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Der Jugend zum Geleit.

Die von der Sozialdemokratischen Partei veran­stalteten Jugendweihen der Arbeiterschaft Groß­Berlins finden alljährlich eine sehr starke Beteiligung. Zu der erften unserer diesjährigen Jugendweihen hatten am Sonntag im Großen Schauspielhaus mit den Knaben und Mädchen die Eltern, Geschwister, andere Berwandte und ihnen Nahestehende in großer Zahl sich versammelt.

Die Beiherede des Genossen Dr. Lohmann wies den jetzt aus der Schule ins Leben hinaustretenden Jugendlichen den Weg zu zielen, die den Kindern des Boltes als erftrebens. wert vorschweben müssen. Wissen sollen sie, daß sie auf keinen Bater im Himmel" rechnen fönnen, sondern der Mensch selber sich sein Schicksal schmiedet und die Menschheit selber sich die Welt besser gestalten muß. Auf die Kämpfe, die sie zu bestehen haben werden, follen sie sich rüsten. Was die Alten begannen, sollen die Jungen weiterführen und einmal vollenden. In mahnenden Worten betonte der Redner die Pflicht der Soli barität, ohne die feine Gemeinschaft denkbar ist und fein Kampf erfolgreich sein fann.

Die stark wirkende Weiherede wurde von fünstlerischen Beigaben umrahmi, von Orgelspiel, Gefängen des Berliner Bolfschores, Bor­Der trägen eines Cello- Trios( Liebermann, Hoppe, Lenzewski). Sprechchor der Proletarischen Feierstunde steigerte mit Franz Rothen­felders Ruf der Brüder die Beiheftimmung.

Sie glaubte an seine Untreue."

Ehetragödie in einer Arztfamilie.

Eine Ehetragödie spielte sich in der Nacht zum Sonntag in der Wohnung des praktischen Arztes Dr. Otto Singermann ab. Die Frau des Arztes hatte ihren Mann durch einen Revolver: schuß in den Hintertopf fomie durch Stiche und Schläge so schwer verlegt, daß nach der Ueberführung in ein Krantenhaus der Tod eintrat, und dann versucht, sich selbst durch Veronal zu ver­giften. Wir erfahren dazu folgende Einzelheiten:

Gellende Hilferufe schreckten in der Nacht zum Sonntag furz nach 2 Uhr die Bewohner des Hauses Genter Straße 6 aus dem Schlafe. Die Rufe famen aus der Wohnung des 38 Jahre alien praftischen Arztes Dr. Otto Singermann, der im zweiten Stod mit seiner Frau Erita, geb. v. Nathusius, die 36 Jahre alt ist, eine Bierzimmerwohnung innehat. Man benachrichtigte die Bolizei, und die Beamten mußten sich, da ihnen nicht geöffnet murde, mit Gewalt Zutritt verschaffen. Dr. Singermann lag Er hatte, wie sich blutüberströmt auf seinem Bett. ergab, einen Schuß in die Nase bekommen. Die Kugel war in den Hinterkopf gedrungen. Außerdem hatte er zahlreiche Stich und Schlagverlegungen im Gesicht und auf dem Kopf. Der schwerverletzte Mann wurde sofort nach dem Birchow- Krankenhaus gebracht. Frau Singermann war beim Erscheinen der Beamten in das nach hinten gelegene Operationszimmer geflüchtet und hatte fich dort eingeriegelt. Nachdem es gelungen war, die Tür zu öffnen, fand man sie bewußtlos auf einem Stuhle sizen und brachte sie nach der Charité. Hier fam sie einen Augenblick zu fich und fonnte angeben, daß sie ihren Mann und sich selbst habe töten wollen. Da der Befund zunächst auf die Mit wirkung dritter Berfonen hinzuweisen schien, so war auch die Mord­fommission alarmiert worden. Die Kommissare Dr. Wächter und Bipo mit ihren Beamten erschienen sofort am Tatort. In dem Schlafzimmer muß zwischen dem Ehepaar ein heftiger Rampf ftatt gefunden haben. Der Arzt war am Sonnabend gegen 1 Uhr nachts nach Hause gekommen. Gleich darauf war der Streit entbrannt, in dessen Verlauf die Frau dem im Bett liegenden Mann mit einem Beil, einem Rüdrenmesser und dem Revolver die Ber: legungen beibrachte. Durch die Abwehrversuche des Ueberfallenen trug die Frau Schnittwunden an der Hand davon. Ihre Absicht, sich ebenfalls durch einen Schuß zu töten, wurde dadurch vereitelt, daß die Waffe eine abehemmung hatte. Jetzt griff sie zum Beronal und nahm davon ein so großes Quantum, daß sie auch jeht noch nicht vernehmungsfähig ist. In einem hinterlaffenen Briefe teilte sie einem Verwandten mit, daß sie Grund habe zu der Annahme, daß ihr Mann ihr nicht treu fei. Es sei gingen. deshalb beffer, wenn sie beide aus dem Leben Dr. Singermann ist am Sonntag abend gegen 7 Uhr im Birchow- Krankenhaus gestorben, nachdem die Kugel aus dem Kopje entfernt worden war. Frau Singermann liegt noch immer bewußtlos in der Charité danieder. Trch ihres noch bedent­lichen Zustandes glauben die Aerzte, fie am Leben erhalten zu fönnen.

