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Nr. 164+44. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts Donnerstag, 7. April 1927

Wirtschaftsbilanz des Faschismus.

Ein vernichtendes Urteil.

Unter dem Pseudonym Observer" unterzieht ein hervor­ragender italienischer Nationalökonom in der in Paris   erscheinenden italienischen Tageszeitung JI Dovere" die Wirtschaftslage Staliens einer gründlichen Untersuchung. Mussolini   läßt durch feine Werbeagenten im Auslande großes Aufhebens machen von den Erfolgen des wirtschaftlichen Wiederaufbaues", der der faschistischen Diftatur zu verdanten sei. Observer" hat in Italien   selbst reiches Belegmaterial gesammelt, das nur Sachverständigen zur Verfügung steht, und ist für die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialverhältnisse zu felgenden Schlüffen gekommen:

worden sei mejezt. Die Internationale Handelskammer   hat mehrfach das Dumping als eines der allgemeinſten und gefährlichsten Handelshemmnisse bezeichnet. Professor Biner hat in einer vom Bölkerbund veröffentlichten Schrift fünf Ursachen für die Feststellung des Dumpingbegriffs aufgezeigt: einen vorhandenen Produktionsüberschuß um jeden Preis Ios zuwerden, die Erschließung fremder Absag möglichkeiten, die Erwartung starter Roftenfenfungen durch stoßweise Ausdehnung des Ab­Die Spareinlagen zeigen eine ständig[ intende Ten- jazes, einen die Einfuhr sperrenden Zoll überspringen zu den z. Diejenigen, die bisher hatten sparen fönnen, sehen sich ge- können und endlich auf fremden Märkten durch das künstliche Mittel zwungen, ihre Einlagen von den Kassen abzuheben, um überhaupt Dumpings einen Wettbewerber zu verdrängen. leben zu können. Sehr beredt sind in dieser Hinsicht die von den Es ist immerhin möglich, daß die Weltwirtschaftskonferenz zu Direktionen der Post, des Staatsschatzes und der verschiedenen Vorschlägen kommen wird, durch internationale Verein­Banken veröffentlichten Listen. Ueberdies verschwinden die Rück= lagen der Auswanderer, die früher den berühmten Gold- barungen das Dumping einzuschränken oder zu beseitigen. Die fluß" bildeten, immer mehr; das wird von der Generaldirektion der von manchen Seiten in Deutschland   versuchte Begründung für die Banco di Napoli  " zugegeben. geforderten gefeßlichen Dumpingmaßnahmen Deutschlands   aber mutet wie eine Tollheit an. Danach soll Deutschland   sein Antidumpinggesez und seine besonderen Zollaufschläge schaffen, um für den Fall internationaler Vereinbarungen ein Handels­objekt zu haben, mie die Industrie- und Handelszeitung" meint. Eine derartige Auffassung ist der Gipfelpunkt der Borniertheit. Hoffentlich wird sich auch die Regierung des Rechtsblods der Unsinnigkeit solcher Forderungen und Begründun­gen nicht verschließen.

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Zwei wirtschaftliche Erscheinungen zeigen aufsteigende Entwick­lung. Es sind die Pfänder in den Leihhäusern, die im Jahre 1921 einen Wert von 112 Millionen repräsentierten, heute aber auf 340 Millionen Lire gestiegen sind. Weiterhin die Ban erotte, deren Zahl von 7200 im Jahre 1925 auf fast 8000 im Jahre 1926 zugenommen hat.

Die Lage an den Börsen in Italien   zeigt Ratastrophen Stimmung, ständige Rettungsversuche und große Unsicherheit. Das Geld kommt nicht in Umlauf, und wenn doch, so ist es teuer. Der staatliche Distont ist der höchste unter den großen europäischen  Ländern.

