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Nr. 218.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. frei tn's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. proQuartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.

Vorwärts

12. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 1hr Vor­mittags geöffnet.

Ferusprecher: Amt 1, tr. 1508. Telegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

erhebt.

Die nationale Politik"

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Mittwoch, den 18. September 1895. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

fast jeder Bürger und Bauer verstand und sprach, die Pflege einer Weltsprache nöthige Lebensbedingungen für ein geblieben? Erstarken Ungarns find, einzelne Hezer, besonders der inter­des Fürsten Bismarck, die uns den Heiligen bescheert hat, Keineswegs standen die Ungarn mir als Preußen etwa nationalen Rasse, alles untergraben, was innigere Verhältnisse sollen wir Sozialdemokraten schnöde verkannt, und das politisch feindselig gegenüber, nein, fie haben eine gewisse Achtung mit Desterreich anbahnen könnte und kein Mittel des Fanatismus nationale Gefühl", das in dieser, nationalen Politik" steckt, vor uns, die feit 1866 dativt. Allein nur unter vier Augen unbenußt laffen, um eine Verständigung zu unterbinden. Mich frevelhaft verletzt haben das ist die fürchterliche Anklage, tamen die deutschen Idiome zum Vorschein, überfam im Laufe der Zeit dort das herbe Gefühl: schade um die der nationale Geist", welcher nationalliberales und im öffentlichen Leben verbirgt selbst der den Deutschen ent- das schöne Land und das begabte Bolt! Was dem Fremden in Ungarn fast wunderlich erscheint, ist sonst mordspatriotisches Fleisch geworden ist, gegen uns stammende Ungar seine Kenntnisse; der Jugend ist die deutsche Sprache heute schon fast ganz ab- in Böhmen und Mähren geradezu absurd. Wer sprach handen gekommen. vor vierzig Jahren in Brünn und Prag , in Betrachten wir einmal auf einen Augenblick die Anklage. Es giebt verständige Leute unter den Ungarn , die dieser Budweis und an der March sowie im nörd Und fragen wir zunächst was ist national? Wir Umwandelung mit einer gewissen Bangigkeit entgegensehen. Sie Ii chen Theile jener Provinzen eine andere glauben, auch der verbohrteste unserer Gegner wird uns zu- mußten mir recht geben, daß ein Bolt, das wie die Ungarn fich Sprache als die deutsche ? Lediglich Leute der stimmen, wenn wir zur Antwort geben: national hohe Biele stecken muß, wenn es nicht absterben will, wie jedes untersten Klasse gaben mit einer gewissen Scheu zu verstehen, im politischen Sinn des Worts, der hier allein in Betracht irdische Geschöpf eingeht, das nicht mehr wachsen kann. Sie daß sie nur czechisch sprächen! fommt ist alles, was der Nation und Nationalität zu lichst weit in der Welt verstanden wird, damit die Ideen des den ersten Gasthöfen, in denen doch auch andere geben zu, daß dazu vor allem eine Volkssprache gehört, die mög- Heute ist die Sache völlig anders; selbst in statten kommt, sie fördert und stärkt. Volfes weiter getragen werden, und umgekehrt, damit ein Volf Menschen als Czechen verkehren, wenden die fich Sympathieen erwerben und seine geistige Sphäre an der Mit- Wirthe einem verächtlich den Rücken, wenn man arbeit mit anderen erweitern kann. nicht ihr Kauderwelsch spricht, und rufen den Kellner, der in der Kultur so weit zurück ist, noch deutsch zu verstehen!

