berhandlungen.
Agrarische Steuersabotage.
Das Reichsfinanzministerium bestätigt, aber beschönigt den Skandal.
Die deutsch - französischen Wirtschaftsverhandlungen haben, nachdem bereits vor zehn Tagen die Grundlagen des endgültigen Handelsvertrages festgelegt worden waren, nun auch in der Frage Bereits vor mehreren Monaten hat die sozialdemokratische In einem anderen Landesfinanzamtsbezirk haben die landder Ausgestaltung des handelsvertraglichen Pro Reichstagsfraktion die standalösen Borgänge aufgedeckt, die sich bei wirtschaftlichen Organisationen die Landwirte öffentlich zur Einvisoriums zu einem Ergebnis geführt. Die deutsche Regie der erstmaligen Bewertung des landwirtschaftlichen Verspruchseinlegung aufgefordert und entsprechende Formulare geliefert; rung hat in der Montagsfizung des Reichskabinetts die Berein mögens nach dem neuen Reichsbewertungsgesetz ereignet haben. infolge der Aufforderung find rund 50 Proz. Einsprüche eingegangen, barungen einstimmig gebilligt und nur noch für einen relativ Auf Grund umfassenden Materials hat die Sozialdemokratie schon obwohl die Einspruchsfrist im allgemeinen bereits verfstrichen war." nebensächlichen Punkt, der weder das Weinkontingent noch die damals festgestellt, daß es sich um eine vor allem von den BereiniEinfuhr deutscher Industriewaren betrifft, eine Ergänzung der Abgungen der Landwirte organisierte Steuersabotage Was tut das Reichsfinanzministerium dagegen? machungen durch eine Rückfrage in Paris gewünscht. Damit ist die handelt, der die Finanzämter in vielen Fällen machtlos gegenüberBerlängerung des Provisoriums jo gut wie gestanden. Unter dem Eindrud dieser Enthüllungen hat dann das ichert, und zwar gleidh um einen Monat weiter, als ursprüng. Reichsfinanzministerium bei den Landesfinanzämtern lich vorgesehen, also bis Ende Juni. eine Umfrage über die Erfahrungen bei der Durchführung des Reichsbewertungsgesetzes veranstaltet. Auf Verlangen der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion hat das Reichsfinanzministerium die Ergebnisse dieser Umfrage dem Steuerausschuß des Reichstages zur Kenntnis gebracht.
Bährend man nun auf beiden Seiten bis Ende Juni den end gültigen Bertrag zu schaffen hofft, erfolgt jetzt überraschend eine Störung der Berhandlungen Das Interessante ist, daß es diesmal nicht der Landbund ist, der gegen allzu große Zollzugeständnisse an Frankreich Einspruch erhebt, sondern der Reichsverband der Deutschen Industrie . Während der Landbundminister Schiele zum erweiterten Provisorium feine Zustimmung gab, behauptet die Industrie, daß die fran zösischen Zugeständnisse für die Einfuhr deutscher Industriewaren unzulänglich feien, weil in dem zunächst zur Verfügung stehenden Zeitraum von drei Monaten eine Ausmuzung dieser Kontingente Zeitraum von drei Monaten eine Ausnutzung dieser Kontingente durch deutsche Exporte nicht möglich sei. Man hätte nach ihrer Meinung in erster Linie Einfuhrtontingente für Baren der Klein eifenindustrie, der Lederinduftrie, der Metallwarenindustrie usw. verlangen müffen, also für solche Industrieprodukte, die sich verhältnismäßig schnell in größeren Mengen absehen lassen. Es sei verkehrt gewesen, sich Kontingente für chemische Artikel, für Maschinen und für elettrotechnische und feinmechanische Fabrikate ausichern zu lassen, weil die Aussicht, während der brei Monate des Provisoriums richtig ins Geschäft zu fommen, außerordentlich gering fei. Es wäre nach der( völlig unbegründeten) Ansicht jener Kreise besser, wenn man die endgültigen Verhandlungen noch um Monate hinausschieben fönnte, weil dann in Frankreich selbst die Widerstände gegen die außerordentlich hohe neue Zoll rüstung erstarten tönnten.
