Nr. 150 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 76
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Mittwoch, den 30. März 1927
Geßler über die Sowjetgranaten.
Sie sind geliefert und bezahlt.
Die Tatsache, daß die deutsche Reichswehr in einer nicht weit zurückliegenden Zeit von sowjetrussischen Munitionsfabriten mit Granaten beliefert wurde, ist längst durch soviel Beweise erhärtet, daß troß der verzweifelten fommunisti schen Ableugnungsversuche kein Mensch mehr an ihr zweifelt. Immerhin hat es sich gestern zum erstenmal ereignet, daß sie von der zuständigen deutschen Stelle öffentlich in aller Form bestätigt worden ist.
In der fortgesetzten Debatte über den Reichswehretat antwortete Minister Dr. Geßler auf eine vortreffliche etatkritische Rede des Genossen Dr. Leber mit längeren fachlichen Ausführungen. Dabei entspann fich zwischen dem Minister und. Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion der folgende Dialog:
Beßler( in feiner Rede fortfahrend): Nun kommt die andere Seite, ob wir von den Fabriken( den deutschen Munitionsfabriken. Red d., B.") nicht übervorteilt worden sind.
Zuruf des Abg. Nowad( Soz.): Waren die ruffifchen Granaten auch so teuer?
Geßler: Das ist längst vorbei!
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Buruf des Abg. Müller Franken: Sie find alle bezahlt! Geßler: Sie sind aus anderen Miffeln bezahlt( Müller nidt zustimmend), und ich freue mich, daß der Herr Kollege Müller die Freundlichkeit hat, mir das zu bestätigen.
Herr Geßler hat also in aller Deffentlichkeit wiederholt, was er bereits vor einigen Wochen im Auswärtigen Ausschuß des Reichsfags gesagt hatte; der Kern seiner damaligen Ausführungen bildet somit fein Geheimnis mehr. Die Szene zwischen Geßler und Müller bezieht sich eben auf jene Verhandlungen im Ausschuß. Die Sozialdemokraten
hatten sich lebhaft für die Frage intereffiert, aus welchen mitteln die sowjetrussische Munition bezahlt worden sei, da sich im Reichshaushalt nicht die geringste Spur von ihnen fand. Im Ausschuß war nun festgestellt worden, daß zur Finanzierung der deutsch - russischen Munitionsgeschäfte ein besonderer Fond gebildet worden mar, so daß die hierfür aufgewandten Mittel nicht durch den Etat liefen. Das sind die anderen Mittel", aus denen nach der nunmehr auch öffentlich abgegebenen Erklärung des Reichswehrministers die sowjetrussische Munition bezahlt worden ist.
Wenn übrigens Herr Geßler sagt, die Zeit, in der die deutsche Reichswehr von Rußland bewaffnet wurde, sei längst vorbei", so trifft das nur dann zu, wenn man diese Bezeichnung für etwas gelten laffen will, dessen Schlußaft sich erst vor einem halben Jahr abspielte. Die Verträge waren in den Jahren 1921/22 entstanden, Lieferungen sind aber bekanntlich, und zwar in sehr großem Umfang, bis in den Herbst des Jahres 1926 hinein erfolgt.
In der Sigung der Auswärtigen Ausschusses, in der die Sowjetgranatenaffäre behandelt wurde, waren die fom munistischen Abgeordneten Stöder und Rosenberg zugegen. Spätestens damals also ist ihnen die Wahrheit bekannt geworden. Trotzdem hat die fommunistische Partei und Presse auch nachher noch die Tatsachen mit eherner Stirn abgeleugnet. Sie wird auch jeßt nicht den Mut haben, ihren Anhängern zu sagen, welches Spiel Mostau mit ihnen gefpielt hat. Sie wird ihnen auch jetzt nicht fagen, daß Mostau, während es in Deutschland den bewaffneten Aufstand predigen ließ, der Reichswehr gegen bar die Mittel lieferte, um den Aufstand niederzuschlagen!
Ungarn außer Militärkontrolle.
Beschluß der Botschafterkonferenz.
Paris , 29. März.( Havas.) Nach Kenntnisnahme des| durchführen, ferner müssen die Arbeiten in der für die Herstellung Berichts der Kontrollfommission über den Stand der Ausführung von Kriegsmaterial Ungarn im Vertrag von Trianon zugestan der Entwaffnungsklauseln durch Ungarn hat die Botschafter denen Spezialfabrik bis zum 15. Mai beendet werden. fonferenz in voller Uebereinstimmung mit den an der Frage intereffierten Regierung en befchloffen, daß die Tätigkeit der Kommission am 31. März eingestellt wird. Jedoch werden die Mitglieder der Kommission bis zum 15. Mai in Ungarn verbleiben, um gewiffe noch auszuführende Arbeiten zu überwachen und den Schlußbericht endgültig fertigstellen.