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Bor dem Kriege wurde der größte Teil der italienischen Auswanderung von Amerita aufgesogen. Nach dem Kriege, als Amerita feine Häfen für die italienische Einwanderung sperrte, hat Frankreich   außer 60 Proz. der gesamten italienischen Aus­wanderung noch 85 Proz. der europäischen   aufgenommen. Musso­ lini   jedoch seit seine Bolitik gegen Frankreich   fort, das Land also, das fast anderthalb Millionen Italienern Brot und Arbeit gibt. Die italienische Handelsbilanz hat nach amtlichen Bugeständnissen am 31. Dezember 1926 mit einem Defizit von 7 Milliarden 200 millionen 626 000 2ire abge- Die Wirts haftsfachverständigen sind sich darüber einig, daß die fchloffen. Frankreich  , das von der faschistischen Presse als dicht vor Löhne in Italien   vor dem Kriege zur Befriedi dem Bankerott stehend dargestellt wird, da es nicht von einer Dif- gung der elementarsten Lebensbedürfnisse taum tatur beherrscht wird, hat am 31. Dezember in seiner Handelsbilanz ausreichten. Im vierten Jahre des faschistischen Regimes sind ein Attivum von mehreren Dugend Millionen buchen tönnen. die Reallöhne niedriger als vor dem Kriege. Die Nach den Statistiken der Handelskammer von Mailand  , des Statistiken zeigen, daß der italienische Durchschnittslohn statistischen Bureaus der italienischen Städte, den von Professor im Jahre 1926 faum 87 Proz vom Friedenslohn betrug; Bugliere errechneten Einkommensverhältnissen der Arbeiter für eine Anzahl Bezirke in Mittel- und Süditalien   sind die Löhne auf und Angestellten und den Inderziffern des Professors Bachi 70 bis 60 Proz. der Borkriegslöhne zurückgegangen. war das Jahr 1926 durch eine neue Preissteigerung ge- Die Untersuchung, die mit einer Gesamtübersicht über den fennzeichnet. Seit Juli 1926 bis heute ist die Zahl der Arbeits Staatshaushalt schließt, weist darauf hin, daß die staatlichen Ipfen von Monat zu Monat gestiegen. Aus 79 000 Erwerbs­Einnahmen zum überwiegenden Teil aus Verbrauchs= lofen find mittlerweile 300 000 geworden. Alle Arbeiter, die beschäffte u ern fließen, das heißt also von den Massen aufge. tigt sind, müssen den Arbeitslosenbeitrag leisten; sie erhalten jedoch, bracht, die Ausgaben dagegen zum größten Teil für die selbst bei den kleinsten Beiträgen, nur einen geringen Bruchteil aus gezahlt, wenn sie erwerbslos geworden sind. Diese Angaben Armee, die faschistische Miliz, den Nachrichtendienst und das Agentenwesen im Auslande aufgebraucht werden. ftammen von der Nationalfaffe der Sozialversicherungen.

Eigene Bergwerke der Kommunen. Frankfurt   und Köln   sichern sich eine eigene Kohlen­basis.

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Wie von verschiedenen Seiten gemeldet wird, sind bisher unauf. geschlossene beträchtliche linksrheinische Steinfohlengebiete- man spricht von 26 Millionen Quadratmetern unverrigten Feldern den Rheinischen Stahlwerfen in den Besiz eines Kon­fortiums übergegangen, hinter dem in der Hauptsache die Stadt Köln   und über die Frankfurter   Gasgesellschaft auch die Stadt Frankfurt   und das Rheinisch- Westfälische Elektrizitätswerk stehen. Weiterhin sollen Kauf- und Beteiligungsabsichten von Düsseldorf  , Karlsruhe  , Mannheim   und anderen süd­beutschen Städten bestehen. Nach Pressemeldungen handelt es sich um ein Objekt bis zu 100 Millionen Mark, wobei die Rheinischen Stahlwerte einen Budhgewinn von rund 14 millionen erzielen follen. Diese Ziffern sind unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte es sich für die ersten abgeschlossenen Käufe um ein Objekt von faum mehr als 20 Millionen handeln.

Es soll sich um sehr wertvolle und sehr fohlenreiche Borkommen handeln; das Kohlenvorkommen wird auf 25 millionen Zonnen Gasfohle und rund 300 millionen Fett tohle berechnet, wobei die Fettfohlenschicht bereits in einer Tiefe von 400 Metern erreicht werden soll. Der 3 wed der Käufe liegt auf der Hand: es handelt sich um die Sicherung einer eigenen Rohlenbasis für die Straft- und Gaserzeugungswerte der betreffenden Städte, wobei zu beachten ist, daß die Stadt Frankfurt   in den letzten Monaten auch auf dem Gebiet der Kohleverwertung besondere An­lagen errichtet, bzw. die alten Anlagen erweitert hat. Inwieweit die Sicherung der eigenen Rohlenbafis auch Gasfernver forgungsplänen der Städte dienen sollen, steht noch dahin. Doch liegt der Gedanke um so näher, als die letzte Kampagne der Ruhrzechen, die gesamte deutsche Gasversorgung in ihre Hände zu bekommen, den Städten eine Gefahr aufgezeigt hat, die sie

beachten werden.

