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Abendausgabe

Nr. 165 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 82

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Vorwärts

Berliner Volksblaff

10 Pfennig

Donnerstag

7. April 1927

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Der Zündholzskandal im Ausschuß.

Stundenlange Geschäftsordnungsdebatte.

Die Regierungsparteien beabsichtigen, das Zündholzfperrgeseh froh des gestrigen Reichstagsbeschluffes mit allen Mitteln noch vor Offern durchzupeifschen. Der Voltswirtschaftliche Aus­fchuß erlebte heute vormittag eine flundenlange Geschäfts­ordnungsdebatte. Herr Behrens, der mit einer Blume im nopfloch erschienen war, erklärte, er habe nicht gewußt, daß er im Aufsichtsrat einer Gesellschaft füße, deren Mehrheit in den Händen des riesigen amerikanischen Zündholzfrufts fei. Die Genoffen Robert Schmidt und Heinig wiesen nach, wie wenig solchen Erklärungen Glauben beizumessen sei. Um% 2 Uhr nachmittags dauerte die

Debatte noch fort.

Die Bürgerblockpresse deckt das Feuer zu! Die berufsmäßigen Reiniger Deutschlands " haben gestern im Reichstag eine schwere Schlappe erlitten. Der christlich- nationale Landarbeiterführer als Aufsichtsrat in einer Zündholz- A.- G. und Sachwalter des Trust Papitals im deutschen Reichstage was hätte das für wunderbare Entrüstungsferien gegeben, wenn ein Angehöriger der Linksparteien in der Doppelrolle des Behrens aufgetreten wäre!

So aber gilt für die gesamte Bürgerblockpresse heute die Mahnung: Totschweigen! Nur nicht reden! Der offizielle deutschnationale Pressedienst gibt den Provinz blättern über die Blamage eines seiner Prominenten nur den einfachen Satz: Bei Beginn der Reichstagsberatungen wurde das Bündholzgesetz nochmals an den Ausschuß zurüd­verwiesen." Rein Wort mehr, fein Wort vom christlich= nationalen Aufsichtsratarbeiter des Trust= Papitals!

Ganz ähnlich verhalten sich die Blockblätter in Berlin . Nur ganz versteckt und ganz verschämt findet sich eine Be­merkung, daß die Blockparteien zufällig schwach vertreten waren und deshalb überstimmt wurden. Das enthält das Eingeständnis, daß der Bürgerblock, bei voller Besetzung es für das Natürlichste auf der Welt halten würde, wenn das Aufsichtsratsmitglied des Intereffentenverbandes Berichterstatter des Reichstagsausschusses ist und bleibt, daß das Trust fapital über einen deutsch natio nalen ,, Arbeiter" abgeordneten seine Fäden selbst ins Plenum des Reichstages zieht!

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Der Abgeordnete Behrens ist ein 3ögling aus der Antisemitenschule des ehemaligen Hofpredigers Stoeder. Dort hat er von jüdischer Korruption" so viel gelernt, daß

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er jetzt Aufsichtsrat und Sachwalter eines internatio= nalen Trusts spielen fann, sogar im deutschen Reichstag und mit Billigung der Deutsch nationalen, der Stresemann Partei und des 3entrums! Vor uns liegt eine deutschnationale Propaganda­schrift Vortragsentwurf Nr. 5, die der Hauptgeschäfts­führer der Deutschnationalen, Dr. Weiß, für die Rebner im Lande herausgibt und die den Zweck hat, die deutsch nationale Regierungsbeteiligung widerstrebenden Wählern mundgerecht zu machen. In dieser Schrift finden wir auf Seite 8 diefe Kennzeichnung deutschnationaler Blockpolitik:

Denn wie fieht es tatsächlich bei uns aus? Die Korruption wächst von Tag zu Tag, die Futterkrippenwirtschaft wird mit heraus­fordernder Offenheit betrieben, die die schwersten Gefahren für das Staatsganze mit sich bringt.

