Reichshaushalt für 1927 ist bei nicht weniger als 82 Titeln die Ermächtigung erbeten und bewilligt worden, wonach die Einnahmen den Mitteln zufließen". Dem entsprechend ist auch der Gesamtbetrag, den diese 82 Titel ergeben, außerordentlich hoch. Er beträgt rund 300 Mil lionen, genau 285 964 825 Mart. An dieser Summe find von den 20 Verwaltungen, die der Reichshaushaltsplan umfaßt, 12 gar nicht beteiligt; dagegen entfallen auf das Reichsministerium des Innern und das Reichswirtschaftsministerium fleine, unter 1 Million bleibende Summen, auf das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2,7 Millionen Mart, auf den Kriegslaftenetat 10, auf den Etat der Allgemeinen Finanzverwaltung 15, auf das Arbeitsministerium 50,8, auf das Wehrministe rium 62,4( Heer 56,8, Marine 5,6) und auf das Reichs verfehrsministerium sogar 144,4 Millionen Mart. Daß die Einnahmen, die aus diesen rund 300 Millionen eingehen und an die 82 in Betracht kommenden Fonds ohne weiteres wieder zurückfließen, nicht gering fein fönnen, er hellt ohne weiteres aus der Höhe der Beträge. Wie hoch sie sind, weiß kein Mensch im Reichstag oder in der Regierung. Die einzelnen Dezernenten wissen Bescheid nur über die ihnen unterstellten Fonds. Den Gesamtüber blic hat niemand. Wir fragen: Sind diese Verhältniffe überhaupt noch vereinbar mit dem in der Reichshaushaltsordnung festgelegten Bruttoprinzip und der Vorschrift, daß von diesem Bruttoprinzip nur in Ausnahmefällen und nur unter genauer Darlegung der Gründe abgewichen werden darf? Wie sehr diese und die früher von uns fritifierten Etatsermächtigungen geeignet sind, das Etatsbild zu verdunkeln, dafür zeugt ein Vorgang aus jüngster Bergangenheit. Bei der Beratung des Etats des Reichsverkehrsministeriums stand fürzlich im Reichshaushaltsausschuß ein Titel zur Beratung der für die Fortführung eines angefangenen Kanalbaues 1 Million Mart als siebenten Teilbetrag verlangte. Bei diesem Titel war ständig die Ermächtigung gegeben, daß die Einnahmen den Mitteln zufließen. Ein Mitglied einer Regierungspartei fragte an, warum denn für das große Unternehmen nur 1 Million angefordert werde; er habe ausgerechnet, daß in diesem Tempo die Fertigstellung ein Jahrzehnt und länger dauern werde. Prompt er widerte der Regierungsvertreter, daß man nicht mehr benötige, da außer der angeforderten Million noch mehrere Millionen aus früheren Jahren zur Verfügung stehen. Trotz dieser verblüffenden Antwort wurde ein fozialdemokratischer Borstoß, die Ermächtigung wenig ftens in diesem Fall zu streichen, abgelehnt. Man begnügte sich mit dem gänzlich unverbindlichen Wunsch an die Regierung, eine Liste der bei den Baufonds ausgegebenen und noch zur Verfügung stehenden Beträge zu erhalten.
welcher Bindung der Berwaltung und von einer Ron 1 trolle des Parlaments über die Etatsgebarung überhaupt nicht mehr die Rede sein.
Die Sozialdemokratie wird daher in den kommenden Jahren ihre Etatsfritik verschärfen und mit noch größerem Nachdrud fortsetzen. Die Dinge liegen so fraß, daß auf die Dauer auch der praktische Erfolg nicht ausbleiben kann.
Mehr Schuh für die Arbeitskraft!
