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Abendausgabe

fr. 147 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 73

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10 Pfennig

28. März 1927

Vorwärts=

Berliner   Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Der Streik in Schanghai  .

Schwierigkeit des Abbruchs.- Neue Truppenfendungen der Mächte. London  , 27. März.( Eigener Drahtbericht.) Die letzten aus| wirtschaft an der Universität Kanton und als landwirtschaftlicher Be­Shanghai eingetroffenen Meldungen zeigen, daß die Liquidie rater der südchinesischen Regierung angenommen; er wird noch im

rung des Generalstreits auf gewiffe Schwierigteiten stößt.

So sind zum Beispiel die streifenden Eisenbahner zur Arbeit zurüd­gefehrt, sie versuchten jedoch, den Eisenbahnbetrieb mit den Be triebsräten anstatt der bisherigen Beamten durchzuführen.

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März die Reise antreten. Außer ihm sind noch sechs Mediziner und ein Oberförster als Professoren nach Kanton berufen worden und zum Teil schon abgereist.

Ratlosigkeit in Thüringen  .

Seit Streitbeginn wurde teinem einzigen der bei der Eisenbahn de Eine Strafexpedition" des Imperialismus jetzung der Rechtsparteien

schäftigten britischen Beamten das Betreten der Station, welche außerhalb der internationalen Siedlung gelegen ist, gestattet. Das amtliche britische Nachrichtenbureau meldet, daß alle Gewert schaften nunmehr unter tommunistischer Leitung stünden, und daß seit der Einnahme Schanghais durch die Kanton­truppen in Schanghai   und Umgebung die stärkste Agitation unter der Arbeiterklasse eingesetzt hätte.

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Chinesische Meldungen weisen darauf hin, daß nicht nur die Zwischenfälle in Schanghai  , sondern auch die Zwischenfälle in Nan fing auf die Nordtruppen und nicht auf Angehörige der Stantonarmee zurückzuführen seien. Es wird nunmehr bekannt, daß DON den britisch- amerikanischen Marineoffizieren geplante zweite Beschießung Nankings zufolge des Proteftes des japanischen Marinefommandeurs unterblieben ist, der sich schon geweigert hatte, an dem ersten Bombardement teilzunehmen. Die Mächte fehen ihre Truppenfendungen nach Schanghai   fort. Die Bereinigten Staaten haben neuerlich) 1500 Marinesoldaten entsandt, wodurch die Gesamtzahl der Amerikaner auf 3000 geftiegen ist. Japan   sendet 8 Kreuzer und England eine Division.

Kanton holt deutsche   Lehrkräfte. Wiesbaden  , 28. März.( MTB.) Wie die,. Wiesb. 3tg." hört, hat Professor Dr. Wagner von der hiesigen Landwirtschafts. fammer, die an ihn ergangene Berufung als Professor für Land­

Mißtrauen gegen Geßler. Sozialdemokratischer Antrag im Reichstag. Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion hat zur zweiten Lefung des Reichswehretats ein Mißtrauensvotum gegen den Reichswehrminifter Geßler eingebracht.

Blutgericht."

Die Entrüftung der Nationalen. Enttäuschung im nationalen Lager! Endlich hat sich ein Gericht gefunden, das in voller Ausführlichkeit und Deffent­lichkeit den Spuren der Fememörder nachgegangen ist. Endlich ist es, troß eines raffinierten nationalen Lügen ist. Endlich ist es, troß eines raffinierten nationalen Lügen Beschuldigten und Beteiligten unwirksam zu machen. Und schon schreit es: Blutgericht!

Am lautesten die Deutsche Tageszeitung". Das Organ der Agrarier gibt damit indirekt zu, daß die Verurteilten Fleisch von ihrem Fleisch, Bein von ihrem Bein sind. Es folidarisiert sich förmlich mit den Klapproths, Schulz und Kon forten, spricht von einem Blut urteil, wie es in der Rechtsprechung einzig da ste ht", von der Ro bustheit eines Gewissens", die von den Richtern gezeigt wurde!

Selbstverständlich sind die Mordbuben Unschuldsengel, die nur dem Vaterlande gegen außenpolitische Gefahren und im Innern sich selbst gegen eine infame Heze und Be­spielung" helfen wollten!