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Katastropheles Ergebnis der Umfrage. Das Ergebnis der Umfrage bestätigt die sozialdemokratischen Enthüllungen im vollen Umfange. Durch die Rundfrage ist festge stellt worden, daß in 13 Landesfinanzamtsbezirken von insgesamt 26 Steuerfabotage stattgefunden hat und daß dadurch die Bermögens werte mehr oder weniger start herabgebrückt wurden. Deutlicher aber noch als diese allgemeinen Feststellungen sind die Tatsachen, die aus den einzelnen Landesfinanzämtern berichtet werden. Bir zitieren eine Reihe von diesen Aeußerungen nachfolgend wörtlich: Die Senfung ist mit darauf zurückzuführen, daß die landwirt. schaftlichen Ausschußmitglieder von ihren Organisationen schriftlich darauf hingewiesen worden sind, sie würden in allen Ausschüssen die Mehrheit haben und müßten den Kampf rücksichtslos burchfechten." Im übrigen find in einem Finanzamtsbezirk von den Steuer. pflichtigen bis zu 80 Proz. der Bewertungen Einsprüche eingelegt worden, und zwar zum Teil von landwirtschaftlichen Organisationen ohne Wissen der Steuerpflichtigen."
Die Werifenfung in diesem Finanzamtsbezirt ist mit darauf zurückzuführen, daß die landwirtschaftlichen Ausschußmitglieder von ihren Organisationen zur einheitlichen Stimmabgabe ausdrücklich verpflichtet waren und daß sich die Beeinfluffung bis in die Ausschußfihungen hinein( durch Briefe und Ferngespräche) erstrecte." In mehreren dieser Bezirke mußten Offizialeinsprüche bis zu 100 Pro3. eingelegt werden. Auch in diesem Landesfinanzamtsbezirk hat sich die Beeinflussung bis in die Ausschußsitzungen hinein erstrect."
Bei einem Landesfinanzamt fann geradezu von organisiertem Widerstand gegen die von den Finanzämtern in Aussicht genommene Bewertung gesprochen werden; hier find die landwirtschaftlichen Organisationen noch nie fo weit gegangen, wie bei dieser Veranlagung. U. a. find in Aufklärungsversammlungen unrichtige und verheßende Behauptungen verbreitet worden. In diesem Landesfinanzamtsbezirk stehen die Ausschußmitglieder vielfach vollkommen unter dem Einfluß der landwirtschaftlichen Organisationen und wagen nicht, gegen deren Weisungen zu handeln."
