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Beilage zum Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Ur. 219.

Tokales.

Donnerstag, den 19. September 1895.

12. Jahrg.

zu nehmen.- Die Arbeiterschaft sieht schmunzelnd diesem gott  - Das Volkswohl" hatte in einem die Besucher des Obdachs vollen Schauspiel zu. verunglimpfenden Artikel die sonst verhältnißmäßig zahlreichen Das patriotische Unternehmerthum hat, wie bekannt, Herr Arnold Perls bestreitet in einer Zuschrift an uns, Auslieferungen der Sommermonate daraus erklärt, daß im Sommer gelegentlich der Sedanfeier der staatserhaltenden Presse eine daß er sich in der Versammlung des Vereins Waldeck, über die die Kontrolle genauer sei, weil dann die Rieselfelder viele Arbeits­üble Blamage bereitet. Man erinnert sich noch des Ent­träfte brauchen, die das Obdach liefern müsse. Die Obdach­wir gestern berichteten, in der von uns geschilderten rüstungssturmes, der sich in Blättern wie National- Weise über die Sedanfeier 2c. geäußert habe. Namentlich seien verwaltung hatte das bestritten; die Unterschiede zwischen Sommer­Beitung" und" Norddeutsche Allgemeine" erhob, seine Ansichten über die Kaiserrede im denkbar oppositionellen und Wintermonaten seien daraus zu erklären, daß im Winter als wir vor etwa vier Wochen ankündigten, daß die Arbeiter: Sinne gehalten gewesen. Demgegenüber konstatirt unser Mit bei geringer Arbeitsgelegenheit die Vorführung Obdachloser vor schaft zum wesentlichen Theile die Weihe des Nationalfestes" arbeiter, daß er an dem Inhalt seines Berichts nichts zu ändern den Polizeirichter in humanster Weise gehandhabt" werde. Dies­mal ist's merkwürdiger Weise umgekehrt: man liefert im Sommer nicht anders als durch den Ausfall eines ganzen oder halben habe, da Herr Perls, wie durch mehrere Zeugen zu erhärten sei, verhältnißmäßig weniger aus als im vergangenen Winter. Darf Tagelohnes zu kosten bekommen werde. dem Aufsatz hervorgeht, noch angeführt, daß lediglich die Be- gelegenheit der Obdachverwaltung gering erscheint? Um jedem Mißverständniß vorzubeugen, sei, was ja tlar aus man daraus schließen, daß diesmal auch im Sommer die Arbeits­merkung über den einen Kranz des demokratischen Arbeiter­vereins eine redaktionelle Glosse ist.

Speziell die, Norddeutsche Allgemeine" wußte nicht genug über unsere Frivolität zu zetern, als wir prophezeiten, daß das patriotische Unternehmerthum den heiligen Sedan   über das vaterlandslose Proletariat im Zeichen des bruches" siegen lassen werde, desselben Kontrattbruches", nur in tausendfach empfindlicherer Anwendung, den man regelmäßig zur Maifeier den Arbeitern vorwerfe.