Eröffnung der Reichs- Seifenmesse.

Bom 20. bis 22. März veranstalten die deutschen Seifenhändler in den Gesamträumen der neuen Welt", Hasenheide, ihre dies­jährige Frühjahrsfachmeffe. Borsigender Seegert vom Zentralver­band der Seifenhändler Deutschlands sprach in seiner Begrüßungsrede von den mannigfaltigen Nöten des Kleinhandels im allgemeinen und denen des Handels mit Artikeln des täglichen Bedarfes im besonderen. Er wies darauf hin, wie der Seifenhandel und die ihm verwandten Zweige ganz und gar abhängig von der Meinung und dem Urteil des Bublikums sind und, daß den heimischen Erzeugnissen wenig Beachtung geschenkt werde. Vorsitzender Koch vom Schutzverband Deutscher Seifenhändler plädiert für eine Gleichstellung des Seifen­handels mit dem Lebensmittelhandel bezüglich der Sonntagsruhe. Troß all diefer Wünsche und Forderungen bot die reich beschickte Messe ein recht lebendiges, zukunftsfrohes Bild. Neben den ver­schiedenartigsten Seifenfabrikaten für den häuslichen und persönlichen Bedarf sah man Artikel der Kosmetik, der Schuhpflege, verschiedene Haushaltsgegenstände, sonstige Erzeugnisse, die in irgendeiner Be= ziehung zum Seifenhandel stehen und von diesem mit vertrieben werden. Für die Hausfrau gibt es allerhand Berbesserungen und Neuheiten auf dem Gebiete der Wohnungspflege: Zauberbesen, Edel­polituren, ideale Wäscherollen, Bravo- Seifen u. a. m. Der zahlreiche Besuch beutet auf ein starkes Interesse an der Ausstellung.

Sonntag bei den Märzgefallenen.

Am gestrigen Sonntag hatte der Friedhof der Märzgefalle. nen im Friedrichshain Majsenbesuch. Schon von früh an strömten Die Besucher herzu und der Berkehr mußte bald von einigen Bolizei beamten geordnet werden. In den Nachmittagstunden war der An­brang so gewaltig, daß sich eine riesige Schlange Bartender bildete, die, zu Bieren und Fünfen angestellt, geduldig warteten, bis die Reihe an sie fam. Die Kränze waren im Laufe des Freitags noch start vermehrt wurden, u. a. hatte auch die Deutsch demofra­tische Partei einen Kranz mit schwarzrotgoldener Schleife den Freiheitstämpfern von 1848 gewidmet. Die Teilnahme der Ber­ liner Arbeiterschaft am Gedenktag des 18. März war in diesem Jahre bedeutend stärker als in den legten Vorjahren.

Festkonzert des Schwarzmeier- Kinderchores. Der in Berlin von dem Gemeindeschullehrer Schwarzmeier vor 25 Jahren gegründete Kinderchor veranstaltet zwei Fefttonzerte aus Anlaß seines über Das Bierteljahrhundert Jubiläums, im Borwärts" schon berichtet wurde. Bei dem ersten Festkonzert, bas am Sonntag in der staatlichen Hochschule für Musik stattfand, zeigte der seit Schwarzmeiers Tod von dem Gemeindeschullehrer Bernhard Klaut geleitete Chor wieder seine Vorzüge. Jin Bolkslied und im Runftgefang bewährten sich die Mädel und Jungen in Schönheit des Tones und Sicherheit des Vortrages. Die Opern­fängerin Frieba Schmidt- Siebert( Wiesbaden ) wirkte mit und erfreute durch schöne Gaben von Weber, Echubert und anderen. Der Sängerin und dem Chor spendete die Zuhörerschaft reichen Beifall. Das Konzert, dessen Ertrag für 20tershilfe und Jugendpfiege bestimmt ist, war gut besucht. Es wird am nächsten Sonntag wiederholt

Zusammenstöße mit Nationalsozialisten

Schießerei auf Bahnhof Lichterfelde - Ost.

