Str. 12244. Jahrg. Ausgabe A nr. 62
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Sonntag, den 13. März 1927
Vorwärts- Verlag 6.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3
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Der Putsch der Pensionierten.
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In der Nacht vom 12. zum 13. März 1920- vor nun= mehr sieben Jahren- rückte die Brigade Ehrhardt auf Befehl des meuternden Generals Lüttwig in Berlin ein, von Luden dorff , dem harmlofen Spazierblindgänger, am Brandenburger Tor begrüßt. Herr Kapp proflamierte sich als Reichskanzler, die Jagow, Schiele, Traub usw. wurden seine Minister". Drei Tage lang fuchten sie zu regieren, aber es gelang ihnen nicht. Nach dem eigenen Zeugnis eines ihrer Anhänger ging es damals in der Reichskanzlei zu wie in einer Judenschule". An der Macht des Generalstreits der Arbeiter zerschellte der Butsch, Kapp und Lüttwiz mußten abdanken, am 17. war der Sput verflogen.
Aber in den drei Tagen ihrer Tätigkeit hatten die Herren doch Gelegenheit zu zeigen, wie sie regiert hätten, wenn ihnen der Streich geglückt wäre. Und da die meisten dieser Helden inzwischen glückliche Benfionsempfänger der von ihnen mit dem Untergang bedrohten Republik geworden find, lohnt es wohl, einige ihrer halbverschollenen Sundgebungen der Bergeffenheit zu entreißen.
Die Kapp und Lüttwig hätten ihre Gegner sicherlich nicht pensioniert. Ihre eigene Anschauung über Pensionsansprüche haben fie in folgender Berordnung völlig eindeutig niedergelegt:
,, Die Beamten sämtlicher Reichs- und Staatsbehörden haben unverzüglich ihre Geschäfte wieder aufzunehmen und ununterbrochen fortzufezen. Die Zuwiderhandlung hat die Amtsentlaffung ohne Anspruch auf Ruhegehalt ohne weiteres zur Folge. Berlin , 15. März 1920.
Der Reichstanzler, gez. Kapp.
Der Militäroberbefehlshafer. gez. v. Lüttwig." Wir nehmen an, daß Herr v. Lüttwih diese Bekanntmachung als das rechtliche und moralische Fundament seiner Ansprüche gegen das Reich betrachtet.
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Kuch sonst war Sanftmut nicht die starke Seite der Kappisten. So furz ihre Regierungsdauer war, so zahlreich sind ihre Erlasse, in denen sie alle für die rechtmäßige Regierung Kämpfenden mit dem T o de bedrohen. Von dieser Einstellung zeugt bereits folgender Sonderbefehl der Marine brigade Ehrhardt :
2. Marine- Brigade( Ehrhardt)
IIa Nr. 4
Br. St. Qu. 14. März 1920.
Fernspruch vom RW. Gruppenkommando I. Reichskanzler drahtet: Ich bitte den Herrn Oberbefehlshaber, allen Führern und Unterführern bis herab zu den Gruppenführern usw. in meinem Namen bekanntzugeben, daß ich jede entschlossene Dienftauffaffung, auch wenn sie im Zwange der Notwehr gegen einzelne bisherige Beftimmungen verstoßen follte, unbedingt anerfenne und persönlich decke.
Der Reichstanzler.
Vorstehenden Erlaß bringe ich den Truppen zur Kenntnis. Frhr. v. Lüttwig. Der Oberbefehlshaber.at Für die Richtigkeit: Otto Schulz, Leutnant z. S., Ord.- Offz." Bedeutet dieser Erlaß bereits eine Aufforderung an die Truppen, in unbeschränkter Weise von der Waffe Gebrauch zu machen, so wurden die Kapp- Lüttwig einen Tag später, als spüren belamen, noch um einiges deutlicher. Sie erließen
folgende
Berordnung.
Wie sie selber dachten.
Warum soll die Republik Herrn v. Lüttwih nicht verpflegen? Er felber war in rührender Weise um die Verpfle gung seiner Gegner bemüht. Davon zeugt der nachstehende Bassus in einem Brigadebefehl der Brigade Ehrhardt vom 15. März 1920( Ia B. Nr. 10):
5. Die Regierung hat angeordnet, daß an Streifende feine Berpflegung auszugeben ist. Diese Maßnahme ist, um die Streifluft einzubämmen, möglichst weitgehend bekanntzumachen."
Parteitag 1927.
teitag zum 22. Mai und folgende Tage nach Kiel , Gewerk Der Parteivorstand beruft hiermit den diesjährigen Bar. fchaftshaus, Legienstraße 22, ein.