Diese Einwände gegen den Ausbau des Provisoriums find nicht nur größtenteils falsch, fie tommen reichlich spät. Sie laufen aber darauf hinaus, den Abschluß des endgültigen beutih französischen Vertrages möglichst lange hinaus 3uzögern, also au sabotieren. Die Gründe für diese Politik sind recht durchsichtiger Art. Wir haben bereits gesagt, daß die Verständigung mit Frankreich und der Wille, den neuerſtartten Protektionismus in Mitteleuropa in Gestalt des neuen französischen Bolltarifs nicht erft fich auswirten zu lassen, Opfer verlangen wird: nämlich die Dreingabe eines Teils der deutschen Schuzzollrüftung, was bei solchen Berhandlungen auch selbstverständlich ist. Die Sorge vor diesem Abbau, der natürlich nur dann erfolgen wird, wenn es gelingt, dafür entsprechende französische Zollzugeständnisse zu erhalten und in das Hochschußzzollsystem Frankreichs In einem weiteren Landesfinanzamtsbezirk, in dem die Aus, eine breite Bresche zu schlagen, treibt unsere Industriellen schußmitglieder von den landwirtschaftlichen Organisationen verschon heute in die Opposition gegen ihre eigene Regie- pflichtet worden waren, ihre Stimme nicht als Ausschußmitglieder, rung. Anstatt den einzig richtigen Weg zu gehen und durch eine fondern als Mitglied der Organisation abzugeben, haben sich die BeSentung der Egportpreise und der Inlandspreise einflussungsversuche über den ganzen Bezirk erstreckt. In diesem die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Auslande wie im eigenen Bezirt mußten bis zu 100 Broz. Offizialeinsprüche eingelegt werden." In einem Landesfinanzamtsbezirk sind die landwirtschaftlichen Lande zu steigern, treibt man heute wieder eine Politik der Export Ausschußmitglieder von ihrer Drganisation in Zeitungen öffentlich feindlichkeit, die fich für die Industrie nur verhängnisvoll aus aufgefordert worden, vor Erhalt der von der Organisation gefun wirten fann. denen Werte an den Ausschußsizungen nicht teilzunehmen und Aeußerungen über Bewertungsgrundlagen abzulehnen; bei Verstoß war ihnen Verantwortung gegenüber Berufskollegen angedroht worben."
Die Invalidenversicherung. Unstimmigkeiten im Befitbürgerblock.
3m sozialen Ausschuß des Reichstags wurden am Dienstag die Anträge über die Invalidenversicherung zu Ende beraten. Der Streit zwischen der Invaliden- und der Angestelltenversicherung ist im Unterausschuß ausgeglichen worden. Die Invalidenversicherung erhält von der Angestelltenversicherung 33 Millionen Mart . Der Untrag der Regierungsparteien, die neue 7. Lohnflasie erst am 1. Januar 1928 in Kraft treten zu laffen, wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen.
Genoffe Aufhäufer verlangte, daß mit der finanziellen Bereini gung zwischen Angestellten- und Invalidenversicherung auch eine beffere Abgrenzung des Versichertentreifes, insbesondere der Werkmeister in der Textilindustrie, geschaffen wird. Der Berufstatalog zur Angestelltenversicherung bedürfe einer Ergänzung, wonach die Verrichtung förperlicher Arbeit kein Anlaß für die Ausschließung aus der Angitelltenversicherung sein darf. Ministerialbirektor Griefer erflärte die Bereitwilligkeit des Reichsarbeitsministeriums, einen Zufaß zum Berufstatalog zu machen. Danach soll die Angestellteneigenschaft der Meister in der Textilindustrie bejaht werden, auch wenn die förperliche Tätigkeit einen wesentlichen Bestandteil ihrer aufsichtführenden, anleitenden Funktionen darstellt,
Eine für die Koalitionspartelen bezeichnende Debatte entspann fich bei der Beratung ber Anträge über die Kleinrentner fürsorge. Die Deutsch nationalen und die Deutsche Boltspartei hatten neben dem Koalitionsantrag einen Son derantrag eingebracht, der die Regierung auffordert, eine Dent schrift über eine Kleinrentnerversorgung vorzulegen. André von Zentrum protestierte gegen das Vorgehen der Blockbrüder, das sei ein Ausderreihetanzen. Genosse Hoch erflärte, daß die Sozialdemokraten sich in den Bruderstreit nicht einmischen wollen. Schließlich mußten die Rechtsparteien ihren Antrag preisgeben. Nicht einmal die Kuliffe blieb ihnen, hinter der sie ihren Umfall verbergen fonnten. Sie haben die kleinrentner preis Bei der Beratung des Antrages über die Kleinrentnerfürsorge warnte der Vertreter Breußens vor der Annahme des Antrages der Regierungsparteien. Durch den Antrag würde die ganze Für forge bistreditiert. Den preußischen Bedenten schlossen fich der fächsische und der hamburgische Bertreter an. Württemberg und Bayern erhoben zwar Bedenten, find aber für den Antrag der Regierungsparteien. Die weitere Beratung ergab so starte Differenzen, daß der Ausschußvorfißende porschlug, die Beratungen auf den nächsten Tag zu vertagen. So wurde dann auch beschlossen.
gegeben!
