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Nr. 130 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 66

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Freitag, den 18. März 1927

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Ungelöste Probleme der Reichspolitik.

Beratung des Haushalts des Innenministeriums im Reichstage.- Genoffe Sollmann für den Einheitsstaat.

Herr von Reudell hat sich gestern dem Reichstage zum andern Male vorgestellt. Herr von Reudell ist Reichsinnen­minister. Das Reichsinnenministerium umfaßt einen gewal­tigen Aufgabenkreis. Der Minister, der es wirklich leitet, steht vor einer gewaltigen Aufgabe. Er soll führend vorangehen bei der Lösung der brennenden Probleme der deutschen  inneren Politik.

Herr von Keudell hat vor dem Reichstag über seine Ab­fichten gesprochen. In fünfzehn Minuten. Einige Worte über die Vergangenheit und die heutige Staatsform. Einige Worte über die Beamtengefeggebung, einige Worte für die Sou­veränität der Länder gegen den Einheitsstaatsgedanken. Das war alles.

Herr von Reudell ist der Mann. der im Kapp- Putsch  nichts gemerkt und nichts gedacht hat. Der reine Tor. Heute muß man sagen: Herr von Reudell, der Mann, der nichts gesagt hat.

Warum? Weil er nichts zu sagen hatte? Hat sich Herr von Reudell Gebanten gemacht über die

innerpolitischen Probleme in Deutschland  ? Wenn ja mar das die Summe seiner Gedanken, die er dem Reichstag vor­getragen hat? Der Verdacht liegt nahe: wenn man einem Deutschnationalen die Phrasen megnimmt, von denen feine Partei bisher gelebt hat, so bleibt ein leeres Gefäß übrig.

Oder sollte Herr von Keudell nichts haben sagen dürfen, weil die Regierung des Bürgerblocs in den innerpolitischen Fragen so wenig einig ist wie in den Problemen der Sozial­politik und der Finanzpolitit?

Kendell hat nichts zu sagen.

Reichsminister v. Keudell:

aufstieg darf nicht durch die Inangriffnahme schwieriger Berfassungs­Das Ringen unseres schwergeprüften Bolles um seinen Wieder­probleme gestört werden. Es git, beizutragen zur Verminderung des gegenseitigen Mißtrauens, das in unserem Volte herrscht. Der Boltstrauertag, welcher in einer Reihe von Ländern nicht an demselben Datum begangen werden konnte, liegt hinter uns. Möchte die Erinnerung an den Weltkrieg trotz aller erschütternden Einzelschicksale, das Fronterlebnis, das Hohelied des Ginjages des Lebens für andere immer wieder ins Gedächtnis ge­rufen werden.( Beifall.) Der Rüblid in die Bergangen heit erinnert an die Ehrung ihrer Symbole, von der in der Regierungserklärung die Rede mar. Ich bin dabei gefragt worden, was ich darunter verstehe. Der Herr Reichskanzler hat bereits in feiner Erklärung von der Ehrung unserer Geschichte ge­sprochen. Die Berunglimpfung unserer Geschichte und Bergangen heit dient auch zur Berächtlich machung unferes Reiches im Auslande und stößt im Innern viele ab, die bisher schon dem Vaterlande in seiner neuen Form ehrlich gedient haben und auch erneut dienen wollen. Es ist andererseits eine Tat­lache, bab

die heutige Staatsform und ihre Symbole Herzenssache eines großen Teiles unserer Bevölkerung geworden sind. Bas folgt aus allem diesem für die Reichsregierung? Es folgt daraus, daß die Behandlung der Verfassungsfragen nicht mit dem Stel der möglichst schleunigen Berabschiedung einer Fülle neuer Ber fassungsgeseze erfolgt, sondern unter

ffetem, ruhigem Ausbau und Ergänzung der vorhandenen Be­ftimmungen und Anordnungen,

daneben steter Toleranz gegen Andersdenkende. Das Ziel muß sein, daß der Mensch in den Mittelpunkt gestellt wird und nicht der Geld­beutel.( Bärmende Zwischenrufe links.)

Immerhin scheint doch unsere gesamte Kirchen und Schul­gefeßgebung dieſem hohen deal und Ziel nicht voll gerecht zu werden. Da habe ich im Augenblick zu registrieren die Beun­ruhigung weiter Kreise nach zwei Richtungen. Einmal der immer der Erziehung der Kinder und neuerdings Besorgnisse vor Preisgabe staatlicher Hoheitsrechte gegenüber der Kirche. Ich bin im übrigen der festen Ueberzeugung, daß ein Beg gefunden werden fann und muß, welcher den verschreuenen Konfeffionen gibt, worauf sie Anspruch haben und im übrigen dem Staate gibt, was des Staates ist.( Lärm und Zurufe links.) Ich möchte mich darauf beschränken, auf zwei große Fragen einzugehen. Als Beamtenminister liegt mir die Fortführung der Beamtengesetzgebung besonders am Herzen. Die Reichsdienststraf­ordnung steht vor dem baldigen Abschluß. Das Beamtenvertretungs­gesetz steht vor der lezten Abstimmung im Reichsrat. Das große Beamtengesetz soll folgen.

