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Abendausgabe

fr. 151 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 75

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10 Pfennig

Mittwoch

30. März 1927

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Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Kanton schützt die Fremden.

Antibritischer Protest des Außenministers an Alle.

anton, 30. März.( Chinef. Nachr.- Agentur.) Außenminister Eugen Ifchen hat gegen die friegerischen Maßnahmen der Engländer in China , besonders wegen ihres Strafzugs" in der Blasbay, d. h. auf dem Territorium der Nationalregierung, fowie gegen das Bombardement der Stadt Ranting durch englisch - amerikanische Kriegsschiffe, eine Protesterklärung ver­öffentlicht, die mit dem Appell an die öffentliche Meinung der ganzen Welt schließt, den lägenhaften Greuelmeldungen der englischen Preffe teinen Glauben zu schenken; die Südregierung übernehme den Schutz der fich in ihrem Gebiet aufhaltenden Ausländer.

Gemeinderatseröffnung in Chinesisch- Schanghai. London , 30. März.( WTB.) Chikago Tribune" meldet aus Shanghai : Gestern nachmittag war die feierliche Eröffnungsfizung der neuen Gemeindeverwaltung für Chinesisch- Schanghai. Nach Meldungen chinesischer Blätter war General Tschangtaifchet anwesend. Er schlug vor, angesichts der gegenwärtigen ge. Ipannien Lage die Eröffnungsfeierlichkeit aufzuheben. Die Bersamm. fung ging aber auf seine Ausführungen nicht ein. Die bes waffneten Ranton- Streitfräfte haben, begonnen, alle Ausländer, die das Gebiet der Chinesenstadt betreten, auf Waffenbesig hin zu unterfuchen. elle

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Japan schickt fein Militär nach China . Tokio , 30. März.( WTB.) Die japanische Regierung hat be fchloffen, militärische Streitkräfte in China nicht einzusetzen, sondern eine friedliche Bereinbarung auf diplomatischem Wege anzu­ftreben. is

Reuter flagt an. Hantau, 30. März.( Reuter.) Die Lage der Ausländer, namentlich der Briten , ist infolge fommunistischen Terrors un möglich geworden. Einige Engländer, die sich noch in Hantau aufhalten, bleiben in der Nähe des Ufers, um die Stadt bei Gefahr schnell verlassen zu können. Selbst der amerikanische Konsul ist genötigt, am Ufer zu wohnen. Die gemäßigte Richtung inner halb der Kuomintang- Partei und auch der Einfluß des Ministers Eugen Tschen sind vollkommen unterlegen. Die aus ländischen Banten mußten infolge unmöglicher Forde rungen des Personals schließen. Das Politische Bureau verhindert das Erscheinen aller fommunistenfeindlichen Zeitungen.

Frontwechsel Chamberlains?

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element zu unterbrüden, die Freundschaft mit Sowjet­rußland abzubrechen, mit den örtlichen Befehlshabern zu verhandeln und schließlich eine nationale Regierung zum Besten der ausländischen Beziehungen zu errichten. Auch die weitere übertriebene Hoffnung, daß nach der Zersplitterung der Kuomintang sich ein Bündnis zwischen Tschangtfolin und Tschangkaifchet ermöglichen laffen würde, habe getrogen. Die Enttäuschung dieser Hoffnungen und die Tat fache, daß eine starte Ruomintang Regierung unbe ftrittener Herr in China sei, sei allein die Beranlassung zu einer Revision der englischen Politik im Verlaufe weniger Monate. Manting sei nur ein ziemlich bequemer Borwand für diese Entscheidung.

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ow über Ching und Englan Rykow über China und England. Moskau , 30. März.( Telegr.- Agentur der Sowjetunion .) In einer auf dem Moskauer Gouvernementsrätefongreß gehaltenen Rede erklärte Rytow unter Bezugnahme auf die

Ereignisse in Nanking :

Gefährliche Machtentfaltung.

Die Schädlichkeit der britischen Truppenfendungen nach Schanghai .

