Einzelbild herunterladen
 

Dienstag

5. April 1927

Unterhaltung und Wissen

Grönlandsfahrer.

Bon Hans Blund, Oldemaren.

Der Reeder hob die Arme von den breiten altertümlichen Stuhl­lehnen. Also dann wünsche ich gute Fahrt und glückliches Jahr, Sanders, oder haben wir noch etwas zu besprechen?"

Der Schiffer dachte nach, nein, er wußte nichts. Er hatte nur ein müdes Gefühl in den Augen, wie er so in Gedanken auf ein Jahr die glizernden Eisbarren Grönlands vor sich fah, die endlose Flucht vor Berg und Paceis, Kampf um die Zucht der Leute und die rasende Erregung, wenn es hinter dem Wal dreinging. Aber dann dachte er an Dörte, die er gleich fehen würde und sein durch­faltetes Gesicht leuchtete fröhlich und gutmütig auf.

"

,, Nein, ich habe nichts mehr," sagte er, schüttelte dem kleinen feisten Reeder die Hand und erhob sich. Was für ein Kerl," dachte der bewundernd, als der Schiffer sich schwerfällig, ein wenig gebückt, nach draußen schob. Sah aus, wie aus der Urzeit übriggeblieben und war doch in Zucht, Fürsorge und gutmütiger Rechtlichkeit ein gebändigter Hüne in dieser fleinen gegenwärtigen Welt.

"

Sanders Sohn wartete im Vorzimmer. Was hat er gefagt?" fragte er, und wies mit der Müße zur Tür des Reederkontors. Er fann jegt niemand brauchen," feufzte der Große, ihm fielen die Sorgen des Jungen ein, bu fannst aber in acht Tagen auf den Speichern Arbeit haben."

Der Bursch fluchte, aber schließlich schien es ihm nicht so unrecht, wie er tat. ,, Na, denn in acht Tagen," brummte er.

Dem Bater tat's leid, die alltägliche Arbeit in Schuppen und Schiffen war ihm verhaßt. ,, Komm man zum Kaffeetrinken," tröstete er ,,, Dörte hat noch mal zum Abschied Großbaden gehalten." Ich komme gern, Bater!"

Der Schiffer stand unentschlossen vor der Tür. Es regnete. Er märe am liebsten gleich nach Haus gegangen, immer waren ihm die letzten Stunden vor einer großen Reise unruhig und ein wenig getrübt. Nur die letzten Stunden, wohlverstanden. Sobald er erst auf dem kleinen- dunklen Walfischfahrer stand, war's vorüber, war er der beste Grönlandfahrer, ein Kerl, der einen Eisbären einft mit dem Haueisen erschlug.

Seine Leute fizzen drüben im Keller. Sanders muß nach dem Brauch vorsprechen, um eins auszugeben. Es ist ein wildes Bad, das fich ins Eis verdingt, aber er hat immer noch die besten Leute, weil er am besten für fie forgt. Wie er aber hinübertappt, denkt der Schiffer beklommen an das ungeheure Ets im Norden, denkt er an die Waise, die zurückbleibt. Er hat sie einft nach dem Tod feiner Frau aufgenommen, um die Kinder zu versorgen. Sie ist heut ein startes, blizblantes Ding, das ihm Krabbenzeug und Haus imftand hält, und dazu des Schiffers Kopf eingefangen hat. Was fehlt denn noch, daß sie sich absprechen? Wenn fie diesmal noch wartet,- vielleicht hat er dann genug, um am Strand zu bleiben. Sanders nickte bedächtig. Hältst es noch ein Jahr aus?" hat er heut morgen gefragt und ihr die Hand hingehalten. Was hat fie ihn ausgelacht. Und ob ich bleib!"

Rannst dir die Aussteuer nähen," hat er hinzusehen wollen. er war nicht dazu gekommen. Besser so etwas vor der Abfahrt zu fagen. Aber wohl hat sie in die offene Hand eingeschlagen. Bift mir' ne gute Mutter von den Kleinen gewesen," hat der Schiffer hinzugefügt, und Dörte ist dunkelrot geworden.

bry

le

Beilage des Vorwärts

Marek?- Marx!

KONKORDAT

Gestehen Sie doch, Herr Marx, als Sie diese Versicherung abgeschlossen hatten, haben Sie sich absichtlich den linken Fuß Ihrer Koalition abgehackt." Marx: Aber Herr Stresemann will jetzt die Versicherungssumme nicht zahlen."

