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Nr. 173 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 86
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Dienstag
12. April 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Vormarsch der Nordtruppen Mobilisiert Japan ?
Condon, 12. April. ( WIB.) Morning Post" berichtet aus Schanghai : Die Nationalisten find durch den andauernden Bormarsch der Nordtruppen auf drei Fronten sehr beunruhigt. Die Truppen Sunfchuangfangs bedrohen jeht die Stellungen der Kantonarmee füdlich Tschingkiang. Inzwischen treiben die Truppen Tschangiuntjchangs die kantontruppen auf Nanking zurück. Die Einnahme Putaus wird jeden Augenblid erwartet. Schwere Kämpfe finden im Abschnitt von Tichu- Tichau statt; wie verlautet, bereiten die kantonfruppen sich auf den allgemeinen Rüdzug vor.
Privaten, anscheinend zuverläffigen, Meldungen zufolge, follen die Nordfruppen rasche Fortschritte in Richtung auf Hantau machen. Sie hätten den Tunnel von Wujchingtwan genommen, feien in die Provinz Hupeh beträchtlich eingedrungen und follen nur noch 80 Meilen von Hankau entfernt stehen. Einem weiteren Bericht zufolge ift Tichingfungichan am Sonnabend von den Nordtruppen besetzt worden.
Tichingtiang iff, Daily Telegraph " zufolge, von den Kantontruppen geräumt und von den Nordtruppen besetzt worden. Es wird berichtet, daß die Nordtruppen den Jangtje bei Tungtschau überschriften und Kiangyin, das nur 70 Meilen von Schanghai entfernt ist, besetzt haben. Alle Anzeichen deuteten auf einen vollftändigen Zusammenbruch der Offensive der Kantontruppen und eine allger eine Auflehnung gegen die Sowjetmethoden in ganz China .
,, Daily Telegraph " berichtet aus Shanghai : 5000 Mann Südtruppen wurden von Suntschuangfang bei Bangtfchai gefangengenommen. Alle Gefangenen eines Regiments, das seinerzeit von Suntfchuangfang zum Feinde übergelaufen war, wurden geföpft.
Gespannte Lage in Kanton.
Washington , 12. April. ( WTB.) Der amerikanische Generalfonjul in Kanton berichtet in einer Mitteilung an das Staats departement, daß die dortige Lage äußerst gespannt sei und daß ein Zusammenstoß zwischen den Kommunisten und dem ge mäßigten Flügel jeden Augenblick erwartet werde.
Japan vor dem Eingreifen? Erklärungen des japanischen Generalfonfuls in Schanghai .
Paris , 12. April. ( WTB.) Die Sonderberichterstatter der Agen fur Havas in Schanghai gibt folgende Erklärungen des japanischen Generalfonfuls in Schanghai , Yada, wieder: Infolge der Sowjetnote kann die Spannung zwischen Rußland und China ernste Folgen in der Mandschurei haben. Falls der latente Kriegszustand, mit dem man gegenwärtig rechnet, Unruhen hervorrufen sollte, würde Japan eingreifen müffen, um die Ruhe wiederherzustellen. Der japanische Generalfonful erinnerte alsdann daran, daß auf Grund der in Kraft befindlichen Verträge die Sowjetbotschafter feine kommunistische Propaganda treiben dürften und Japan angesichts der Bolschewisierung Chinas nicht gleichgültig bleiben könne. Die Regierung von Tokio stehe der
Stockreaktionär.
Der Beamtenschub des Bürgerblocks.
Die Deutsche Tageszeitung" ruft nach dem Staatsanwalt gegen unsere Kritik der Personalpolitik des Bürgerblocks. Sie erblickt in unserer Beschuldigung, daß der Reichsinnenminister den Reichstag abfichtlich ausgeschaltet habe, sowie in dem Vorwurf reaktionärer, republiffeindlicher Gesinnung gegen Herrn von Keudell verleumderische Unterstellungen. Der Staatsanwalt soll Sühne für das infame Reffeltreiben" gegen von Reudell schaffen.
nationalen chinesischen Bewegung günstig gegenüber, aber sie werde feine Einmischung der Bolschewiſten zulaffen, die Leben und Befiz der Japaner in China in Gefahr bringen würde.