Die Hafenfreuzfer aller Gattungen hatten es gestern barauf abgesehen, in mehreren Stadteilen Berlins ihr Rowdytum möglichst öffentlich vorzuführen. Wo sie auf die disziplinierten Trupps des Reichsbanners stießen, gelang es ihnen nicht, die Provo­fationen auf die Spige zu treiben, dagegen kam es auf dem Bahn hof Lichterfelde Ost zu folgenschweren Zusammen. ft ößen mit roten Frontfämpfern, die auf beiden Seiten Opfer forderten. Ueber die Vorfälle wird uns im einzelnen be­richtet:

Am gestrigen Sonntag furz nach 7 Uhr abends trafen auf dem Berron des Bahnhofs Lichterfelde - Ost mehrere hundert Nationalsozialisten ein, die sich auf der Durchfahrt von einer Beranstaltung in Trebbin befanden. Sie hatten den Fernzug in Lichterfelde - Ost verlassen und gerieten auf dem Bahnsteig mit fommunistischen roten Frontfämpfern in Streit, der sich

derart zuspißte, daß die Gegner mit Schuß-, Hieb- und Stichwaffen aufeinander losgingen. Im Verlauf von wenigen Minuten war auf dem Bahnsteig eine regelrechte Schlacht im Gange, die sich teilweise Jogar in den Abteilen des haltenden Zuges und auf den Geleisen fortsette. Mehrere Schüffe wurden gewechselt und große Schottersteine geschleudert. Bis zum Eintreffen des Ueber: fallfommandos waren nicht weniger als 18 Beteiligte durch Schüsse, Stiche oder Steinwürfe verlegt. Sechs von ihnen lagen schwer­verlegt und blutüberströmt am Boden. Wie die Bandalen hatten die Nationalsozialisten gehaust. Ein Personenwagen wurde völlig demoliert. Es gelang der Bolizei, die Ruhe wieder herzustellen und für die Ueberführung der Berlegten in das Vinzenzfranken­aus zu sorgen. Berhaftet wurden insgesamt 20 Beteiligte; fünf Nationalsozialisten und acht Kommunisten wurden der Abteilung la im Polizeipräsidium zugeführt. Bon anderer Seite wird der Zusammenstoß folgendermaßen ge­schildert:

Um 7 Uhr 10 min. traf auf dem Bahnhof Lichterfelde- Ost der Personenzug 841 mit 23 Minuten Verspätung ein. In dem Zuge befanden sich außer zahlreichen anderen Reisenden mehrere hundert Hakenkreuzler und auf einige Nebenabteile verteilt etwa 60 bis 80 Rote Frontkämpfer. Noch vor Eintreffen des Zuges ging vom Bahnhofsvorsteher aus Ludwigsfelde in Lichterfelde - Ost die Meldung ein, daß zwischen politischen Gegnern schon im Zuge Streitigkeiten entbrannt feien, wobei mehrere Schei­ben zertrümmert wurden. Zur Feststellung der Sachbeschädigungen ben zertrümmert wurden. Zur Feststellung der Sachbeschädigungen waren deshalb nach dem Bahnhof Lichterfelde - Ost mehrere Polizei­beamte beordert worden. Kaum war der Zug zum Stillstand ge= langt, als zahlreiche Rote Frontkämpfer den Zug verließen. Es tam zu einem Handgemenge zwischen Hafentreuzfern und kommunisten. Plötzlich ertönte der Ruf: Aus dem Zug wird von Kommunisten gefchoffen!" Das gab das Signal zu einem Generalangriff auf die fich in ffarfer Minderheit befindlichen Kom­munisten. Die Polizeibeamten waren der tobenden Menge gegen= über zunächst machtlos. Ein furchtbarer Tumult entstand. Glüd­licherweise konnten die übrigen Reisenden, die den Zug verlassen hatten, von Bahnbeamten nach dem Ende des Bahnsteigs abgedrängt werden, so daß von ihnen niemand zu Schaden fam. Born hatte fich inzwischen eine regelrechte Schlacht entwidelt. Sahlreiche Schüsse wurden gewechselt; mit Stöcken, Fahnenstangen, Schlagringen usw. hieben die Gegner aufeinander los. Ein Bersonenwagen wies zahl­reiche Einschüsse auf. Die Nationalsozialisten erhielten von der Straße her noch Verstärkung von Gesinnungsfreunden, die auf dem Bahnhofsvorplaz die Rüdfehr ihrer Leute erwartet hatten. In= zwischen war ein starkes Bolizeiaufgebot erschienen, das in furzer Zeit Ruhe schaffte und die nötigen Feststellungen vornahm. Insgesamt wurden 20 Personen durch Schrüffe, Stiche, Steinwürfe usw. verleht, darunter fechs Beteiligte schwer, die durch das Rettungsamt in das Binzenzfrankenhaus und in die Charité gebracht werden mußten. Die übrigen fonnten nach Anlegung von Not verbänden in ihre Wohnungen entlassen werden bzw. mußten die Fahrt zum Polizeipräsidium antreten. Auf dem Bahnsteig wurden nach der Räumung Waffen, Revolver, Dolche usw. auf­gefunden, die von den Streitenden fortgeworfen worden Der Zugverkehr wurde durch das Vorkommnis über 30 minuten lang völlig lahmgelegt.