Der deutschnationale Reichsinnenminister überließ es der Oppofition, Problemstellung und Zielpunkte der inneren deut­ schen   Politik aufzuzeigen. Genosse Sollmann forderte Erklärungen über die Punkte, die Herr von Reudell ver­mieden hatte. Was ist mit der Verlängerung des Rerernehmlicher werdende Schrei der Elternschaft nach Freiheit publitschutzgesetzes, was mit dem Ausführungs gefez zu Art. 48 der Reichsverfassung? Wie steht es mit den Berhandlungen über das Konfor dat? Wie steht Herr von Keudell zu der langen Reihe der Verstöße Bayerns   gegen die Reichsverfassung? Auf diesen Gebieten liegen wichtige Aufgaben der deutschen   Politik. Zu ihrer Lösung gehört wahrhaft republikanische Gesinnung, inneres Bekenntnis zur Verfassung von Weimar, Wille, sie auszu­bauen im Geiste derer, die sie geschaffen haben. Und nun gar die Fülle der kulturellen Aufgaben, die das Reichsinnen­ministerium zu bearbeiten hat, und deren Herr von Keudell nicht mit einem Worte gedachte!

Die Stellung der Beamten zur deutschen   Republit ergibt sich aus der Berfassung, die nach wie vor die Grundlage ihrer Tätigkeit bildet. Auch ich stehe auf dem Standpunkt, daß sich die Beamten mit dem Staate verbunden fühlen sollen.

( Zuruf bei den Kommunisten: Nicht mit der Republik  !), d. h., daß sie ihre ganze Kraft in den Dienst des Staates zu stellen haben. Ich füge hinzu, daß auch für die Beamten die Artikel 118 und 130 der Verfassung im gesamten Umfange Geltung haben.( 3uruf bei den Bölkischen: Severing!)

Den Anhängern des Einheitsstaates darf ich vielleicht einen ge­schichtlichen Bergleich unterbreiten. Vor wenigen Jahrzehnten war es von den Staatsrechtslehrern fast nur Arndt, welcher unter meines Erachtens allerdings begründeter Berufung auf Bismarck   die Theorie der Souveränität der Berbündeten Regierungen und damit auch der einzelnen Bundesstaaten aufrecht erhielt. Andere sprachen von der Teilung der Souveränität, die meisten lehnten eine Souveränität der Bundesstaaten ob. Heute stehen wir vor der Tatsache, daß die Regierung des größten Landes, welchem Anhänger des Einheitsstaates in diesem Haufe doch recht nahe stehen, bereits angesichts irgendwelcher finanzieller oder sonstiger Initiative des Reiches leicht geneigt ist, einen Eingriff in die Souveränität bes Landes zu erblicken, und dies geſtüßt auf die verschiedensten Parteien. Ich bemerke dies ohne jede persönliche Schärfe ich stehe selbst auf dem Standpunkt der Souveränität der Länder lediglich zur freundlichen Berücksichtigung für die Anhänger des Einheitsstaates.

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Die Reichsregierung wird jederzeit für Ausgleichung und Ein fchränkung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Reich und Län­bern wie zwischen lezteren eintreten. Ich halte es als Reichsminister des Innern für meine ganz besondere Pflicht, nicht nur in leiden. schaftsloser Beharrlichkeit dies Ziel zu verfolgen, sondern mit aller Wärme durch Pflege persönlicher Beziehungen und vertrauensvoller fachlicher Zusammenarbeit darauf hinzuarbeiten und hierbei stets ein­gedenk zu sein des altösterreichischen Wahlspruchs: ,, Viribus unītis" mit vereinten Kräften!"

Abg. Sollmann( Soz.):

Alle Hinweise, daß die Kulturaufgaben zunächst Sache der Länder seien, fönnen die Tatsachen nicht verwischen, daß der Hause halt des deutschen   Kultusministeriums viel zu fümmerlich ausge stattet ist. Unsere fulturelle Rüstung ist sparsamer als unfere mili­tärische. Den Gesamtausgaben von 56,75 Millionen für das Reichs­ministerium des Innern stehen 707 Millionen für Reichsheer und Marine gegenüber. Sezen wir von den fortdauernden Ausgaben dieses Reichsministeriums die Summen für den Reichskommissar für öffentliche Ordnung und Technische Nothilfe ab, so bleiben ganze 19 millionen Mart. Im Heeresetat ist allein schon die Summe für Manöver höher: 20,9 millionen Mart. Und der fleine Streuzer C mit 24,5 Millionen Mark ist um 5 Millionen kostspieliger als die gesamten fortdauernden Ausgaben

Schwere Kämpfe vor Nanking  .