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Kontratt

Nicht zu beneiden sind die weiblichen Bediensteten in den hiesigen öffentlichen Bedürfniß- Anstalten. Bekanntlich bilden diese Einrichtungen ein Privatunternehmen, das vertrags­Die Verbilligung des Gases ist bekanntlich seitens der mäßig auf lange Jahre hinaus die Billigung der städtischen Be­Stadtverwaltung nur in sehr geringem Maße erfolgt. Seit hörden gefunden hat. Zwei solcher Unternehmungen bestehen Jahren hat entgegen der fast stagnirenden Thätigkeit der städtischen nebeneinander, die viereckig gebauten Anstalten und die später Mit Stolz wies damals die Norddeutsche Allgemeine" diesen Verwaltung die Privatindustrie das Gas zu verbilligen, gleich erstandenen sogenannten Rotunden. Wenn auch der Mensch ein schnöden Verdächtigungen gegenüber auf die vielfachen Beschlüsse zeitig die Leuchtkraft zu erhöhen und die durch das Gas ver- Gewohnheitsthier ist, so wird doch niemand behaupten wollen, hin, welche nationalgesinnte Arbeitgeber" zu gunsten der am breitete Hize mit Erfolg zu vermindern gesucht. Diese Ziele daß der Dienst an sich in diesen Anstalten zu den Annehmlich­2. September feiernden Arbeiter gefaßt haben sollten! werden durch das sogenannte Gasglühlicht bis jetzt am besten feiten gehört. Zudem ist die Bezahlung der angestellten Frauen Und heute? Ueber vierzehn Tage sind seit dem großen erreicht. Das Gasglühlicht beruht auf dem Prinzip, daß durch elend und die Arbeitszeit zum theil unerhört lang. Tamtam verflossen und inzwischen hat die sozialdemokratische Benuhung der chemischen Bestandtheile des Gases und der Luft dauert theils 16 Stunden, theils 12 Stunden Presse Listen über Listen veröffentlicht, welche die schäbige ein mit einer chemischen Substanz imprägnirtes Gewebe( ein sog. hinter einander, letzteres da, wo die Anstalten Tag und Ungeseglichkeit, die dem deutschen Unternehinerthum Strumpf) zum glühen gebracht wird. Dieser erglühte Strumpf Nacht geöffnet sind, z. B. Unter den Linden  . Hierfür erhalten von uns im voraus nachgesagt wurde, zur Evidenz brennt heller, weicher und ruhiger als das offene Gaslicht. Es kann die Frauen einen Tagelohn von 1,40 m., gegen welchen sie bestätigten. ein Gasglühlicht- Apparat auf jedem Gasbrenner befestigt werden. andererseits aber die Kosten für Reinigung der Wäsche Ja, noch mehr. Die langen Verzeichnisse, welche wir über Eine Unmenge industrieller Gesellschaften sind zur Ausbeutung dieses selbst zu tragen haben, eine Leistung, die in dem Preis für Unternehmer brachten, die kraft ihrer wirthschaftlichen Uebermacht Prinzips entstanden. Selbstredend führen sie gegen einander ein Eintrittsbillet 1. Klasse mitberechnet ist, somit lediglich dem ungestraft das Gesetz, die Bestimmungen der Gewerbe- heftige Konkurrenz. Sie suchen die Kosten für Anbringung der Unternehmer zu gute kommt. Sie sind ferner gezwungen, sich im Ordnung verletzt und ihren Arbeitern für den ihnen als Gasglühlicht Apparate durch technische Erfindungen( z. B. Abortgebäude ihr Essen zu bereiten; sie müssen endlich so manche Feiertag aufgezwungenen St. Sedan feinen Lohn gezahlt billigere Herstellung der zur Imprägnirung des Gewebes er- Rohheit angetrunkener eleganter Rowdies über sich ergehen lassen, da haben, enthielten Namen, die auch wir in unserer Skeptik forderlichen chemischen Substanzen) zu verbilligen und die eine mehrmalige Beschwerde des Publikums mit Verlust der nicht im voraus als kontraktbrüchig" zu bezeichnen gewagt älteren Konkurrenten aus dem Felde zu schlagen. Dem Gas- Stellung ziemlich gleichbedeutend ist. Troß alledem sind sie froh, hätten. konsumenten kann dieser Kampf ebenso recht sein, wie der diese Stellung zu haben; sie wissen, daß unter den heutigen Der Sedantag hat gelehrt, daß gerade die mit öffent befannte um Herstellung eines billigeren Adreßbuches. Auffallend sozialen Zuständen Tausende an ihre Stelle treten, Hunderte es lichen Arbeiten betrauten Unternehmer am aller- ist aber, daß die städtische Beleuchtungsdirektion trotz des Halb- noch billiger machen würden. Dabei ist das Unternehmen nicht wenigsten daran gedacht haben, ihren Arbeitern gegenüber an- dunkels, das in vielen Straßen Berlins  , insbesondere in nur lebensfähig, sondern so ertragreich, daß die Bediensteten sehr ständig zu handeln und ihnen den schuldigen Lohn aus Arbeitervierteln, allabendlich herrscht, noch keins der Gasglühlicht wohl anständiger bezahlt werden könnten. In einer Beziehung zuzahlen. systeme für die Straßenbeleuchtung anzuwenden versucht hat. leidet unter diesen bedauerlichen Verhältnissen auch das Publikum. Es ist diese Vernachlässigung um so befremdender, als alle Gas- Die Bediensteten sind ganz naturgemäß auf Trinkgelder angewiesen glühlichtsysteme zweifelsohne mag man von den Systemen und auf weibliche Personen, welche die Anstalten aufsuchen, fällt welches immer heraussuchen die Helligkeit erhöhen und erheb- dies insbesondere zurück. iche Ersparnisse erzielen.