Der Femeprozeß in Gießen . Schluß der Beweisaufnahme.- Die wahren Anstifter in beamteten Stellen?
Gießen , 29. März.( Eigener Drahtbericht.) Die Montags fizung, über der sichtlich die Schatten des Urteils gegen Schulz und Genossen liegen, endete mit einem vollen Erfolg des Staatsanwalts Weidemann. Auch der Verhandlungsführer, Land gerichtsdirektor Dr. Kramer, ist energischer gegen die Berteidigung geworden, wodurch die Stellung des Staatsanwalts zweifellos gestärkt worden ist. Bis zum heutigen Tage glaubte bierteidigung, einen der Kronzeugen, Schmidt- Halbschuh, mabig machen zu können. Die Aussagen der beiden letzten Berliner Zeugen, der
Diese wenigen Zitate zeigen, daß das Reichsfinanzministerium gezwungen ist, die Vorwürfe der Sozialdemokratie zu bestätigen. Das geschieht allerdings in der vorsichtigsten und mildesten Form. Aber gerade deswegen ist es bedeutungsvoll, daß hier zum ersten Male das Treiben der landwirtschaftlichen Organisationen amilich als Steuersabotage gebrandmarkt wird. In der Sache besteht also volle Uebereinstimmung zwischen Reichsfinanzministerium und Sozialdemokratie, nicht aber in der Beurteilung. Denn wie stellt das Reichsfinanzministerium diesen gefährlichen Angriff auf die Finanzautorität des Reiches dar?
Schon die Tatsache, daß das Reichsfinanzministerium erst durch die Sozialdemokratie zur Bekanntgabe dieser Ergebnisse gezwun gen werden mußte, beweist, daß es am liebsten den ganzen ungeheuren Standal der Deffentlichkeit verschwiegen hätte. Aber auch die ganze Darstellung ist darauf angelegt, die Sache als nicht fo schlimm hinzustellen. Als ob das Material nicht genügt, um reftlos den Beweis zu erbringen, daß ein Neh planmäßig organisierter Steuersabotage das ganze Reich umspannt hat.
Anstatt die Deffentlichkeit auf das gemeingefährliche Treiben der
Saboteure aufmerksam zu machen, will das Reichsfinanzministerium sie beruhigen. Es unterdrückt alles, was Tatort und Täter erkennen laffen würde, nennt weber die Landesfinanzämter und Finanzämier, die besonders von der Sabotage betroffen worden sind, noch die Organisationen, die in erster Linie für diese Sabotage verantwortlich find. Dieses Verhalten muß die landwirtschaftlichen Steuersaboteure stüßen, die Autorität der Steuerverwaltung weiter untergraben. Keine Behörde, am wenigsten unsere hart umstrittene Reichssteuerverwaltung ist imstande, sich ohne Unterstützung der Oeffentlichkeit gegen mächtige Wirtschaftsverbände zu behaupten. R
Wege zur Abhilfe.
Die falsche Einstellung des Reichsfinanzministeriums kommt vor allem aber auch darin zum Ausdruck, daß es nicht die erforderlichen Maßnahmen ergreifen will. Das Reichsfinanzministerium will sich damit begnügen, durch Amtsberufungen gegen die falschen Bewertungen anzufämpfen. Das aber genügt nicht. Es ist gewiß schwer, mit den unzureichenden Strafbestimmungen der Reichsabgabenordnung die Saboteure strafrechtlich zur Berantwortung zu ziehen, wie sie es verdienten. Dann aber müssen endlich diese Strafbestimmungen verschärft werden, damit die Reichsfinanzverwaltung wenigstens für die Zukunft derartigen Vorgängen nicht
wieder machtios gegenübersteht.
