Wegg«nossin der bolschewistischen Arbeiter- schaft geworden: sie wurde im Jahre 1922 in Versamm- lungen und Demonstrationszügen gegen die Sozialrevolu- tionäre gefordert, sie wurde vor wenigen Monaten in den Resolutionen der Leningradcr Ardeiter für die Notzucht- verbreche? verlangt. Sie ist heute geradezu ein von der iowjetrussifchen Voltspsyche unzertrennlicher Begriff. Diese demoralisierende Wirkung der Todesstrafe auf das Nechtsbewußtsein und das ethische Vorstellungsleben der Bevölkerung liefert das stärk st e Argument gegen die Todesstrafe. Wer daran noch zweifeln konnte, hätte nur die Scharen von Kindern und Halbwüchsigen sehen sollen, die in L i m b u r g, H a n n o v e r und H i l d e s- heim vor den Gerichtsgebäudcn auf die Verkündung der Todesstrafen gegen Anger st ein, Haarmann oder die Eifenbahnfrevlcr von Leiferde warteten! Im 20. Jahrhundert ist die Todesstrafe zum Werk- zeug der Reaktion, der Gewaltherrschaft, des Re- gierens gegen das Volk geworden. Deshalb kann die Sowjetregierung nicht von ihr lassen: deshalb hat Mussolini sie wieder eingeführt, deshalb feierte sie ihre blutigen Orgien in der Zlngorarepublik und Bulgarien , in Ungarn und Litauen . Die wahre Demokratie bedarf der Todesstrafe nicht. Norwegen , Holland . Belgien , einige Kantone der Schweiz kennen die Todesstrafe nicht mehr: die Zahl der Kapital- verbrechen hat sich dort nicht vermehrt; in Italien hat sie— vor Mussolini — direkt abgenommen. Die Vorstellung von der im Namen des Volkes vollzogenen Tötung eines' Mit- bürgers liegt dort außerhalb des Gefühlskreijes der Menschen. Als Sachsen im Jahre 1868, Hessen und Baden im Jahre 1848 vorübergehend die Todesstrafe in hcn Straf- gesetzbüchern strichen, zeigten die Kapitalverbrechen keine Steigerung: dagegen wies das katholische Bayern eine solche Steigerung auf, das sich nicht entschließen konnte, dem fünften Gebot die Ehre zu geben. Nach Einführung des Reichsstrafgefekbuches machten die Staatsoberhäupter der verschiedenen Länder von ihrem Begnadigungsrecht sehr ver- schiedenartigen Gebrauch; von Jahr zu Jahr in erhöhtem Maße. Wilhelm II. hat zwar in manchen Jahren b i s z u 80 Prozent der Begnadigungsgesuche ab- gelehnt, im Jahre seines Regierungsjubiläums hat er dagegen sämtliche Mörder begnadigt; die Zahl der Morde ist aber immer die gleiche geblieben. Die Nachkriegszeit brachte ein starkes Anschwellen der Kapitalverbrechen wie der Todesurteile; in den Jahren 1922 bis 1923 zeigell beide Tatsachenreihen eine sinkende Kurve. Die Differenz zwischen den gefällten und vollstreckten Todes- urteilen wird aber in all diesen Jahren besonders groß. Sie nahm noch zu, als durch die Abschaffung der Schwurgerichte eine neuerliche Steigerung der Todesurteile verursacht wurde. Die Volksüberzeuaung der früheren Geschworenen scheute in stärkerem Maße vor der Todesstrafe zurück als heute das juristische Gewissen des Berufsrichters. Der ver- schwindende Prozentsatz der vollstreckten Todesurteile macht sie aber als Abschreckungsmittel überhaupt illusorisch. Die fortschreitende Kulturentwicklung oerschüttet nach und nach die Quellen de/ atavistischen Räch- und Blutgier. Der Sieg der Todesstrafejünger auf dem Deutschen Juristentag in Wien 1910 war nicht viel mehr als ein Pyrrhussieg. Sie brachten in der Abteilung eine Stimme mehr auf<159 gegen 158), im Plenum 46 Stimmen mehr.<470 gegen 424.) Dies war die Götzendämmerung des blutigen Molochs der Justiz. Die Frage der Todesstrafe ist in den letzten Monaten nicht allein wegen der bevorstehenden Strafrechtsresorm aktuell geworden. Gerade wer eine Ungleichung des deutschen und des österreichischen Strafrechts wünscht, muß auch Klarheit über das Problem der Todesstrafe im deutschen Strafgesetz- entwurf schaffen helfen. Es gilt deshalb, rechtzeitig daran zu erinnern, damit Gewohnheit und Denkträgheit nicht weiter das Ueberbleibsel aus dem Mittelalter in die neuen Zeiten schleppen kann.