Der Jung! brauft es furchtbar in ihm hoch und die Hände ballen fich fnacend. Aber was weiß der Jung von ihm. So lieb," sagen fie einander. Gern hab ich dich!" flüstert Dörte. Und nach der Arbeit am Speicher fragt sie.

Der Schiffer wendet sich schleichend und schreitet die Straße zurüd. Ein Kind greift er auf, sagt ihm, er habe rasch an Bord müssen. Aber wie er die Zeit vor sich sieht, ohne Traum in den Wachen, ohne Hoffnung, eine lange ewige Spanne, ist es, als schlöffen sich seine Augen vor dem Widerschein des Eises, als schwankte er einige Schritte lang und hätte Mühe sich aufzurichten, ein alter Grönlandfahrer, der er ist.

Der Vater der Antisepsis.

Jum 100. Geburtstag Lifters am 5. April. Bon Dr. Friedrich Frangius.

Sanders stapfte mit inarrenden Stiefeln in die Kellerstube, in der die Leute um den Tisch sitzen und gröhlen und rauchen. 2stämpfen. Die heutige Generation vermag sich ja faum einen Begriff er einfritt, legt sich der Lärm ein wenig, man rückt zufammen und wartet, was der Schiffer bestellen wird.

Ich möchte bei Dörte sein, denkt er unbehaglich und nicht dem Kröger zu, als der ihm dies und das vorschlug. Nicht zu viel," mahnt er die grinsenden Leute ,,, ich halt euch die Nacht noch in Gang."

Der Schiffer überfliegt sie dabei. Drei, vier Bootsleute, alte Grönlandskerle, find da, einige Seehunde, so nennt man Matrosen, die das Eis noch nicht befahren haben. Und dann die Trantocher, so wie sie aus den Rellern ausgemustert sind, Spieler, Raufbolde und Leute, die etwas zu verbergen haben. Sanders verteilt sie in Gedanken.

Biel Zucht und Frost, denkt er wieder und sieht sich einfam unter der ungeheuren Wand des Paceises treiben, sieht die bläulich schimmernden Klüfte und überglaften Schlünde Grönlands - viel Frost und Fjorde, dies Jahr noch, dann will ich bei Dörte bleiben.

Ein Bootsmann nennt ihm halblaut die neuen Leute und was er von ihnen weiß. Schnaps wird aufgetragen, die Männer trinken und schreien. Einer von den Neuen setzt sich sogar an das ver. hämmerte Klavier, und der Bootsmann Krunte, auf den man auf passen muß, ist schon dabei, mit den schweren Transtiefeln einen Tanz aufzuführen. Bär dies Jahr vorbei," denkt Sanders und dann ,, ich muß es Dörte noch sagen, daß sie das Jahr wartet." Er angftigt sich plöglich, felten ist ihm der Gedanke gekommen, daß ste reif wäre, einen andern gern zu gewinnen.

Der älteste Bootsmann schlägt auf den Tisch, in einer halben Stunde heißt es an Bord gehen. Der Schiffer hat noch Zeit, die frühe Frift gilt den Leute, die wieder nüchtern werden müffen. Er nimmt die Gelegenheit wahr, aufzubrechen. Mut hätte er jegt, er fönnte mit Dörte alles in Ruhe besprechen. Am besten wäre gewesen, er hätte den Jung gar nicht erst zum Raffe eingeladen, er hätte fie dann allein gehabt.

Der Grönlandfahrer schreitet mit weit ausholenden Schritten über die budligen Kanisteine. Er möchte vor seinem Sohn zu Hause fein. Ein paar Worte muß er mit Dörte allein haben. Das Eis, denkt er, und weiß von endlosen Wachen in der Einsamkeit, spürt das Anziehen der Stürme unter den roten Mitternächten, härt das Bersten des Eises in den Ohren, das ihn ein Jahr nicht mehr verlassen wird.

Dörte, denkt er. Bie ein Kind rettet er sich vor der schwer. mütigen Stunde in der Gile zu ihr. Einmal hält er die Hand über die Stirn, er meint, die Borübergehenden müßten ihm die Erwartung um Bart und Augen ansehen und schämt sich.

Die fleine Tür steht offen, als er kommt. Auf Zehen tritt er ein, er meint, das Mädchen überraschen zu müssen.