E. W. London , 29. März.

Die nichtenglische Weltpresse hat in den letzten Wochen dem fritischen Beobachter ein merkwürdiges Bild ge­boten: Nachdem sie zuerst mit wachsender Verwunderung und immer größeren Schlagzeilen den militärischen Aufmarsch Großbritanniens im fernen Often und insbesondere in Schanghai gemeldet und sich in ihrer überwältigenden Mehr­heit dem englischen Vorgehen kritisch gegenübergestellt hatte, hat sie sich hierauf in den letzten zehn Tagen blindlings den britischen Nachrichtenbureaus in die Arme geworfen. Sie hat, anstatt die Schanghaier Meldungen auf ihren wirklichen Ge­halt zu prüfen, was bei einiger Nachrichtenfritik felbst dem jüngsten Redaktionsassistenten möglich gewesen wäre, das ganze Kaleidostop von Greuelmeldungen wiedergegeben, aus dem der unbefangene und nicht an kritische Quellenbetrachtung gewohnte Leser den Eindrud erlangen mußte, daß sich die Einnahme Schanghais durch die Kantonarmee unter der Ents faltung des wildesten Chaos abgespielt hat. Die sozialistische Breffe Deutschlands hat erfreulicherweise genügend Mißtrauen besessen, von diesen Nachrichten den größeren Teil zu diskon geradezu hämische Schadenfreude über die englischen Schwies rigkeiten im fernen Often gezeigt hatte, mußte fich doch über die inneren Zusammenhänge der Truppensendung und der Schanghaigreuel Gedanken machen. Eine Analyse der wirk­lichen Borgänge der letzten Tage zeigt denn auch, daß- ab­gesehen von der Sensationsluft gewisser Spezialforresponden­Tendenz charakter trugen. Es galt, den mili­ten die Greuelmeldungen ausgesprochenen tärischen Aufmarsch zu rechtfertigen, und so war nichts verständlicher, als daß man der Situation ent­sprechend schilderte, fleine Borfälle so übertrieb, daß der brave Staatsbürger, dem gewisse Zweifel über die Weisheit der Chamberlainfchen Truppensendungen gekommen waren, den militärischen Aufmarsch im fernen Often als gerechtfertigt an­fehen und feine meise Regierung wegen ihrer Boraussicht preiſen mußte. Es war ein innerpolitisches britisches Ma­növer, das von den Schanghaier amtlichen, halbamtlichen und subventionierten Nachrichtenstellen mit Hilfe von unkontrollier­baren Schanghaier Greueln vorgenommen wurde, und es ist eingefallen sind, die sich sonst ihrer weltpolitischen Schulung beschämend, daß auf dieses Manöver gerade jene Kreise her­so viel zugute tun.

Wenn auf einem der Gebiete der internationalen Politit die Statieren, aber auch die bürgerliche Preffe, die zuweilen eine forgnis um das Friedenswert auf. Bei der gegenwärtigen, überaus nonen zu sprechen beginnen, so tauchen genug Gründe zur Be vermidelten internationalen Lage fann schwerlich angenommen veripidelten internationalen Lage fann schwerlich angenommen werden, daß eine derartige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas in ihrer weiteren Entwicklung nicht einen großen Krieg auf dem Boden Chinas hervorzurufen droht, der feinerseits in feiner logischen Entwicklung zur Bedrohung und Quelle von Berwicklungen nicht allein auf dem asiatischen Kon­tinent, fondern auch in der ganzen Welt werden kann. Für bie Sowjetunion besteht die Gefahr einer Verlegung des Friedens darin, daß feindliche politische Gruppen zu beweisen suchen, daß zur Unterdrüdung der nationalen Freiheitsbewegung in China und anderen Ländern in erster Reihe die Revolution in Mostau unterbrüdt werden müsse. Im gegenwärtigen Augenblick fann mit erheblicher Sicherheit angenommen werden, daß direkte Kriegs abenteuer gegenüber der Sowjetunion und eine eventuelle Inter­vention auf deren Gebiet in nächster Zeit ein bis zwei Jahre lang, vielleicht auch länger Don geringer Wahrschein lidt eit sind, allerdings nur, wenn das Verhältnis der Kräfte so lichkeit bestehen bleibt, wie wir es zurzeit beobachten. Zu den