Als vorläufige Tagesordnung ist festgesetzt: 1. Bericht des Parteivorstandes:
a) Allgemeines. Berichterstatter: Otto Wels . b) Agitation, Organisation und Kaffe. Berichterstatter: Fr. Bartels und K. Ludwig.
2. Bericht der Kontrollkommission. Berichterstatter: Friedrich Brüh ne.
3. Das Agrarprogramm. Berichterstatter: Dr. Baade und Regierungspräsident Krüger- Lüneburg. 4. Die Tätigkeit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion. Berichterstatter: Robert Schmidt .
5. Die Aufgaben der Sozialdemokratie in der Republik.
Referent: Dr. Hilferding.
6. Bericht über die sozialistische Arbeiter- Internationale. Berichterstatter: Artur Crispien.
7. Wahl des Parteivorstandes, der Kontrollkommission und des Ortes, an dem der nächste Parteitag stattfinden soll.
8. Erledigung der Anträge, soweit sie durch die vorstehende Tagesordnung noch nicht erledigt sind.
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Im Anschluß an den Parteitag findet in Kiel eine Frauenkonferenz
statt. Als vorläufige Tagesordnung ist festgesetzt: 1. Jahresbericht. Berichterstatterin: Marie Juchac 3. 2. Wohnungsnot und Wohnungsreform. Referentin: Dr. Herta Krauß Köln .
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Der Standpunkt des Herrn v. Lüttwiß, daß man den Gegner verhungern lassen soll, ist natürlich auf ihn selber nicht anwendbar.
Des mannesmutigen Kapitän Ehrhardt sei noch mit ein paar Zeilen gedacht. Am 8. Mai 1920 ließ er seiner Brigabe einen Befehl zugehen, aus dem wir folgende Säge wiedergeben:
Kameraden! Ich habe meinen bisherigen Entschluß, mich freimillig in Haft zu begeben, aufgegeben... Mit beeinflußt hat mich, daß mir von allen Seiten von einer Gestellung abgeraten wurde. Auch nicht eine Stelle hat mir zugeraten. Die Gründe find einleuchtend... Die sicher lange währende Untersuchungshaft würde nach all dem bisher Durchgemachten meine Widerstands= Beschehene einstehen und mich verteidigen könnte. traft brechen, so daß ich bei der Hauptverhandlung, förperlid) und geistig gebrochen, nicht mit der erforderlichen Kraft für das
Leicht ist mir der Entschluß nicht geworden, in Sicherheit zu gehen, er paßt nicht zu dem ganzen bisherigen Bild der Brigade ."
Jedenfalls paßte der Entschluß ausgezeichnet zu dem Schweden floh, zu Herrn Lüttmiz, der sich nach Ungarn Verhalten der übrigen Butschisten, zu Herrn Rapp, der nach flüchtete, zu dem flüchtig gewordenen Oberst Bauer, zu den verschwundenen Trebitsch- Lincoln , Schnigler usw. wahren Mannesmut bewies man dann erst bei der Erhebung von Pensionsansprüchen.
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Den
Aber Herr Ehrhardt machte noch einmal später von sich reden, am 3. Oftober 1921 veröffentlichte er in der MünchenAugsburger Abendzeitung" eine Erklärung, in der er um feine Amnestierung bettelte und folgendes beteuerte:
,, Trotz aller Hezze gegen meine Person erkläre ich hiermit, daß ich nie mehr etwas unternehmen oder zu etwas meine Hand bieten werde, was unserem Lande, unserem Volke zum Schaden gereichen
tönnte."
Was ihn bekanntlich später nicht verhindern sollte, aus dem Leipziger Untersuchungsgefängnis auszubrechen, unter dem falschen Namen Eichmann auf dem Schloß der Prinzessin fenburg zu leben, diese für seine Sicherheit einen Weineid leisten zu lassen und im Jahre 1923 an den Butschplänen des Herrn v. Kahr eifrig und aktiv mitzuwirken. Man muß doch etwas tun für seine Pension!