Aber der Jung ist doch schon da, er sieht die Mütze im Flur hängen. Und dann hört er es ist, als schüttelte sich der Riefe, vorgebeugt, mit qualvoll aufgerissenen Augen dann hört er ben Jung und er hört Dörte. Dicht beieinander müssen sie sein, sehr nahe. Und lieb hätten sie sich, ja, das fagen sie zueinander.

-

Es ist, als wollte der Schiffer nach drinnen stürzen, so gewaltig bäumt er fich auf. Raub geschieht, fein Eigen- sein Eigen!

Da tastet er über die Stirn, tropfend falt ist sie und voller Furchen. Was hat er doch gewoüt? Sein Eigen? Er fühlt die Glieder erlahmen, Zucht hat er ein Lebenlang geübt. Diese mar fein Eigen nicht!

Die moderne Chirurgie, die dank ihrer vervollkommneten Methos führen und dabei die Gefahr für das Leben des Patienten immer den auch die schwierigfte Operation mit glücklichem Gelingen auszu mehr zu vermindern versteht, ist verhältnismäßig jungen Datums. Der Mann, dem fie sozusagen ihre Eristenz verdankt, Lord Josep Lister, ist erst fünfzehn Jahre tot. Er war Englands größter Arzt, und mehr als das: ein Wohltäter der leidenden Menschheit und einer aus der Legion der Unzähligen, die von dem schnellebigen und un­bankbaren Menschengeschlecht allzu rasch vergessen werden. Die Kunst bes Operateurs verdantt diesem Engländer unendlich viel. Denn ihm ist es gelungen, die furchtbare Geißel der Operationsfäle, das Bund fieber, die jeptische Entzündung des Gewebes, erfolgreich zu be. von den Zuständen zu machen, die noch vor wenig mehr als einem halben Jahrhundert in den Kliniken und Krankenhäusern herrschten. Kein Geringerer als Binzenz Czerny hat einmal erzählt, daß während seiner Studienzeit in Wien die Klinik auf viele Wochen geschlossen werden mußte, weil der Brand und der Rotlauf jeden einzelnen der operierten Kranten ergriffen und zahllose Todesopfer forderten. Man nahm damals in denselben Räumen, wo operiert wurde, zeltweilig noch Leichenfektionen vor; aber niemand unter den Klinikern und Operateuren fam auf den Gedanken, daß die Berührung mit den in Bäulnis übergehenden Leichenteilen die Ursache des bei den Operier. ten so häufig ausbrechenden Wundfiebers fein tönne. Wohl hatte schon Jahrzehnte früher der große Semmelweiß darauf hingewiefen; Barnungsrufe verlacht, und diesen bedeutenden Mediziner geradezu man hatte aber nicht auf ihn gehört, ja, man hatte ihn ob seiner in den Wahnsinn getrieben, dem er später erliegen sollte. Joseph Lister , der sich bereits in den sechziger Jahren des ver­gangenen Jahrhunderts als Profeffor der Chirurgie in Glasgow in einer Reihe bedeutsamer Borträge mit den Ursachen der Wund­eiterung befaßt hatte, war nicht van Semmelweiß, fondern von den Experimenten des genialen Pasteur ausgegangen. Dieser hatte ge­wenn die Bunde unter Luftabschluß verheilte, als wenn sie mit der funden, daß die normale Wundheilung viel eher gewährleistet war, freien Atmosphäre in Berührung tam. Lifter arbeitete infolgedessen mit größtem Gifer daran, die äulnisteime der Luft zu zerstören. Er suchte Methoden, die Operationswunde feimfrei zu machen; er nannte diese Methode die antiseptische. An die Asepsis dachte man damals noch nicht; man maß der Luftinfektion im Gegensatz zu der deutung bei. Für Lister handelte es sich vor allen Dingen darum, Don Mikulicz so genannten Kontaktinfektion ausschlaggebende Be­ein Desinficiens zu finden, das geeignet war, die Fäulniskeime un­schädlich zu machen. Er probierte als solches nacheinander Chlor­zint und verschiedene Schwefelverbindungen aus, fand aber als das geeignetste mittet schließlich die Karbolsäure. Auch das Sublimat, folg zur antiseptischen Bundbehandlung benut. der Alkohol und das Jodoform wurden bereits von Lister mit Er