deutsthnationele Zutterkrippenwirtschast. Tie„Gerurania" verteidigt Keudcll. Das Hauptorgan der Zentrumspartei , die„G e r m a- n i a", fühlt sich genötigt, zu der Personalpolitik des R e ch t s b l o ck s einige entschuldigende Anmerkungen zu machen. Es schreibt: Wenn die Personalocrschiebungen von manchen Linksblättern auch mit politischen Gründen kritisiert werden, so haben wir dazu folgendes zu sagen: Wir haben volles Verständnis dafür. daß die Bildung der gegenwärtigen Reichsregierung von den Links- Parteien, vielleicht sogar von gewissen Zentrumskreisen. mit gemischten Gefühlen ausgenommen worden ist. Nicht oerstehen können wir. offengestanden, eine Kritik daran, daß jetzt aus der Umgruppierung der Reichsregierung gewisse n a h e l i«- gende politische Konsequenzen gezogen werden. Gewiß ist bei den häufigen Regierungswechseln eine schonende Rücksicht auf den ins Riesenhaste anschwellenden Pensionsfonds eine gebieterische Notwendigkeit. Daß indessen ein Ministerium die für die politische Arbeit wichtigsten Beamtenposten mit eigenen Bertrauens- leuten oder zum mindesten nicht mit Vertrauensleuten der Oppost- tion besetzt zu sehen wünscht, scheint uns in einem Staat mit parla- mentarischem Regime eine politische Selbstverständlich- keit zu sein. Man muß sich über die Harmlosigkeit wundern, die das Zentrumsorgan den Koalitionsfreunden seiner Partei unterschiebt. Um einige wenige Vertrauensleute der neuen Minister aus die sogenannten„politischen" Beamten- p o st e n zu bringen, hätte es keiner Beförderungen bedurft. denn der Stab der höheren Beamten der deutschen Republik wimmelt ja noch immer von Monarchisten und sogenannten Unpolitischen, die den Rechtsparteien zuneigen. Man hätte also allenfalls mit kleinen Umgruppierungen die etwa volitisch notwendige Neubesetzung wichtiger Posten in den deutsch - nationalen Ministerien durchführen können. Dabei ist noch fraglich, ob das überhaupt notwendig war. Denn ver- g a n g e n e Koalitionen haben gezeigt, daß rechtsgerich- t e t e Minister auch mit linksgerichteten Beamten zusammenarbeiten könen, wenn diese die notwendige Eignung und Treue zum Staat besitzen. Viele Beispiele ließen sich dafür anführen. Daß aber umgekehrt linksgerichtete Minister mit rechtsgerichteten Beamten unter den gleichen Bedingungen tätig sein konnten, dafür zeugt., ja allein schon die Tatsache, daß eben ein so großer Teil des höheren Beamtentums politisch sich auf der Rechten befindet, ohne bisher hinausgeworfen zu sein. Das alles ist jetzt auf einmal vergessen. Vergessen ist auch die demagogische Redensart von der F u t t e r k r i p- Penwirtschaft, eine Agitation, unter der Zentrumsleute, wie der ermordete Erzberyer und noch viele andere nicht minder zu leiden hatten als sozialdemokratische Politiker. Dafür ist aber ein neues System eingerissen, das System der alten Namen. Dater, Bruder. Schwager, Enkel jetzt oder einst hochgestellter Persönlichkeiten avancieren mit einer Eile, die verdächtig wirken müßte, wenn ihre Gründe nicht so offenkundig wären. Die Deutschnationalen fragen weder nach fachlicher Eignung noch nach den Staatsfinanzen, noch nach den von ihnen selbst aufgestellten Grundsätzen einer Beamtenpolitik— sie sind allein von einem zynischen Macht willen beherrscht, der weder sachlichen Ernst noch politische Schranken kennt. Daher der große Beamtenschub, der jetzt im Gange ist! Wenn das Zentrum glaubt, solch« Praktiken noch verteidigen zu müssen, so beneiden wir es um diese Aufgabe nicht. Und wenn die„Germania " obendrein die Sozial- d e m o k r a t i e daran«rinnern zu können glaubt, unsere Partei hätte ja die Große Koalition machen und dann eine gleiche Beamtenpolitik treiben können, so ist das mehr als abwegig. Wenn die Sozialdemokratie an den Regierungsgeschäften beteiligt gewesen ist, hat sie nie- mals die Methoden der deutschnationalen Vetternwirt-