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Die Feftgenommenen bleiben in Haft.

maren.

Die bei den gestrigen Zusammenstößen verhafteten Personen, Nationalsozialisten und Kommunisten find bereits im Laufe der Nacht durch Kriminalfommissar Maßlad von der Abteilung I A und am heutigen Vormittag von Regierungsdirektor Windisch ver. nonimen worden, der die Untersuchung selbst leitet. Borderhand widersprechen sich die Angaben beider Parteien erflärlicherweise noch

Paul Nathans lehte Fahrt.

Auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee wurde gestern Genosse Dr. Baul Nathan unter großer Beteiligung seiner Freunde und zahlreicher Bertretungen von Organisationen, denen der Berstorbene im Leben nahegestanden hatte, zur letzten Ruhe gebracht Um 12 Uhr fand eine Trauerfeier in der Wohnung des Ber­storbenen statt, bei der sein Neffe Dr. Schiff, Dr. Ernst Feder und Genosse Ed. Bernstein sprachen. Um 2 Uhr nachmittags traf der Kondukt mit dem Sarg, der über und über mit roten Nelfen geschmückt war, in der Halle des Friedhofs ein. Als erster sprach im Namen des engeren Kreises der Freunde aus der Zeit

ber Freifinnigen Bereinigung manes Benolle

folgte als Bertreter des Parteivorstandes Genoffe Hildenbrandt. Er führte aus, daß die Partei einen Mann wie Dr. Nathan, der durch seinen Kampf für die Freiheit und seine Taten der Menschen­liebe höchstes Ansehen gewonnen hatte, mit Stolz in ihre Reihen aufgenommen habe. Die Bartet werde stets bestrebt sein, im Kampf für Freiheit und Menschlichkeit die Hoffnungen zu erfüllen, die der Berstorbene in fie gesetzt habe. Weiter sprachen Chefredakteur uschte, der den Berstorbenen als Mann der Feder feierte, Schriftsteller Kienzl für den Osterreichisch deutschen Boltsbund, dessen Borstand Dr. Nathan angehört hatte, und zahlreiche Vertreter jüdischer Organisationen. Dann begab sich der Zug zu dem Familien. grab der Familie Nathan, wo der Berstorbene, seinem letzten Willen gemäß, neben seiner Mutter beigesetzt wurde.

Fahnenweihe des Reichsbanners.

In Tempelhof und Neukölln fanden gestern Fahnen­weihen des Reichsbanners statt. Beide Kundgebungen waren fehr gut besucht. Der Umzug in Tempelhof wurde pon tausenden von Ueberall grüßte reicher Flaggenschmud. Einwohnern begleitet. Am Alarichplay versammelten sich Tausende, um an der Fahnen­weihe teilzunehmen. Mit einem Fanfarenbläsertorps murde die neue Fahne eingebracht. Nach Begrüßungsworten des Stadtrats Ewald, der im Namen des Bezirksamtes sprach, hielt Senats­präsident Großmann die Weihrede. Seine Worte gegen die Kendell­republikaner fanden reichen Beifall. Dann weihte der Redner das neue Banner, das im reichen Stickereischmuck die ersten Säge der Verfassung zeigt. Der Wiener Schugbund, der seit dem Besuch des Reichsbanners in Wien in herzlicher Berbindung mit den Tempelhofer Kameraben geblieben ist, hatte mit einem Schreiben ein Fahnenband gefandi. Der Wahlkampf der in Wien jest jede Kraft benötigt, hindert die Wiener Kamernden daran, selbst zu erscheinen. Ein freudiges Hoch auf die großdeutsche Repablit war Dank für dieje Zeilen fameradschaftlicher Treue,

