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Donnerstag

7. April 1927

Unterhaltung und Wissen

Wie seltsam..

Bon Hans Frand*).

Wie seltsam das Schicksal oftmals doch den Menschen durch feinen Tag hin führt! Eifervolle, finnfichere Mühe vom Morgen bis zum Mittag, vom Mittag bis zum Abend achtet es für nichts. Lässiges, sinnvolles Handausstrecken ins Leere, nachdem alle Hoffnung längst geschwunden, lohnt es nicht nur mit dem vergeblich Begehrten, sondern häuft mehr, unendlich viel mehr über den Berwirrten, als fein Herz jemals zu erbitten wagte.

Machte sich da an einem mürrischen Märzmorgen ein fünfund­dreißigjähriger ausgemergelter Mann aus feiner Hinterwohnung in der Hamburger Brandstwiete auf, um Arbeit zu suchen. Den ganzen grauen Großstadtwinter lang war er ohne Beschäftigung gewesen. Nun aber ging es so nicht mehr weiter! Nicht einen einzigen Tag! Die Frau seit acht Wochen schon frank. Weil sie um der drei Kinder willen und um seinetwillen verstohlen gehungert hatte. Jetzt lag außer dem ältesten Mädchen, das sich vor sechs Tagen der Krankheit ergeben hatte, auch das kleinste. Nur der Junge patschelte mie lange noch? in der falten, flebrigen Wohnung umher. Er mußte Arbeit finden! Arbeit! Heute noch. Arbeit! Um jeden Preis, den man ihm dafür bot. Arbeit! Arbeit!

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Und der ausgemergelte Mann lief treppanf- treppab, straßein straßaus hinter einem Phantom her, das Arbeit hieß. Er war feines Zeichens Tischler. In einem Hannoverschen Städtchen hatte er sein Handwerk vier Jahre bei einem geschickten Meister gelernt und verstand es von Grund auf mie nur Einer Derer, die sich Tischler nannten. Aber davon sollte nicht mehr die Rede sein. Nicht von der Hoffnung auf höheren Berdienst, die ihn in die Großstadt Iocte. Nicht von ihrer anfänglichen Erfüllung. Nicht von der späteren Enttäuschung. Arbeit! Gleichviel melcher Art. Fegen, fchleppen, flopfen, schieben, Wache stehen, Unrat zusammenflauben, mit den Händen, wenn's sein mußte, bei Tag oder Nacht, einerlei! Arbeit! Nur: Arbeit!

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völlig

Aber schneller als der einstige Tischler lief das Nein treppauf treppab, straßein straßaus. Wo immer er mit der Bitte um

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Arbeit schellte es war schon da. Sprang ihn bissig, hämisch an. Machte sich nicht die Mühe, auf ihn loszufahren, sondern sletschte nur lautlos die zadigen Zähne.

Hin und wieder wollten sich erbarmende Hände auftun, einen Groschen, ein paar Pfennige, ein Stüd Brot in seine Hände, seine Müze legen. Der Berbitterte riß sie, ehe es geschehen konnte, jedes­mal zurück und polterte die Treppe hinunter. Bom Mitleid noch mehr gehetzt als von der Hartherzigkeit. Er wollte fein Almosen. Wollte Arbeit! Ehrliche Arbeit! Nichts als Arbeit! Betteln? Lieber Frau und Kinder mit eigenen Händen hinmachen und in die Elbe springen!

Gegen Mittag ging der Arbeitsuchende auf den Gänsemarkt und reihte sich in die Schar der Unzähligen ein, die gleich ihm mit jedem Aus- und Cinatmen dachten, flehten, unhörbar vor sich hinfagten: Ar- beit! Ar- beit! Als einer der Ersten empfing er aus den fugel, runden knallroten Händen des uniformgeputzten würdestrogenden

Beilage des Vorwärts

Tropiduruseidechsen von den Galápagosinseln die Unterschiede in der

Stresemann und das Konkordat. Zeichnung derart groß find, daß man noch gelinde Zweifel hegt,

Summ!

wenn man es genau weiß und die Paarung selbst gesehen hat.

Das berühmteste Beispiel der elternlosen Kinder ist unser ge­möhnlicher Aof, deffen glasartig durchfichtige Jungen als Bürmer registriert wurden und den schönen lateinischen Namen Leptocephalus brevirostris erhielten.