schaft und des monarchistischen Klüngels sich zu eigen ge- macht. Die Auffasiung, sie könnte die Große Koalition oder eine andere Regierungsbeteiligung erstreben, nur um Vettern und Basen unterzubringen, ist so absurd, daß darauf nicht ein- gegangen werden braucht. Um so mehr hat die Sozialdemokratie aber Veranlassung. die Futterkrippenwirtschasi der Deutschnationalen als das anzuprangern, was sie tatsächlich ist, als ein Instrument zur Durchsetzung des Staatsapparates mit republikfeindlichen Beamten. _
Oer Rohrftock. Antlvort auf ein deutschnntronnles Bekenntnis. Die r« u z z e i t u n g" ließ vor einigen Tagen, wie wir berichteten, General Freiherrn Digeon v. Monteton durch einen gewissen Leutnant von Waldow in der pöbelhaftesten Weise beleidigen, weil er in der„Vossischcn Zeitung" in einem anderen als republikfeindlich-hctzerischen Ton zum Tod« des Generals von Wrisberg Stellung genommen hatte. Die parteiamtliche Korrespondenz der Deutschnationalen und die deutschnationale Pro- vinzpresse griffen das Schriftwerk des Leutnants, der sich obendrein als Verwandter des Generals v. Wrisberg ausspielte, gierig auf. Di« deutschnational« Bürgerblock Partei, die soeben noch Verfassung und Republik beschworen hatte, klaschte einem verabschiedeten Leut- nant frenetischen Beifall, der den guten Geschmack hatte, den Tod eines angeblichen Verwandten zur Bekundung einer etwas kindlich verwirrten staatsfeindlichen Gesinnung zu benutzen. Heute sieht sich nun diese„K r e u z z ei t u n g", das Blatt des Grafen Westarp, das amtliche Organ der deutschnationalen Re- gierungspartei, zu folgender Mitteilung des Sohnes des ver- storbenen Generals v. Wrisberg genötigt: Ich erkläre hiermit, daß die Veröffentlichung des Leutnants a. D. v. Waldaw in Nr. 171 der.Kreuzzeilung" ohne mein und meiner Angehörigen Wissen erfolgt ist. Christoph v. Wrisberg. Di« Erklärung ist kurz, aber eindeutig. Die Angehörigen des verstorbenen Generals sind gezwungen, die Flucht in die Oesient. lichkeit zu ergreifen, um das Andenken des Toten vor dem Partei- amtlichen Mißbrauch einer Regierungspartei zu bewahren, der der Verstorbene nahe stand. Auch«in Beitrog zum Kapitel„deutsch - nationale Staatspolitik"! Evangelische Kirche gegen öraunschweig. Cine abgewiesene Klage. Leipzig , 13. April. (Eigener Drahtbericht.) Der evangelische Landeskirchenrat in Vraunschwcig verlangte von dem braunschweiglschen Staat für die Abgeordneten der früheren Landessynode, sächsischen Landeskirchenrat, eine Aus- Wandsentschädigung von StKXZ Mark. Es sollten von dieser Summ« Tage- und Reisegelder der Abgeordneten bezahl! werden. Diese Regelung war früher vom braunschweiglschen Staat getrossen worden, kam aber später nach Artikel 137 der Reichs- Verfassung in Wegfall. Mit dieser Forderung ist die braun- schweigische Landeskirche von allen Instanzen abgewiesen worden. Sie hatte deshalb Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts beim Reichsgericht eingelegt. Der 4. Zivilsenat des Reichsgerichts beschäftigte sich am Mittwoch mit dieser Sache und wies die Klage ab.' Der bayerisch« Finanzminister Dr. Kravßneck wird sich nach Amerika einschiisen, um die Unterzeichnung der endgültigen Stücke der bayerischen Amerika -Anleihe persönlich vorzu- nehmen und sich an den Verhandlungen für die Börseneinfühning zu beteiligen. Die amerikanische Banlengruppe Hot die Unterzeich- nung wiederholt hinausgeschoben, da sie Wert darauf legte, daß die Unterzeichnung durch den Finanzministsr persönlich vollzogen wird. Lllauischer Memellerror. Dem Landesmedizinalrat Dr. H u w e r. einem Reichsdeutschen, ist seine Stellung zum 15. Mai d. I. gekündigt worden. Er muß dann das Memelgebiet verlassen.