Mobilifierung des japanischen Heeres? London , 12. April. ( WTB.) Der Sonderberichterstatter des ,, Daily Telegraph " meldet aus Schanghai : Die Haltung der Japaner beansprucht das stärkste Interesse, da alle Anzeichen auf eine
allgemeine Mobilifierung des japanischen Heeres hinweisen. Der Berichterstatter fragt, ob man eine offene Kriegs erflärung gegen Rußland erwarten müsse, oder ob die mobilisierten Kräfte nur für eine Veränderung im engeren Rahmen bestimmt seien. Die japanischen Einwohner in Hantau sandten ein Ultimatum an ihre Regierung und forderten, daß eine Expeditionsstreitkraft fofort abgefchickt werde, um das ihnen zugefügte Unrecht zu fühnen. Der Korrespondent schließt: Die allernächsten Wochen werden Ercigniffe van größter Bedeutung im fernen Often sehen. „ Daily Mail" meldet aus Tofio: Japanische Korrespondenten in Charbin berichten über die
Zusammenziehungen großer ruffischer und chinesischer Kontingente an der sibirischen Grenze.
„ Daily Mail" meldet aus Shanghai , 500 japanische Matrosen durchsuchten ein Biertel der Chinesenstadt nach bewaffneten Kommunisten.
Aus Hantau wird berichtet, daß der japanische Konsul eine Mitteilung an Tschen gesandt haben soll, worin er erklärt, drei japanische Zerstörer seien auf dem Wege nach Hantau mit genügenden Berstärkungen, um die Chinesenstadt in Grund und Boden zu schießen, was auch, ohne zu zögern, geschehen werde, wenn der geringste Verfuch unternommen werden sollte, in die japanische Konzeffion einzubringen.
Abrüstung- Aufrüstung.
24 Hoffnungsloses Hin und Her in Genf .
Die Genfer Vorkonferenz über die Abrüstung hat die erste Lesung einer internationalen 2 brüstungstonvention beendet. Eine Redaktionskommission hat den Auftrag, den endgültigen Text festzusetzen. Sie soll ihn unmittelbar nach Ostern vorlegen. Dann soll er den Regierungen vorgelegt werden. Ein Teil der Delegierten, die von weither fommen, wollen in Genf bleiben; ein anderer Teil will dann sofort nach Hause zurückkehren. Aber nur mit geringer Hoffnung erwarten sie alle die Stellungnahme ihrer Regierungen. Es sieht so aus, als ob die zweite Lesung auf unbestimmte Zeit vertagt wird.
Die Borfonferenz begann am 21. März zu beraten. Sie ist feine Konferenz von bloßen Sachverständigen. Es waren in Genf die Militärs nicht mehr die Hauptdelegierten ihrer Länder. Wenn früher die Militärs über die Abrüftung berieten, so war das, als ob die Schuster über die Abschaffung der Stiefel beratschlagten. Das mußte scheitern. Diesmal waren die Militärs zwar noch zahlreich vertreten. Sie waren jetzt nur Berater. Politifer führten die Delegationen. Unter ihnen Männer, die die Abrüstung ehrlich und aufrichtig erstreben. Genosse de Brouckère vertritt Belgien , Genosse Paul Boncour vertritt Frankreich . Aber hinter dem einen steht eine Burgfriedensregierung, hinter dem anderen regiert ein Poincaré . England hat Lord Robert Cecil , der einst als Völkerbundfanatiker galt, entsandt; aber in London regiert das sozialreaktionäre Kabinett Baldwin. Deutschland ist durch den Demokraten Graf Bernstorff vertreten; in Berlin herrscht der schwarz- blaue Block. Die Bereinigten Staaten delegierten einen Diplomaten; Coolidge möchte einen Abrüftungserfolg für die Neuwahlen haben, aber er hat seine eigene Abrüstungskonferenz einberufen. Und in den übrigen Ländern, in Italien , in Polen , Rumänien sind die Verhältnisse noch schlechter. Nirgends bestimmen die Sozialisten allein den Kurs der Außenpolitik. Ist die Reaktion sozial erstarkt, so ist sie es auch international. Keine Abrüstungsfonferenz kann sich im luftleeren Raum vollziehen. Die Genfer lage. Die machtpolitischen Gegensätze flaffen wieder gegeneinander. Sie find innerhalb der Staaten, die an der Vorkonferenz teilnehmen, nicht so groß, daß friegerische Auseinandersegungen unmittelbar drohen. Sie find groß genug, um die internationale Friedensarbeit zu jabotieren.