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Die Arbeiter an der Kaiser Wilhelm   Gedächtniß firche, an der Oberbaum brücke, am Postgebäude in der Mauerstraße, am 3ehn millionen- Dom, an den Kasernen auf dem Tempelhofer Felde 2c. mußten zum über­wiegenden Theil wider Willen und ohne Entschädigung den St. Sedan feiern, mußten sich von ihren Unternehmern eine un­Städtisches Obdach. Im Auguft wurden in der Ab­gefeßliche, fie schädigende Handlung gefallen lassen, die un- theilung für nächtlich Obdachlose gefühnt blieb. aufgenommen: der Polizei überwiesen: Männer Frauen zusammen Personen von je 1000 9 652 989 10 641 11 844 1108 12 952 13 419 899 14 318

Blätter vom Schlage der Norddeutschen Allgemeinen" haben diese Schändung des deutschen Namens" mit Stillschweigen. übergangen. Ja, das offiziöse Blatt muß seine frühere Entrüstung vollständig aus dem Gedächtniß verloren haben. Anders wäre es nicht denkbar, daß es in seiner Ausgabe vom Mittwoch Morgen sich ohne Scheu und Scham in folgender Notiz aufs neue entrüstet":

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Den Maurern bei den Kasernenbauten auf dem Tempelhofer Felde sind die ursprünglichen Forderungen 50 Pf. Stunden­lohn und Beschaffung einer zweckmäßigen Baubude- im Laufe des Montags bewilligt worden. Nun wurde sofort als neue Forderung ohnentschädigung für den Sedantag aufgestellt. Wohin ist die Scham der staatserhaltenden Presse geflohen? Die Mannen des Freisinns weichen tapfer, wie sie ein­mal sind, endgiltig" zurück. In Sachen der Kameel­Inschrift nämlich. Bürgerliche Blätter melden:

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Die Kameel- Inschrift in der Kaiser- Wilhelm- Gedächtnißkirche wird, wie nun endgiltig in der am Dienstag Abend erfolgten Besprechung der liberalen Fraktionen der Stadtverordneten- Ber­sammlung beschlossen wurde, entgegen den an dieselben aus der Mitte von Vereinen gelangten Wünschen nicht zur Erörterung im Plenum gelangen. Die Fraktionen haben sich dahin geeinigt, von der öffentlichen Behandlung der Angelegenheit Abstand

2223

1895 1894 1893

193

18

367

28

356

25

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Im Familien Obdach befanden sich: am 1. Auguft 1895 14 Familien mit 60 Pers. 1894 34 112 1893 68 239

am 1. September 17 Familien mit 67 Perf.

