Sonntag
17. April 1927
Aus der Film- Welt
Die Filme der Woche.
Dirnentragödie." ( Primuspalast.)
* Hotelratten."
( Emeltapalast.)
Beilage des Vorwärts
In dem Kontinentalhotel verschwinden täglich Brillanten und Schmuckstücke, für jeden Beteiligten eine peinvolle Affäre. Niemand weiß, wer der Dieb ist, routinierte Kinobesucher ahnen allerdings, daß das Gewissen des Herrn Alfred Gerasch nicht ganz sauber sein gezogene Dunkelmänner. Aber dann bricht bei Gerasch der
Das Drama Wilhelm Brauns eignet sich nicht für eine Verfilmung, es behandelt allein einen seelischen Vorgang, das äußere bereit erklären muß, ist bald gefunden; in Wahrheit ist er längst fann, denn Gerasch hat nun einmal eine stille Liebe für elegant aufGeschehen trägt nebensächlichen Charakter. Die alternde Dirne liebt einen jungen Menschen, der um einer Bagatelle willen das gut bürgerliche Haus verlassen hat. Um die Liebe dieses Jungen ringt fie, wirft ihren Zuhälter hinaus, denkt daran, sich eine bürgerliche Eristenz zu schaffen und fann es nicht verhindern, daß der Geliebte zu der jungen Dirne geht. Aus Eifersucht läßt sie durch ihren
etwas ermüdend. Vajda hätte das Manuskript fonzentrierter anlegen fönnen, aber er hat wenigstens für gute Gelegenheiten für den Regisseur Robert Land und die Darsteller gesorgt. Das Milieu ift erfreulich neu: der Wirkungsfreis eines weiblichen Rechtsanwalts, ber natürlich in Ehescheidungsfachen großen Erfolg hat, selbst aber absolut Männerfeindin ist. Da bedingt es die Praxis, daß sie durch Heirat mit einem Engländer englisches Staatsbürgerrecht erwirbt. Der entsprechende( Geschäfts-) Mann, der jederzeit zur Scheidung sich unheilbar in die Rechtsanwältin verliebt. Die Reize des Luftspiels bestehen nun darin, daß der sogenannte Ehemann unter allerlei Tricks und Vorwänden das Herz seiner Frau erobert und zum wirklichen Ehemann avanziert. Georg Alexander versteht es ausgezeichnet, sich in die Che hineinzuspielen; er macht auch an der Riviera und im Ballsaal gute Figur.( Trotzdem sollte man einmal aber sicher der Liebe unterliegt, wird von Carmen Boni verkörpert. Der Film hat hier eine ausgezeichnete Entdeckung gemacht. Die fonders ausdrucksvoll find ihre Augen, man glaubt ihr ihren Beruf, Darstellerin hat ein sehr feines, nie aufdringliches Mienenspiel, beMag Hansen gibt einen amüsanten Gerichtsberichterstatter, der und man wird Zeugin, wie sie Schritt für Schritt zur Liebe erwacht. fich als Eheftister zusammen mit der reizenden Evi Eva probuziert. Ida Wüst ist als Bureauvorsteher einfach tnorte.
