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Kr. T32»4. Jahrgang

1. Heilage öes vorwärts

Sonnabenü, 14. Marz 1427

Die muntre Sriefe.

Oben auf dem Barnim , bei dem Dorf Wandlitz , nimmt die Briese ihren Anfang. Der Wandlitzer See isb ihre Wiege, aus ihm entfließt sie gen West. Die schmale Landbrücke zwischen dem Wand- litzer See und dem östlich davon gelegenen Liepnitzsee bildet die Wasserscheid« der Nordsee und der Ostsee . Die Wasser des Wand- litzer Sees werden durch die Briese zur Havel und in dieser zur Elbe und damit zur Nordsee geführt, während der Liepnitzsee zur Finow und weiter zur Oder und Ostsee entwässert. Nur etwa zwölf Meter ragt der höchste Punkt der Wasserscheide über die Seespiegel «nipor. Im Wandlitzer See kommt die kleine Moräne vor, ein in der Mark seltener Fisch. Am Süduser des Wandlitzer Sees liegt das alte Dorf Wandlitz . Die Umgebung ist reich an vorgeschicht- lichen Erinnerungen. Das Dorf soll seinen Namen von der alt- slawischen Göttin Wando erhalten haben, die hier besonders ver- ehrt wurde. Südlich und östlich des Dorfes ist ein« neue Siedlung entstanden. Sonntags verkehren Autobusse von Berlin nach Wandlitz. walökmü Sriefe. Nach dem Derlasien des Wandlitzer Sees durchfließt die Briese eine sumpfige Niederung und geht in den R a h m e r See. der etwas kleiner ist als der Wandlitzer See. Beide Seen sind von einem Röhrichtkranz umgeben, so daß es schwer oder gar unmöglich ist, zum Ufer zu gelangen. Wieder eine sumpfige Niederung, die von der Liebenwalder Bahn durchquert wird, und die Briese kommt zum L u b o w s e e, der viel kleiner ist als die beiden ersten Seen. In ihm kommt der Zander vor. Der Lubowsce ist von einem weiten Wiesengürtel umgeben, deren Rand vom Wald begrenzt wird. Die drei Seen liegen in einer Niederung, die in früherer Zeit ein einziges Seebeckcn gebildet hat. Jetzt sind nur noch die tiefsten Stellen dieses Beckens von Wasser erfüllt, eben die drei Seen, während die übrigen Gebiete der Niederung versandeten und .zu Sumpsmooren und Wiesen geworden sind. Südlich vom Lubow- see, durch einen Waldstreisen versteckt, liegt Zühlsdorf. Hier ist die mächtige alt« Linde im Garten der nach ihr benannten Gastwirtschait sehenswert. Bald nach Verlasien des Lubowsees fließt die Briefe an der Zühlsdorser Mühle vorüber. Jetzt umfängt der Wald unser Fluß. Beim Forsthaus Zühlsdorf und einem früheren Teerofen führt die Liebenwalder Chaussee über das Fließ. Die Briese ist jetzt ein rechtes und echtes W a l d k i n d geworden. Ihr Lauf, der in der offenen Landschaft begann, wird letzt begleitet von meilenweit ausgedehnten Wäldern. Erlen besäumen das Fließ auf seinem Lauf durch ernste dunkle märkische Kiefernwälder. Das Briesefließ gibt uns prächtige Bilder aus der märkischen Landschaft! es ist eins der schönsten Fließe unserer märkischen Heimat. Und dazu hat es den Borzug, dicht vor den Toren der Reichshauptstadt zu liegen, so daß es mit wenig Kosten und Mühe zu erreichen ist. Das von der Briese durch- flossene Waldgebiet, die stattliche Forst Oranienburg , war früher

das..Hofjagdrevier�. Zahlreiche Gattertore und ein hoher Zaun, der das viele tausend Morgen große Revier einhegte, sind noch vor- banden. Den Waldrand beim Forsthaus Zühlsdorf besäumen Birken, die mit ihren leuchtenden Stämmen einen farbenfrohen Gegensatz zu dem dunklen Grün der Kiefernkronen bilden. Weiter- hin fließt die Briese am Forsthaus Wensickendorf vor- über. Ju stiller Waldeinsamkeit liegen diese Forsthäuser, fernab vom Getriebe der Welt, aber durch dünnen Telephondrayt doch mit ihr verbunden. Aus dem Westufer der Briese, in einiger Entfernung von ihr, zieht sich eine vertorste Rinne hin, die Senke des ehemaligen Teufelssees. Jetzt ist der See verschwunden, wie so viele andere, die einst als stille Waldaugen leuchteten, und eine Sumpfniederung inmitten des Hochwaldes bezeichnet feine Stelle. Der Sage nach soll hier einst die alte Försterei Wensicken-