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47 80

168

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277

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und

7 Männer

Die Samoaner im Passage Panoptikum. Nach einer Reisedauer von genau drei Monaten sind vor einigen Tagen 41 Angehörige eines Völkerstammes vom anderen Ende der Welt" im Passage Panoptikum eingetroffen. Die Insel­gruppe Samoa  , die in neuerer Zeit durch eine Reihe kolonialer Berwickelungen auch in Deutschland   näher be­fannt geworden ist, hat 34 Frauen hierhergesandt, welche fortan in täglichen Vorstellungen dem Europäer   ein Bild von den Sitten und Gebräuchen ihrer Heimath vorführer wollen. Die Samoaner sind ein schöner, fräftiger Menschenschlag, der sich in vieler Beziehung vortheil­hast von den verschiedenen, bislang im Passage Panoptikum ausgestellt gewesenen Wilden" unterscheidet. Es ist ein mit Bei der Abnahme der Frequenz des Familien- eigenes Ding der Wild­dem vulgären Begriff Obdachs gegen die Vorjahre kommt für die Sommermonate heit, der von dem mit einer verschrobenen Zivilisation mehr Abweisungen u. f. w.) noch der Umstand in betracht, daß verwechselt wird. Aber selten trifft wohl die Bezeichnung, Wilde" außer der veränderten Verwaltungspraxis( größere Strenge, beglückten Kulturmenschen nur zu oft mit freier Naturwüchsigkeit in den Vorjahren, besonders 1893, eine größere Bahl mittelloser weniger auf erotische Völker zu, als auf die Gäste, die sich am russischer Auswanderer das Obdach gerade im Sommer in An- Dienstag Abend einem geladenen Publikum vorstellten. Die spruch nahm. Samoaner, die der polynesischen   Raffe angehören, sind von hell­brauner Hautfarbe und körperlich außerordentlich kräftig ent­wickelt. Namentlich die Männer müssen wahre Idealgestalten für einen Bildhauer abgeben; zu einem edlen, scharf ausgeprägten Gesichtsprofil gesellt sich eine fräftige Muskulatur des ebenmäßig entwickelten Körpers. Auch unter den Frauen, die sich vielfach durch üppigen Haarwuchs auszeichnen, find manche, die auch nach europäischen   Begriffen schön zu nennen sind. Aber auch in ihren Gebräuchen und Künsten erheben die Samoaner sich z. B. weit über afrikanische Völkerrassen; die Bastgewebe, Körbe und

Bei den nächtlich Obdachlosen fällt auf, daß in diesem Jahre in den Sommermonaten verhältnißmäßig weniger Personen wegen zu häufigen Kommens der Polizei ausgeliefert werden als in früheren Jahren. Von je 1000 Personen wurden ausgeliefert: 1893 1892 1891

1890 31

1895

1894

Juni

21

27

32

31

32

Juli

21

29

25

34

38

August 18

28

25

35

36

35 31

32222

222