Aber etwas anderes wollen wir auch nicht vergessen. Als sich am 13. März die Arbeiterschaft unter sozialdemokratischer Leitung gewaltig zum Generalstreit erhob, da hatte sie es noch mit einem anderen Feind zu tun. Die Kommu= nistische Parteifiel ihr in den Rücken. Ein Flugblatt vom 13. März 1920, unterzeichnet von der Zentrale der Generalstreif. Wir besigen noch ein Exemplar dieses selten Kommunistischen Partei Deutschlands , agitierte gegen den gewordenen Flugblattes und zitieren daraus: Der Parteitag setzt sich zusammen aus den in den Be ,, Die Arbeiterklasse ist in diesem Augenblic nicht zirksverbänden gewählten Delegierten, der Vertretung der aktionsfähig. Es ist das nötig, klar auszusprechen. Reichstagsfraktion, den Mitgliedern des Parteivorstandes, Die Arbeiterklasse wird den Kampf gegen die Militärdiktatur des Parteiausschusses und der Kontrollkommission. aufnehmen, in dem Augenblick und mit den Mitteln, die ihr günstig
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An der Frauenfonferenz sind zur Teilnahme berechtigt: Ein bis zwei Delegierte aus jedem Bezirksverband, die weiblichen Delegierten des Parteitages, die weiblichen Mitglieder der Reichstagsfraktion und je ein weibliches Mitglied der Landtagsfraktionen, ferner Genossen, die von den Bezirksleitungen mit Mandaten zur Konferenz versehen sind. Anträge für die Tagesordnung des Partei§ 1. Die Rädelsführer, die sich der in der Berordnung| tages werden nur behandelt, wenn sie von Parteiorga zur Sicherung volkswirtschaftlich wichtiger Betriebe und in der Ber- nisationen gestellt und spätestens bis zum 20. April beim ordnung zum Schuße des Arbeitsfriedens unter Strafe gestellten Parteivorstand eingereicht sind, damit sie laut OrganisationsHandlungen schuldig machen, werden ebenso wie die Streit statut§ 13, Absatz 2 spätestens am 24. April im Borwärts" posten mit dem Tode bestraft. veröffentlicht werden können.
§ 2. Diese Verordnung tritt am 16. März 1920, nachmittags 4 Uhr, in Kraft.
Der Reichskanzler. Kapp . Ein weiterer Erlaß des Oberbefehlshabers von Lüttwig, gegeben am 15. März 1920, besagte u. a. folgendes:
Sch verbiete hiermit jegliche Sebpropaganda gegen die Regierung, sei es durch Wort oder Schrift, und stelle hohe Strafen, ja, in schweren Fällen die Todesstrafe, für diejenigen in Aussicht, die sich unterfangen, in irgendeiner Weise gegen die Regierung zu wirken.
gez. Freiherr v. Lüttwiz."
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Bum Parteitag gestellte Anträge müssen jeder für sich auf ein besonderes Blatt Papier , einseitig beschrieben und mit der Angabe, zu welchem Punkt der Tagesordnung gehörig, verfehen sein.
Wegen Wohnungsbeschaffung müssen sich die Delegierten rechtzeitig beim Lokalfomitee melden. Adresse: Otto Eggerstedt , Riel, Legienstraße 22.
Gastfarten für den Parteitag werden von dem Lokaltomitee in Kiel ausgegeben; Zutrittskarten für die Bericht erstatter der Presse nur vom Parteivorstand, Berlin
Daß eine derartige Anstiftung zum Morde beLohnt werden muß und die höchsten Pensionshezüge recht- 628. 68, Lindenstraße 3. fertigt, liegt für jeden geschulten Juristen auf der Hand.
Der Parteivorstand.
erscheinen.
der Militärdiktatur sich enthüllt haben wird." Dieser Augenblick ist noch nicht da. Er ist da, wenn das Gesicht
Es flingt beinahe, als ob die fonimunistische Zentrale die Sowjetgranatenlieferungen an die Reichswehr damals schon vorausgeahnt hätte! An dem Widerstand der sozialdemokratischen Arbeiter ist der Putsch zusammengebrochen, während die Kommunisten auch damals die blinden Helfer der Realtion spielten.
Milde Richter für Richter. Koelling und Hofmann pro forma verurteilt.
Jn dem Disziplinarverfahren gegen Landgerichtsrat oetting und Landgerichtsdirektor Hofmann hat, wie der Amtliche Preußische Preffedienst mitteilt, der Disziplinarfenat in Naumburg nach mehrtägiger Berhandlung gegen Roelling auf einen Berweis erkannt und gegen Hofmann auf Berfehung in ein anderes Richteramt vom gleichen Range sowie eine Geldstrafe von 200 m. Die Amtsfuspension gegen Hofmann ist aufgehoben worden.
Der Disziplinarprozeß gegen Koelling und Hofmann, die Männer der Justizfronde von Magdeburg , hat mit einem überraschend milden Urteil geendet. Das Urteil ist nicht geeignet, bie Staatsautorität gegenüber frondierenden Justizbeamten zu wahren, noch dazu, das Bertrauen in die Justiz zu stärken.