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Mittwoch

30. März 1927

Unterhaltung und Wissen

Der Gang nach Narmeln.

Novelle von Alfred Hein .

( Schluß.)

Die letzten Stunden des dritten Tages. Sturm. Dide Floden, Kein Haus. Nur der hohe Wald. Und man wußte nicht, ob mit ihm schon das Meer rauschte, das große Bett des Todes. Keinen Pfennig in der Tasche, fein Brot, keine Bleibe. Die Nacht kam. Martha stöhnte: Ein Ende, nur ein Ende, irgendein Ende!"

Leonhard zog seine Jade aus, breitete sie auf schnell hochgeschich teten Schnee: Set' dich ein Weilchen!"

So rasteten sie wie Maria und Josef vor Bethlehem . Und siehe, es ward stille um sie. Die Wolfen wichen, statt silberne Flocken er. Schienen goldene Sterne am Himmel und der große Mond. Die Tannen richteten sich auf und trugen auf ihren silberweißen Zweigen den blauen Lichthauch des Mondscheins.

Jezt hörte man das Meer.

Groß und ebenmäßig warf es die Wogen ans Land. Hinter dem Walde. Wenige Schritte.

In diesem Glanze machten sie sich auf den letzten Weg. Sie fonnten nicht mehr umfehren. Wenn ihnen jeßt nicht Gott selbst begegnete und ihnen gab, was zum Leben nötig war, wollte es jenes große, ferne, allmächtige Wesen, daß sie diese Welt verließen. So dachten sie.

,, Das Kind will auch fort!" deutete Martha sein ungebärdiges Sichregen im Mutterleibe.

Was sollen wir auch noch auf unsere alten Jahre warten, jung gelebt, jung gestorben, sagten wir, als Hannes Düsing beim Borer. aufftand fiel. Ich hätte ja damals auch bleiben fönnen, sieht du, fo haben wir noch Liebes und Schönes erlebt. Wer weiß, ob die reichen Leute so glücklich waren!" nadst

" Ja eben," meinte Martha.

Sie schritten tapfer zu. Es ward ihnen leicht. Weil es fein Burüd gab. Dieser dreitägige Weg durch den Schnee und die harten, nur auf ihr liebes Ich bedachten Herzen der wenigen Menschen, die fie noch um Hilfe bitten mußten, war furchtbar. Bei einem Bauern dienen. Als sie einen Schluck Milch nach getaner Arbeit tranfen, sah er mißgünstig zu ihnen hinüber. Und Leonhard mußte den Schnee von seinem Gehöft schaufeln, fünf Stunden lang, Schippe für Schippe, er, der freie Obermaat, der einst luftig und ein forscher Kert durch die Meere fuhr! Aber das war alles überstanden. Der Wald öffnete fich die Dünen glänzten silberweiß und mondblau mächtig wogte das Meer bis an die Sterne hinan. Idas war fein Stern! Das war ein Leuchtsignal! Dort, dort, Martha! Und nicht der Wind heulte eine Sirene! Leonhard sah scharf aus. Ja'- Schiff in Not! Bleib' hier, Martha! Ich will sehen, ob ich nicht noch was machen kann! Hoho! Hohoo!!" schrie er in die einsame Nacht hin: ein. Er rannte an den Strand hinunter. Strandauf, strandab. Da lag ein Fischerboot. Nun hinaus! Noch einmal Geemann sein, heiho!

mußte Martha zehn Kühe melken, um sich das Nachtquartier zu ver­

Da

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ein Boot " Martha- tomm tomm von der Düne her. unter wir rudern zum Schiff! Gehen wir vorher unter, was tut's! Wir haben nichts zu verlieren." Er lief ihr entgegen, nahm fie in die Arme, das Seemannsabenteuer erweckte in ihm alte Bären fräfte, und schon ruderte er in die wilden Wellen hinein. Gott , ich danke dir für dieses ehrliche Ende, betete er bei jedem Ruberschlag. Aber leicht gedacht die Wellenberge hielten das fleine Boot fast immer auf der einen Stelle. Und das Leuchtsignal blieb

gleich fern.

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Einen Augenblid ruhte Leonhard aus. Dann nahm er alle Kraft zusammen und in hohem Bogen flog das Boot über die schon hob sich das sinkende strudelnden Wellen, weiter, weiter Schiff schwarz vom Horizont. Ich werde meine Pfeife anzünden, beschloß Leonhard, damit sie sehen, sie sind nicht verlassen. Er troch unter den Siz, damit nicht der Sturm das Zündholz verlöschte und ließ seine Pfeife erglimmen. Borwärts! Nun saß er wieder am Ruder.

Du hilfft den anderen, Leonhard?"