glücklich!"? Wer so lieben kann, wie die proletarische Marie mit Weberelend und Massenarmuth zu besagen? da geht im Kunst und Wissenschaft. Seele und Blut und Sinnen, der muß auch hassen fönnen bis Schiller- Theater ein Stück in Szene, das eine einzige Verhöhnung zur Unerbittlichkeit und der wird nicht mit schmerzhaft zuckenden dieser Grundlage der göttlichen Weltordnung ist! Eine Deutsches Theater. Das Ersilingswert eines blutjungen Lippen und mit madonnenhaftem Augenaufschlag auf ein Natur Königin, die nichts weiter ist, als eine gelangweilte, nervöse, Autors, das an einem schönen Maientage dieses Jahres vom Verein recht, das sich am heißesten bei den Lebewesen der Erde offen- alberne, verliebte Gans! Und ein Publikum, das vor Vergnügen " Freie Bühne aus der Taufe gehoben worden war, das Drama bart, verzichten wollen, auf das Anrecht des Weibes, das sich aufjauchzt, wenn diese Königin Verlegenheitsphrasen stammelt Die Mütter" von Georg Hirschfeld  , wurde im Deutschen   Mutter fühlt, an den Gatten! Marie Weil aber ist so wider von Staatswohl, hoher Politik, königlicher Würde, um dahinter Theater am Dienstag zum ersten Male öffentlich auf alle Natur heilig, daß sie ihrem Geliebten sogar verschweigt, sie ihre öde Unwissenheit, ihre gewissenlose Gleichgiltigkeit, ihre geführt. Das Publikum der Premièren ist mit dem der Freien fühle sich Mutter. lüsterne Verliebtheit zu verstecken! Weiter eine Hofdame, Bühne im Wesen verwandt. Es nahm das elegisch empfundene Nicht in der Macht seiner Bewunderer, nicht im Ermessen welche diese alberne Königin wie eine Puppe lenkt, um sich Vor­Schauspiel, in dem die kleinen Leiden eines schönheitsdurstigen seiner Berather liegt es, ob Hirschfeld sich von allzu schöngeistiger theile und ihrem Günstling eine wohldotirte Hauptmannsstelle in Jünglings wehleidig und rührsam zur Tragödie geformt werden, und überzärtlicher Lebensbetrachtung loslösen und zu herberer der königl. Garde zu sichern! Und gar der Gemahl dieser Hof mit warmer, herzlicher Theilnahme auf. Ueber Form und Kraft und herberem Ernst reifen werde. Es ließe sich ein lehr- dame, ein General, der zum Kriege drängt, blos weil er aus Ideengehalt des Dramas selbst ist an dieser Stelle reiches Kapitel über das Geschlecht jener Kritiker und literarischer den Kriegsgeldern sich die Tasche füllen will. Und all'i bereits eingehend berichtet worden; und der zuversicht Sterngucker schreiben, die wie allmögende Souveräne Orden aus- intriguirt gegen einen entlassenen Minister, der seinem lichen Behauptung einer Schaar von Enthusiasten, die theilen und Titel und Fleißzettel und Ruthenstreiche, ohne Groll in Zeitungsartikeln und Parlamentsreden Luft macht, in Georg Hirschfeld   ein neues, großes Genie er sich der Mühe zu unterziehen, die einzig fruchtbringend einen Minister, der verschuldet ist wie Hammerstein blicken, wurden hier ohne Haß und Vorurtheil Fragen und fein fann: Mit selbständigem Geiste bei gereifter Erfahrung und ganz wie dieser Politit und Königstreue in Zweifel entgegengestellt, die auch durch die wiederholte Auf- den Geist des Kunstwerkes zu erfassen und die Quellen zu baares Geld zu münzen sucht. Man dente: solch ein Stück in führung nicht behoben wurden. untersuchen, aus denen es in der Welt und den Zeitverhältnissen, die uns umgeben, emporgeschossen ist. Jede Seite dieses Kapitels wäre angefüllt mit Blamagen einer Kritik, die sich souverän ge­berdet und in ihrem Hochmuth zu nichts nüße ist.