alten Freund das Mädchen ermorden. In dieser Ueberredungsszene einen neuen Liebhaber bringen.) Die Männerfeindin, die langfam, zu verloben. Das tut er aus lauterer Basheit, da Helene H allier
entwickelt Braun dialektische Ueberlegenheit und beweist psycholo gischen Blick, und diese Szene bleibt beispielsweise im Film wir fungslos. Die Manuskriptbearbeiter Leo Heller und Ruth lage, verbreitern nur die Basis des Geschehens, sie wollen den indiviGoetz halten sich bis auf den Schluß eng an die dramatische Vorduellen Fall verallgemeinern, daher am Ende die schöne Sentenz: ,, So enden wir alle." Hinzu kommen Szenen in Ludentneipen und auf der Straße, die Stimmung und Milieu schaffen sollen, ein paar Figuren sind hinzuerfunden. Das alles ist sehr distret in den Ablauf der eigentlichen Tragödie eingefügt worden. Der Film muß komprimieren und fann deshalb nur eine psychologische Entwicklung auf ihrem Höhepunkt vorführen, damit vergröbern sich aber die Um riffe . Das zarte, hingebungsvolle Werben der alten Dirne um den jungen Manne fällt fort, in wenigen Augenblicken hat man sich bereits gefunden, und so geht es weiter. Ist der Stoff nun auch im Grunde unfilmisch, so bietet er doch eine Rolle für Asta Nielsen , und dies allein ist ein zureichender Grund. Asta Nielsen operiert zuerst alles Sentimentale fort. Nur einmal zeigt sie die vertitschte Sehnsucht der alten Dirne, wenn das sieche, alte Männchen auf dem Klavier einen Schmachtfezzen herunterflimpert. Sie betont auch nicht das demütige Betteln vor der jungen Konkurrentin, sie fordert. Und dann, als man ihr das Liebste genommen hat, versteinert sie im Schmerz, sitzt da wie eine Rachegöttin, wie eine Medusa . Aber immer bleibt sie doch die Dirne, immer ist sie von der Atmosphäre dieser Welt umgeben, in einer fleinen Geste, in einem Zucken des Mundes läßt sie erkennen, daß sie zu den Geächteten gehört. Ganz groß ist die Leistung, vor der man sich neigt. Neben Asta Nielsen hält sich nur noch Homolka, ein gutmütiger, tappsiger Lude, der nur äußerst widerwillig das Verbrechen begeht. Der Regisseur Bruno Rahe gibt die Handlung verhältnismäßig fonzentriert, fann aber nicht die Widerspenstigkeit des Stoffes bezwingen. Nächtliche Straßenfzenen find sehr gut gesehen und sehr weich photographiert, aber die Photographie beschränkt sich nur auf diese weichen verwaschenen Konturen. Eine Stimmung wird überspitzt, und ebenfalls herrscht ständig abgedämpfte Beleuchtung, was zu betont auf Stimmungs. mache abzielt und auf die Dauer ermüdet, denn die Szenen er. halten dadurch ein zu gleichmäßiges Gesicht. Vielleicht verfilmte man nur die Dirnentragödie", um Asta Nielsen herauszusehen, im allgemeinen sollte man jedoch Stoffe wählen, die auf Spannung und Tempo gestellt sind, der Film ist für psychologische Erfurfionen un geeignet. F. S.
191190 OF A
Denus im Frack." ( Bebapalast„ Atrium".)
Boran ging ein ausgedehntes Beiprogramm: Willi Rosen trägt seine gefprizten und gejazzten Couplets vor, Paul Morgan gibt eine Gaſtrolle als Telephonopfer( um die Hälfte zu fürzen). Dazu noch Wochenschau und Jazzkapelle.
„ Lieb mich und die Welt ist mein!" ( Mozartsaal.)
D.
Man hat eine Novelle von Rud. Hans Bartsch verfilmt und das ergab Lyrit mit Schmalz und Ansichtspoftfartenphotographien. Das herzige Wiener Mädel wurde in einer Aufmachung à la Schieß budenfigur vorgeführt. Die Darsteller weinten andauernd dicke Kullertränen, die Zuschauer seufzten hörbar und die Musik spielte unentwegt Lieb' mich und die Welt ist mein".. Eigentlich müßte in diesem Falle das Publikum aufgefordert werden, den Refrain mitzusingen, damit wenigstens etwas Leben in die Bude kommt. So haben nämlich von all' den unmöglichen Zwischentitein nur die Worte volle Gültigkeit, die da behaupten:" Da dehnen sich Minuten zu Stunden." Und Einfälle werden verwertet! Einfälle!-? Als der alte, edle Professor, obwohl er fünf Minuten vor der Trauung steht, nicht geheiratet wird, sondern die junge holdselige Braut sich ihren Oberleutnant Leopold von Aichinger noch aus dem fahrenden Eisenbahnzug holt, zerreißt der Herr Professor seinen schönen weißen Schlips. Das ist der Filmausdruck für geknickte Männerwürde. Und bas brachte der Regisseur E. A. Dupont fertig, den wir immerhin eine Reihe unserer besten deutschen Filme verdanken. Wenn dieses Filmchen eine Entwicklung dieses Regisseurs vorstellen soll, dann fann man nur bitten, lieber Dupont, lasse den Ozean zwischen uns, schicke auch bitte feine amerikanisierten Werke, denn schließlich sind die Berliner feine amerikanischen Cowboys, die 11% Monate des Jahres bei der Herde verbringen und dann während ihrer vierzehn tägigen Stadtanwesenheit aus naiver Freude an der Abwechslung ein dankbares Filmpublikum abgeben. pad/ Das Ufa- Programm läßt an Dürftigkeit mal wieder nichts zu wünschen übrig. Im Ufa- Magazin, das man faufen muß, um ein Programm zu erhalten, fann man zwar spalfenlange Starreflamen lesen, aber die Darsteller des zur Uraufführung gelangenden Filmes ( ohne Rollenangabe) werden nicht vollständig aufgezählt.