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außerordentlich start. Gegen alle Beteiligten merben erfahren megen Landfriedensbruches eingeleitet, und es iſt mit einem Massenprozeß zu rechnen, bei dem weit über hundert Ber­Bei den gestrigen fonen sich zu verantworten haben dürften. Schießereien find zwei Nationalsozialisten und 14 Kommunisten in den Lichterfelder Krankenhäusern behandelt worden. Das Bejinden pon drei Schwerverletzten Pohl, Geyer und Pflüger, ist ernst, jedoch besteht nur bei Gener Lebensgefahr.

250 gegen 25.

An den Zusammenstößen auf dem Bahnhof Lichterfelde - Dft. waren nach einer ergänzenden Meldung 250 National= fozialisten und 25 Kommunisten beteiligt.

Die Nationalsozialisten in Trebbin .

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Zu diesen Zusammenstößen wird uns aus Irebbin geschrie ben: Für die von den Nationalsozialisten hier im Orte abgehaltene Kundgebung war schon seit einiger Zeit eine rege Propaganda enta faltet worden. Große Inferate in der Zeitung, Handzettel und Bla­fate luben jeden Deutschen , der nach Freiheit dürftet," zur Leil nahme ein. Mindestens 800 Mann in Uniform wollte man auf die Beine bringen. Der Sonntag fam heran. Aber man sah nur etwa 250 uniformierte Hafenkreuzler, also den vierten Teil der erwarteten Bahl, auf dem Martplay. Der Berliner Führer Dr. Goebbels hielt eine Ansprache. Danach wurden einige Züge gebildet, die unter Borantritt eines Zambourforps lange Zeit durch die Straßen des Etädtchens zogen. Mitgeführt wurden antisemitische Blafate und vor allem große rote Fahnen, die in der Mitte das schwarze Hafen­freuz auf weißem Grund zeigten. Wenn man die Hitlerleute auf­mertfam betrachtete, so stellten sich in der Hauptsache drei Gruppen heraus: Junge, abenteuerliche Menschen, verkrachte Eristenzen und einige durch die wirtschaftliche Not verärgerte und verrannte ältere Leute. Die Züge machten eher einen bemitleidenswerten Einbrud, als daß fie als Kampftruppe" wirfen konnten. Aus Trebbin waren etwa fieben Mann in Uniform beteiligt; auch aus dem nahen Luckenwalde hatte man ta um ein Bäderdugend auftreiben tönnen. Die Einwohnerschaft des Ortes verhielt ich vernünftiger­weise gegenüber diesem komödienhaften Treiben völlig zurüd. haltend. Auch die Kommunisten nahmen von einer Gegen­demonstration Abstand. Durch diese fühle Berachtung ist den Haken­freuzlern weit mehr Schaden zugefügt worden, als wenn es auch hier zu Zusammenstößen gekommen wäre. Die Nationalsozialisten glaubten wohl, in dem Landstädtchen auf dem Dummenfang gehen zu fönnen.

Weitere Provokationen.

Ein anderer Zusammenstoß ereignete fich gestern in Eteglik. Mehrere Reichsbannerleute aus Zehlendorf hatten an der Fahnenweihe in Tempelhof teilgenommen. Auf der Fahrt von Tempelhof nach Steglig mußten fie in Stegliz am Rat haus auf den Omnibus der Linie 20 warten. In diesem Augenblick fam ein Trupp von mehreren Hundert Nationalsozialisten vorüber und bot den Reichsbannerleuten Flugblätter an, die sie ablehnten. Darauf rief einer der Hitler - Leute: Hier sind Reichsbannerschweine", worauf einer fofort mit seinem Stoc auf den Reichsbannerführer einschlug, ihm das Rafenbein zertrümmerte und eine Schädelverlegung beibrachte. Bemerkenswert war, daß alles dieses sich vor der Polizeimache Steglig abspielte. Trotzdem war fein Schupomann zur Stelle. Ein ähnlicher Ueber­fall wurde um 10 Uhr abends an der Ecke Schloß- und Schild­hornstraße in Steglitz auf 3 mei Barteigen offen ver­übt, die sich in Zivilkleidung befanden und nur das Parteiabzeichen trugen. Mit dem Rufe Judenknechte" brangen etwa 25 bis 30 Hafenkreuzler mit Stöden und Schlagringen auf beide ein, bis sie blutüberströmt zusammenbrachen. Bewohner eines Hauses nahmen die Bedrängten bei sich auf, um fie vor weiteren Tätlichkeiten der völkischen Rowdies zu schützen. Als Polizeibeamte einschritten, waren die Täter entkommen. Die Berlegten, von denen einer schwere Gesichts- und Schädelverlegungen erlitten hatte, wurden von Polizeibeamten zur nächsten Rettungsstelle ge= schafft, wo ihnen Notverbände angelegt wurden.