Dr. Weiß ist der Mann, der die gestohlenen Atten auftaufte, von denen jetzt im Prozeß Stresemann fortwährend die Rede ist. Dr. Weiß hat sich also der Hehlerei schuldig gemacht, um politische Brunnenvergiftung unterstüßen zu fönnen. Er ist als Ge­schäftsführer der Deutschnationalen berufen, über Korrup: tion zu schreiben. Aber daß er den Fall Behrens bei Niederschrift seiner Broschüre schon vorausgesehen hat, zeigt ihn von einer ganz besonderen Seite. Seine Intelligenz ist augenscheinlich stärker als das politische Reinlichkeitsbedürfnis seiner Partei!

China und Albanien .

Auswärtiger Ausschuß.

Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages ver abschiedete heute das Zusagabtommen zu dem deutsch - französischen Handelsabkommen und beschäftigte sich sodann mit den neuesten Vorgängen in China , über die Außenminister Stresemann und der Dirigent der ostasiatischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, Grautmann berichteten. In der Debatte sprachen die Deutschnationalen v. Kemnik und Hoeksch, der Kommunist Stöcker, Rheinbaben( Vp.) und Genosse Breitscheid .

Der Auswärtige Ausschuß beschäftigte sich sodann mit der albanischen Angelegenheit, über die nach dem Bericht des Ministers die Abg. Wirth( 3tr.), Breitscheid ( Soz.), Hoeksch( Dtn.), Schnee( Bpt.) und Stöcker( Komm.) sprachen.

Die Aktion in Peking .

telegraphiert mit dem Hinzufügen, daß eine Durchsuchung der eigentlichen Botschaft nicht gestattet werden würde.

Erlaubnis der Diplomaten, weil das durchsuchte Gebände nicht mehr exterritorial ist. peting, 7. April. ( WTB.) Der ruffische Geschäftsträger| Gesandtschaftsviertels habe in diesem Sinne an die Sowjetbotschaft Tschernych hat gegen das Borgehen der chinesischen Polizei beim nordchinesischen Außenministerium energischen Protest et­hoben. Dem Befinger korrespondenten der Morning Post" zufolge ist den chinesischen Behörden die Erlaubnis zum Betreten des Ge­fandtschaftsviertels von dem Donen des diplomatischen Korps, dem niederländischen Gesandten Oudenŋt, erteilt worden. Zur Attion gegen die ruffische Botschaft scheint man vorsichts­halber nicht Soldaten, sondern Polizei verwendet zu haben, die den gefamten Romplex der russischen Botschaft am Mittwoch vormittag umftellte, aber nur die angeblich nichtegterritorialen Gebäude durch sucht haben soll, wobei etwa 60 Chinesen unter ihnen der Führer der Kommunistischen Bartet verhaftet, außerdem 21 Ruffen feftgenommen worden find. Große Mengen Propagandaliteratur und Waffen sollen beschlagnahmt worden sein. Jebe telephonische Berbindung mit der russischen Bot­

Tschangtsolin- Justiz gegen die Verhafteten. London , 7. April. ( TU.) Nach einer Reutermeldung aus Befing hat Tschangtfolin einigen Befehlshabern von dem Ueberfall auf die Sowjetbotschaft und von den Berhaftungen telegraphisch Kenntnis gegeben. Er fügte hinzu, daß die Hauptgefahr für den Frieden in Befing nunmehr beseitigt fei. Gegen die Berhafteten werde ein gerichtliches Verfahren eingeleitet. Diese rebellischen Ruhestörer, die für die Berbreitung des Bolschewismus verantwort lich feien, verbienten feinen Barbon.

Geßlers Nachfolger.

Der kommende Wehrminister des Bürgerblocks. Allerdings ist der Herr Geßler noch übertroffen worden burch seinen Nachfolger, den Herrn Kollegen Brüning­haus ich meine Nachfolger in der Rednerfolge.( Heiter­teit links.)