Einen ganz anderen Wiz gibt es vom Tintenfisch Argonauta. Bei diesem Weichtier( denn der Tintenfisch ist beileibe fein Fisch) fonzentriert sich nämlich der gesamte väterliche Segen auf einen Arm, der abreißt und selbständig die holde aufsucht. Der Forscher, der das zum ersten Male sah, erzählte feinem Fachkollegen, das arme Tier werde von einem Schmaroherwurm Hectocotylus gequält. Aehnlich wars bei manchen Tiefseefischen, deren Männchen auf Duobezformat zusammengeschrumpft sind und am Bauche des Weibchens anwachsen. Auch sie wurden furze Zeit als Schmaroger­tiere bezeichnet.

Der Knalleffekt der Sache ist aber zweifellos der Zweifel mancher braner Forscher, ob man bei einem Quallentier die Jungen oder ganz entlegene Borfahren vor sich habe. Als Vorfahr aller höheren Tiere nimmt man das sogenannte Hautmagentier( Gastrula) an. Diese Gastrula muß ausgesehen haben wie eine runde Flasche mit doppelter Wand, also mit nur zwei Zellschichten, deren äußere die Funktionen der Außenhaut und deren innere die des Magens über­nahm. Nun ist das Gastrulatier selbst ausgestorben, und nur die Keimlinge der höheren Tiere machen es während ihrer Entwicklung noch einmal einen furzen Augenblick nach.

Der Tatbestand war nun der, daß man im Innern einer Qualle fleine Bläschen auffand, die eine lebende Gastrula repräsentierten. Hier war zweierlei möglich: entweder lebte die Gastrula doch noch und schmarogte in der Qualle, oder es waren einfach die Jungen, die das Gastrulastadium noch einmal sehr genau und sehr gründlich durchmachten. Die Bläschen erhielten zunächst mal einen Namen ( Pemmatodiscus), und dann hub der Zwift an. Schließlich waren es dann doch nur die Jungen und nicht die Borväter.

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Ich hoffe aber, daß die sonderbaren Fabelwesen, mit denen wir angefangen haben, nicht doch existieren und Menschen einfangen, sonst hätten sie ähnlichen 3ant um vorerst Unbegreifliches, und unnüßer Streit sollte doch stets vermieden werden.

Gibt es chemische Geschlechtsunterschiede?

Vor einiger Zeit gaben Manoiloff und Bernahti verschiedene chemische Verfahren bekannt, mit deren Hilfe es möglich sein soll, aus dem Blut eines Menschen oder eines Tieres, ja auch aus dem Saft einer Pflanze das Geschlecht sicher festzustellen. Die zu unter­suchende Körperflüssigkeit wird mit verschiedenen Reagentien ver­fest. Tritt zuletzt eine Entfärbung des Gemisches ein, so stammt das Blut usw. von einem Männchen, bleibt die Farbe aber be stehen, so stammt es von einem Weibchen. Nach der Bernazki­Methode ergeben weibliche Ertratte eine blaurote Färbung, männ liche dagegen eine gelbrote. Beide Forscher nahmen an, daß sich die Geschlechter durch bestimmte, noch unbekannte Stoffe chemisch voneinander unterscheiden, und da diese Stoffe, vielleicht Hormone, in allen Geweben vorhanden sein sollen, müssen sich die Geschlechts­unterschiede durch chemische Reaktionen nachweisen lassen, die mit Gemebe- Ertratten, Körperfiilffigfeiten usto. vorgenommen werden. Mit den genannten Berfahren hat man nun tatsächlich einen großen Brozentjak positiver Ergebnisse erzielt, aber es bestehen noch so fahren notwendig war.

Portiers den Stellenanzeiger". Ein Blick auf gut Glüd irgend Hat man denn im Ernst geglaubt, ich würde die Gleich, piele Mängel und Ungenauigkeiten, daß eine Nachprüfung der Ber­

mohin. Schon lief der ausgemergelte Mann davon, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war. Und fam doch zu spät. Einer, der den Stellenanzeiger" erst geraume Weile nach ihm empfangen hatte,

gewichtslage stören?"