Gut. Und messen wir nun die nationale Politik" des Fürsten Bismarck und seiner Epigonen nach diesem Maßstab. Um den Schein der Voreingenommenheit und Statt dessen wurde in Ungarn die deutsche Sprache, der Urtheilserschleichung( Captivirung) zu vermeiden, wollen die besonders im ganzen Westen des Staates, wie gesagt, vor wir unsere Sache nicht selbst führen, sondern einen Zeugen 40 Jahren jedermann verstand, und nach der auch alle Flüsse für uns reden lassen, den unsere Feinde sicher als klassischen und Dörfer ihre Namen, die heute magyarisirt sind, trugen, fast Bengen annehmen werden, und der einer Parteilichkeit zu mit Gewalt ausgemerzt, und die einst nur im Often unseren gunsten sicher unverdächtig ist. Nämlich das Zentral- Ungarns beimische magyarische Sprache zur staatlichen erhoben; eine Sprache, die außerhalb Ungarns nirgends gesprochen wird, organ jener Partei, die sich mit den National­ja, die sich auch niemand auf dem ganzen Erdenrund zu lernen liberalen in den Monopolbesiz nationaler und bemüht. Die jetzige Generation versündigt sich gegen ihren Nach­patriotischer Gesinnung theilt, und von dem deutschen wuchs, wenn sie ihm vielfach das Lernen einer Weltsprache, hier Kaiser als Hauptstüße des nationalen Throns und des der deutschen , erschwert, die einst die Heimathsprache großer Be­nationalen Altars betrachtet wird das Organ der zirke, auch die amtliche war. Edelsten der Nation" mit oder ohne von und ßu Hammerstein-: die Kreuz- Zeitung ".

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Beim Durchblättern der letzten Monatsnummern dieses edelsten Blattes der Edelſten" stießen wir in der Nummer des 21. Auguft dieses Jahres auf folgenden Leitartikel, den mit Verstand zu lesen wir unsere Ankläger höflichst er­suchen. Der Artikel ist betitelt: Das Deutsch thu m in Ungarn , Böhmen und Mähren " und lautet: Bor vierzig Jahren führten mich meine Wanderungen häufig in die waldigen Bezirke Böhmens , auch tief nach Ungarn hinein, bis in die rebentragenden Gefilde an der Raab.

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Tabei tritt das Czechische geradezu aufdringlich hervor: auf Tischen und Wänden" muß der Böhme fein neues Sprach­mittel verewigen. Auf Schildern, Tafeln, Zäunen und Weg­weisern, die früher nie existirten, stroßen plößlich auch im Ge­birge, wo seit Jahrhunderten deutsch gesprochen wurde, dem verwunderten Wanderer Inschriften entgegen, deren Idiom ihm, obgleich er die Erde fast umkreiste, nie begegnet ist, die aber nicht zu verstehen dort als Verbrechen gilt.

Als Knaben waren wir stolz, wenn wir uns der so­genannten Räubersprache" bedienten, die außer uns niemand ver­stand; in diese Zeit fühlt man sich halb beluftigt zurückversetzt, wenn man viel in den Gebieten Desterreich- Ungarns umherpirscht. So unser klassischer Zeuge.

Zwischen seiner ersten und zweiten Reise liegt die nationale" Politik Bismarck's.

Wir haben dem Zeugniß, das für sich selbst spricht, nichts hinzuzufügen. Wir haben blos den Wunsch auszu­drücken, daß man es genau prüfe.