Der Mangel der Kontrolle in den Betrieben. Im Jahre 1925 hat die Zahl der Unfälle in den gewerb. lidhen Betrieben nach den Berichten der preußischen Gewerbeauf fichtsbeamten um rund 43 Broz. zugenommen. In einzelnen Begirten betrug die Steigerung gegen das Vorjahr fogar 50 bis 65 Proz. Die Gesamtzahl der gemeldeten Unfälle war mit 326 000 um 98 000 höher als im Jahre 1924. Diese Zahlen zeigen, wie die im Jahre 1925 beginnende Rationalisierung mit dem verschärften Arbeitstempo sich auf die Gesundheitsverhältnisse in den Betrieben auswirken mußte. Daß es feineswegs nur eine bessere statistische Erfassung der Unfälle ist, die die Zahlen größer erscheinen läßt, als sie in Wirklichkeit sind, das geht schon aus der Tatsache hervor, daß 2600 Betriebsunfälle mit tödlichem Ausgang verzeichnet werden mußten, 400 mehr als im Vorjahr. Ebenso war die Zahl der gewerblichen Erkrankungen sehr groß. Ueber die Gründe dieser unsozialen Arbeitsverhältnisse schreibt die Gewerkschafts- Beitung", das Organ des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes :
Betrieb
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im
Im Jahre 1925 find von 100 Betrieben in Preußen nur 39,3 einer Revision durch die Gewerbeaufsicht unterzogen worden, während vor dem Kriege die Hälfte aller Betriebe fon trolliert wurden. Neben der Erweiterung des Aufgabengebietes mag die Personaleinschränkung und die Kürzung der Reisekosten in der legten Zeit auf dieses außerordentlich dürftige Resultat nicht ohne Einfluß gewesen sein. Eine befriedigende Durchführung der Arbeiterschutzbestimmungen ist so nicht zu erreichen. Wenn jeber gewerbliche die auch noch von der Gewerbeaufsicht zu betreuen sind abgesehen von den vielen Werkstätten der Heimarbeiter, Durchschnitt nur jedes dritte Jahr einmal besichtigt werden fann, dann muß sich das nachteilig auf den gesamten Arbeiterschutz auswirken. Die jetzige geringe leberwachung der Betriebe läßt schon ertennen, wie häufig und oft schmer gegen Leben und ertennen, wie häufig und oft schmer gegen Leben und Gesundheit der Arbeiter verstoßen wird. Wahr scheinlich doppelt so hoch dürfte die Zahl der Mängel in der Betriebssicherheit sein, die nicht zur Kenntnis der Behörden fam. Nicht die Feststellung der vielen Mißstände auf diesem Gebiete, sondern ihre Beseitigung, hauptsächlich jedoch ihre Berhinderung muß das Ziel der Gewerbeaufsicht sein. Ohne Bermehrung des Bersonals, ohne Bereitstellung von Mitteln zur Durchführung der Betriebstontrollen, ohne Aenderung der richterlichen Auffaffung über die Notwendigkeit eines guten Arbeiterschutes tommen wir nicht vorwärts. Warum zögern die verantwortlichen Stellen hier anzupaden? Ist das Ziel nicht der Mühe wert, hat nicht Schuß und Bevölkerung auch für die Allgemeinheit größte Bedeutung? Die Erhaltung von Leben und Gesundheit der arbeitenden wirtschaftlichen Berhältnisse dürfen nicht als Vorwand dienen zum Raubbau an der Arbeitstraft der Bevölkerung.
In der Tat ist es hohe Zeit, daß die Behörden sich die mirtfame Durchführung des Arbeiterschutzes mehr als bisher ange legen sein laffen. Die Sozialdemokratie hat bazu wiederholt ihre Forderungen in den Barlamenten gestellt. Je mehr die Rationalisierung fortschreitet, desto dringender wird auch der Ausbau der Gewerbeaufsicht, wenn verhindert werden soll, daß amerika. nische Methoden im übelsten Sinne die schwersten Gefahren für die Arbeitsfreudigkeit und die Arbeitsfähigkeit der im Betriebe Tätigen ertöten.