Dem Vorgehen der beiden Städte tommt eine große polfs= wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Selbstversorgung zielt auf die Unabhängigkeit vomrheinisch- westfälischen Rohlensynbitat ab, das in der deutschen   Kohlenversorgung eine Monopolstellung hat. Die Städte machen sich von dem Preis­biftat der deutschen   Zechenbefizer unabhängig und leisten vor allem zukünftigen Möglichkeiten, die Gas- und Krafterzeugung zu perbilligen, start Borschub. Jedenfalls ist der frische 3ug zu begrüßen, der die Initiative der Städte jetzt erfüllt. In der

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Lat   ist der Schuß, der der Masse der Verbraucher gegenüber Kartellen und Monopolen durch Eigenversorgung gewährleistet werden tann, bei den Städten in besseren Händen als selbst bei den Institutionen der gesehlichen Rohlenwirt fchaft, die von politischen Konstellationen feineswegs unabhängig find, wie die letzten Monate deutlich bewiesen haben.

Amerika   auf dem Wege zur Kartellierung?

Lebhafte Diskussion über das Dumping.

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Melbung, die die Tendenzen der wirtschaftlichen Ent. Aus den Bereinigten Staaten von Nordamerika   fommt eine widlung Amerikas   und des Welthandels deutlich zu beleuchten geeignet sind. Bon dem New Yorker. Journal of Commerce" wird bei einer Betrachtung der neuen Organisationsverhältnisse in der europäischen   Eifen und Stahlindustrie( Europäische   Rohstahlgemein­schaft) die Forderung aufgestellt, daß auch die amerikanische  Stahlindustrie Maßnahmen für die Sicherung einer stabileren Preis und Berkaufspolitik treffen müsse. Die gegenseitigen Unterbietungen der amerikanischen   Stahlwerke hätten ihnen außerordentliche Berluste gebracht. Eine Aenderung sei nur durch Kartellie rung zu erreichen, die in Amerita noch verboten sei. Charles M. Schwab  , der Leiter der Bethlehem Steel- Corporation  , hat fürzlich auf das Lebhafteste bedauert, daß die fartellfeindliche Gesetzgebung Ameritas die Bildung eines Stahlfartells nach europäischem Muster

Derhindere.

Sie erhalten aber besondere Bedeutung im gegenwärtigen Augen­Derartige Wünsche der amerikanischen   Industrie sind nicht neu. blid, wo die Ueberleistungsfähigkeit der Industrien und die un genügende Aufnahmefähigkeit der Märkte zu den schwersten Kämpfen auf dem freien Weltmarkt geführt haben. Die amerikanische   Bo­sition in diesem Kampfe zu verbessern, und zwar gerade gegenüber der europäischen   Rohstahlgemeinschaft, die auf Kosten des Inlands den Hauptkampf auf den freien Weltmärkten führt, ist offenbar das größere Aussichten als jemals, und es gehört nicht viel Voraussicht Ziel dieser amerikanischen   Forderung. Zweifellos hat sie heute für die Erwartung, daß auch die Bereinigten Staaten turz über lang die stärkere Ausbeutung ihres Inlandsmarktes der Expansion auf den Weltmärkten dienstbar machen werden.

Angesichts diefer Lage erhält die lebhafte Diskussion über das Dumping, die auch auf der Weltwirtschaftskonferenz fortgeführt werden wird, und die in Deutschland   am 29. März zu einem An­trag der Regierungsparteien geführt hat, durch ein Gefeß Dumpingeinfuhren mit 3ollzuschlägen zu belegen, besondere Bedeutung. Professor Jakob Biner von der Universität Chitago hat festgestellt, daß niemals auf den internatio­nalen Märkten derart start Dumping getrieben

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Weitere Besserung des Arbeitsmarktes im April.