Die ,, Tägliche Rundschau" schlägt ähnliche Töne an. Sie meint: Man hätte die Leute vor ein militärisches Ausnahmegericht stellen und ein Urteil in der Ge­samtheit aussprechen müssen." Im ganzen wird durch dieses Urteil, nach dem Organ Stresemanns, das Bers trauensverhältnis des deutschen Boltes zu seiner Rechtsprechung bis zur Wurzel vergiftet".

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Wir stellen diese Bekenntnisse schöner Seelen hier fest. Nicht die ungeheuerlichen Urteile des Reichsgerichts gegen fommunistische Arbeiter, die zur Abwehr der Butschorgani­fationen rüsteten, nicht der Freispruch der Arbeitermorder von Berlach und Marbach, nicht die parteiische Rechtsprechung in unzähligen ähnlichen Fällen nein die durch Gnadengefuch gemilderte Berurteilung unbezweifelbarer Mörder vergiftet das Bertrauen zur Justiz, ist das Blutgericht! Das heißt, national" verbrämten, gegen die Republik  gerichteten Verbrechern ist alles zu verzeihen. Verbrecher im Sinne diefer Parteiblätter sind nur Anhänger der republika nischen Staatsform!

Militärterror der Engländer.

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Kanton, 27. März.( Chines. Agentur.) Nach den neuesten Mel dungen stellt sich die angebliche englische   Strafexpedition" gegen die Seeräuber der Biasbay als eine brutale militärische Demonstration zur Einschüchterung der Bewohner der Provinz Kwantong heraus. Am 23. März sandten die Engländer von Hongkont aus vier Flugzeuge und vier Kriegsschiffe mit mehreren hundert Soldaten nach der Biasbay, Bezirk Beiyang( Ost­hundert Soldaten nach der Bias bay, Bezirk Weinang( Oft fwantong), angeblich um Seeräuberschlupfwinkel zu vernichten. In Wirklichkeit wurde mit größter Grausamteit ein Rache feldzug gegen die Anhänger der Südregierung unternommen. Ueber 2000 Häuser wurden eingeäschert. Biele weitere Häufer sind durch das Feuer schwer beschädigt. Ueber 2000 Chinesen tamen ums Leben. Der Bevölkerung Kantone hat sich eine große Empörung bemächtigt, und in gewaltigen Maffenver fammlungen wurde sowohl gegen diese neue englische   Brutalität als auch gegen die Beschießung der Stadt Nanking   durch Engländer und Amerifaner protestiert.

Die Berichte der Hongtont- Zeitungen über die angeblichen Greueltaten der Südtruppen in Ranting find inzwischen völlig widerlegt worden, aber über die Qualen der durch die englisch  - amerikanische Beschießung dieser Stadt getöteten Einwohner haben die Engländer bis zur Stunde noch nichts berichtet.

Spiel ein Ende zu machen und einen Anlaß zum behördlichen Ein­greifen zu geben, veröffentlichte der zweite Bundesvor= figende des Reichsbanners, Karl Höltermann  Magdeburg  , einige in Umlauf gesetzte Rundschreiben über das Kleintaliberschießen in Ostpreußen  . Darauf ist gegen ihn von der Oberreichsanwaltschaft ein Verfahren wegen Landesverrats eingeleitet worden. Auf welcher Grund­lage dieses Verfahren aufgebaut werden soll, ist rätselhaft.

Kritik an der Heeresreform. Auf dem Bezirksparteitag des Seine- Departements. Paris  , 28. März.( Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag tagte hier der Kongreß der sozialistischen   Bezirksverbände Seine  . Er hat in seiner Vormittagssigung bei der Diskussion über den vom Parteisekretär vorgelegten Bericht den lebhaften Protest des De­legierten Graciani gegenüber den von dem sozialistischen   Dele­gierten Paul Boncour ausgearbeiteten Entwurf zur Heeres reform angehört. Graciani betont, daß dieser Entwurf die ganze französische   Nation ohne Unterschied des Alters und Geschlechts mobilisierte und sowohl in Arbeiterkreisen wie überhaupt in der sozialistischen   Partei auf sehr scharfen Widerstand gestoßen sei. Er erklärte, daß die sozialistische Partei mindestens vorher darüber hätte befragt werden müssen. Daran anschließend fri­tijiierte 3 i er omsti eingehend die Tätigkeit des Bölferbundes, die in zahlreicher Hinsicht den Prinzipien der Internationale zu­widerlaufe; diese möge jede Zusammenarbeit mit dem Bölkerbund ablehnen. Nach lebhafter Diskussion, in der viele Delegierte der Ansicht waren, daß die Heeresreform von Paul Boncour in mancher Hinsicht die Ideen von Jaurès   widerspiegele, wurde ber Bericht angenommen, daß der Beitrag der Abgeordneten von 3000 auf 6000 Frank erhöht wird.