Ach, was! Ich habe Lust es zu tun! Ist dir falt? Nimm meinen Rock!" Er zog ihn aus. Mir ist bannig heiß!" " Du lachst über's ganze Geficht!"

Hui- Martha siehst du, nun wirst du eine wirkliche See.

mannsbraut!"

Huuu! heulte die Sirene.

Huhu," lachte Leonhard, habt mal feine Angst." Und mit dreißig Ruderschlägen war er in Hörweite. Ein Boot, ein Boot!" schrie es durcheinander auf dem Schiff. Rettung! Los! Hier' ran!"

Na, Jungens, ihr wollt doch noch nicht absaden, was? Wieviel seid ihr?"

,, Bier Mann, der Kapitän." Wo sind die anderen?"

Mit dem Rettungsboot abgehauen!"

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" Naich fomme schon. So, näher geht's nicht. Springt mal rein, ich fisch euch raus." Leonhard rieb sich die Hände. Da zischte das Wasser talt auf: der erste. Immerlangsam, Jungens! So, Nummer eins zwei - und der Dide? Ah! Herr Räppten!" " Brr!" Der Kapitän schüttelte sich wie ein gebadeter Pinscher. Das Wasser troff ihm vom zottigen Seemannsbart. Fluchend goß er seine Müge aus,

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brei

Da saßen sie alle im Boot, ergriffen die Ruder und man fchaufelte zurüd. Wie kommst du mit dem Weib in diese finstere Gegend?" fragte der Kapitän. hier bleiben!"

Wir wollten

Wie? Was?"

" Wir haben nichts zu beißen."

So ein tapferer Jung'?" lachte der Kapitän.

Na, thr könnt doch auch keinen Obermaat brauchen. Ist ja überall dasselbe. Zuviel Menschen."

" Junge Frau, Sie wollten auch hier runter? Oh, oh! Brr!" lachte der Kapitän.

Helfen Sie uns!" flehte Martha.

Gr ist mein Steuermann. Wie heißt du?" Leonhard Schmitz , Käppten."

Er ist mein Steuermann," wiederholte der Rapitän, " Bravo ! Hurra!" brüllten die drei Matrofen, die mit dem Kapitän auf dem sinkenden Schiff bleiben wollten und sterben. Es stirbt sich nicht so leicht," sagte Leonhard und sprang ans Land.

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Bürgerblock- Frühling.

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Der Frühling ist da... die Tage werden länger..."- Richtig, da fällt mir ein, das ist ein Grund, auch den Arbeitstag nochmals zu verlängern!"

" Gerettet!" lachte der Kapitän und strich Martha über das naffe Haar. Los, Jungens, die friegt ja was Kleines, tragt die Fraul" Und sechs Menschen verließen das einfame Meer des Todes, das ihnen aber schon wieder abenteuerlich frohes Leben winkte, und stapften mutig durch Schnee und Nacht ins Leben, das mit allen Sternen ihnen plötzlich nichts als Glück und Seligkeit zu verheißen schien.

Wo gibt's den nächsten Grog, Steuermann?" fragte der Kapitän. In Narmeln ."

" Da haft du doch nicht geschwindelt vor drei Tagen, Leonhard. Wir gingen bloß nach Narmeln," lachte Martha, die sich auf den Armen der Matrosen sehr wohl fühlte.

Räppten, so ein Seemann erlebt schon was. Da wollt ich für

Immer abhauen."

,, Rinnings, ich sag es ja, man stirbt nicht eher, als es sein muß. Ich hab' bei meiner Mutter eine Stube, da ziehst du rin, junge Frau." Ich hab' bei meiner Mutter eine Stube, da ziehst du rin, junge Frau." Räppten, heut' befaufen wir uns."

Leonhard!"

Ach was! Das Leben ist mal dreckig, mal schön!" In Rarmein fam in derselben Nacht, in der man anstatt im Meer im Grog ertrant, das Kleine zur Welt.

Den Jung' wolltet ihr mit erfäufen?" fachte ans Bett der glüdjeligen Mutter troben in der Dorfgaftstube schwankend der Kapitän. Wir wollen ihn mit Grog taufen, daß er wetterfest bleibt." Aber Martha verbarg ihn an ihrer Brust. Und Leonhard schob Den Kapitän die Treppe hinunter. Der fiel posternd und gutmütig fluchend in die Gaststube zurück, wo ihn die Matrosen ebenfalls über­felig trunken, fingend empfingen.