das

unserer Zeit der Stöcker und Hammerstein- Briefe, in einer Zeit, da alle gutgesinnten Blätter erfüllt sind von Klatsch­nachrichten über Hofkabalen und Hintreppenpolitit, ab und zu wird sogar das Gespenst einer Camarilla an die Wand gemalt. Der Leser begreift wohl mein Erstaunen darüber, daß solch ein Stück mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß gespielt werden fonnte. Ja in einer Loge lächelte sogar ein Polizeilieutenant!

Ein empfindsames, lyrisch- gestimmtes Talent, so erscheint der junge Autor, das ist gewiß. Aber wie viele solcher Talente tauchen auf, und wie wenigen bleibt es gegönnt, sich zu ent­wickeln! Ihnen bleibt keine Muße, Thränen über sich selber zu ver- Ueber Hirschfeld's Schauspiel mögen die Stimmen der Be­gießen, wie dem Jüngling in Hirschfeld's Schauspiel, den seine Familie urtheiler auseinandergehen. Die Darstellung des tragisch an­verstieß, weil er wider den Willen des harten Vaters vom gehauchten Familienidylls am Deutschen   Theater fand allgemeine Künstlerloos schwärmte und dem Kaufmannspult entfloh. Sie Anerkennung. Noch inniger griffen die schauspielerischen Kräfte und gerade im Schiller Theater, das doch gegründet dürfen nicht in Weichmuth zerfließen, sie müssen männlich oder, in einander, als auf der Freien Bühne. Herr Rittner( Robert), wurde gegen die sozialdemokratische Freie Voltsbühne, wenn man will, männisch, zu rauhem Leben sich bekehren; und Fräulein Lehmann( Marie), Frau Schmittlein, Herr als gut bürgerliches, als patriotisches Volks- Theater! Mit Hilfe manch einer kommt endlich zur fraftvollen Bauernweisheit von Müller und die übrigen alle, sie erreichten, was schauspielerisch der Polizei, welche die Freie Voltsbühne mit dem Zensurstift Robert Burns. Als dieser englische Lyriker einst von einem am werthvollsten ist: Man weiß nicht, wem von ihnen man den einfach todtschlug, ist das Schiller- Theater Sieger geblieben! Freunde bestürmt worden war, über dem Landleben und seiner Vorzug einräumen sollte, eine echtere Studie nach dem Leben ge- Und jetzt zum Dank dafür in heutiger Zeit solch ein Stück! Mühsal nicht die Muse zu vergessen, da antwortete Burns in schaffen zu haben. Ueber das Spiel ist nicht viel zu sagen; der Franzose einer echten Dichter- Epistel, die in den Worten endete: Sein Scribe   hat sich Hofdame, Minister, Königin und vielleicht auch Weib, sein Kind beglückt zu seh'n- Ist auch poetisch, rührend Das Schiller- Theater brachte am Dienstag ein altes Erb- den Gardelieutenant wahrscheinlich auf höherer Stufe gedacht. schön Im Menschenleben!" stück aus früheren Tagen zur Aufführung, Scribe's" Das Eine Herzogin von Marlborough ist schließlich doch keine Auf ein Uebermaß von Echöngeisterei, begreiflich bei so Glas Wasser  ", ein Stück, an dem sich unsere naiven Groß- geärgerte Berliner   Hoflieferantin! Und ein intriguirender jungem Poeten wie Hirschfeld, wird die tragisch gemeinte Wirrniß eltern mehr erluftigt haben als wir Modernen, die statt Diplomat alten Schlages, wie Scribe   in Bolingbroke   gezeichnet in den Müttern" ebenfalls zurückzuführen sein. Ein Proletarier- fprechender und stelzender Kleiderstöcke auf der Bühne handelnde und Friedrich Haase   ihn gespielt hat. soll wohl auch kein find, die Arbeiterin Marie Weil, nimmt sich des verstoßenen Menschen sehen wollen. Aber man mag am Stück aussehen, gewöhnlicher Spaßmacher à la Figaro sein. Ob sich Komponisten Robert Frey mit unsäglich gütiger Liebe an. Mit was man will, all' unsere so überlaut trommelnden und so laut Königin und Herzogin in diesen Gardelieutenant verliebt übermenschlicher Kraft fast weiß sie von dem verwöhnten Manne auspofaunten Jüngsten" können aus diesem alten Inventarstück hätten, der wie ein Tertianer deklamirte? Ich glaube, daß abzuwehren, was ihn etwa bedrücken, was belästigen könnte. lernen, was ihnen allesammt fehlt: Wie man's macht. sogar zur Zeit der Königin Anna das preußische Hofjunkerthum Und solch Weib sollte die lächerlich geringe Kluft nicht über- und darin liegt auch die Erklärung, warum das harmlose Stück nicht so plump war, als im Schiller- Theater der englische   Hoch­brücken können, durch die sie angeblich in äußeren und meinet- heute noch gefallen kann. adel und gar der französische   Gesandte dargestellt wurden. Davon wegen auch innerlichen Lebensformen von der garter organisirten Jst denn aber das Stück heute wirklich noch harmlos? Wenn abgesehen war das Spiel eine platte Durchschnittsleistung, die Familie Robert's getrennt wird? Und wer um einen Menschen ich Polizeipräsident von Berlin   wäre, ich hätte das Stück reichen Beifall fand, von dem aber- und das ist das Bedenkliche gerungen hat, wie Marie Weil um ihren Robert, soll der in über- verboten! Das ist ja viel gefährlicher als die Weber". für die Freunde der göttlichen Weltordnung ein gut Theil zärtlicher Ertase den Geliebten freigeben, weil ein blasses, blut- Heute, wo es für alle Staatsbeamten, alle Par auch dem Stücke galt diesem gefährlichen Stücke! Und das armes Geschöpfchen, die Schwester des Bräutigams mit feiner feien, alle Patrioten erste Aufgabe ist: das Institut Publikum war, wie sich das im Schiller Theater von selbst ver­Deklamation betont:" Du machst mein liebes Brüderchen under Monarchie zu stützen und was hat dieser Aufgabe gegenüber steht gut bürgerlich!

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