Gsterbotschasten. Konzertumschau von Kurt Singer . Vor wenigen Tagen hat das Ministerium für Kunst und Volks- bildung neue, ergänzende Richtlinien für den Musikunterricht in den Volksschulen herausgegeben. Solche theoretischen, von wirk- lichcin Sinn für musikalische Volkskultur diktierten Leitsätze können sich erst im Lause von vielen Iahren auswirken. Je früher sie Pflichtcharalter für die Schulen haben, um so schneller werden sie Früchte tragen. Alles kommt darauf an, daß die Lehrkräfte durch- drungen sind von der Wichtigkeit und von dem Geist der musika- lischen Bildung des Kindes. Es niuß dafür gesorgt sein, daß nicht wie in früheren Iahren, uns allen noch zum Schrecken, von Schul- meistern alter Methode zwangsmäßig Gesang in die Kinder hinein- getrichtert wird. So. wie man in die Seelen der Heranwachsenden bineinsingt, so schallt es auch wieder zurück. Die Richtlinien ver- langen, daß nicht mehr Gesang, sondern Musik gelehrt wird, daß Musik in lebendigen Zusammenhang mit anderen Fächern gebracht wird. Hier ist wohl vor ollem an Deutsch , Geschichte, Rechnen, Mathematik, auch a» Turnen und Gymnastik gedacht. Die Musik- erziel?ung soll einheitlich geregelt sein, und es soll nicht auf Kosten des Musikunterrichts wie gewöhnlich die Zahl der anderen Unter- richtsstunden erhöht werden können. Es soll ein Weg gebahnt werden, den Kindern frühzeitig ihrer Begabung entsprechend die Lust an der musikalischen Betäliaung, sowohl des Hörens, wie des Mitarbcitens, zu wecken, so daß schon in den Boltsschulen der Keim gepflanzt wird für eine spätere Mitarbeit an musikkulturellen Bestrebungen. Das Singen allein macht es nicht, und für das Singen selbst sind wieder methodische Atem- und Lautbildungsübungen vor- geschrieben. Die Mutierenden sollen nicht singen, aber zuhören. Der Zusammenhang zwischen Musik und kindlichem Spiel wird besonders bei den kleinen Kindern leicht zu erzielen sein; bei den reiferen wird durch Vorspielen und Erklären bereits ein intellektuell und gefühlsmäßiges Begreifen musikalischer Werke eintreten können. Bei dem Versuch, die Schüler Melodien selbst erfinden zu lassen, wird man es kaum riskieren, Komponisten zu züchten, wohl aber die Erfahrung machen, daß gerade diese primitivsten kleinen schöpferischen Dinge die Freude an der Musik spornen. Dom einfachen Kinder- lied sott streben die Richtlinien die Kenntnis auch des neueren deutschen Volksliedes, des alten deutschen Bolksliedes. des Heimat- und Kunstliedes sowie von Chören, eventuell sogar mit Begleitung, an. Schließlich ist darauf zu seben. daß neben dem Verständnis elementarer musikantifcher Dinge(Tonleitern, Tongeschlcchter. Inter - voll, Akkorde. Rhythmus) auch die Musikgeschichte nicht zu kurz kommt. Durch Besuch von Konzerten und Opern, durch innere Bin- dung der Eltern an die Schul«, durch das Medium der Musik könnte tatsachlich Kulturarbeit geleistet werden, mit der eine jetzt gepflogen« Praxis des Heruntersingens von Kinderliedern noch wenig zu tun hat. Der Minister hat in Aussicht genommen, für jede Provinz einen, Fachberater für den Musikunterricht in den Volksschulen zu ernennen, niusikali'che Fortbildunaslehraänge»für Lehrer und Lehre- rinnen einzurichten. Von dieser Einrichtung wird es abhängen, ob die Richtlinien aus dem Papier stehen bleiben, oder wirtsam werde».