Dieser Vorgang ist ein neuer Beweis für die altbekannte Tatsache, daß die bürgerlichen Parteien zwar die Macht, aber nicht den Willen haben, gegenüber der geheimrätlichen nicht den Willen haben, gegenüber der geheimräflichen Bureaukratie das Budgetrecht des Reichstags zu festigen. Im Bürgerblod gilt das noch weniger als vorher. Die etatsrechtliche Kritik der Sozialdemokratie hat denn auch bisher einen praktischen Erfolg nicht gezeitigt. Immerhin haben die von der Sozialdemokratie aufgeworfenen etatsrechtlichen Fragen, die bisher überhaupt faum besprochen wurden, nun mehr in allen Beratungen einen breiten Raum eingenommen. In diesen Beratungen haben zwei Minister, Dr. Geßler und Dr. Köhler, die Berechtigung der sozial demokratischen Kritif anerkannt, die großen Sammelfonds als unerwünscht und die vielen Uebertragbarkeitsermächtigungen nicht gerade als Leuchttürme be= sonderer Sparsamteit bezeichnet. In der Tat sind die vielen im Reichshaushaltsplan der Verwaltung gewährten Arbeiter Renner aus Morchenstern zwei Wochen Arrest, Die Glasscheiferunruhen in Nordböhmen haben zunächst bem Ermächtigungen mit dem Budgetrecht des Reichstags un verschärft mit zwei Fasten, wegen ausfriedens. vereinbar; sie stehen mit Sinn und Geiſt der Reichshausbruchs eingetragen, von der Anklage der Beschädigung fremden haltsordnung in Widerspruch. Werden nun gar bei ein und Eigentums wurde er freigesprochen. Im Gablonzer Bezirk find jetzt derselben Etatsposition mehrere verschiedene Er- fogar Bersammlungen gegen die( von uns schon gekennzeichnete) Bermächtigungen zugleich gewährt, so fann von irgend waltungsreform verboten.
Tageslauf eines Weltbürgers. fuperen fie in einem italieniſchen Reſtaurant.
Der Generalsekretär der Baneuropäischen Union in Frankreich , Francis Delaifi, hielt als Gaft der Baneuropäischen Union in Belgien einen Vortrag, der im Aprilheft von Coudenhove Ralergis Zeitschrift Paneuropa" in deutscher Sprache veröffentlicht wird und dem wir den folgenden Abschnitt entnehmen. Wenn Herr Durand am Morgen aufsteht, dann wäscht er sich mit einer Seife, die aus einer Essenz vom Kongo hergestellt wird, und trocknet sich mit einem Handtuch von Baumwolle aus Louisiana ab. Dann fleidet er fich an: fein Hemd und sein Hemdfragen sind aus russischem Lein, seine Hose und seine Beste sind aus Wolle, die vom Rap oder aus Australien tommt. Er wählt eine Krawatte, deren Seide aus japanischen Rofons hergestellt ist. Das Leder feiner Stiefel ist aus der Haut eines argentinischen Ochsen, welche durch deutsche chemische Produkte gegerbt worden ist. In seinem Speisesaal, der mit einem holländischen Büfett eus ungarischem Holz geschmückt ist, bedient er sich eines Besteckes, deffen Kupfer von Rio Tinto, deffen Meffing von Detroit und deffen Silber aus Australien eingeführt worden ist. Auf dem Tisch steht sein Frühstück, frisches Weißgebäd aus Weizen, der entweder aus der Beauce oder aus Rumänien oder Kanada stammt. Er verzehrt Eier, die gerade aus Marotto gefommen sind, eine Schnitte Bökelfleisch, das vielleicht in gefrorenem Zustand aus Argentinien importiert wurde, grüne Erbfen aus talifornischen Konserven. Zum Dessert nimmt er englische Konfitüren( aus franzöfifchen Früchten und Rubazuder) und er trinkt schließlich eine ausgezeichnete Laffe Kaffee aus Brasilien . Go geftärft, eilt er an seine Arbeit. Ein elektrischer Trambahnwagen( den ein Motor von Thomson Houston vorwärts bewegt) bringt ihn in sein Amt. Nachdem er dort die Kursberichte aus Liverpool , London , Amsterdam oder Votohama durchgesehen hat, dittiert er fein Tagespenfum in eine Schreibmaschine englischer Herkunft und unterschreibt mit einem ameritanischen Griffel. In seinen Betriebsräumen erzeugen Maschinen, die in Lothringen nach deutschen Plänen hergestellt, mit englischer Rohle betrieben und die mit Rohprodukten aus aller Welt gespeist werden, Bariser Spezialartitel" für seine brasilianischen Käufer. Und er gibt Auftrag, daß die Ware mit dem ersten deutschen Frachtdampfer, der den Hafen von Cherbourg anläuft, nach Rio de Janeiro expediert wird. Dann geht er zu feinem Bantier, um einen Guldenbetrag von einem holländischen Käufer einzufassieren und gleichzeitig einen Pfundbetrag zu kaufen, um feinen englischen Lieferanten zu be zahlen. Der Banfier benüßt diese Gelegenheit, um ihn darauf aufmertfam zu machen, daß er augenblidlich über ein großes Guthaben verfüge und daß die Petroleummerte im Steigen seien. Er rät ihm daher, ein Geschäft zu machen, und Herr Durand läßt sich gerne überreden. Da man aber nicht alle Eier in denselben Rorb legen foll, gibt er Auftrag, gleichzeitig vier Schlüsse Royal Dutch" und zehn Schlüffe einer franzöfifchen Gesellschaft zu taufen, welche eine 3weiggesellschaft der ,, Standart Dil " ist.