Aber auch das wird nicht genügen, um die Saboteure zur Ner nunft zu bringen. Der Hebel muß beim Reichsbewertungs. gefeß felbft angefeßt werden. Die Steuerfabotage war nur möglich, weil in den Grundwertausschüssen die Landwirte die Mehrheit haben, die Interessenten die Bewertung also selbst it immen. Dadurch, daß insbesondere die Arbeitervertreter von der Wählbarkeit praktisch ausgeschlossen sind, hat man den Unter nehmerverbänden entscheidenden Einfluß auf die Vermögensbewer tung eingeräumt. Bevor dieser Einfluß nicht beseitigt ist, wird die Steuerfabotage nicht aufhören.
Kriminalkommissare Stenzel und Stumm, machte diese Hoffnung| zum Bölferbund die Aufgabe sieht, den Osten Europas zu befrie. zuschanden. Beide Beamte versicherten ebenso wie ihre am Sonnabend vernommenen Kollegen die volle Glaubwürdigkeit von Schmidt- halbschuh, dessen Bekundungen fich is als wahr erwiesen hätten. Auch sein Vorleben sei stets einwandfrei gegeben. Auch in Rußland scheint der Wunsch nach einem Nichtagressivwesen und er habe von der Polizei niemals Geld verlangt noch erhalten. Schmidt- Halbschuh wurde unter lautloser Stille vereidigt.
Die Verteidigung änderte darauf ihre Tattit, indem sie es so hinzustellen versucht, als sei ein Berrat Wagners gar nicht in betracht gekommen, so daß ein Grund zur Feme nicht bestanden habe. Es folgen zwei ärztliche Sachverständigen gutachten, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben, und ein vorzügliches Plädoyer für die Angeklagten darstellt. Bezeichnend, daß Angeflagter eina seine frühere Aussage, er habe den Rathenau Mörder Kern nie gekannt", in ,, nicht wesentlich getannt"
abändert.
Den Schluß der Beweisaufnahme macht ein Rundschreiben des Angeklagten Heinz an die Ortsgruppen des Wikingbundes, das im Intereffe der Landesverteidigung vom Reichs= mehrgruppentommando VI in Stuttgart ausdrücklich vorher gebilligt wurde, und das mit den Worten beginnt:
„ Der Wikingbund ist revolutionär. Unbeschadet der Fehlfchläge von 1923 muß alles getan werden, um den Willen zur Macht aufrechtzuerhallen. Die Zeit arbeitet für uns!"
Obwohl der Staatsanwalt verlangt, das Rundschreiben in öffentlicher Sigung zu verlesen, beschließt das Gericht auf Antrag der Berteidigung die geheime Behandlung dieses Kompleges. Damit ist die Beweisaufnahme geschlossen. Die Plädoyers werden am Mittwoch erfolgen, so daß frühestens an diesem Tage in später Stunde das Urteil zu erwarten ist.
Der Zwischenfall zum Schluß der Beweisaufnahme bezüglich des Rundschreibens von Heinz, das unter Genehmigung eines Reichswehrtommandos versandt worden ist, beweist, daß hinter diesem Prozeß noch ein Geheimnis schwebt. Bisher ist man wie eine Rage um den heißen Brei herumgegangen und der Schleier wird wohl auch in diesem Gießener Prozeß nicht gelüftet werden. Trogdem schwirren Gerüchte umher, die nicht von irgend welchen gbeliebigen Bersonen tommen und welche darauf hindeuten, daß eines Tages die wahren Anftifter zu diefem Morde betannt werden und sie in beamteten Stellen gesichtet werden müssen, die fich bisher sehr geschickt der Oeffentlichkeit entzogen haben.
Polnisch - russische Paktverhandlungen.