Wie früher Semmelweiß, so hatte auch Lifter aufs schwerste mit dem Widerstand der Operateure zu kämpfen, zumal sich im Anfang durch ungünstige Nebenwirkungen der antiseptischen Mittel nicht immer gleich der erwartete Erfolg einstellen wollte. Aber immer wieder wies Lifter darauf hin, daß die Reir haltung der Wunde un­erläßlich für ihre Heilung sei, und daß sowohl die Instrumente und Verbandstoffe, wie die Hände des Operateurs zu diesem 3wed steril ( teimfrei) gemacht werden müßten. Bon großer Bedeutung für die Einführung des Katgut als Ligaturmittel, eines aus dem Kazen. praktische Deprationstätigkeit war u. a. die von Lifter betriebene darm hergestellten faltenartigen Nähfadens, der dem Gewebe nicht nur nicht schädlich wird, sondern im Laufe der Zeit völlig der Re­forption im Innern des Körpers anheim fällt.

Joseph Lifter, der hochbetagt am 11. februar 1912 das Zeitliche fegnete, war zu Upton Effer als Sohn eines Weinhändlers geboren, lichen Dingen zu befaffen pflegte. Der alte Lifter war Quäfer; er ber sich in seinen Mußeftunden selbst eifrig mit naturwissenschaft­fandte baher feinen Sohn auch auf die Quäferschule von Ewiden ham. Seine medizinische Ausbildung beendete der junge Lister am University College zu London . 1852 promovierte er zum Bachelor of med. unb wurde dann Assistent. Rwei Jahre später ging er als Affistent nach Edinburg zu dem berühmten Chirurgen Syme, der fpäter fein Schwiegervater wurde. Im Jahre 1860 murde er als Profeffor der Chirurgie nach Glasgow berufen. neun Jahre später in gleicher Eigenschaft als Nachfolger feines Schr gervaters nach Edinburg . 1877 erhielt Lifter einen Ruf nach London an das Kings College, und von dieser Stätte feiner Tätigkeit aus verbreitete 1 sich sein Ruf über die ganze Kulturwelt.

Andreas Reischek .

Unsere Zeit ist reich an Geschichten von märchenhaften Erfolgen willensträftiger Männer, die von den untersten Stufen der Armut zu den höchsten Höhen des Reichtums und der Macht emporstiegen. Namen wie Edison, Rockefeller , Ford mögen hier genügen. Jedoch scheinen solche Laufbahnen eine spezifische ingelegenheit der ge schäftstüchtigeren Amerikaner zu fein. Im alten Europa , und vor­nehmlich an Männern, deren Arbeit nicht äußerem Glück, sondern ideellen Zielen gilt, bewahrheitet sich immer noch das Wort: ,, Der Prophet gilt nichts in seinem Baterlande!" Das Leben Andreas Reischets, des großen Neuseelandforschers, ist ein Schulbeispiel hierfür.

Im Jahre 1845 murbe Andreas Reischef in Linz geboren, fam aber schon in zartester Jugend nach Käfermarkt im hügeligen Mühl­viertel Oberösterreichs . Ungesellig gegen die Menschen, verbrachte der Knabe seine Zeit im Walde. Als er alt genug war, um einen Beruf zu ergreifen, wurde er bei einem Bäcker in die Lehre gegeben. Es war ein Glück für den Knaben, der sich nie mit seinem Hand­wert befreunden fonnte, daß sein Meister Berständnis für seine naturwissenschaftlichen Studien befaß. Dann brach 1866 der Strieg nach Kriegsende den klugen jungen Mann auf Reisen nach Italien gegen Italien aus. Ein am Feldzug teilnehmender Baron nahm mit. Fortuna folgte dem Zurückgekehrten auch nach Wien . Raum verheiratet, erhielt er durch Bermittlung eines einflußreichen Gönners den Auftrag, ein Kolonialmuseum auf Neuseeland einzu­fah, griff bedenkenlos zu, obwohl er seine Frau auf zwei Jahre" richten. Und Reischet, der seine Jugendträume in Erfüllung gehen verlassen sollte. Aber fein Traum war stärker als alle Bande, die ihn an die Heimat fesselten. Daß er in Wirklichkeit zwölf lange Jahre fernbleiben sollte, hat er wahrscheinlich selbst nicht geahnt. In Neuseeland angekommen, ging er sogleich an die Arbeit, die fein rüstete er nacheinander acht Expeditionen aus, zog auch ganz ein­Lebenswert werden sollte. Mit seinen schwer erarbeiteten Gehältern fam, nur von seinem treuen Hunde Cäfar begleitet, unbekannten Gefahren entgegen. Monatelang hörte er oft teine menschliche Tritten der Zivilisation Sterbende Welt" festzuhalten. Stimme. In zwölfter Stunde war es ihm vergönnt, eine unter den