Der Titel ist eigentlich irreführend( denn warum ist ein weibe cher Rechtsanwalt gleich eine Venus?) und doch wieder bezeichnend, denn die darin angeschnittene Frauenfrage wird natürlich nur luft. fpielmäßig genommen. Wenn der deutsche Film ein Lustspiel aufzieht, muß man schon zufrieden sein, wenn nicht allzuviel Geschmac lofigfeiten, Trivialitäten und längst überalterte Motive geboten werden. Unser Lustspiel ist wenigstens modern, sogar höchst aktuell, nicht ohne Wig, wenn auch übermäßig lang geraten und dadurch
EME
Emelka Talast
Uraufführung
des neuen Ewefilms der Südfilm A.-G.
„ Hotelratten
mit
66
Täglich 700 u. 915 Anbeiden Feiertagen ab 500
„ Schön ist die Jugendzeit." ( Piccadilly.)
e. b.
Es ist die einfache Geschichte von der Liebe eines kleinen Studenten zu der Tochter seiner Wirtin. Die Handlung spielt irgendwo in Frankreich oder in Italien , dort also, wo es fein Korpsstudententum, fein Salamanderreiben und ähnliche ernsthafte Be schäftigungen gibt. Eine große Weltdame trübt das Liebesglück, der Student verläßt sein Mädchen, aber am Tage nach dem bestandenen Eramen sehen sie sich wieder, versöhnen sich und nehmen Abschied voneinander für ewig. Manches erscheint übertrieben, viele Typen find zu sehr Schablone und mit zu billigen Mitteln hergerichtet. Der Regisseur Genia fofettiert oft zu betont mit füßlieblichem Kitsch, doch in entscheidenden Momenten wird er durchaus wesentlich. Der Abschied der beiden Liebenden ist in großen Linien gegeben, und hier entgeht Genia der Gefahr, vollkommen bei Courths Mahler zu landen, hier genügt eine kurze Andeutung. Unterstügt wird Genia durch den prachtvoll jugendlichen und natürlichen Walter Slez ad und durch die Italienerin Carmen Boni , die das Mädchen durchaus lebensvoll gestaltet, ohne Schmachtblicke und Tränenergüsse. Man fann also auch Alt- Heidelberg- Motive be handeln, wenn der Regisseur den Mut findet, Wesentliches zu geben.
-t.
Franz Hercegs Sieben Töchter der Frau Gyurkovics" haben zu einem sehr netten Filmluftspiel Berwendung gefunden. Es ist auf Schwindeleien, Berwechslungen und Zufälligkeiten aufgebaut, es ist und tut ganz belanglos und dennoch klingt dann und wann fritisierender Hohn auf. Ragnar Hylten gleich Cawallius führt straffe Regie, geschickt werden die Darsteller von Verwechslung zu Berwechslung geführt. Bild für Bild ist auf eine leicht parodistisch angehauchte Luftigteit gestimmt. Dabei ist der Text sehr nett abgefaßt und als endlich, nach sechs Aften voller Berwicklungen, zwei Löchter sich verlobt haben, ist der Zuschauer noch guter Laune und hat jogar das ungetrübte Bewußtsein, sich amüsiert zu haben. Betty Balfour steckt voll Drollerie, Keßheit, Uebermut und hat zu alledem noch sehr viel persönliche Grazie. Lydia Potechina nugte alle Komit aus, welche die Rolle einer so besorgten Mutter zu bieten vermag. Harry Halm und Willi Fritsch brauchten mur recht liebenswürdig und liebenswert zu sein; und das waren beide. -g.