Wir wollen diesen Erlaß wie eine Osterbotschaft begrüßen. Es ist mehr Sinn und Freude in ihm, als in den üblichen Oster- konzerten. die die Karwoche zu bringen pflegt. Die Passionen Bachs stehen weiter in der Gunst der Chorvereinigungen und der Hörer. Es gibt kein besseres Oftergefchäft. Daß aber einmal wenigstens auch eine Matthäuspassion von Heinrich Schütz , dem großen Vor- läuser Bachs,' auf dem Programm erscheint, soll besonders belobt sein. Zu den großformatigen Virtuosen, die in den letzten Tagen Aug und Ohr in Begeisterung versetzten, zu Edwin Fischer , Bronislaw Hubermann und M i s ch a Elmau gesellten sich noch zwei, die es schwerer haben, ganz in die Gunst des Publl- kums zu kommen. Egon P e t r i besucht Berlin nur sporadisch. Die Fülle seiner Auslandsverpflichtungen läßt ihm wenig Zeit für die Stadt, von der sein Ruf ausging. Das ist die Schattenseite der internationalen Berühmtheit. Man wird immer wieder vergessen und muß die anderen, die fleißiger waren und lokalbegeisterter, wieder in der Erinnerung beiseiteschieben. Petri hat das leicht, in- sofern, als sein? vollendete Geistigkeit, gemischt mit einer reflektie- renden Küble im Bachschen Werk schnell Triumphe feiert. Phon- taste und Fuge sowie Goldmark-Dariationen erfahren unter der schlagkräftigen, weniger singenden als baumeisterlichen Hand des Vusoni-Schülers eine herbe, kraftvolle Auferstehung. Trokdem ändert sein Spiel auch nicht die Meinung derer, denen die 39 Gold- mark-Vanationen für den Konzertgebrauch nicht geeignet erscheinen. Martha Linz, die zweite der Anwärter auf einen großen Ruf. ist ein musikalisches Ilrphänomen. Wir wissen, daß sie als einzige Frau der Kunst des Dirigierens dient. S>? spielt mit virtuoser Tech- nik Klavierkonzerte und meistert in nicht weniger fertiger Art die Geige. Ein wundersam weicher, schöner Ton, auch im Forte nicht verletzend, nie aufdringlich, eine musikalische Phrasierung, ein ge> schmackvollcr Vortrag zeichnen das Spiel dieser Frau aus, die all diese stilistischen und musikalischen Vorzüge an einer Sonate von Brahms und einer von Händel im Bunde mit Raucheisen zeigen kann. Viel weniger erquickliche Eindrücke hinterließ das zweit« Kon. zert des Vereins ehemaliger Hochschüler. Die Geigen-Klavier-Sonate opus 47 von Friedrich E. Koch z«igt den jüngst verstorbenen Hoch- schulprofessor als einen formgewandten Mustker, dessen Einfälle gut sind, dessen Phantasie aber in der besten Durchführung schnell er- lahmt. Zwei ehemalig« Hochschüler, die zu Ruf gekommen sind. Stephan Frenke! und Franz Osborn spielten das Werk mit Hingabe und Leidenschaft. In vier Liedern von Anton Rudnyckyi brach sich Emmy von Stetten ihre schönsten Zähne aus. Wie sehr sie sich auch mühte, in d:ese blutlosen manirierten Gesänge eine Art von Empfindung hineinzutragen— es war vergebliche Arbeit. Dieser Komponist hat mit seinen schlechten Text- deklamationen, mit dem groben Geschwätz eines modern anmutenden Klavierfatzes zu einer bangten, opevettenhaften Gesangsmelodie ent- weder überhaupt keine kompositorische Begabung, oder eine spezifische für ein anderes als das Gesangsgebiet. Selbst unter den Freunden, die im Bechsteiirsaal saßen, war die Ablehnung stärker als die Zu- ftimmung. Das Duplex-Klavier Moor führte Winifred Ehrl st le in einem Konzert mit dem Philharmonischen Orchester vor. Max von Schillings war Gastdirigent. Dieser Flügel mit der Doppel»