Neuseeland hat ungefähr die Gestalt und die Größe der Halb­löschende, das Gepräge. Hunderte von Geifern sprühen ficdeheißes infel Italien . Der Nordinsel geben große Buffane, tätige und er­Basser turmhoch zum Himmel. Das Herz der Natur pocht hämmernd und dröhnend an die Erbrinde. Die Südinsel erhält paradiesische Insel beherbergt eine feltsame Tierwelt. In der ge­durch eine mächtige Bergtette ein festeres Gefüge. Fjorde, deren Schönheit die skandinavischen übertrumpft, zerreißen die Küste. Diese heimnisvollen Waldeinsamkeit trappt der Kimi ein Bogelzwerg, nächtlich feinen Beg. Flügellofe Eulenpapageien hausen in Baum­höhlen und gehen wie der Zwergstrauß nur nachts auf Rahrungs­ſuche aus. Ein anderer Papagei hat sich aus einem Begetarier zum Fleischfresser entwickelt. Er überfällt Schafe und hadt ihnen Fleisch­Schnabel die Bäume an, des Weibchens langer dünner Schnabel stücke aus dem Rücken. Der Huia- Bogel lebt paarmeije in ständiger Gemeinschaft. Das Männchen hadt mit feinem furzen stämmigen zieht die Bürmer hervor. So sind sie untrennbar aneinander­gebunden.

Das größte Wunder dieser Welt ist aber der Mensch: der Maori . Er vereinigt in fich scheinbar unvereinbare Gegenfäge. Die Maori find schön, den Ariern ähnlich, fie befizen eine hochentwickelte Kultur, Sinn für Schönheit, Kunst und Rhetorit, aber fie sind Kannibalen. Dem getöteten Feind sticht der Maori die Augen aus, die er ver­schluckt; er schneidet die Halsschlagader auf und saugt das Blut aus; er verzehrt schließlich auch das gefochte Herz. Reischet erzählt, daß einmal ein Häuptling, der einem vornehmen Gast besondere Ehre erweisen wollte, seine Frau zwang, für ihr Kind und sich selbst Koch­gruben zu graben, und daß er dann die eigenen Familenangehörigen mit größtem Bergnügen verfpeifte. Gewöhnlich meint man, daß ein menschenfressendes Bolt unbedingt auf einer tiefen Kulturstufe stehen müsse. Die Sitten der Maori strafen diese Anschauung Lügen. Ihre Religion überrascht durch den Gehalt an tiefen philosophischen Ideen. Sie erinnert in vielem an den christlichen Glauben. Bunderbare Schnißereien, fünstlerische bunte Matten, die reiche Ornamentit an ihren Bauten zeugen für große Gestaltungskraft.

Diese wundervolle Sterbende Welt" hat Reischet der Menschheit überliefert. Das ist sein großes und unschätzbares Ber­dienst. Leider hat man den Lebenden nicht zu würdigen verstanden. auch hierin waren die Wilden" den Europäern überlegen. Sie ehrten den liebevollen Menschen, der als Gleicher unter Gleichen zu ihnen fam, durch Verleihung ihrer höchsten Würde. König Tawhiao verlieh Reischet den erblichen Häuptlingsrang.

Am 3. April 1927, 25 Jahre nach dem Tode dieses bescheidenen Mannes, fanden in ganz Desterreich Erinnerungsfeiern statt, an denen die Spigen der Behörden und der Presse teilnahmen. Aber Reischef verdient, daß man seiner auch in der übrigen Welt gedenkt. Benn der Vielverfannte auch während seines arbeitsreichen Lebens nicht Ruhm und Anerkennung gefunden hat, so foll menigstens der Name des Toten der Vergessenheit entrissen sein. Daß dies jetzt geschieht, nach einem Menschenalter, ist nicht zum mindesten der dankbaren Liebe feines Sohnes zuzuschreiben, der die Forschungen des Vaters in dem Buch Sterbende Belt"( Brockhaus, Leipzig ) sammelte. Anläßlich des 25. Todestages Reilchefs hat nun Brockhaus unter dem gleichen Titel auch eine billige Ausgabe des großen Reisewerts in der Sammlung Reisen und Abenteuer", Halbleinen 2,80 M., Ganzleinen 3,50 m., herausgebracht.