Diese Prüfung, die von E. Schrag im Kaiser Wilhelm- Institut für Biologie vorgenommen wurde, und über die soeben berichtet wird, hat ergeben, daß der angenommene chemische Geschlechtsunter­schied nicht besteht! Bei den Kontrolluntersuchungen zeigte sich, daß

aber ein Fahrrad besaß, war früher dagewesen. Besetzt! Ein weiter, Männer ohne Frauen- Kinder ohne Eltern Konzentration des Ertraktes und feine Menge eine große Rolle

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drifter, ein zehnter, zwanzigster Blid in den Zeitungswisch, dessen Buchstaben noch fo feucht waren, daß die Druderschwärze an den Händen hängen blieb, ein zweiter, dritter, ein zehnter, zwanzigfter Lauf- besetzt! Er hatte kein Rad besetzt! Keinen Groschen für die Straßenbahn besegt!! Nicht überall in Wahrheit. An ein paar Stellen war offensichtlich Niemand vor ihm gewesen. Das Befeht! wurde ihm nicht sogleich, nicht mit innerster Unbeirrbarkeit wie ein Nagel ins Holz in den Schädel getrieben. Man sah ihn prüfend an, musterte ihn vom Kopf bis zu den Füßen ,, Bedaure, schon besetzt!" Er wußte, daß er angelogen wurde. Gagte es. Das eine Mal herausfordernd, das nächste Mal ent­schuldigend. Er pries fich an. Bersprach Grenzenloses. Bat, wie er noch Niemanden in seinem Leben bislang gebeten baite, nicht Gott nicht Mensch: Arbeit! Arbeit!! Krachend flogen mitten in seinem Wort die Türen zu.

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Am Spätnachmittag gab der Ermüdete das Suchen auf. Nach Hause. Nein, nicht nach Hause! Bielmehr in die zwei Mauerlöcher, die so unverschämt waren, sich menschliche Behausung zu nennen. Dort erwartete ihn als Erstes der fragende Blid feiner Frau. Und er mußte antworten: Nichts. Wieder nichts. Am Ende. Aus. Wär um uns Beide vielleicht nicht einmal sehr schade. Aber die Kinder. Unfere drei Kinder!

Bon Willy Ley .

Nehmen wir einmal an, es lebte irgendwo in einem uner­

forschten Winkel unserer Erde oder auch auf einem frenden Stern eine Sorte intelligenter Wefen, die unter sich feine Geschlechtsunter fchiede kennen. Bei ihnen sollen die Nachkommen meinetwegen auf bestimmten Bäumen wachsen und fix und fertig gleich ermachsen aus der Frucht herverspazieren. Das gibt es natürlich nicht, aber segen wir einmal den Fall. Diese Besen sollen nun in edlem Forschertrieb eine fleine Horde Menschen einfangen und beschreiben. Dann würden den Forschungsbeslissenen dieser Wesen dabei zweifel. grundlegend nach äußeren Merkmalen zwei Menschenjorten unter los einige grobe Schnitzer unterlaufen. Sie würden zunächst einmal scheiben, von denen die eine im allgemeinen etwas fleiner und zorter sei und außerdem noch einige Duhend Abarten der beiden Haupt forten, die man aber an ihrer verschiebenen Größe unterscheiden tönne. Das friedliche Zusammenleben all diefer verschiedenen Arten würde den braven Leuten wahrscheinlich viel Schädelzerbrechen machen, wo wir uns sagen würden, es feien Männer, Frauen und

Kinder.

Ich fann mir denken, daß jetzt die verschiedenen ,, Arten" meiner Leser lachen und sagen, das jei zwar ganz luftig gedacht, aber doch eigentlich nur eine blödsinnige Theorie.

Gemach! Auch wir flugen Menschen haben diesen Fehler schon oft genug gemacht und haben in der Tierwelt Mann und Frau aus­

Ziere gebucht, mobei die Forscher recht bedauernswerte Wesen schufen: einerseits Kinder, die feine Eltern hatten und umgekehrt und andererseits Männer ohne Frauen.