In der Nachmittagsfißung ftand zur Diskussion die Hauptfrage: die Stellungnahme der Partei den Raditalen einerseits und den Kommunisten andererseits gegenüber. Nach längerer Debatte wurde eine Resolutionstommission gebildet.

Staatsbank und Köttewith- Kredite. Staatsbankpräfident Schröder als Zeuge im Barmat Prozeß.

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Besteht noch die Möglichkeit der Regierungsbildung? Von A. Frölich, Mitglied des Thüringischen Landtags. Die Wahl vom 30. Juni v. 3. hat der Opposition des verflossenen Landtags eine Mehrheit gebracht, die sich verteilt auf Sozialdemokraten 18, Kommunisten 8, Demokraten und Aufwertler( Arbeitsgemeinschaft) 3 Size; diesen gegen­über stehen: Landbund 9, Volkspartei 6, Wirtschaftspartei ein­schließlich eines völkischen Hospitanten 6, Deutschnationale 4 und Hitler  - Gruppe 2 Mandate. Angesichts der Zusammen Landbund, Volkspartei und Deutschnationale haben als Einheitsliste den Wahlkampf bestritten und des ungewöhnlich scharfen Kampfes, den seit 1921 diese Parteien gegen die Sozialdemokratische Partei  geführt haben, ist es begreiflich, daß die Mehrzahl der für die Entscheidung zuständigen Parteigenossen Verhandlungen mit den Rechtsparteien, durch einen vom Landtagsvorstand beauf­tragten Sozialdemokraten zu führen, ablehnten. Einmütigkeit bestand darüber, daß versucht werden sollte, eine Regierung von Sozialdemokraten und Demokraten zu bilden, wozu die Stimmen der Kommunisten notwendig gewesen wären. Aus Aeußerungen von führenden Kommunisten mußte entnom men werden, daß die Kommunisten dazu auch bereit wären. Berhandlungen, die mit den Kommunisten geführt worden find, die allerdings von einem Teil unserer Genoffen für überflüffig erachtet wurden, ergaben, daß die Kommunisten wieder unerfüllbare Forderungen stellten und nur bereit waren, eine sozialdemokratische Minderheitsregierung, aber teine Demokraten, zu wählen. Wie diese Regierung mit 26 Don 56 Abgeordneten gewählt werden könnte, ist eine fom­munistische Preisfrage. Aber auch die Demokraten haben vom ersten Tage nach der Wahl erklärt, daß sie in eine Regierung, die von Kommunisten mitgewählt werde, nicht eintreten würden. Durch dieses Verhalten der Demo­fraten und Kommunisten war die vom Wahl­ausfall diftierte Absicht der sozialdemokratischen Fraktion, die Ordnungsregierung" schleunigst abzulösen, bereitelt worden.

Die Demokraten haben ein Uebriges getan, die Situation zu verwirren; ihre Losung iautete: Regierung vom Landbund bis zur Sozialdemokratie. Dabei setzt sich die Landbund­fraktion in der Hauptsache aus völtisch und deutschnational gesinnten Personen zusammen. Nachdem die Bemühungen des sozialdemokratischen Unterhändlers, der vom Landtags­vorstand beauftragt war, zu versuchen, eine Regierungs­toalition zustande zu bringen, gescheitert waren, mußte der Landbundbeauftragte, der nur mit den bürgerlichen Parteien verhandelt hat, ebenfalls scheitern.