Abg. Eggerstedt( Soz.) am 30. März 1927 im Reichstag. Geßler soll im Mai gehen wollen, und als sein Nach­folger wird Herr Brüninghaus genannt. Wie das vor ſtehende Zitat zeigt, spielt der Parlamentswig bereits mit Bürgerblods! Die beiden passen zueinander. dieser Version. Herr Brüninghaus Reichswehrminister des

Sinne berühmt gemacht durch seine Berteidigung der Herr Brüninghaus hat sich neuerdings im negativen Marinejustizmor de von 1917 und der Admirals= rebellion von 1918, wie die befannten Borgänge vom Genossen Dittmann bezeichnet worden sind. Herr Brüning­haus hat sich dabei völlig identifiziert mit der brutalen Selbst­herrlichkeit der faiserlichen Admiralität, so daß er innenpolitisch für jeden Linkspolitiker und Republikaner gekennzeichnet ist. Das Mißtrauen, das sich Herr Geßler immerhin erst in sieben Jahren erworben" hat, würde Herrn Brüninghaus als Wehrminister vom ersten Tage seiner Amtsführung an von der Linken in dreifacher Potenz entgegengebracht werden. Er eignet sich deshalb zweifellos ganz besonders zum Wehr­minister des Bürgerblods.

Aber Herr Brüninghaus ist auch sonst fein ganz un­beschriebenes Blatt und seine Ernennung zum Reichswehr minister würde in den nationalistischen Kreisen in Frankreich und England mit einem Schmunzeln der Genugtuung begrüßt werden. Ist es doch so leicht, ihn den Chauvinisten jenseits des Rheins und den Jingos jenseits des Kanals als deutschen See- Wauwau aus der Kriegszeit vorzustellen, dem gegenüber fein Entgegenkommen bezüglich der Rheinlandräumung und der militärischen Fragen am Blaze fei.

Herr Brüninghaus gehörte im Weltkriege zu den marinetechnischen Autoritäten unserer schwer­industriellen Anneftionspolitiker und Kriegsverlängerer. Bon Herrn v. Tirpitz hatte er gelernt, die Wahrheit über den U- Bootfrieg in einer Weise zu sagen, daß sich die Balken bogen", und er produzierte sich mit Herrn Hergt um die Wette als Prophet und Wahrsager über Ameritas Kriegshilfe für

die Entente.

über das völlige Fiasto des uneingeschränften Als alle Welt im In- und Auslande fich längst flar mar U- Bootkrieges und die Katastrophe für Deutschland durch das Eingreifen Amerikas heraufziehen sah um die Jahreswende 1917/18 am 30. Dezember 1917, hielt der Direktor des Etatsdepartements im Reichsmarineamt , Kapitän zur See Brüninghaus bei einem Jahresessen" des Kriegs­ausschusses der Deutschen Industrie im Hotel Adlon in Berlin eine fulminante Rede auf die grandiosen Erfolge des U- Boot­frieges und das Bersagen der amerikanischen Hilfe für die Entente. Die Industriegewaltigen, die sich in ihren annef=

tionistischen Plänen gegenüber Belgien und Frankreich , blind und taub gegenüber offenfundigen Tatsachen und den ein­fachsten Erwägungen der Vernunft, ohnehin hoffnungslos verrannt hatten, wurden von diesem ,, Marinesachverständigen" in ihrem Anneftionswahnsinn noch bestärkt. Herr Brüning­haus prahlte in seiner Rede:

Irgendwie ernstlich in Frage gestellt fann die Durch führung des U- Boottrieges und seine fortschreitende Wirkung durch alle bisherigen Abwehrmittel nicht werden. In diesem Kriege ist eben gegen das U- Boot tein Kraut gemachfen.

Dabei war zu jener Beit bereits ein halbes Jahr ver­floffen felt der Friebensresolution des Reichstages, die ihren Grund in der allgemeinen Erkenntnis von dem Bersagen bes uneingeschränkten U- Bootfrieges gehabt hatte! Herr Brüning haus aber pries den U- Bootkrieg noch immer als das Alla heilmittel an, das England zum Frieden zwingen werde. Er redete von dem Unvermögen Ameritas, durch Schiffsneu­perstieg sich schließlich zu folgenden fachverständigen Weis­fagungen:

schaft war bis in die vorgerückten Abendstunden des gestrigen Lages des Daily Chronicle" meldet, es werde angenommen, daß bauten den Krieg zugunsten der Entente zu entscheiden" und

unmöglich!

Der ruffische Vertreter in Pefing hat bereits am Mittwoch nach mittag bei den fremden Gesandtschaften gegen diefe Ber. legungen des Völkerrechts und der internatio. nalen Verträge protestiert.

Die Londoner Meldung, daß eine große Anzahl der Berhafteten hingerichtet worden seien, ist bisher in beiner Weise bestätigt.