Genosse Sollmann schloß seine treffliche Rede mit einer starten Begründung der Notwendigkeit des Ein­heitsstaates, der mit dem Unfug der Kleinftaaterei, der Bersplitterung, des Partikularismus aufräumt. Er fand da­bei die Unterſtüßung des Redners der Volkspartei, Dr. Cre= mer, dessen Bekenntnis zum Einheitsstaat mit der ablehnen- Noch keine Entscheidung. den Stellung des Herrn von Reudell schlecht zusammen­stimmte.

Die Rede des Genoffen Sollmann zeigte, daß die Sozialdemokratie gewillt und entschlossen ist, am politischen und sozialen Ausbau der Republik   zu arbeiten. Die Sozial­demokratie hat die Republik   geschaffen. Sie ist das junge, lebendige, schaffende, fortbildende Element im neuen Staate. Der Geist, der sie erfüllt, ist der wahre Geist der republika nischen Verfassung. Dieser Geist aber ist dem Reichsinnen­minister des Bürgerblocks fremd. Wie soll er, dessen Ber  : faffungsbelenntnis so jungen Ursprungs ist, dessen Partei dem Werden des neuen deutschen   Staates ablehnend gegen­überstand, Berständnis finden für die Probleme, die sich mit

geben?

Verunglückter Generalstreikaufruf in Schanghei.

Condon, 17. März.( TU.) Wie der Schanghaier Verteidi-| Bericht der British United Preß" beginnen die Schanghai   ver gungskommissar mitteilt, sind im Frontabschnitt von Nanking. teidigenden Streitkräfte General Tschangtfuntschangs offenbar dem ungefähr 150 Meilen nordwestlich von Schanghai  , schwere Druck der vorrückenden Kantoneser bereits nachzugeben. aämpfe im Gange, die jedoch noch zu teiner Entschei. dung geführt haben.

Auf Grund von Nachrichten, daß Nanking   gefallen sei, hat der chinesische Gewerkschaftsrat in Schanghai   heute früh den Gene­ralftreit ausgerufen. Der Aufforderung sind bis zum Augen­blid jedoch erst 13 000 Arbeiter nachgekommen, nach einem späteren

innerer Notwendigkeit aus dem Wesen des neuen Staates Wahlreform als Auftakt zum Linkskartell? So standen sich Opposition und Regierung gegenüber. Verhandlungen zwischen Sozialisten und Radikalen Die Opposition die wahre Staatspartei, die Regierung, ver­treten durch einen Mann, dem das Bekenntnis zum neuen Staat ein äußeres, formelles ift.

Bon einem Manne, der eben deshalb nichts zu sagen hatte.

Nachdem der Reichstag   geffern die Beratung des Etats des Er. nährungsministeriums beendet hatte, über die wir am Schluß be­richten, trat er in die Beratung des Haushalts des Reichs. ministeriums des Innern ein. Der neue Reichsinnen­minister von Reubell   eröffnete die Beratung mit einer Pro­grammrede".

eingeleitet.

Paris  , 17. März.( Eigener Drahtbericht.) Die sozialisti. fche ammergruppe hat am Donnerstag in einer Sigung mit Befriedigung von dem Beschluß der Radikalen Partei Kenntnis genommen, die Regierung zu ersuchen, mit möglichster Beschleunigung die Wahlreform, d. h. die Rückkehr zur Kreiswahl noch vor ben Kammerferien auf die Tagesordnung zu fegen. 3wischen den Linksparteien sind gegenwärtig, um einem evtl. Wider stand von Regierung und Reaktion vorzubeugen, Berhandlun gen im Gange. Sie bezwecken, ein gemeinsames Bor. gehen über die Taktik bei der parlamentarischen Debatte über die Wahlreform zu verabreden.

Die britischen Militärbehörden haben einen Sikh und zwei Mohammedaner verhaftet, weil sie die indischen Truppen zur Meuterei aufforderten. Die englischen Behörden haben zurzeit ihre gonze Aufmerksamkeit auf eine, wie man annimmt, geheime tom munistische Organisation zur Untergrabung der Disziplin der indi­schen Truppen gelenkt.

Die Lage in Schanghai  .

London  , 17. März.( WTB.) Reuter meldet aus Schanghai  :

Die Agitation unter den Arbeitern nimmt immer mehr zu. Bon der Bewegung find 20000 Arbeiter der Spinnereien

ergriffen. Das letzte Opfer der Terroristen wurde die Gattin des chinesischen Inspektors der Straßenbahnen, die in ihrer Wohnung durch Revolverschüsse getötet wurde. Die Mörder sind entkommen. Verhandlungen über Kampflose Uebergabe von Schanghai  .

Shanghai  , 17. März.( Reuter.) Wie gemeldet wird, ver handelt der Führer der Schantungtruppen General Pischutschen und der Oberbefehlshaber der Kantonarmee Tschangtaijchet über die Möglichkeit eines Abkommens, durch das den Natio­nalisten die friedliche Besehung der Stadt ermöglicht werden soll.