englisch - ruffifchen Beziehungen

erklärte Ryfow: Obwohl die Vertreter der englischen Regierung in ihren amtlichen Erklärungen hartnäckig behaupten, daß sie per sönlich feinerlei Maßnahmen getroffen und feinerlei sachliche Ver­handlungen zur Organisierung eines fowjetfeindlichen Blods geführt hätten, so werden dennoch die Verfuche, einen der artigen Block zu bilden, kaum von irgend jemandem angezweifelt. Bielleicht strebt Chamberlain tatsächlich nicht die Schaffung eines einen sowjetfreundlichen Blod zu schaffen, jedenfalls muß aber feft­sowjetfeindlichen Blods an, sondern ift momöglich fogar bemüht, Entwicklung der englisch - sowjetrussischen Beziehungen diese Be strebungen nicht bestätigen. Aus irgend welchen Gründen kommen diese Bestrebungen weder in der Breffe noch in den diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion zum Ausdruck Nicht minder sonder anstreben, fest davon überzeugt sind, daß fie in dieser Beziehung bar ist es auch, daß alle, die den Sturz der Sowjetmacht mit Chamberlain volltommen solidarisch sind. Bir find am wenigsten dafür verantwortlich, daß eine derartige Lage entstanden ist.

Condon, 30. März.( Tul.) Der diplomatische Korrespondent des Daily Herald" betont heute, daß die Erklärungen Sir Austen Chamberlains im Unterhause, als Ganzes genommen, bedeu­teten, daß sich das englische Kabinett endgültig entschloffen habe, die Politik der Verhandlungen mit Kanton aufzugestellt werden, daß alle seine Maßnahmen hinsichtlich der geben. Diese Entscheidung sei überaus wichtig, da fie den Abschluß einer Phase bedeute und charakterisiere, die im vergangenen Sommer mit unverbindlichen Besprechungen mit Kanton begann, die später in weiteren Berhandlungen mit dem englischen Botschafter und mit O'Malley mit dem Kantoneser Außenminister fortgesetzt wurden. Diese Verhandlungspolitik habe sich auf die Hoffnung ge= gründet, daß es möglich sein würde, daß die gemäßigten Ele mente der Kuomintang zu bewegen wären, das Arbeiter

Ständige Grenzkontrolle Albaniens .

Neue Pläne zur Lösung des Konfliktes.

Paris , 30. März.( Eigener Drahtbericht.) Den Morgen­blättern zufolge beabsichtigen die Regierungen Frankreichs und Eng­lands jeht, den Charakter der Untersuchungskommiffion für die fer­bisch- albanische Grenze zu ändern, indem diese Kommission von Mili­tätfachverständigen als ständige Kontrolle für so lange eingesetzt werden soll, bis eine vollständige Entspannung in den Beziehungen der beteiligten Länder eingetreten ist. Frankreich und Großbri­ tannien sollen auch entschlossen sein, direkte Besprechungen zwischen Rom und Belgrad in die Wege zu leiten, um die Entspannung zu fördern, zumal die Ursache der Zufpihung in dem Abschluß des albanisch- italienischen Schuh" vertrages von Tirana gesehen wird. Italien foll mit dieser neuen Prozedur durchaus einverstanden sein Italien soll mit dieser neuen Prozedur durchaus einverstanden sein und beabsichtigen, für seine Staatsangehörigen in Slowenien gewisse Niederlaffungsmöglichkeiten zu erreichen, die sie bisher noch nicht haben und dafür Jugoslawien gewissermaßen in den Vertrag von Tirana einzubeziehen.

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Eine Erklärung der jugoslawischen Gesandtschaft. Die jugoslawische Gesandtschaft in Berlin teilt mit: Gegenüber der auch in die deutsche Bresse eingedrungenen Nachricht, der zufolge die italienische Regierung angeblich Dokumente be fäße, die irgendwelche persönlichen Beziehungen des früheren Ge. fandten des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen in Rom Gjeßiger Gesandter in Berlin ), Herr Balu gdjitch, zu albanischen Emigranten nachweisen, ist die Gefandtschaft des Königreiches der Gerben, Kroaten und Slowenen zu erklären ermächtigt, daß Herr Balugdjitch während seines Gesandtenaufent haltes in Rom teinen einzigen Emigranten ge sehen hat

Demnach wird auch die in den Nachrichten enthaltene Folgerung hinfällig, als hätte der Gesandte Rom aus den erwähnten Ursachen verlaffen müssen.muraft

Warschauer Polizeiwillkür.