Wie die Ermächtigung zustande fam. Paris , 7. April. ( Havas.) Franzöfifch- offiziell wird erklärt: Die chinesischen Behörden hätten beim Diplomafischen Korps einen Antrag auf Hausfuchung in einer russischen Bank gestellt, die im Gesandtschaftsviertel liegt. Dicje Bank ist in dem früheren ruffischen Poft gebäude untergebracht und fann daher, da die Sowjetregierung auf ihre sämtlichen Vorrechte in China ver­3ichtet hat, ein Erterritorialitätsrecht für sich nicht in Anspruch nehmen. Das Diplomatische Korps hat sich deshalb der Haus­fuchung nicht widerfehen fönnen. Unter diesen Umständen find die chinesischen Behörden ermächtigt worden, in das Ge­bäude der russischen Bank einzubringen.

Schanghai , 7. April. ( BTB.) Ein Telegramm der russischen Botschaft in Pefing von 5 Uhr nachmittags an den hiesigen russischen Generalfonful besagt, der Borstoß der Polizei sei von den Behörden genehmigt worden. Der Setretär der Berwaltungsfommission des

Japanische Ermunterung für Tschangtsolin? London , 7. April. ( BIB.) Der Befinger Gondertorrespondent Japan Tschangtfolin Garantien gegen einen fomjet russischen Angriff gegeben habe. Anderenfalls würde er es nicht gewagt haben, einen Krieg in der Mandschurei heraus­zufordern.

Nachträgliche Begründung des Streichs. Pefing, 7. April. ( Reuter.) Die Antuoschunführer( offenbar Tschangifolins Zivilvertragsangestellte. Red.) erklären, die Haus suchung in der Sowjetbotschaft hätte schlagende Beweise dafür geliefert, daß die Sowjetregierung eine erschwörung gegen die bestehende Ordnung Nordhinas unterstütze. Auf Tschangisolins Erfuchen habe Außenminister Wellington Ku eine Proteft note an den russischen Geschäftsträger vor bereitet, in der ausgeführt werde, daß die Botschaft Ber fchwörern Unterschlupf gewähre und die Herrschaft der gefegmäßigen Regierung zu erschüttern verfuche. Biele betrachteten den Abbruch der Beziehungen zwischen Befing und Mosta u als wahrscheinlich. Wie verlautet, sei es der Militärattaché der Sowjetrepublik gewesen, der versucht habe, die Dokumente zu verbrennen, die, wie man behaupte, auf eine ausge dehnte Verschwörung schließen ließen.

Meine Herren! Ein kurzes Wort über die amerikanischen Truppenfendungen... Ich spreche eine Tatsache aus, wenn ich sage, daß Frankreich und England nur die Wahl haben zwischen militärischer oder mirischaftlicher Hilfe Ameritas. Soldaten und Lebensmittel fann Amerita in nennenswertem Umfang nicht schicken. Dazu ist fein Frachtraum vorhanden und fann auch, da er immer mehr abnimmt, nicht geschaffen werden. Amerita felbft soll den Franzofen, auch hierin Geschäftsmann, geraten haben, Lebensmittel zu nehmen. Und, meine Herren, es bleibt der Entente ja auch gar nichts anderes übrig. Denn selbst menn Amerifa im Laufe des nächsten Sommers frog ber immer mehr abnehmenden Tonnage einige hunderttausend Mann nach Europa schiden sollte, so würden diefe Golbaten bom nur zusammen mit den Franzosen hungern fönnen.

Solche Einfalt enimaffnet einfach. Die annettionstollen Industriellen aber ließen damals durch den Mund des Herrn Kommerzienrats Friedrich mit Genugtuung feststellen jo heißt es wörtlich in der über das Jahreseffen" heraus­gegebenen offiziellen Broschüre-:

Derart belastende und daher wichtige Dokumente wird man daß gegenüber den trampfhaften Bemühungen englischer Staats­schmerlich in einem nicht erterritorialen Nebengebäude aufbemahren- männer, bas Bild der durch den U- Bootfrieg geschaffenen Lage zu noch dazu im Machtbereich eines Erzfeindes!( Reb. d. B.") pergerren, heute von autoritativer Seite der wirkliche