Diese Militärkontrolle hat längst schon bloß auf dem Papier gestanden. Sie hat Horthy - Ungarn nicht gehindert, eine Feuerwehr- Armee" neben der offiziellen Wehrmacht aufzustellen, eine gewaltige Ueberzahl der Offiziere aus der Habsburger - Zeit weiterzubeschäftigen und zu besolden, vor allem aber durch den gefeßlich eingeführten 3wang zur förperlichen Ausbildung in staatlich vorgeschriebener und geleiteter Weise so ziemlich die allgemeine Behrpflicht wieder einzuführen.„ Levente" heißt dieser Betrieb, man hat ihn von Anfang an geduldet und hat erst jüngst den Ungarn auch Panzerautos bewilligt, angeblich für die Polizei.
Wenn die„ interessierte" Regierung der Tschechoslowakei wirklich mit dem Aufhebungsbeschluß einverstanden sein follte, fo gewiß nur, indem sie denkt: Ob solch eine Kontrolle oder gar feine, das ist schon alles eins." Die Rüstungen Ungarns bedrohen selbstverständlich den Besitz der Nachbarstaaten an ehemals ungarischem Land und auf die Slowakei hat man in Budapest ganz besonderen Appetit. Die Entente hat allerdings diese Gefahr selbst hervorgerufen, indem sie starke madjarische Volksteile in die Staaten der Tschechen , Rumänen und Südslamen hineingezwungen hat.
Das Wohlwollen der Entente für Horthy- Ungarn steht in einem grellen Gegensatz zu der Behandlung des vollkom men friedlichen Deutschösterreich auf diesem Gebiet. In Wien fizt noch immer eine liquidierende" Kontrollkommission und fie hat z. B. legthin die Waffenteile beschlagnahmt, die der chriftlichsoziale Wehrminister Baugoin( ,, Wogesthin" sagen die Wiener ) durch den nächtlichen Einbruch ins ehemalige Arsenal erbeutet hatte. Aber das ,, Kgl." ungarische Kanonen futter spielt eine nicht unwesentliche Rolle in den Kriegsplänen gewisser Groß- und auch mittlerer Mächte.
Man tut, als ob man täte.
Paris , 29. März.( Havas.) Die Entscheidung der Botschafter. fonferenz bedeutet nicht, daß Ungarn alle feine militärischen Ber. pflichtungen erfüllt hat. Insbesondere muß Ungarn noch die gefehlichen Bestimmungen für die Beschränkung der Retrutierung
Amerikas Gesandter als Scharfmacher.
Telegraphisches Ersuchen nach Washington . Washington , 29. März.( WEB.) Der amerikanische Gesandte in Peting, Mac Murray, hat telegraphisch das Staatsdepartement dringend ersucht, scharf vorzugehen, um eine Wiederkehr der Ausschreitungen von Nanking an anderen Orten innerhalb des von den Südchinesen befehlen Gebietes zu verhindern. Diesem Ersuchen war ein Bericht des Admirals Hough beibig fritischer. Im übrigen erklärt Mac Murray, daß nach gefügt, in welchem dieser erklärte, die Lage in Wuhu werde st äneinem Bericht von Nanking, die Ausschreitungen dort noch schlimmer waren als ursprünglich angenommen wurde. Der offiziell begünstigt und geleitet, sondern sogar vorbereitet Terrorismus und das Vorgehen gegen die Fremden sei nicht nur worden. Der Gesandte forderte schließlich die sofortige Abreise aller Amerikaner aus dem von den Nationalisten besetzten Gebiet.
Standrecht in der Schanghaier Chinesenstadt? Die Meldungen aus China sind noch immer widerspruchsvoll. während Reuter über Wiederaufnahme der Arbeit in den Berkehrsunternehmungen und zum Teil auch im Postbetrieb berichtet und erflärt, die Lage sei im allgemeinen ruhig, melden andere Agenturen, daß General Schiangtaischet infolge der fortgesetzten Busammenstöße das Standrecht über die Chinesenstadt verhängt habe. Des weiteren soll der Generalissimus erklärt haben, offi. zielle Berhandlungen zwischen der Kantonregierung und den ausländischen Behörden würden erst nach der übrigens bald Ankunft des Außenministers Tschen in Schanghai erwarteten Ankunft des Außenministers Tschen in Schanghai beginnen können.
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Warum Mißtrauen?
Ein Beitrag zur Reichswehrdebatte. Bon Karl Severing .