klaviatur hat ein« außerordentliche Fülle und Großartigkeit des Tons. durch Koppelungen lassen sich Oktavcnqänge spielend erzielen, auch im Pasiagewerk sind wesentliche Erleichterung und besondere Spiel- oder Ausdrucksmöylichkeiten durch den Bau des Klaviers gegeben. Zuweilen hört es sich an, wie wenn sehr exakt auf drei Klavieren gespielt würde und der Diskant klingt wohliger, we'cher, fülliqer als auf sonstigen Flügeln. Diesen Vorteilen stehen allerdings Nachteile gegenüber, die besonders in einer Annäherung an den Ton van mechanischen Musikinstrumenten liegen. Es sollen vor allem keine Werke, deren Toncharakter, Dynam.k und Färbung traditionell fest- teht, auf diesem Flügel gespielt werden, sondern nur Werke, die peziell für die Besonderheit des Instruments komponiert sind. Das Q-Dur-Konzert von Beethoven , in den Ecksätzen viel zu langsam interpretiert(das Werk dauerte fast drei Viertel Stunden), klang reizvoll nur in den etwas länglich geratenen, aber orchestral auf- trumpfenden Kadenzen. W nifred Christie ist«ine Spielerin von Geschmack, sie hat einen schönen Anschlag und ein« brillante Finger- technik. Schillings dirigierte eine sinfonische Dichtung von Cäsar Franck „Der wilde Jäger". Er dirig'erte das Werk mit besonderem Schwung, dem sich die Philharmoniker willig Hingaben. Besonders tief ist das Werk nicht, aber es klingt gut. zeigt eine dramatische Durchlebung und schließlich freut man sich, wenn dieser wilde Jäger ausgejagt hat.
�Gesthlechtsprobleme' in Sowfetrnßlanö. Die groß« Zahl der Artikel, die sich in der letzten Zelt mit dem Geschlechtsleben der sowjetrussischen und insbesondere der tommu- nistischen Jugend und mit der Geschlechtslitcratur besaßt, ist neuer- dings durch einen Artikel des Volkskommissars für das Gcsundheits- wesen, Sjemaschko, bereichert worden.(Iswestija vom Z. April.) Der Artikel trägt die Ueberschrist„Unwissenheit und Pornographie unter der Maske der Aufklärung. derWissenschastundderLiteratur". Am Anfang heißt es da:„Das Bacchanal mit den Ausgaben„über die Geschlechts- fragen" dauert an. Der Büchermarkt wird nach wie vor mit einer Literatur überschüttet, die teils schmutzig, teils empörend unwissend sei. Diese„gangbare Ware" wird eifrig gekauft, das empörendste aber ist, daß diese Makulatur unter dem Deckmantel der Aufklärung der wissenschaftlichen Forschungen usw. erscheint. Nachdem sich der Autor des weiteren mit einer Reihe solcher„wissenschaftlichen" und „künstlerischen" Werke auseinandergesetzt hat, führt er u. a. einen Fragebogen an, der unter den Schlljern eines Technikums in Rjasan , also unter jungen Leuten im Alter von 16 Jahren an, verbreitet wurde. Unter den Fragen, die hier zu beantworten waren, beiindcn sich u. a. folgende: 12. Führen Sie Geschlechtsleben? Falls nicht, weshalb? 13. Don welchem Aster an führen Sie Geschlechtsleben? 14. Wie oft haben Sie Geschlechtsverkehr? 15. Fühlen Sie sich in geschlechtlicher Beziehung befriedigt? Falls nicht, weshalb? 16. Was ist Ibrer Ansicht nach vorzuziehen? Ein dauerndes geschlechtliches Verhältnis oder ein öfterer Wechsel kurzfristiger Be- Ziehungen?#»