Zaleski erwartet baldigen Erfolg. Warschau , 29. März.( Eigener Drahtbericht.) Der sozialistische Robotnit" veröffentlicht eine Unterredung mit dem Außenminister 3alesti, in der sich dieser über die polnisch- russischen Beziehungen wie folgt äußert: Die gegenwärtig geführten Verhandlungen mit Sowjet- Rußland über den Abschluß eines Garantiepaktes dürften nunmehr schnell zum Ziele führen. Für Polen ist ein Vertrag mit Rußland von besonderer Bedeutung, weil es in seiner Mitgliedschaft
den. Da Rußland nicht Mitglied des Völkerbundes ist, kann es durch einen Garantiepaft zu einem friedlichen Berhältnis mit feinen Nachbarn gelangen. Bolen will daher durch ein solches Abtommen seinen friedlichen Gefühlen gegenüber Rußland Ausdruc pakt mit Polen zu bestehen. Der unlängst zustande gekommene, allerdings noch nicht bestätigte russisch Litauisch lettländische Vertrag interessiert Polen nur vom Standpunkt der baltischen Länder, ganz abgesehen davon, daß für diese als Garanten der Völkerbund anzusehen sei. Es sei anzunehmen, daß Lettland seine Pflichten gegenüber dem Völkerbund nicht vernachlässigen werde. Würde dies der Fall sein, so würde Bolen angesichts des russisch- lettländischen Pattes keinerlei Ursache zur Beunruhigung auch nicht vom Standpunkte des Bölkerbundes aus haben. Polen erblicke in jenem Garantieabkommen den Weg zur Befriedung Europas und hoffe, daß auch die polnisch- russischen Berbandlungen zum Abschluß kommen und zu dieser Befriedung beitragen werden.
Vandervelde besucht Wiener Arbeiter. Er feiert die sozialistische Großstadtverwaltung.
Wien , 29. März.( Eigener Drahtbericht.) Am Dienstag vormittag hat Genosse Vandervelde , der als Vertreter Belgiens zur Beethoven- Feier hierhergekommen ist, eine Reihe von Anstalten und Bauten der Gemeinde Wien besichtigt. Als er nach Meidling in den Bebel of tam, strömten die Arbeiter aus den umliegenden Häusern zusammen und begrüßten ihn herzlich mit Hochrufen. Bandervelde dankte und sagte, daß er von seiner Regierung zur Beethoven- Feier nach Wien geschickt worden, aber es ihm ein Be dürfnis gewesen sei, auch zu den Arbeitern zu kommen und
fie zu begrüßen. Er wäre vor 30 Jahren zum erstenmal in Wien gewesen und damals von Bittor Adler empfangen worden. Wien war damals in den Händen der bürgerlichen Parteien. Er müsse den Wiener Arbeitern seine Bewunderung e einzige große Stadt der Welt sei, die aussprechen, da Wien die einzige große Stadt der Welt sei, die von Sozialdemokraten regiert und, wie er feststellen müsse, so wunderbar verwaltet werde. Vandervelde besuchte dann auch im Bebel- Hof die Arbeiter in ihren Wohnungen und wurde überall herzlichst begrüßt.
Die Einheitsliste der Reaktion.
Wien , 29. März.( Eigener Drahtbericht.) Die Einheitskandidatenliste der verbündeten Antisozialisten ist erschienen. In dem ziemlich start von Juden bewohnten Wiener Wahlfreis, zu dem der 2. Stabibezirk( Leopoldstadt) gehört, ist an dritter Stelle der Hakenkreuzler Dr. Riehl aufgestellt, während etliche nichtantisemitische Bürgerliche ganz hinten auf der Liste stehen; sie ist eine bewußte Herausforderung der füdischen Wähler, um deren Gunst die Chriftlichsozialen sonst buhlen,
Vor dem Parlament in Kapstadt marschierten Tausende farbige Eingeborene auf, um gegen die neuen Cingeborenengejezze zu protestieren. Einer Abordnung jagte der Finanzminister wesentliche Aenderungen der Vorlage zu.