Als nach dem Rathenau- Mord die preußischen Behörden den rechtsradikalen Verbänden eine größere Aufmerksamkeit zuwandten, da stellte sich sehr bald heraus, daß einzelne dieser Organisationen durch Personalunion ihrer Führer Anschluß an die Reichswehr gesucht und gefunden hatten. Bertrauensmäner der Reichswehr , denen die Aufgabe zugewiesen war, die Bewegung von Waffen und Heeresgerät in den einzelnen Provinzen zu verfolgen, waren zugleich Mitglieder des Borstandes oder der Geschäftsführung sogenannter Heimat bünde . Diese Heimatbünde hatten in sehr detaillierten Sagun gen ihre Aufgaben umschrieben und sich dabei nicht im geringsten geniert, der ganzen Bereinigung oder einzelnen Gliedern militärische und polizeiliche Befugnisse zu übertragen. Die Sagungen ließen feinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Bünde ( in Brandenburg , Pommern und Schlesien ) in der einseitigsten parteipolitischen Richtung tätig fein wollten. So bildeten sie feinen Heimatschuh, sondern eine ständige Bedrohung der öffentlichen Sicherheit. Ihre Duldung hätte zur Folge gehabt, daß nach ihrem Muster auch die Linksparteien mit Organisationen militärischen Charakters auf dem Plane erschienen wären, und daß die Interalliierten unter Androhung neuer Repreffalien ihre Auflösung erzwungen hätten. Soweit darum der Verdacht der militärischen Rüstung und Betätigung gerechtfertigt erschien, wurden die betreffenden Vereinigungen aufgelöst. Die Polizei hatte um so weniger Grund, diesen Organisationen gegenüber Toleranz zu üben, als in ihren Sagungen oft ausdrücklich betont war, vor den 3ivilbehörden die Tätigkeit der Bünde geheim zu halten.
Die Vorgänge wurden bekannt nicht durch die Behörden, sondern durch Prahlereien und Drohungen der in ihrem Tatendrang behinderten Geheimbündler. So tamen sie in die Presse und ins Parlament. Der Reichswehr wurde gefagt, daß die vielerorts nachgewiesene Verbindung ihrer Organe mit staatsfeindlichen Organisationen nicht geeignet fei, für die Reichswehr in den verfassungstreuen Kreisen des Boltes zu werben. Bei der Beratung des Wehretats erklärte darum am 27. Februar 1923 der Reichswehrminister Geßler:
Die Reichswehr tann und. darf die ihr gesetzlich zustehenden Aufgaben: Schuß der Verfassung, Schuß der Grenzen, Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung nur mit der verfassungsmäßig dazu berufenen Behörde lösen; ein Zusam menwirken der Reichswehr mit Zeitfreiwilligen und Selbstschutzorganisationen dazu ist ausgeschlossen.
Das waren entschiedene Worte, denen leider kleine Taten folgten. Gewiß hat der Wehrminister selbst und der Chef der Heeresleitung, der durch den wilden Selbstschutz Oberschlesiens von dem Unwert, ia von der Gefahr einer derartigen Ver= bindung mit militärischen Stellen überzeugt worden war, gelegentlich durch weitere Erklärungen das Programm vom 27. Februar unterstrichen. Aber es blieb unausgeführt, wie die vielen Klagen im Reichstage und in der Presse erkennen ließen. Die Antworten der Heeresleitung auf diese Klagen, daß es sich um bedauerliche Einzelerscheinungen handele, waren tigungen und Ausflüchte, und darum feineswegs geeignet, das wenn auch gutgläubig erteilt allzu oft nur Beschwich Vertrauen in den Willen der Heeresverwaltung, fest durchzugreifen, zu stärken.
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wiesen, daß er mit der Organisation und den Mannschaften Der Reichswehrminister hat am Montag darauf verder Reichswehr , die das Weimarer Gefek geschaf fen, habe arbeiten müssen. Das ist nicht zu bestreiten, und niemand würde dem Wehrminister widersprechen wollen, wenn er hinzufügen würde, daß das Mannschafts- und Offiziersmaterial von damals auch nicht durchweg ersten Ranges gewesen sei. Es war sogar noch schlechter, als Dr. Geßler am Montag zugegeben hat, denn nicht nur ein General( Lüttwit) hat beim Kapp- Putsch versagt, sondern eine ganze Berfassung sehr leicht genommen. Und was die Mannschaften Agen - Reihe von Generalen hat damals den Eid auf die Reihe von Generalen hat damals den Eid auf die anlangt, so weiß ich mich der Eingabe einer westfälischen Brigade aus jener Reit zu erinnern, in der davon die Rede war, daß die Kompagnieführer bei Verfehlungen der Mannschaften Bestraften nicht zum Ausscheiden zu veranlassen. Die Schwievon einer Bestrafung Abstand nähmen, um die rigkeiten, die der Wehrminister bei seinem Amtsantritt auf Bestraften nicht zum Ausscheiden zu veranlassen. Die Schwie organisatorischem, disziplinarischem und politischem Gebiet antraf, sollen darum gewiß nicht unterschätzt werden. Sie find auch nicht geringer geworden durch die Weigerung der Angehörigen der Linksparteien, beim Heereserfaßgeschäft durch Auskunfterteilung und dergleichen mitzuwirken. Aber die Frage bleibt doch: Was hat die Heeresverwaltung getan, um die Rustände, vor allem die Qualität der Offiziere und Mannschaften, zu bessern?