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Bekannt sind die jämmerlichen Schicksale einzelner Ungarn außerhalb ihres Vaterlandes. Niemand versteht sie; weder in Amerika , noch in Asien oder Australien gab und giebt es auch überall zuckt man dem seltsamen Idiom gegenüber die Achsel und nur eine Genossenschaft, die den Hülfesuchenden beistehen tönnte; selbst ihr Teremtete! verhallt unverstanden im Winde. Wie die Taubsiummen ziehen und zogen sie durch die Welt, während einige deutsche Worte ihnen überall offene Thüren verschafft hätten. Selbst in Europa belächelt man außerhalb des Gebietes der Kar- Die Seele der Nationalität ist die Sprache das pathen das Bemühen eines Magyaren, sich verständlich zu machen. wird uns von keinem Patrioten" bestritten werden. Andererseits aber kann der reisende Nicht- Ungar sich eines eigen Wohlan was aus der deutschen Sprache sin thümlichen farkastischen Gefühles kaum erwehren, wenn er mitten Ungarn , Böhmen und Mähren geworden ist, das In diesem Jahre durchreiste ich dieselben Strecken, allerdings in einem Lande, in dem die meisten deutsch verstehen, alle Auf- hat unser klassischer Zeuge gesagt. Und daß es so nicht mehr mit Rucksack und Stecken; hatte aber wieder Gelegen schriften nur in ungarischer Sprache findet. Man dächte, die gekommen ist, das ist die nothwendige, von jedem denk­heit, in Dörfern und Städten länger zu weilen. internationale Höflichkeit sollte wenigstens dafür sorgen, daß Nicht nur waren es die mangelnde Sorglosigkeit der Jugend, vielleicht in fleinen Lettern den Barbaren ( Nicht- Ungarn ) in einer fähigen Menschen vorausgesehene und vorausgesagte Folge der abhanden gekommene Uebermuth des fröhlich wandernden nicht- magyarischen- unserthalben englischen oder französischen der sogenannten, nationalen". Politit, die, um Touristen ohne Ziel und Schranke, die mich eine fast ver- Sprache mitgetheilt würde, wohin er auf den Bahnhöfen sich zu mit Hilfe des französischen Kaisers, der aller­blüffende Aenderung in dem Volksleben er- begeben habe; da er wie verrathen und verkauft ist, wenn er auf dings um seinen Lohn geprellt wurde, ein dynastisches fennen ließen, sondern die völlige Wandelung, den Stationen irgend etwas bedarf. Großpreußen zu gründen, 1866 Desterreich aus Deutschland die an Sprache und Sitte in den durchzogenen Wenn der Ungar glaubt, daß dieses Pochen auf eine im hinauswarf" und die deutsche Nationalität" und Sprache, Gebieten vor sich gegangen war. Erdenrunde gänzlich unbekannte Ausdrucksweise irgend wem Noch prangten allerdings die sanften Hänge der schönen imponirt, so irrt er sich; es reigt höchstens zum Spotte. Die welche bis dahin in Desterreich geherrscht hatten, dem Thäler im saftigen Grün der Neben, noch erfreuten herrlich Reaktion gegen den Sprachfanatismus ist allerdings im Wachsen; Untergang weihte. Und daß wir eine Politik, wie die hier in ihren mundende Getränke, üppige Früchte, fruchtbare Gefilde, prächtiges es wäre aber beffer, die Sache würde gründlicher angefaßt, und Vieh und ein Pferdeschlag, der jedes Renners Auge entzücken muß, es folgte ihr auch eine gründliche Reaktion. Früchten von der Kreuz- Zeitung " gekennzeichnete, nicht Augen und Sinne; aber wo war der zuvorkommende Was die ganze Angelegenheit noch unsympathischer macht, als national" anerkennen und bewundern, das soll dem Ton, das erfreuliche Geplauder in unserer ist, daß entgegen dem Streben einzelner ruhiger Köpfe, die wohl nationalen Geist" zuwiderlaufen? Sprache, die einst von Graz bis zum Plattensee einsehen, daß das politische Anlehnen an einen großen Staat und Wer lacht da nicht?

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Skizzen[ Nachdruck verboten.

aus dem füdamerikanischen

Hinterlande.

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Der Richter zuckte nach einer Weile entschuldigend die Achseln: Da wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als Sie mit der Klage abzuweisen, Don German."

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Sachen werden mitunter vertrödelt, und der Dr. Wilson ist lange Jahre frank gewesen. jedenfalls geht das die Sache nichts im geringsten an."

" Haben Sie noch etwas zu sagen in betreff der An­gelegenheit, Don German...?" fragte der Richter.

Gewiß... bis jetzt ist in der ganzen Verhandlung noch nicht die Rede davon gewesen, worauf die Frau Maria Wilson ihre Ansprüche gesetzlich stützt. In jedem Falle muß sie sich ausweisen als Erbin und ebenso als Wittwe des Verstorbenen."

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es hat die genügenden Zeugenunterschriften und unter den Zeugen figurirt sogar der Friedensrichter. Es ist insofern giltig. Sie müssen sich erinnern, Don German, daß die Geistlichkeit auf dem Lande nicht immer mit der Ortho­graphie auf dem besten Fuße steht, geschweige denn ist sie im stande, ein Attest in der genauen Form auszustellen, wie sie eigentlich verlangt wird. In jedem Fall ist die Frau Maria nach dem Ritus der katholischen Kirche durch den Padre Nikolas Aguilar getraut worden und eine jede katholische Trauung hat für uns in Paraguay eine recht­liche und gesetzliche Verbindlichkeit, da wir keine Zivilehe haben, wie Sie augenblicklich in Argentinien ."