Zunächst wurde das einmal bei den Urwelttieren besorgt.

die

für den Verlauf der Reaktion spielt. Man fann nämlich beliebig die angeblich männliche oder weibliche Färbung bei demselben Ertraft erzielen, wenn man ihn in verschieden startem Maße vers dünnt! Die mit den Extrakten verschiedener Geschlechter erzielten Farbunterschiede können also nicht auf der Anwesenheit verschiedener Geschlechtshormone beruhen. Vielmehr werden die Unterschiede im Reaktionsergebnis dadurch hervorgerufen, daß derselbe Stoff im weiblichen Geschlecht in größerer Menge vorhanden ist als im männ lichen und daher z. B. in der Manoilojfschen Reaktion länger wirf­Geschlecht die Menge des Stoffes nicht ausreicht, um die Farbe zum sam ist und die Entfärbung durchführt, während im männlichen Verschwinden zu bringen.

Bernakli nach den deutschen Untersuchungen nicht in Frage, da ihre Für die Pragis kommen die Reaktionen von Manoiloff und Ergebnisse zu ungenau sind und von der Menge des Extrafies beeinflußt werden. Ebenso muß man gegen die Behauptungen Manoilofis, mit Hilfe chemischer Reaktionen Russen, Deutsche, Bolen, Japaner usw. voneinander zu unterscheiden, mißtrauisch fein.

Beilchenzeit in Graffe. Die franzöfifche Barfümerzeugung t seit dem 12. Johrhundert in der lieblichen Stadt Graffe in Süd­ frankreich heimisch, und diese Stadt der Düfte" mit ihren terrassen­förmig ansteigenden Blumenbeeten ist einer der romantischsten Orte Frankreichs . Obgleich die Blumenermia hieu faft das ganze

Als der ausgemergelte Mann, der keine Arbeit gefunden hatte, einanderfystematisiert und auch Kinder und Cltern als verschiedene Jahr hindurch andauert, so beginnt doch jetzt mit dem Serannahen vom Stadtviertel der Reichen, von Harvestehude , zur Esplanade tam, waren auf dieser die Lampen noch nicht angezündet. Aber vom Alsterbecken her, das es liebt, mit ihnen als einem Lichtperlenschmud zu paradieren, drang schon filbriger Lampenglast in die Seiten­straßen. Einige Augenblicke mußte der Heimkehrende auf eine Lüde in der Wagenkette warten, ehe er zu dem baumbestandenen breiten Fußgängerweg in die Mitte hinübergehen konnte. Da setzte sich ein Hund neben sein linkes Bein und drängte sich vorsichtig an ihn. Wie Hunde zu tun pflegen, wenn sie durch eine Liebkosung zum Geliebkostwerden verlocken wollen. Es war ein struppiges, unbe­stimmbares Bieh, und der Angerufene verspürte nicht übel Luft, ihm einen Fußtritt zu verabfolgen, daß es sich überfugelte und davonlief. Dorthin, wo sein Plaz auf Erden war: zu seinem Herrn. Dann aber mußte er denken: Daß von dem Schicksal er wie ein struppiges, unbestimmbares Vieh geachtet und erbarmungslos mit einem Fuß­tritt beiseite geschleudert war. So gab er dem fremden Köter, als Antwort auf seine Bitte um ein Liebeszeichen, zum wenigften ein ermunterndes gutes Wort.

( Schluß folgt.)

*) Unter dem Titel Der Regenbogen" läßt Hans Frand in den nächsten Tagen fiebenmalfieben Geschichten", als Auswahl aus seinen für ihn charakteristischen Kurzgeschichten und Anekdoten, im Berlage H. Haeffel in Leipzig , erscheinen. Quer über das deutsche Wesen hinweg spannt das Buch seinen Bogen, vom ruhevollen Violett der Mythe bis zum brennenden Rot der Gegenwart, von der Form fabulierfreudiger Märchen bis zur dramatisch hochgespannten Geschichte. Sieben Generationen und alle deutschen Landschaften haben mitgeschaffen und leuchten auf im funkelnden Regenbogen". Mit Genehmigung des Berlages peröffentlichen wir heute eine Erzählung aus diesem Bande.