Eine ganz besondere Methode wendete darauf ein Doltsparteilicher Beauftragter an. Anstatt mit den einzelnen Parteien über die einzuschlagende Politik zu verhandeln, ließ er sich vom Landbund und Wirt= schaftspartei beauftragen, die Sozialdemokratie zu fragen, ob sie bereit sei, mit den drei Parteien über die Bildung einer Regierung zu verhandeln. Auf die Frage der sozialdemokratischen Unterhändler, welche Politik denn zu­fünftig eingeschlagen werden sollte, erklärte dieser Unter­händler zunächst ganz naiv, das Programm der genannten Parteien sei die Politik der legten drei Jahre. Wenn der Wolfsparteiler später diese Erklärung auch einschränkte, so waren die Rechtsparteien aber nicht dazu zu bewegen, zu sagen, welche Politik sie beabsichtigten in Thüringen   im angebahnten Bündnis mit der Sozialdemokratie zu führen. Daraus fann nur der Schluß gezogen werden: Die Bolkspartei hatte ernstlich gar nicht die Absicht, die Sozial­demokratie zur Regierungsbildung mit heranzuziehen; ihr Biel war, die Sozialdemokratie auszuschalten, um so die Demofraten für eine Rechtsregierung zu gewinnen oder in eine neutrale Stellung bei Bildung einer neuen Rechtsregierung zu drängen. Beweis dafür ist auch, daß der Volksparteiler, nachdem die Verhandlungen" mit. der Sozialdemokratie gescheitert sind, seinen Auftrag nicht zurückgegeben hat, sondern weitere Berhandlungen mit den bürgerlichen Parteien führt. Er wird trotzdem scheitern, weil die Demokraten in eine Rechtsregierung in Thüringen   jetzt nicht eintreten fönnen und eine solche auch nicht tolerieren werden.

Als legte wird die demokratische Fraktion einen Unter­händler stellen. Es wird aber diesem das Werk nur gelingen, wenn er von der demokratischen These Regierung vom In der heutigen Verhandlung des Barmat- Prozesses wurde Landbund bis zur Sozialdemokratie" abgeht und zu einem Staatsbankpräsident Schröder zu der Angelegenheit der von Programm, das eine Abfehr von der bisherigen Lange- Hegermann an die Sächsische Papierfabrit in Röttem is reattionären Politit in Thüringen   bedeutet, eine vermittelten Kredite vernommen. Die Preußische Staatsbant Regierungstoalition zusammenbringt. Außerordentlich er­war dazu auf Veranlassung des Postministeriums eine Bürgfchwerend steht diesem Streben die Tatsache entgegen, daß die fchaft eingegangen, in der Annahme, daß es sich um Kredite für Bolkspartei durch die Neuwahl eines fozial rüd­ba Ruhrgebiet   handele. Präsident Schröder ertlärte im Gegensatz ständigen und als Scharfmacher befannten Berg­zu Lange- Hegermann, daß die Staatsbant nichts davon gemerfsdirektors fein besseres politisches Gesicht bekommen hat, mußt habe, daß der Kredit für Röttewig bestimmt gewesen sei. und daß die Wirtschaftspartei nicht nur einen völ Landesverratsprozeß gegen Reichsbanner man fet sehr überrascht gewesen, als Lange- Hegermann viel später tischen Abgeordneten in ihren Reihen zählt, sondern auch erflärt habe, die Kredite seien der Papierfabrit zugute gekommen. einen anderen Bölkischen, dem nach dem flaren Wortlaut des Der Angeklagte Dr. Hellwig ergänzte und bestätigte die An- Wahlgesetzes das Mandat zu Unrecht zugeteilt worden ist, als Magdeburg  , 28. März.( Eigener Drahtbericht.) Im Sommer gaben des Staatsbantpräsidenten, während Reichstagsabgeordneter ospitant aufgenommen hat. Um eine tragfähige Mehr­und Herbst 1926 wurden im In- und Auslande von Ostpreußen   aus Lange- Segermann auf seiner Darstellung beharrte. Diese Wider heit zu erlangen, wären aber zur Koalition, wie sie von den Nachrichten über angebliche deutsche Rüstungen gegen Polen   verfprüche führten zu scharfen Auseinandersetzungen. Auch Bar Demokraten wohl als Minimum angestrebt werden dürfte, die breitet. An der Herstellung entsprechender Dokumente waren pol mat erklärte, er habe erst nach der Gewährung des Kredites er- Sozialdemokraten mit 18, Demokraten mit 3, Boltspartei #ife Agenten und nationale" Rreife beteiligt. Um diesem fahren, daß dieser für die Papierfabrit verwendet werden sollte, mit 6 und Wirtschaftspartei mit 6 Abgeordneten zu beteiligen.

Die Seuche greift weiter.