Und wo tommt auf einmal dieser alte Titel her?" " Nach den Aufklärungen, die mir Matias Patino ge- Herr Fernandez legte darauf ein Testament vor, das geben hat, galt der Titel lange Zeit als verloren, wie ja der verstorbene Dr. Wilson vor dem zuständigen Richter so mancherlei im Kriege verloren ging, und der Kamp galt Matias Batino gemacht hatte und das aus der kurzen und" Das weiß ich wohl. Ich habe aber ganz andere Be­als fiskalisch. Dr. Wilson, der der intime Freund von bündigen Erklärung bestand, daß seine ganze Hinterlassen denken. Ich halte davon, daß bei diesen ganzen Geschichten Matias Patino war, taufte nun im Jahre 1878 mit seiner schaft, die er separat angegeben habe, in Ermangelung jedes etwas passirt ist, was das Tageslicht zu scheuen hat. Es Zustimmung den Kamp als fiskalischen von der Regierung. weiteren Erben und aus freiem Willen des Erblaffers an hat ein Mensch von einer Frau des Dr. Wilson gehört, Später entdeckte man, daß die alte Mutter von Matias seine Wittwe Maria Wilson zur beliebigen Disposition überall, wo ich mich danach erkundigt habe, und beides, Patino, die irrfinnig geworden war im Kriege, diesen ver- falle. Es war in der gesetzlichen Form gefaßt und von sowohl Testament und Trauschein, sind nur wenige Tage mißten Titel die ganzen Jahre hindurch mit sich in ihrem zwei Beugen unterschrieben. Desgleichen legte der Advokat vor dem Tode des Dr. Wilson ausgestellt geworden Busen nmbergetragen hatte. Er fand sich, als die Frau eine Bescheinigung vor, daß Dr. Wilson mit Frau Maria, Wenn Sie glauben, daß etwas derartiges vorliegt," gestorben war, und Matias trat darauf seine Rechte an unverehelichten Standes, nach dem Ritus der heiligen sagte Herr Fernandez, so bleibt Ihnen unbenommen, die seinen Freund Wilson noch einmal ausdrücklich ab, wie katholisch- apostolisch- römischen Kirche ein paar Tage vor nöthigen Beweise herbeizubringen und die etwaigen Uebel­Sie hier ersehen können... dem Tode des Dottors getraut sei. Das Dokument zeigte thäter kriminell anzuklagen. Der zivilgerichtliche Standpunkt das nämliche Datum wie das Testament und war von einem Padre Nicolas Aguilar unterschrieben. Herr Winterfeld griff nach dem letzteren und studirte es angelegentlichft.

Das ist eine wunderliche Geschichte, sagte Herr Winter­feld Wunderlich oder nicht; aber sie ist wahr und wenn Sie es verlangen, tann Matias Patino sie Ihnen noch mündlich bestätigen. Er ist heute hier in Asuncion . Er hat auf der Bant zu thun, wie er mir sagte."

" Trotzdem finde ich sie wunderlich, vielleicht sogar ver­dächtig. Warum hat Dr. Wilson dann nicht seine Kauf­summe für den Kamp vom Fiskus reklamirt, als sich der alte Titel wieder vorfand...?"

Das können die Erben noch immer thun... weiß der Himmel, warum es noch nicht geschehen ist... solche

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wird bis jetzt durch derartige Vermuthungen nicht er­schüttert. Nach allem, was wir hier gehört haben, sind trot Ihres Titels vom 30. Dezember 1877 Ihre Ansprüche auf die Estanzia hinfällig, und wenn ich meine persönliche Das ist ein noch seltsamerer Handel," sagte er nach Meinung über den Friedensrichter zu Santa Fernando hier einer kleinen Weile. In dieser Bescheinigung steht der gleich aussprechen darf, so habe ich nicht den Eindruck ge­Name der Frau Wilson nicht, den sie vor ihrer Ver- wonnen, daß er sich in unsaubere Geschichten eingelassen ehelichung geführt hat. Es dreht sich hier nur um eine hat, umsomehr, als er Ansprüche auf die Estanzia hatte, Maria Wilson, nichts weiter... Das Dokument kann die ihm der Dr. Wilson nicht einmal streitig zu machen im unter solchen Umständen nicht giltig sein..." stande war. Er hätte die Estanzia reklamiren können, da Allerdings hat das Dokument nicht seine richtige sich der alte Titel verfand." Fassung," sagte der Richter nach einer Musterung, aber Ganz recht. Aber wer weiß, was später vorgefallen