Zu Wyoming in Nordamerika buddelten ehrfame Gelehrte nach Saurierfnochen und fanden Reste eines wirklich respektablen Drachen, der ob seiner Größe Donnerechse oder Brontosaurus ge­tauft wurde. Es dauerte nicht lange( die Grabungen wurden fort­gefeßt), als sich ein sehr ähnliches Vich fand, das sich von dem anderen hauptsächlich dadurch unterschied, daß es an Länge noch ein halb Dugend Meter dazulegte. Die feierliche Namensgebung buchte dies neue Riefenreptil als Atlantosaurus in die Listen der Wissenschaft. Bis sich dann eines Tages herausstellte, daß der Atlantosaurus erst der richtig ausgewachsene Brontosaurus sei.

Auch das andere wurde bei einem alten Drachen gemacht. Im Brüsseler Museum stehen fast ein Dußend großer zweibeiniger Sauriersfelette, Iguanodons. Der Berliner fennt das Tier, es ist dasselbe, das in Lebensgröße in Stein gehauen vor seinem Aquarium steht. Man unterschied da zwei Arten, eine etwas größere ( I. bernissartensis), und eine etwas fleinere und schwächere ( I. Mantelli). Jetzt wird nun von vielen Forschern mit Nachdrud die Anficht vertreten, daß das nur Mann und Frau sei, wobei Ganz diesmal die fleinere das männliche Geschlecht verförpere. sicher ist das jedoch nicht, aber die Möglichkeit steht schon in jedem Lehrbuch verzeichnet.

Bei lebenden Tieren ist ja die Trennung von Mann und Frau immer noch der leichtere Fehler. Dem Leser muß hierbei ja nun gesagt werden, daß das wirklich für den ersten Blick leicht ist. Da gibt es Schmetterlinge, deren Weibchen vollständig flügellos wie oder Bogelmännchen, die eine weiche Käfer am Boden frabbeln, geradezu phantastische Aufmachung mit riesigen bunten Schmud federn haben, während das Weibchen flein und ärmlich aussieht. Aehnliches gibt es bei Fischen und Eidechsen, wo besonders bei den

des Frühlings die beste und reichste Erntezeit. Augenbliciich ist Beilchenzeit in Graffe, denn vom Februar bis Ende April stehen Die Beilchenfelder in voller Blüte. Die Jasminfaison ist die längste, denn sie beginnt schon im Juni und endet nicht vor Mitte Oftober. Hyazinthen und Narzissen werden im März und April gepflüc!; die Orangenblüten und Rosen verbreiten ihren Duft im Mai und Juni. Nelken und Reseda werden in Riesenmengen im Juni ge­erntet. Die Blumen müssen früh am Morgen, furz nach Sonnen­aufgang, gepflückt werden, wenn sie noch gonz frisch sind, und der Tau der Nacht in ihren Blüten perit. Sie werden sofort in Schichten von gereinigtem Fett gelegt, um den Duft herauszuziehen. Das Parfüm wird dann aus diefem durchdufteten Bett gewonnen, und zwar in den großen Destillerien, die nach einem Bericht eines Bariser Blattes jährlich 2000 Tonnen Rosen, 1500 Tonnen Jasmin, 2500 Tonnen Orangenblüten und gewaltige Mengen von Beilchen, Narzissen, Reseda und Mimofen verarbeiten. Die Zahl der ver­schiedenen Parfüms ist sehr groß. Biele Jahre lang bezog die frühere russische Barin aus Graffe ein ganz besonderes Parfüm, für das eine bestimmte Art von Rosen gezogen wurde.

Zwei Jahrtausende alter Puder. In der im Nordosten von Korea liegenden Stadt Phengyang wurde fürzlich eine Grabstätte freigelegt, die aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr. stammen dürfte. Unter den zahlreichen Beigaben, die verrieten, daß das Grab bie leberreste einer vornehmen Dame, barg, befand sich auch eine ziem­lich große und hübsch gearbeitete Metallbüchle, die mit einer ganzen Anzahl fleinerer Büchsen und Döschen angefüllt war. Von den Büchsen, die wohl einst alle möglichen fostbaren fosmetischen Mittel enthalten hatten, waren die meisten leer, doch in einer fleinen und zierlich getriebenen Doje befand fid) noch ein Rest des feinsten weißen Buders. Daß sich die Damenwelt auch vor zweitausend Jahren puderte, wußte man allerdings längst, aber daß sich solcher Buber zwei Jahrtausende lang hielt und sogar feine weiße Farbe nicht einbüßte, ist jedenfalls ziemlich einzig dastehend.