes Westens. Noch bevor die französischen Schauspieler gekommen waren, ent- stand ein Streit. Die Impresarien, die auf eine pompös« Reklame erpicht waren, gaben alle französischen Schauspieler als Bonzen der Eom4die Fran<:aise aus. Darauf wehrte sich der Direktor des fron - zösifchen Nationaltheaters und schimpft«, weil durch die Weltreise- künstle? in Frankreich der Name seines ehrwürdigen Hauses miß- braucht werde. Die Berliner Manager wurden etwas kleinlauter und dämpften auch das große Gerede von dem Locarno der Kunst, das durch dieses Gastspiel eingeweiht werden müßt«. Hüben und drüben viel zuviel Großmäuligkeil, und die Tatsach« allein besteht. daß di« Franzosen bei uns ein wenig Ruhm und vielleicht auch«in wenig Geld erwerben möchten. Denn es geht den Theatern in Paris miserabel und man ist gelegentlich froh, wenn man sich und seine Kunst für eine Weile exportieren darf. Darum wollen wir gar nicht erst prüfen, wer Pensionär der Comödie Frangaise ist und wer nicht, wir wollen nur sehen, wie die gastierenden Franzosen spielen. Sie spielten am ersten Abend, ohne im Guten oder im Bösen aufzuregen. Sie führen mit sich das Fräulein Mari« Bell— als Vedette— als Zugkraft oder Kanone, sagen die Manager. Fräulein Bell ist wirklich ein liebes Wesen, eine geschmackvolle und takwolle Beherrscherin ihrer Gaben, sie spielt im Mussetschen Singspiel„M it der Liebe soll man nicht spaßen" jene spröde, vertändelte junge Dame, die mit dem Kloster liebäugelt, weil sie den Anbeter quälen möchte. Traurig wird der Anbeter und tröstet sich mit einem unschuldigen Bauernmädchen. Die süße, naive Rosette nimmt das Spiel ernst und geht in den Tod, als sie erkannt, daß sie nur gefoppt wurde. Die spröde und heuchlerische Liebhaberin fällt vor einer unschuldigen Leiche in Ohnmacht. Fürwahr, es wird sehr tragisch erwiesen, daß man mit der Liebe nicht scherzen darf. Die Franzosen haben dieses kleine Theaterstück der Romantik für den ersten Abend auserwählt. Müsset, der bezaubernd« Vers- dichter und leidenschaftliche Lebenskünstler hat für das kleine und kleinbürgerliche Kammertheater so rührend langweilig und eintönig gedichtet, daß die Haustöchter in den Mädchenpensionaten ihn heute noch dilettierend deklamieren dürfen, ohne daß ihr« Tugend er- schüttert wird. Trotzdem steckt mehr darin und dahinter. Es steckt auch in diesem Dramolett die passionierte Romantikerlust, die Liebessensationen mit peinigender Gründlichkeit auszukosten. Da wir zum lebendigen Kunstgenuß und nicht zur philologischen Betrachtung ins Theater ge- rufen wurden, müssen wir über das literaturhistorische Thema schweigen._ � H- Mar Barchel am Vortragstisch,»ei der Sozialistischen Arbeiterjugend im Bezirk Lichtenberg las Max B a r t h e l aus eigenen Werken. In der Aula der Schule an der Parkaue hatte sich eine große Schar Iungsozialisten ver- sammelt um den proletarischen Dichter zu hören. Äarthel ist kein Meister der Vortragskunst. Manche Verse konnte man sich viel inniger und warmherziger gesprochen denken. Am besten log ihm der harte Rhythmus proletarischer Lieder und freie Prosa. Aber schließlich war ja auch der Sprecher Barthel unwesentlich: es kam auf den Dichter an. Diesem galt mit Recht die Begeisterung seiner
jugendlichen Hörer. In dem Bericht vom Hamburger Iugendtag „Rote Fahnen und golden« Lichter" formulierte er das Gesetz des Sozialismus und sein Ziel: Menschenverbrüderung, gegenscitigcs Verstehen der fernsten Nationen, nicht durch die äußerliche Hilf« der Sprache, sondern durch das inner« Wissen, daß jeder jedes Bruder sst. Doch Barthel ist kein etstatischer Dichter. Er glaubt, er hofft: aber er sieht das Leben wie es ist. Das zeigt« er in einer Erzählung„Nina und Carlos", einer kleinen, fast sentimentalen Liebesgeschichte von nüchternster Struktur, die gerade durch die Selbstverständlichkeit, mit der sie erzählt wird, packte. Neben den Prosastücken hörte man noch Gedichte aus dem Gedichtband„Tot- schaft und Befehl". Umrahmt wurde die Veranstaltung von schönen Musikdarbietungen der Iungsozialisten. Tc5. Zuge Arank, di« in der„Komödie" eine Matinee gab, hält die Mitte zwischen Kunst- und Amüsiertanz. Angenehmes, bühnen- wirksames Aeußeres. Geschmackvolle Kostüm«. Sehr sichere Technik. Weiche, voll ausklingende Schwünge(„Romanze"). In den Kompositionen wenig originelle Motiv«, viel Dagewesenes, viel Pantomimi? („Verschlossener Tempel") Betonte Abhängigkeit von der Mufi� („Walzer"). Neigung zum Kitsch(„Blume der Nacht") und zu pikan ter Nuditätenwirkung, die Mit dem träumenden Blick der düsteren Nirwanaaugen zuweilen ein ulliges Ensemble bildet(„Ballade"). Alles in ollem: ein zweifellos überdurchschnittliches tänzerisches Talent, das leider auf falscher Fährte ist. x. g. Blort Twains Illustrator . P. Richards, sprach in der Urania über„Humor in der Z e i ch e n k u n st". Wer die außerordentlich vergnüglichen Bilder kennt, die Richards zu Mark Twains Büchern geschaffen hat. und di«, wenigstens in England und Amerika , fast ebenso berühmt geworden sind wie diese Büch-r. mußt« sich viel von dem Vortrag versprechen. Leider wurde er enttäuscht. Richards, der di« deutsche Sprache durchaus beherrscht und der sehr gut zusammenhängende Ausführungen hätte geben können, begnügte sich mit Randbemerkungen zu schaueroollen Lichtbildern. Zuerst erblickte da der Zuhörer Köpfe von Generälen und Heersührern, die im„großen Krieg" Richards die„anständiae" Gesinnung oder so ahnllches bezeugt hallen, dann kllschioe Zeitungo- illustrationen Richards aus eben dieser großen Zeit. Bisweilen sali allerdings hier schon der Karikaturist durch die KriegsbegeisterunLs- tünche, und der gab dann einige Physiognomien, die jäh aus diesen süß-senttmentalen Szenen herausstechen.' Das schlimmste aber war. daß zu allen diesen Bildern Klavierbeglellung erklang,„Muß- denn zum Städtele hinaus", Salonstücke, Choralklänge zu einem Kirchen- btld, schlimmste Vorstadtkinomusik. Vermutlich Halle der Pianist sich die Werk« nach solchen„künstlerischen" Titelbildern herausgesucht, wie sie später im Lichtbild als„Gebrauchsgraphik" empfohlen wurden. Denn Richards hatte eine ganz edle Absicht: er wollte über den Beruf des Zeichners sprechen und sein« Aussichten in Amerika , und er sagte darüber manches Gescheit« und gewiß auch manches praktisch Wertvolle. Aber die Illustrationen zu seinen Aus- führungen muteten wie parodiftische Ergänzungen dazu an. Nur einige wenige Bilder standen auf höherem Niveau. Sz.