Sehr befriedigt über den Berlauf feines Tages, tehrt er heim und schlägt seiner Frau vor, den Abend im Theater zu verbringen. Madame wirft sich sogleich in ihr schönstes Kleid( von Baquin Limited), feßt die hübsche Belzhaube aus Blaufuchs auf( aus Sibi
rien) und vergißt auch ihre Diamanten( vom Rap) nicht. Zunächst foupieren fie in einem italienischen Restaurant. Bon dort gehen fie in das Russische Ballett" oder in die Singspielhalle zu Raquel Meller , soferne fie es nicht vorziehen, ein Stüd von Gabriele d'Annunzio anzusehen, in dem Ida Rubinstein in der Inszenierung Don Bafft fpielt. Nachdem sie noch das Rautafische Kabarett" auf gesucht haben, wo eine Negerjazzband spielt, fehren sie nach Hause zurüd, und Herr Durand schläft, ermüdet von seinem so anstrengenden Tag, unter seinem Oberbett( deffen Federn norwegische Gänse gespendet haben) ein und träumt, daß Frankreich ein großes Land ist, welches sich selbst genügen und welches der übrigen Welt ein Schnippchen schlagen fönne.
Der Fall Becher vor dem Reichsgericht. Aufforderung des Schuh perbandes deutscher Schriftsteller an den Oberreichsanwalt. Der Schutzverband deutscher Schriftsteller, der als überparteiliche Organisation alle Intereffen der Schriftsteller vertritt, ersucht den Herrn Oberreichsanwalt, den Dichter J. R. Becher als Berfasser des Romans( CHCl= Ch) 2 As( Revisite) oder„ Der einzig gerechte Krieg" vor dem hohen Reichsgericht in den Stand des Angeflagten zu versetzen.
J. R. Becher wurde wegen drei beanstandeter Schreiben im Juli 1925 verhaftet und nach Erlaß der sog. Hindenburg - Amnestie wieder entlassen. Das Verfahren mußte also als eingestellt gelten.
Wegen der Verbreitung von Bechers neuem Roman, die erst nach der Amnestie stattfand, wurden die Buchhändler Reimann und Domnig angeklagt und verurteilt. Trotz der inzwischen eingetretenen Amnestie wurde aus den früher beanstandeten Schriften eine Fortgesette Handlung" hergeleitet und zwar zuungunsten des Buches, während der Begriff der fortgefeßten Handlung sonst zugunsten des Angeklagten und besonders der Strafabmessung vergesehen ist. Während als Beweisstücke der Anflage zusammenhanglos herausgeriffene Stellen benutzt wurden, hätten zugezogene Sach. verständige zweifellos dahin geurteilt, daß jedes bichterische Wert als neuer schöpferischer Att und als Offenbarung einer neuen inneren Gestaltung anzusehen ist.
Das Buch ist eingezogen worden, ohne daß der Verfasser als verantwortlicher Urheber in seiner Sache gehört worden wäre. Da tein Berleger, besonders unter der Drohung der fortgesetzten Handlung noch ein Wert von Becher zu veröffentlichen wagen tann, muß feine fchriftstellerische Eristenz in materieller und ideeller Hinsicht als vernichtet gelten.
Der Schriftsteller J. R. Becher hält es mit Pflicht und Ehre für unvereinbar, daß andere für den Inhalt seiner Schriften unverantwortliche Personen statt seiner angeklagt und ver urteilt werden.
Nachdem er sich während des zwei Jahre schwebenden Verfahrens mehrfach ohne Erfolg angeboten hat, erwartet der Schuhverband deutscher Schriftsteller vom Herrn Oberreichsanwalt, da B Der Schriftsteller J. R. Becher aus völliger Rechts und Schuglosigkeit wenigstens in die Rechte des Angetlagten perfekt werde
„ Wenn wir unseren Kaiser hätten..."