chevalereske und liebenswürdige Niels Aft her ein. Der Zuschauer gerät in heillose Verwirrung, wer ist der Richtige? Und dann schließt Afther mit Gerasch einen seltsamen Vertrag. Herr Gerasch alarmiert nämlich mitnichten die Polizei, sondern engagiert Herrn Asther für die Starrolle, sich mit der Tochter des Millionärs Mierendorff Und alles fommt dann, wie es fommen mußte, trog des Unfugs, feine Bewerbung abwies. Im Hintergrund lauert finstere Rache. den der gewichtige Oberfellner Julius von Szöreghi anstellt. Baronin, Ellen Kurti , restlos verwirrt, wozu auch einige harmDer Fall wird außerdem noch durch das Auftreten einer vornehmen lose Liebesaffären ihr Bestes beitragen. Aber im letzten Moment erscheint ein von Niels Asther verfolgter, fleiner Pavian, der seinem Besitzer Alfred Gerasch vor den erstaunten Anwesenden ein Kollier zusteckt. Nun ist alles fiar. Niels Asther und die Baronin sind scharfe Blick des Kinoroutiniers hat nicht getrogen, auch darin nicht, daß Asther das zart erglühende Millionenkind als glücklicher Bräutigam an die frisch gestärkte Frackbrust drückt. So ist eben das Leben und der Abenteurerfilm, der in diesem Falle mit einer sauberen und raffinierten Arbeit aufwartet. Tatsächlich hat Dr. Johannes Brandt ein ausgezeichnetes Manuskript geliefert. Der ver zwickte Aufbau bleibt doch übersichtlich, daß Erwartete wird durch sehr geschickte Episoden bis zum letzten Moment hinausgeschoben, Spannung und Tempo erlahmen nicht. Vor allem fehlen unbeherrschte Gefühlsergüsse, das liebevolle Knien in Sentimentalität. Jaap Spener, der Regiffeur, nimmt diese aufregenden Dinge ganz leicht, behandelt sie mit unaufdringlicher Ironie, entgeht auch der naheliegenden Gefahr, sich bei der Milieuschilderung ins Breite zu verlieren und unentwegt in Bar- und Dielenbetrieb zu machen. Ihm und den Darstellern ist es zu danken, daß hier ein spannender und unterhaltender Abenteurerfilm von Qualität entstanden ist.
Kolonial- Skandal." ( Tauenhienpalaft.)
F. S.
Die deutsche Filmindustrie muß flozzig viel Geld haben. Dieser Gedanke drängt sich einem unwillkürlich auf, wenn man diesen Kolonialskandal" betrachtet. Der Titel iſt knauig und die Handlung ist noch tnalliger. Man fährt tatsächlich nach Japan und China , um dort Kientopp zu spielen. Es wird nicht der geringste Versuch gemacht, die Handlungen mit dem dortigen Volksleben zu verweben, sie aus der Landschaft heraus entstehen zu lassen. Im Gegenteil, man scheint foloniale Kenntnisse( seit wann ist überhaupt Japan Kolonie?) aus Groschenliteratur und Erlebnissen vom KurfürstenHandlung zu konstruieren. Der Regisseur Georg Jacoby hat die damm gesammelt zu haben, um für diesen Film die undiskutierbare taufend Anregungen, die da draußen auf ihn eingestürmt sein müssen, für seinen Film nicht zu verwerten verstanden. Die Hafenaufnahmen, die er zeigt, hat jedes gute Archiv vorrätig, Beerdigungssitten usw. bringen Filmwochenschauen, warum werden sie also in diesen Film gestopft, der doch ebenso gut unter dem Titel„ Die Moritat in der: Tauenzienstraße" daheim gedreht sein fönnte. Oder sollte gezeigt werden, daß die europäischen Bergnügungsreisenden schon allein durch ihre Anwesenheit in China und Japan die Landschaft vetschandeln? Carl Meinhard zeigt als Fu- Chow große Charafterisierungskunst, aber sie bleibt in diesem Film vertane Müh. Ferner ist es jammerschade um die schöne Elga Brink , die einst zu Hoffnungen berechtigte und jetzt in derartigen Rollen beschäftigt wird. e. b.
Caffee Gold
für
Kaffee Gold
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neue
Karishader Kaffeegewürz
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TOLLWERCK Schokolade
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