Im Tal der Briese.

dorf gestanden haben, die während eines fürchterlichen Unwetters in die Tiefe sank: an ihrer Stell« bildete sich der Teufelssee.Der Teufel fuhr zuweilen in seinem Kahn über das Wasser, um auszu- spähen, ob nicht die Seele des ertrunkenem Försters aus der Tiefe aussteige." Bis vor wenigen Jahren stand am Südende der Senke, am Su m m t r Weg, eine riesige Eiche, in der ein« Kramme ge- wesen sein soll, an der der Teufel seinen Kahn fest machte. Die Eiche ist ein Opfer sogenannterWanderer" geworden, die hier ihr Lagerfeuer anzündeten, wobei aus Unachtsamkeit der schöne, alte Baum ein Raub der Flammen wurde. Der Summ- ter Weg führt über die Steinerne Brücke oder Schlag- brücke über die Briese. Der Name Schlagbrücke erinnert an eine Mordtat, die vor Jahren bei der Brücke an einem Bierkutscher ver- übt wurde. Vielleicht ist aber auch dies nur eine Sage. Erzählung und Sage, die von jeher besonders im Wald ihre Heimstätte haben, umweben auch unser munteres Waldkind, die Briese. Leis murmelnd, sanft plätschernd zieht sie ihre Bahn: sie fließt gemächlich ihrem Ziel zu. Den weichen Linien der Landschaft angepaßt ist ihr Lauf: in reichen Windungen schlängelt sie sich durch den Waldes- grund. Stets wechselnd ist das Bild, das sie uns bietet, aber immer ist es schön. Kurz hinter einer zweiten Brücke liegt aus dem rechten Ufer die Elsenquelle, eine kleiner Bronnen, der dicht neben der Briese dem Erdboden entquillt und nach wenigen Schritten sich mit dem Fließ vereinigt wenn er Wasser führt; häufig ist die Quelle jedoch versiegt. Ein schmuckloser Steinhaufen ist um den Born aufgeschichtet worden. Weiterhin fließt die Briese durch eine sumpfige Niederung inmitten des Waldes, die ebenfalls in früherer Zeit ein See gewesen ist. Das dritte Forsthaus am Lauf der Briese hat von ihr seinen Namen angenommen, es ist das Forst haus Briese. Auch die kleine Siedlung, die sich bei dem Forsthaufe aufgebaut hat, trägt ihren Namen nach dem Fließ . Die Briese nimmt jetzt ihren Laus durch ein breiteres Wiesental, der Wald tritt zurück. Von Norden her mündet das Papenluch mit dem Bogenluch in das Briesetal, eine sich über zwei Kilometer gen Nord erstreckende Rinne, die völlig vertorft ist. An der Brücke der Nordbahn hört die mumere Briese auf, ein Waldkind zu sein. Die Mündung. Sobald die Briese westlich des Brückenbogens der Nordbahn ist, kommt sie in den Bereich der Ortschaft Birkenwerder . Dieser Name deutet darauf hin, daß die Birke hier sehr häufig ist oder war, Der Name der Briese selbst deutet auch auf diesen Baum, den Pfingstbaum, Maienbaum der deutschen Lande: er ist wendisch und Seht in seiner Sprachwurzel aus die Birke zurück. In früheren leiten, ehe die jetzige Forstwirtschaft mit ihrer Ausforstung großer Gebiete mit einer Baumart aufgekommen war, bestanden unsere Wälder aus Mischwäldern der verschiedenen Baumarten. Und so wird in jenen Tagen die Birke besonders häufig im Gebiet der Briefe und bei Birkenwerder vorgekommen fein. Birkenwerder wurde ehemals von einem zweiten Arm des Fließes umflossen, so daß es auf einem Werder lag. Drei kleine Seen liegen noch am Lauf der Briese, der Bodden see, der größte unter ihnen, der M ö n ch s e e und der S a n d s e e. Dann kommt die Briese zur llntermühle, und wenige hundert Meter weiter endet ihr Lauf, sie mündet in die Havel . Die Entfernung vom Ursprung zur Mündung der Briese mißt 1k Kilometer; der Höhenunterschied zwischen beiden Punkten beträgt etwa 1k Meter. Schöne Wanderungen lassen sich durch das Gebiet der Briese ausführen. Der Vorfrühling ist die geeignetste Zeit dazu. Gewöhnlich wird Birkenwerder als Ausgangspunkt gewählt. Um jedoch den Lauf des Fließes in seiner ganzen Ausdehnung kennen zu lerner.. und dabei zugleich einen sich steigernden Genuß im Betrachten der durchwanderten Landschaft zu gewinnen, ist es. ratsam, mit der Heidekrautbahn" van Reinickendorf -Rosenthal(bis hierhe? mit der Vorortbahn vom Stettiner Bahnhof, Nordbahnstrecke oder mit der Straßenbahn, Linie 5) bis Wandlitz oder Wandlitzsee zu fahren und dann sließabwärts nach Birkenwerder zu wandern.