Am Wittenbergplab und an der Gedächtniskirche fam es zu Schlägereien zwischen Hafenfreuzlern und Straßen= paffanten. Es handelte sich um völkische Teilnehmer eines Buges, der von Lichterfelde über Wilmersdorf nach Charlottenburg marschierte. Wo die völlischen Lausbauben nur eine Gelegenheit zu Anrempelungen van Straßenpassanten zu haben glaubten und mo die Polizei außer Sicht war, übten sie rüdsichtslosesten Terror. Drei Rädelsführer der Bölkischen wurden verhaftet und der Abteilung I a zugeführt.

Nachdem noch eine Reihe Kameradschaften Fahnennägel überreicht hatten, zogen die Teilnehmer in die Festlokale ab.

In Neukölln wurde das Banner der 2. Kameradschaft geweiht. In beiden Sälen von Kliems fammelten sich die Fest­teilnehmer nach einem furzen Umzug durch Neuföln. Die Feſtworte sprach Kamerad Künstler. Ein gut ausgewähltes Programm und eine Aufführung Huldigung der Republit" fanden reichen Beifall Auch für das Neuköllner Banner hatten die Wiener Kameraden ein Fahnenband übersandt.

Der Frühling ist da.

Das Frühlingswetter der legten Lage ist nunmehr durch den Kalender fozusagen amtlich festgelegt worden. Diesmal haben die Wetterpropheten Recht behalten: Das Barometer ist langfam, aber ständig gestiegen und auf jeder Hochbahnstation zeigte die Queck­filberröhre an, baß es dem Schönwetter" zugeht. Die frühlings­haften Tage der vorigen Woche haben sich bisher noch nicht ver­ändert, die Tagestemperaturen find für den Ausgang März unge. wöhnlich hoch und sie werden es auch meteorologischer Boraussicht nach vorerst bleiben. Der legte Berliner Winter hat uns eigentlich tein schlechtes Andenken hinterlassen. Er ist schon vor seinem kalender­mäßigen Ende fanit in einen füdländischen Frühling hinüber­geschlummert. Die Hauswirte sparen an der Zentralheizung und bie Arbeitslofen haben einige Groschen Kohlengelder für ihren

sonstigen Lebensunterhalt frei. Durch die Freude über die schönen Tage um den 21. März herum wird hoffentlich das Wetter nicht wieder verdorben werden, damit die Berliner , vor allem natürlich die Laubenkolonisten, die Sportler und die jungen und alten Wander vögel zu ihrem Frühlingsrecht kommen.

Arbeiterfamariterkolonne, Berlin E. B. Das Bezirkskartell Wedding ladet Mitglieder des ASB. durch Karte zu Montag, 21. März, zu einer Sigung ein. Wir bemerken, daß diefes ohne Einverständnis der Arbeiterjamariterfolonne Berlin erfolgt.

Genossenschaftswahl in der Großfiedlung Bris. Ein glänzendes Bahlresultat erzielte am Sonntag bei der Genossenschaftsmahl in der Großsiedlung Briz die Liste Genossenschaftsaufbau". Sie er hielt 113 Stimmen, mährend die Liste der Kommunisten" nur 21 Stimmen erhielt. Auf die Liste Genossenschaftsaufbau" entfallen senach brei Bertreter und zwei Erfagleute, auf die Liste der Kom­munisten" ein Erfagmann.

Der Ortsausschuß für Jugendpflege Neukölln beranſtaltet heute abenb 7. Ubr im Saalbau Bergfir. 147 eine à rafeter. Gintritts& lazten zum Preise von 20 Bi. für Jugenbliche und Erwachsene find an der Staffe zu haben. 7. Kreis Charloffenburg. Heute, Montag, 21. März, 7, br, außer ordentliche Frattionsfigung im 3iminer I des Rathauses mit allen Bürger­deputierten.