Kommentar des amerikanischen Staatsdepartements zu Beratungen sind abhängig von der internationalen Gefanit
Note an die Kantoner Regierung. Washington , 12. April. ( WTB.) Das Staatsdepartement veröffentlichte die Note an die Kantoner Regierung mit folgenden Kommentar: Die von den fünf Mächten vereinbarten Bedingungen find absichtlich mäßig gehalten und stellen das Mindest maß dessen dar, was an ehrenhaften Wiedergutmachungen unter den gegebenen Verhältnissen von irgendeiner Regierung getan werden kann, die sich ihrer Würde und Pflicht gegenüber anderen befreundeten Völkern bewußt ist. Diese Forderungen treten der Würde und Souveränität des chinesischen Volkes nicht zu nahe, das die beteiligten Regierungen gern als ihnen befreundet ansehen möchten und mit dem sie die Freundschaft und Zusammenarbeit fortzusetzen und zu verbessern ernstlich wünschen. Die Forderungen richten sich vielmehr gegen jene fremden und chinesischen Einflüsse, welche die Verantwortung für die Nanfinger Gewalttätigkeiten dadurch auf sich geladen haben, daß sie sich eifrig bemühen, die bestehende Freundfchaft zu zerstören und das chinesische Volt zu Mißtrauen, Haß und Gewalt gegen Angehörige befreundeter Mächte aufhezen.
Die Locarno - Kommissionen eingesetzt. v. Simson deutsches- de Brouckère belgisches und Undén neutrales Mitglied.
Sie
Die Vorkonferenz hat sich auseinandergeredet. Die Gegensätze scheinen in der jetzigen intrnationalen Ronstellation nicht überbrückbar. Die Vorkonferenz, die die Regierungen jetzt langjam erdrosseln, hatte nur die Aufgabe, die Abrüstungskonferenz vorzubereiten. sollte eine internationale Konvention über die Begren zung und Beschränkung der Rüstungen fertigstellen, die zwar feine Zahlen und Ziffern über die Rüstungsstärke der einzelnen Länder enthielt, aber doch in einzelnen Abschnitten, Artikeln, Paragraphen, Sägen und Absätzen die Rüstungen begrenzt und das Wettrüsten unterbindet. Aber selbst diese bescheidene, diese unumgängliche Borarbeit bringt unter dem Einfluß der Regierungen die Konferenz nicht zustande.
war
Rein international, vom Standpunkt des entwaffneten Deutschland einmal abgesehen, wäre es zwar ein grundsätzlicher Fortschritt gewesen, wenn man die Aufrüstung, das Wettrüsten für die Zukunft verhindert hätte. Das einzige, worauf man sich geeinigt hat, der Grundsay, daß die Präsenz stärken der Heere und In den Locarno - Schiedsverträgen mit Belgien , Frankreich , die Gesamttonnagen der Kriegsflotten festgesetzt werBolen und der Tschechoslowakei vom 16. Oktober 1925 ist für die den sollen. Darüber hinaus aber war nicht einmal theoretisch gütliche Beilegung von Streitfällen die Bildung ständiger Vereine Einigung zu erzielen. Frankreich weigerte fich, Höchstgleich stommiffionen vorgesehen. Diese Kommissionen beziffern anzuerkennen für die Reserven, es will für die Dauer stehen aus je fünf Mitgliedern, von denen je eines von jeder der beiden beteiligten Regierungen ernannt wird, während die drei übrigent, darunter der Borsigende, von den beiden Regierungen gemeinjam berufen werden. Die Kommissionen sind nunmehr ton stituiert worden.