Straßenneubenennung im Bezirk Treptow . Der Polizeipräsident hat der Benennung folgender, im Ortsteil Johannisthal des Bezirks Treptow gelegener Straßen zugestimmt: der Straße 21 mit E l l« r n w e g". der Straße 22 mitW e st st r a ß e". Die Ordner der Proleterifchen Aelcrslunden treffeil sich morgen Sonntag, den 20. März, vormittags 8'/, Uhr, im Kroßen Schauspielhaus zum Dienst lür die Jugendweihe.

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Gerichtstag. von Fred B6rence. Lamlicht 1925 dy Paul Zsolnay , Wie».

-Unwillkürlich wich ich zurück. Meine Mutter, wahnsinnig vor Angst, stand kerzengerade im Bett auf, ihr Haar siel zer- zaust Lebr die Schultern, sie streckte die nackten Arme nach mir aus und flehte:.�Jacques, geh' nicht fort, bleib' hier."' Ich trat einen Schritt vor, versuchte, meiner Erregung Herr zu werden und schrie ihn an:Nein, ich geh' nicht fort, du bist zu gemein, du würdest meine Mutter schlagen." Er sprang mit geballten Fäusten auf mich los und schlug mir ins Gesicht. Laß' ihn," keuchte die Mutter,.laß' ihn." Er wendete sich um und maß sie mit einem verachtungs- vollen Blick. Aha, du fürchtest, daß ich das Lärvchen dieses Schürzen- jägers verunzieren könnte, ihr paßt ja sehr gut zueinander, eine.. Und er schrie ihr ein schmutziges Wort ins Gesicht, einen gemeinen Ausdruck, den ich zufällig eines Abends auf der Straße bei einem Streit zwischen Dirnen gehört hatte Bei dieser Beschimpfung fiel sie schwer auf ihr Bett, ihre Augenl'der, die ganz schwarz waren, sanken herab, fast un- verständlich kam über ihre Lippen das Wort:Schuft". Und sie blieb wie leblos liegen. Der Bater blickte sie an, sein Mund verzerrte sich in einer wilden Freude, er genoß den Triumph, sein Opfer zur Strecke gebracht zu haben. Wieder legte sich die rote Wolke über meine Augen, wirbelte um mich. Ich blickte umher und suchte nach einem Gegenstand, mit dem ich ihn treffen könnte. Auf dem Tisch lag eine spitzige Schere. Ich packt« sie und weiß noch, daß ich geflüstert habe:Ich muß ihn umbringen." Dann stürzte ich aus ihn. er machte eine Bewegung, um mich abzuhalten, aber schon hatte ich ihm die Schere ins Herz gestoßen. Der Bater blickte mich mit unbeschreiblichem Grauen an, öffnete den Mund zum Sprechen, ein rötsicher Schaum floß von seinen Lippen, er schlug mit den Armen in die Luft und stürzte wie eine tote Masse zu Boden; sein Bück hing starr an mir. Ich hatte ihn umgebracht. Ich beugte mich über ihn, wollte die tödliche Waffe aus