Karfreitagsschmus eines Pastorenblattes. Jedes deutschnationale Blatt bringt zum Karfreitag einen gefühl vollen Leiter mit christlichem Augenaufschlag, zumeist aus der Feder eines mehr oder minder hohen Geistlichen. Auch der Reichsbote". das rüdständigste aller deutschnationalen Bastorenblätter, bringt einen solchen Leiter. Ihn zeichnet der Generalsuperintendent- bald wird er„ Bischof" heißen D. Bits. Er beginnt mit dem schönen Sat:„ Wir grüßen dich, du stiller, heiliger Karfreitag!"
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Um diesen Gruß recht würzig zu machen, bringt der Reichs bote" zur Erbauung seiner Leser noch einige pfeffrige Sachen gegen Demokratie und Republit. Wie sollte es auch anders sein, die evangelische Kirche hat noch immer nicht genug Anhänger durch Kirchenaustritt verloren. Ihre Wortführer treiben die Gläubigen sehenden Auges davon.
In all dem Haß, der da zum Karfreitag gegen die Republik gespritzt wird, fällt fast angenehm ein angeblicher Brief auf, den ein deutsches Mädchen aus Amerika geschrieben haben soll. Der ist wirklich süß und rührend! Er ist wert, auch anderen zu Geficht zu kommen, als nur den wenigen Landpastoren, die den„ Reichsboten" lesen. Das angebliche deutsche Mädchen erzählt von zwei deutschen Arbeitern, die ihr in der natürlich amerifanischen Eisenbahn begegneten, und die Heimweh hatten:
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Ja, unser Deutschland !" sprachen sie dann. Der eine be merfte:„ Und wenn wir unseren Kaifer hätten, der erste wäre ich, der mit Weib und Kindern zurückkehren würde, und wenn ich hungern müßte. Aber als unfer Kaiser noch am Ruder war, ist feinem eingefallen, auszuwandern!" Die Gefichter von diesen Männern werde ich nie in meinem Leben vergessen. Bei den Worten unser Kaiser" belebten sich ihre schlaffen Gesichtszüge und ein Leuchten trat in ihre so müden Augen. Gerne hätte ich jedem die Hand gedrückt, aber ich fonnte nicht, das Bild meines Raisers, wie ich es seit meiner Kindheit im Herzen trage, ftand zu gewaltig vor mir. Mein einziger Wunsch war mur: Rönnte dies alles mein Raiser hören!"
Der Brief ist sicher erfunden und zwar recht dumm erfunden. 3war paßt solche christliche Erfindung eigentlich recht schlecht zum Karfreitag! Doch deshalb ist es gut, daß mein Kaiser" das nicht alles zu hören bekommt. Denn er könnte leicht feſtſtellen, wieviel wirkliche oder doch vorgeschüßte Unfenntnis in den Spalten seiner getreuesten Presse zu Hause ist.„ Mein Kaiser" meiß sicher, daß während seiner Friedensregierung", das ist in den Jahren 1888 bis 1913 einschließlich, nicht weniger als 1 million und 60 000 Deutsche den deutschen Staub von den Pantoffeln geschüttelt und den Weg nach Uebersee gesucht haben! Er weiß wahrs fcheinlich auch, daß viele der amerikanischen Soldaten, die 1918 ben Krieg gegen Deutschland entschieden, Söhne von solchen Deutschen gewesen sind, die während der Monarchie vor den herr lichen Zeiten flüchteten und in Amerifa eine zweite Heimat fanden.
Das alles weiß natürlich das„ chriftliche" und deutschnationale Blatt auch. Der angebliche Brief des angeblichen deutschen MädDoll er zeigt aber, wie ehrlich diese Sorte von Christen gerade chens aus Amerita lieft sich zwar für alte Tanten füß und gefühlam christlichen Feiertag es mit der historischen Wahrheit nimmt!
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Personalveränderung in Preußen.
Der neue Vizepräsident von Hannover . Zum Bizepräsidenten der Regierung in Hannover wurde Oberregierungsrat Majur Schneidemühl bestimmt. Masur gehört der Sozialdemokratischen Partei an. Er übernimmt in Hannover die Stelle des Genoffen Dr. v. Harnad, der als Regierungsvize präsident nach Köln gegangen ist.
Preußens Fürsorge für den Often.