Erstens: wir erheben nicht nur gegen Herrn Don Keu dell, sondern gegen das gesamte kabinett Des Bürgerblods den Vorwurf, daß es während der Staatssekretär 3. D. von Simson gehört als deutsches Mit Etatsdebatte seine Absichten in der Personalpolitik verglied allen vier Bergleichskommissionen an. Genosse Senator ich wiegen hat, um sich gerechter Kritik zu entziehen aus aus de Broudère vertritt Belgien , Genoffe Prof. Undén ist neu blaffer Furcht vor der Opposition. Es wäre noch schöner, trales Mitglied in der deutsch - belgischen und der deutsch - tschechischen wenn der Opposition die Kritik durch den Staatsanwalt unter- Kommission. Bon international bekannteren Persönlichkeiten sind bunden werden sollte! Warum so empfindlich gegen oppo- außerdem ernannt: Ministerialdirektor a. D. J. Seydour( Fran fitionelle Kritif? Aus bösem Gewissen. zose, für Frankreich ), Prof. van Eijsingha( Holländer, für die belgische, tschechische, französische Kommission), Gesandter Loudon ( Holländer, für die polnische Kommission).
3weitens: die reaktionäre, republiffeindliche Gesinnung des Reichsinnenministers. Sie ist reaktionär und republik feindlich, selbst wenn die ,, Deutsche Tageszeitung" die politische Stellung und Gesinnung des Herrn von Keudell durch ein Amtsgericht prüfen lassen will. Ein neuer Beweis: Herr Don Keudelt hat Herrn von Kamefe zum Leiter der Verfassungsabteilung im Reichsinnenministerium gemacht. Herr von Kameke ist Ehrenritter des Johanniterordens und als solcher eidlich auf die Monarchie und feinen König verpflichtet. Ein eingeschworener Monarchist Leiter der Verfassungsabteilung! Ernannt von dem ehemaligen Kapp- Landrat!
Ein panpazifischer Kulturfongreß. Der vom Präsidenten Coolidge einberufene, von den Ländern um den Stillen Ozean beschickte Kongreß für Unterricht, Urbarmachung von Ländern und Gesundheitswesen wurde vom amerikanischen Innensekretär in Honolulu eröffnet.
Deutscher Sieg bei der Gemeindewahl in Knurow. Katlowih, 12. April. ( WTB.) Die Gemeindewahl in Knurow( Kreis Rybnif) ergab am 14. November 1926 eine erhebliche Mehrheit für die deutschen Parteien. Daraufhin hatten die polnischen Parteien bei der zuständigen Behörde Einspruch erhoben und die Gültigkeit der Wahl angefochten. Die am Sonntag erneut vorgenommene Gemeindewahl ergab für die Deutsch - katholische Boltspartei von 2885 abgegebenen Stimmen 1472 und für die polnischen Parteien, die in nicht weniger als elf Listen zerfielen, 1413 Stimmen. Somit haben die Deutschen acht und die polnischen Parteien sieben
Mandate errungen
schrankenlos feine waffenfähige Mannschaft militärisch ausbilden, um seine Rüstungssuprematie aufrechtzuerhalten. Ebenso will es die Freiheit behalten, innerhalb der Gesamtflottentonnage U- Boote und fleine Kreuzer nach Belieben zu bauen. Sämtliche Mächte lehnen den deutschen Vorschlag ab, die Mengen und die Qualität des Kriegsmaterials zu begrenzen. Sie wollen alle, mie seit jeher, in Munition, in Kanonen, in Tanks, in Bomben, in der Vorbereitung des Gastrieges wettrüften.
So ist nicht einmal theoretisch auch nur die Rüstungsbegrenzung in Genf anerkannt worden. Aber selbst wenn sie grundsäglich angenommen worden wäre: dann hätten sich praktisch die größten Schwierigkeiten ergeben. Berlangte doch das faschistische Italien jetzt schon, daß es auf den gleichen Stand wie Frankreich aufrüden müsse, bevor die Rüstungsgleichheit, die es beanspruchte, erreicht sei. Und ähnlich verhalten sich namentlich die Staaten, die als Nachbarn die Sowjetunion fürchten, die sich nicht einmal an den Genfer Besprechungen beteiligt. Um so meniger fommt die Rüstungsbeschränkung jetzt auch nur in Frage.
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Die Sabotage der fremden Regierungen geht so weit, daß fie sich nicht einmal mit der Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes begnügen. Abgesehen von zwei Höchstziffern 3ahl der Bewaffneten und der Gesamtflottentonnage wollen sie auch vielleicht zurzeit nicht weitrüften, jedoch die Freiheit zum Wettrüsten in der Zukunft behalten.
Statt das Versprechen von Versailles einzulösen und durch die eigene Abrüstung den Rüstungsstand gegenüber Deutschland zu vermindern, soll er verewigt werden.