Die vermehrte Anforderung von Arbeitskräften für die Land­wirtschaft und die Zunahme des Beschäftigungsgrades, namentlich im Baugewerbe, feßen sich auch zu Anfang April nach den Berichten der Landesarbeitsämter fort, um so mehr, da gleichzeitig auch eine Besserung in den verschiedenen 3weigen der Metall- und Textilindustrie zu beobachten war, die über­wiegend in dem erhöhten Bedarf an Facharbeitern in Erscheinung tritt. Zu der Verminderung hat auch das Bekleidungsge werbe beigetragen, das infolge der günstigen Frühjahrssaison gewerbe machen sich Anzeichen einer Belebung bemerkbar, hier wie laufend gelernte Kräfte einstellt. Auch im Holz- und Schnißftoff­Inangriffnahme der Bautätigkeit auswirken. in der Industrie der Steine und Erden dürfte sich vor allem die

Auch die Adca erhöht ihre Dividende. Die Allgemeine deutsche Creditanstalt in Leipzig   wird vielfach zu den Großbanten gerechnet, da sie die größte Privatbant der Proving ift. Aus ihrer Bilanz, die nicht ganz dem allgemeinen Bild der Groß­bantabschlüsse entspricht, ist interessant, daß die Börsenvorschüsse der pelt sind, daß dagegen die Wechselbestände im Verhältnis be­Abca mit 12,6 gegen 6,2 Millionen nicht mehr als verdop beutend stärker erhöht find als die der Berliner   Großbanten, nämlich von 44 auf 64,9 millionen, also um fast 50 Prozent. Die Banfeinlagen und fremden Guthaben auf Kontoforrent sind gegen das Vorjahr von 175,82 auf 221,85 Millionen gestiegen. In die Ge­winnrechnung wurde dennoch der ziemlich große Betrag von 1,98 Millionen( im Vorjahre 0,33) aus dem Wertpapiergeschäft ein­gesetzt. Die Zahl der Angestellten hat sich bei einer Umfagsteigerung von 13,82 auf 15,88 Milliarden um 462 auf 2754 verringert 10 Brozent erhöht. Der Geschäftsbericht der Adca Die Dividende auf das 26- Millionen- Kapital wird von 8 auf macht die bemerkenswerte Mitteilung, daß im Jahre 1926 der Höhe nach die Umfäge von 1913 zwar erreicht sind, daß aber die Stüdzahl der Einlieferungen im Jahre 1926 die Vortriegs. ftüdzahlen um mehr als das Bierfache übertrifft. Er leiftet fich aber auch folgenden Saz: Wenn der Staat( 1) der pri­vorschreibt, so darf man sich andererseits an den betreffenden Daten Wirtschaft die Höhe der Gehälter und Löhne Stellen auch nicht darüber wundern, wenn unter dem Gesetz der harten Notwendigkeit die private Wirtschaft darauf ange­miesen ist, neben dem Bestreben, auf anderen Gebieten an Unkosten zu sparen, auch auf eine entsprechende Steige rung ihrer Einnahmen bedacht zu sein. Daß die Adca den Staat die Gehälter und Löhne vorschreiben läßt, iſt eine törichte Meinung, die weiter nicht tragisch zu nehmen ist. Daß sie mit dieser ihrer Meinung aber offensichtlich Kreditverteue rungen für die Wirtschaft glaubt rechtfertigen zu dürfen, einer solchen Haltung nicht das allermindeste Recht mehr, verlangt eine Antwort. Die privaten Banten haben nämlich bei zu beschweren. Die öffentlichen Banken bezahlen ihre Angestellten sich über die Konkurrenz öffentlicher Banken jemals wieder nämlich besser als die Brivatbanken, und wenn sie diesen Kon­furrenz machen, dann geschieht es im öffentlichen Interesse, denn sie arbeiten trotzdem billiger als die Privatbanken. Diese schaffen nämlich selbst die Gelegenheit für die stärkere nach dem Bericht der Adca, daß das von den Privatbanken auch Betätigung der öffentlichen Banten. Nur ist es gut zu wissen, bewußt geschieht.

Preiserhöhungen und fein Ende. Kaum, daß die Eisenindustrie ihre Preiserhöhungen angekündigt hat, will auch die Kunst. seiden industrie, die immer stärker dem Massenverbrauch dient, ihre Inlandspreise erhöhen. Es handelt sich auch hier nur um die profitliche Ausnüßung der Konjunktur, denn der Kunst­feidenindustrie geht es glänzend. Der Zeitpunkt für die Preis­erhöhungen steht noch nicht feft; jedenfalls wächst der Kreis der Industriellen, die planmäßig die ersten Anfänge der ansteigenden Konjunktur zu erbroffeln bemüht sind.

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