Der preußische Minister des Innern setzt unmittel bar nach Ostern seine Reise durch den Osten Preußens fort. Er besucht vom dritten Osterfeiertag an bis Ende der Woche die Grenzmart Posen- Westpreußen , beginnend am Mittwoch in Schneide mühl .
Die Arbeiten am Pergamon- Museum . Im preußischen Kultus ministerium und in den Berliner Museen sind zurzeit neue Erwägungen und Versuche darüber im Gange, wie das Hauptstück des fünftigen Bergamon Museums, der große Relieffries am Albar, am wirkungsvollsten aufgestellt werden kann. Der bisherige Plan, nach dem dies Glanzstüd der Antifen- Abteilung nicht als zufammenhängender Fries, wie einst am Altar selbst und auch in dem fleinen früheren Bergamon- Museum, zu sehen wäre, sondern die Abwicklung an der Altar- Refonstruktion unterbrochen und die Reliefs auf die Museumswände hinübergezogen wären, befriedigte niemandem. Neue Gedanken zur Besserung sind aufgetaucht, unter Einbeziehung des oberen Raumes, der für die Aufstellung des Telephos- Frieses aus Bergamon dienen sollte. Ehe eine Entscheidung über die Frage gefallen ist, find die Arbeiten an der großen Mitteltreppe des Per gamon Museums, die zum Telephos- Saal hinaufführen sollte, vorläufig unterbrochen worden. Im Augenblid ist übrigens der Direktor der Antiken- Abteilung, Geheimrat Theodor Wiegand , in Pergamon selbst zum Abschluß der deutschen Grabungen eingetroffen. Mehrere hundert Arbeiter find angeworben, die Feld. bahnen und Zufahrtsstraßen zu den Grabungsfeldern werden wiederhergestellt, und in den nächsten Tagen sollen die Schürfungen beginnen.
Driffes Konzert des„ Jungen Chors". Chor der Jugendlichen, Chor der frischen Stimmen, des frohen Musizierens, des bequemen Lernens. Das Im- Kopf- behalten ist diesen Jungens und Mädels noch eine leichte Hirnarbeit. Bei anderen Chören, denen der Erwachsenen, ist der Schädel schon besetzt von tausend anderen Erinne rungen und Borstellungen. Das Auswendigsingen ist da viel feltener. Und doch ist erst in solcher Freiheit eine Einstimmung mit Text und Roten voltommen zu erreichen. Der Junge Chor" hat das Glück, in Heinz Tiessen einen zielpollen, in der Sache strengen, im Wesen aber fanften, gütigen Erzieher zu besigen. Man hört ordentlich das gute Einvernehmen zwischen Chor und Dirigent, zwischen Kindern und väterlichem Freund heraus. So weiß er denn auch am besten, was diesen Stimmen gut tut, was ihren Herzen frommt, melche Grenzen seinem Material gesanglich und inhaltlich gezogen find. Gesänge aus dem 16. Jahrhundert, fröhlich, verliebt, einfältig, herzhaft in der Melodie, primitive Gegenwartslieder aus der Feder des natürlich schreibenden, gesangsmäßig empfindenden Metallarbeiters Walter Rohde( deren kunstvollerer Sag wohl auf Tiefsens Ronto tommt); Volkslieder, Kinderlieder, schließlich als Krönung ein paar Tendenzchöre. Die Stimmung im überfüllten Haus der Singakademie ist glänzend. Auch, als Frau Peto- Schubert sehr traftvoll und tonschön mit dem etwas fahrigen Johannes Strauß die Kreuzerfonate erefutiert. Ein schöner Erfolg des Chors und feines Führers, ein Erfolg, der immer wieder neu errungen werden muß, da ja die Kräfte der Mutation wegen oft oder ständig wechseln. Um so anerkennenswerter die Stabilität der eraften Leistung. K. S.
Wichtige Ausgrabungen in Sizilien . Während der Arbeiten zur Anlage cines Sportplares bei pralus it man auf eine im Felsen ausgehauene Rammer gefioßen, die überaus mertvolle antife Stunstweife zeigte. Der Boden ist mit einem prächtigen Molait belegt und auf einem Teil der Band befinden sich sehr schöne Malereien. Auf der Wand entdeckte man auch einen Blan bon Stratus mit Biebergabe seiner Denkmäler und im Mittelpunkt der Kammer befindet sich eine Säule mit einer Statue der Minerba in vergoldeter Bronze.