Leonhard nahm den Kleinen in die Arme. Bubi," sagte er zärtlich.

| nifchen Bund für das Wahlrecht der Frauen". Sie hatte die Genugtuung, die Befreiung der Neger zu erleben. Sie war Zeuge vieler Fortschritte der Frauenfache bis zu ihrem Tode 1593 in Boston

Wer von den heute lebenden deutschen Genossinnen erinnert sich noch an Agnes Babnik? 1842 geboren, ging fie els 52jährige Kämpferin freiwillig in den Tod. Sie sollte an ihrem Todestage eine zehnmonatige Gefängnisstrafe antreten.

Luise Otto Peters starb im März 1895. Sie war teine proietarische Kämpferin, aber auch ihr chulden wir Dan. Eie hatte erkannt, daß die volle politische Freiheit aller die Vor. bedingung für das Erringen fozialer Befreiung ist. Sie gehörte zu den ersten Frauen Deutschlands , die den Mut zur politischen Betätigung und zur Forderung des Frauenwahlrechts aufbrachte. Bereits 1848 gab fie eine Frauenzeitschrift heraus. Motto: Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen. Gie stand im Lager der Rebellen( 1848). 1869 gründete sie mit anderen Vorfämpferinnen zufammen den ersten Arbeiterinnenbildungsverein in Berlin .

Emma Jhrer. Sie gehörte zu den besten und unver­gessensten der ersten Führerinnen. Sie fam zu uns( wie so viele) über die bürgerliche Bewegung. 1898 schrieb sie ein Buch Die Arbeiterin im Klassentamp". Während des Sozia liftengefeßes gründete sie eine ganze Reihe von Arbeiterinnen. vereinen, die felbstverständlich immer wieder aufgelöst wurden. Emma Ihrer war auch die Begründerin der ersten fozialistischen Frauenzeitung ,, Die Arbeiterin", Borläuferin der Gleichheit". Als erste Frau wurde sie in die Generalfommission der Gewert schaften Deutschlands gewählt.

Lily Braun , die Tochter eines Generals, schildert, wenn auch subjektiv, selbst in den Memoiren einer Sozialistin" ihren Werdegang. Sie war eine glänzende Rednerin und Schrift­stellerin. War ihr Wirken in der sozialdemokratischen Frauenbewe­von bleibendem Wert gegeben.

Es gibt doch Wunder," lachte Martha, und Tränen tamen ihr gung auch umstritten, so hat sie uns doch in ihren Schriften vicies in die Stimme.

Der Schnee wehte die Scheiben zu. Der Wind sang ein Schlaf. lied. Die Petroleumlampe fummte. Leonhard legte den Knaben an die Mutterbruft zurück Alle waren geborgen. Sie hatten den Tod gesucht und das Leben gefunden.

Vorkämpferinnen für Frauenrechte.

Zum Jnternationalen Frauentag.

Die Meinung, daß den Frauen das Wahlrecht so ganz fampflos zugefallen sei, ist heute weit verbreitet. Blickt man in die Geschichte zurüd, so sieht man Frauengestalten, die Freiheit, Leben und Ge­fundheit für die Rechte ihres Geschlechts eingesetzt haben. Wir wollen heute einige dieser der Geschichte angehörenden Frauennamen er­wähnen, ohne damit ein Unrecht an den Nichtgenannten zu beab­fichtigen, denn ihre Zahl ist viel größer, ihr wirken, viel umfang reicher als unser Plaz erlauben würde es umfassend zu würdigen. Luise Michel, Die rote Jungfrau", 1839 geboren, war Lehrerin, glühende Republikanerin. An Stelle frommer Kirchenlieber ließ fie die Kinder die( um 1860 verpönte) Marseillaise singen. 3m deutsch - französischen Krieg erblickte sie ein brudermörderisches Bürgen. Sie war unter denen, die am Vorabend des Kriegs um eine weiße Fahne geschart mit dem Ruf Frieden! Frieden! über die Pariser Boulevards zogen. Als am 18. März 1871 die Pariser Rommune proflamiert wurde, widmete fie ihre ganze Kraft ber Sache des Volkes. Als die Kommune unterlag, wurde sie gefangengesezt und später aus Frankreich ausgewiesen. Die Frauen Frankreichs find heute noch nicht gleichberechtigte Staatsbürger.

In der Gleichheit" pom Oftober 1898 lefen wir über eine italienische Genoffin: Unfere tapfere Genoffin Rulisch off fonnte ihres Gesundheitszustandes wegen nicht ins Zuchthaus übergeführt Sie schreibt an einen Freund: Sollte mein Zustand werden." schlimmer werden, so beauftrage ich Sie, meine Würde zu wahren. Ich flehe Ste an, sich jedem Schritte zu widersetzen, der von irgend­einer Seite unternommen werden fönnte, um einen Gnadenalt für mich herbeizuführen. Berbieten Sie jebem, auch meiner Tochter, mir folch eine moralische Beleidigung zuzufügen." Heutetämpfen bie italienischen Genoffinnen gemeinsam mit den männern gegen den Faschismus eines Mussolini . Oda Olberg muß die ganze Wucht faschistischer Brutalität erdulden. Angelita Balaban of und andere leben im Eril.