seinem Herzen ziehen, wich aber entsetzt zurück. Die Mutter harte ihr Gesicht in den Händen geborgen. In seinem Bettchen saß Paul regungslos mit weit geöffneten Augen. Es kam mir zum Bewußtsein, daß ich etwas Schreckliches begangen hätte. Ich trat zur Mutter, zog ihr die Hände vom Gbsicht und zeigte auf den Leichnam. Sie wandte sich jäh ab. Da ergriff mich ein plötzlicher Irrsinn, ich wollte sie zwingen, hinzusehen und preßte meine Lippen an ihr Ohr. Sieh hin, jetzt bist du gerächt, sieh hin, er wird dich nie mehr beschimpfen, nie mehr schlagen, ich habe dich befreit." Ein wahnsinniger Stolz erfüllte mich. Die Mutter stützte sich auf den Ellenbogen, sah mich an und rief:Mörder, geh' fort. In diesem Augenblick stürzte Andr6 ins Zimmer. Blitz- schnell sah er, was ich getan harte und faßte mich am Arm: Zieh' dich rasch an und flüchte nach Frankreich . Ich habe nichts gesehen und sie wird dich nicht verraten." Ich hörte seine Stimme nur undeutlich, wie aus weiter Ferne, blickte umher, sah das vor Entsetzen verzerrte Gesicht meiner Mutter, den zitternden Paul, Andrch der mich aus dem Zimmer drängte. Mechanisch griff ich mir an die Stirne, sie war eiskalt. Meine Erregung war verschwunden, ich zitterte nicht mehr. Nun war es mir zum Bewußtsein gekommen. Ich trat zur Mutter, fiel demütig neben ihrem Bett auf die Knie, vor dem Leichnam des Vaters. Mama, küffe mich zum letztenmal," bat ich mich flehen» der Stimme. Sie barg ihr Gesicht unter den Decken und stieß mich mit der Hand fort. Da stand ich auf, warf einen Blick auf ihn, ein schwacher Blutftrom floß auf seine haarige Brust. Ich kehrte mich ab und reichte Andr6 die Hand, die er heftig drückte. Dann begab ich mich in mein Zimmer, kleidete mich an und ging ohne zu zögern zum nächsten Polizeikommissariat. Ich habe meinen Vater ermordet und stelle mich selbst." Nachwort./ So schlössen die Aufzeichnungen des Angeklagten. Nach- dem ich sie vom Anfang bis zum End« durchgelesen hatte, stand ich auf und begab mich in das Arbeitszimmer meines alten Freundes, de« Rechtsanwalts Dr. Serval._

Er streckte mir die Hand entgegen. Ich sehe Ihnen an, daß Sie die ganze Nacht wach ge- blieben sind, um das Tagebuch durchzulesen, das ich Ihnen gestern abend übergeben habe. Wie denken Sie darüber?" Die schönste Verteidigungsrede ist Ihnen ja da fix und fertig auf den Tisch gelegt worden." Nicht wahr? Aber was sagen Sie dazu, daß der juuge Mensch mich angefleht hat, diese Aufzeichnungen nicht zu ver- wenden: er will nicht, daß der Name seiner Mutter auch nur mit einem Verdacht gestreist werde." Warum hat er dann alles das niedergeschrieben?" Wahrscheinlich, um sich in meinen Augen und vor allem vor sich selbst zu rechtfertigen." Und die Mutter?" Die Mutter?" Er hob die Hand mit einer ausdrucks- vollen Bewegung.Sie hat sich geweigert, ihn zu sehen." Haben Sie vielleicht zufällig den Vater gekannt?" Sehr gut: wir haben zu gleicher Zeit die Universität be- sucht, er ist ja auch Jurist gewesen. Der reizendste, geselligste Mensch, den Sie sich vorstellen können, aber ein- oder zweimal hatte ich Gelegenheit zu beobachten, wie er sich bei nichtigen Anlässen benahm. Da hat sich der ganze Mensch offenbart, schon damals ist er so gewesen, wie ihn sein Sohn schildert." Wann ist die Verhandlung?" Morgen um zehn Uhr: wenn Sie wollen, können Sie mit mir hingehen." Ich nahm seine Einladung an und den nächste» Vormittag um zehn Uhr wurde ich in den großen Schwurg-richtssaal eingclasien. Der Angeklagte saß schon auf seiner Bank, zwischen zwei Wachleuten. Ein hochaufgeschossener junger Mensch, den ich wenigstens für fünfundzwanzig Jahre gehalten hätte. Er war so blaß, daß seine Haut ganz durchsichtig schien. Zuerst fielen mir zwei große blaue Augen auf, die unter langen braunen Wimpern halb verborgen lagen, Haar und Schnurrbart waren auch braun. Die Stirn war nicht sehr hoch, verriet aber gute Geistesgaben: ein« gebogene Nase, ziemlich große Ohren, um den breiten, energischen Mund lag ein Zug von Bitterkeit. Die Wangen waren so tief eingesunken, daß das Gesicht des jungen Mannes noch magerer aussah. Er trug einen blaue« Anzug, und seine Krawatte war sorgfältig gebunden., m.(Fortsetzung solgt.) j