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Hat sich die britische Truppenfendung nach Schanghai ge­rechtfertigt? Betrachtet man die vorliegende Tatsache nüchtern, fo wird man feststellen müssen, daß sich die Befürchtungen der herrschenden Kreise Englands nicht bewahrheitet haben und geworden ist. Der fritische und für die Beurteilung der ganzen damit der Hauptgrund für die Truppenfendungen hinfällig Frage entscheidende Tag ist der vergangene Dienstag, der Tag der Einnahme Schanghais. Es muß nunmehr, nachdem sich der Rauch der Falschmeldungen verflogen hat, nachdrücklich festgestellt werden, daß an diesem Tage( und an den folgen­Mobs" den) weder die Kantonarmee, noch irgendeiner jener beliebten unter denen sich jeder etwas anderes vorstellen fann geschah, bestand darin, daß plündernde Angehörige der die internationale Siedlung angegriffen hat. Was: Nordarmee den Versuch machten, durch die internationale. Siedlung zu entfommen, wobei es zu einem Zusammenstoß zwischen den hinter der Verteidigungslinie verbarritadierten ausländischen Truppen und den versprengten Schantung soldaten kam. Der Daily Herald" hat recht, wenn er, um jeg licher Legendenbildung vorzubeugen, feststellt: Es ist flar, daß es gerade die Nähe der Siedlung und die dort aufge=: stellten Soldaten waren von denen man ihnen weiß ge­macht hatte, daß sie in gewisser Hinsicht ihre Berbündeten feien was die Angehörigen der Nordarmee zu ihrem Wahnwiz" und damit das Blutvergießen überhaupt erst ver­anlaßt hat. Der Versuch, aus diesem Gefecht die Rechtferti­gung der Truppensendung nach Schanghai abzuleiten, tommt alfo auf eine glatte Umfehrung des Sachverhaltes hinaus: ohne diese Erpeditionstruppen wären diese Schantungfoldaten, wie Taufend und aber Tausende ihrer Kameraden, von den Kantontruppen umzingelt und tampflos entwaffnet worden. Erst das Borhandensein der ausländischen Truppen führte aum Blutvergießen und nunmehr muß dies in folge der Anwesenheit der ausländischen Truppen erfolgte Blutvergießen dazu herhalten, um den kronbeweis für die Notwendigkeit der Truppensendung zu bilden. Es ist die uralte, schon der antiken Logit befannte Bertauschung von Nacheinander und Raufalität! In einen Sah zusammengefaßt. wird man daher ohne Bergewaltigung der Wahrheit feststellen können, von Gefahren bewahrt haben, die ihre Anwesenheit zuerst und überhaupt erst erzeugt hatte..

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Einbruch in einen Preffeverband. Wauschau, 30. März.( BTB.) Gestern drangen Polizei. agenten in das hiesige Lokal der Vereinigung jüdischer Literaten und Tagesschriftsteller ein, um einen jüdischen Journaliſten zu verzum Blutvergießen­haften, der am Grabe eines Kommunisten eine angeblich sta ats. feindliche Rede gehalten hatte. Mit ihm wurden noch zwei andere Bersonen verhaftet, die sich nicht genügend ausweisen tonnten. In der Nacht wurden dann alle drei Berhafteten wieder freigelaffen. Das Verhalten der Polizeiagenten hat

die Journalisten sehr empört.

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Strafantrag im Gießener Femeprozeß. daß die Truppen die Fremdensiedlung am Dienstag lediglich

Zuchthaus gegen Schwing und Salomon.

Gießen , 30. März.( TU) Jm Gießener Jememordprozeß be antragte der Staatsanwalt in einem dreiftündigen Plädoyer gegen Schwing 2% Jahre Zuchthaus wegen Totschlagsverfuchs, und gegen Salomon wegen Mordverfuchs 5% Jahre 3ucht­haus, zufammen mit der Strafe für den Rathenau- Mord insgesamt 8 Jahre, so daß Salomon noch Jahre zu verbüßen hätte. Bon der Sellung eines Strafantrages gegen Heinz sah der Staats­anwalt ab, da die vorliegenden Verdachtsmomente nicht aus­reichen.

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Man fann auf Grund der Ereignisse der letzten zehn Tage fagen, daß eine Verstärkung der Polizeifräfte ben­felben, ja fogar einen besseren Dienst getan hätte als die Schüßengräben und Drahtverhaue, die man provozierend auf rein chinesischem Boden auf und eingerichtet hat. Zwar haben die britischen Truppen in der unangenehmen Lage, in der sie fich nun einmal befanden, jenen Tatt und jene Zurückhaltung bewiesen, die sie in einer hundertjährigen kolonisatorischen Schule gelernt haben, aber es sind eben doch Gewehre und