Lucy Stone wurde 1818 auf einer Farm im Staate Massachussets ( Amerika ) als achtes von neun Kindern geboren, tämpfte leidenschaftlich für die Abschaffung der Stlaverei und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie wurde verlacht, beschimpft und gesellschaftlich geachtet, in Versammlungen angegriffen, von der Bevölkerung verfolgt. Trog aller Widerwärtigkeiten zog fie von Ort zu Ort. Ihre Energie und Selbstlosigkeit riß schließlich thre Gegner zur Bewunderung hin. 1866 gründete fie, zusammen mit den bekanntesten Borkämpfern für Frauenrechte, den Amerita

Luise Zieß. Auch sie gehört der jüngeren Vergangenheit an, Gestorben Januar 1922, hat sie den Sieg des Frauenwahlrechtes noch erlebt und selbst die parlamentarische Tätigkeit ausüben könnten. Sie schöpfte ihr proletarisches Klaffenbewußtsein und ihr damit ver­bundenes Wirken aus der Tatsache der Frauenerwerbsarbeit, deren Auswirkungen und Begleiterscheinungen für sie der Wesenskern der Frauenbewegung überhaupt waren.

Ottilie Baader . Wir sollten sie alle noch kennen, die 3entralvertrauensperson der Genossinnen Deutschlands ", die jahrelang in der Gleichheit" die Aufrufe unterzeichnete, die lange vor der Gleichberechtigung zu den Reichs­tagswahlen, zu Parteitagen und bei anderen Gelegenheiten ver­öffentlicht wurden. Wer kennt noch das Wirten der bescheidenen kleinen Frau, deren Herz von glühender Liebe zum Sozialismus erfüllt war?! Ihr Lebenswert( Ottilie Baaber: Ein steiniger Weg." Berlag J. H. W. Diey) führt uns hinein in die Zeit des Frauen­tampfes, zeigt uns das Eindringen der Arbeiterinnen in Fabril und Heimarbeit, den Kampf um bessere Lohnbedingungen, aber auch die mühevolle politische und wirtschaftliche Aufklärungsarbeit für versflavte Arbeiterinnen. Unermüdlich hat sie geworben, wo sie auch weilte, überall verbrachte sie die Zeit zwischen den Versammlungen damit, das Leben der arbeitenden Frauen zu studieren. Sie wußte aus eigener Anschauung von den Thüringer Heimarbeiterinnen und ihren Kindern, von den sächsischen Tabatarbeiterinnen, von dem Leben der Landarbeiterin und der Fabrikarbeiterin in der In­dustriestadt. Und sie war bis in ihre letzten bewußten Tage dem Geschick dankbar, das ihr vergönnt hatte, im mühevollen, auf­opfernden Kampf für die Arbeiterklasse und für die Frauen ihres eigenen Lebens Erfüllung zu finden.

In unseren Museen und

Ruheräume in Ausstellungen. Sammlungen findet sich zwar gelegentlich ein Polstersessel oder Sofa, wo man ein wenig ausruhen fann, nicht aber richtige Aufenthalts. räume, in denen es möglich ist, die genoffenen Eindrücke zu ver­arbeiten, sich etwas zu sammeln und auszuruhen. Anders in den amerikanischen Museen, die glänzend eingerichtete Salons für diesen 3wed besigen. Es wäre zu wünschen, daß diese Einrichtungen auch bei uns eingeführt würden.

Sprachen der Welt und Weltsprachen. Man zählt heute etwa 600 verschiedene Sprachen, ohne daß darin die Dialekte einbegriffen wären, deren es wohl 3000 bis 4000 geben mag. Allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß auf der Welt am meisten englisch und fran. gösisch gesprochen wird, aber diese Ansicht beruht auf einen Irrtum, Denn das Chinesisch ist erheblich verbreiteter, sprechen doch nicht weniger als 480 Millionen Menschen diese Sprache. An zweiter Stelle folgt das Indische, das 325 Millionen als Muttersprache dient. Dann erst tommt Englisch mit 175 Millionen, Deutsch mit 95, Spanisch 85, Russisch 80, Französisch 45 und Italienisch 40 Mil­lionen. Anders sieht diese Rubrik aus, sobald man berechnet, wie­viele Menschen die einzelnen Sprachen verstehen, da machen die Weltsprachen Englisch , Spanisch und Franzöfifch ganz gewaltige Sprünge. Englisch verstehen rund 250 Millionen, Französisch 200, Ruffisch 125, Spanisch und Deutsch je 120 Millionen.