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Abendausgabe

Nr. 193 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 95

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Vorwärts

Berliner   Dolksblatt

10 Pfennig

Montag

25. April 1927

Serlag und Anzeigenabteilung; Geschäftszeit 8 bis 5 yr Berleger: Vorwärts- Berlag GmbH. Berlin   S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-292

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Wahlfieg in Deutschösterreich!

Das Wiener Rathaus   mit großem Stimmengewinn behauptet. behauptet.- Mandats­

Wien, 25. April.  ( Eig. Drahtbericht.) Die Sozialdemokratie hat einen glänzenden Wahl. fieg errungen! Der österreichische Nationalrat wird voraussichtlich folgende Zusammensetzung haben: Sozialdemokratie 72 Mandate, bisher 68, Ge­winn 4 Mandate,

Einheitsliste 78 Mandate, bisher 84, Verlust 6 Mandate,

bate.

Landbund 7 Mandate, bisher 5, Gewinn 2 Man

Da ein Teil der Mandate erst auf Grund der Reststimmen nach einer komplizierten Rechnung fest gestellt wird, können noch kleine Verschiebungen ein­treten, die jedoch am Gesamtbild nichts ändern werden.

Das Ergebnis von Wien  .

Gültige Stimmen Sozialdemokraten Einheitsliste

25. April

1 146 017

4

687 291 414 397

1923 1029 732 571 464 410 288

Die Sozialdemokraten haben den Anteil ihrer Stimmen in Wien   von 55,53 Proz. auf 59,97 Proz. erhöht.

V. Sch. Wien  , 25. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Das Wahlergebnis ist ein gewaltiger Sieg der Sozialdemokratie, der die eigenen Erwartungen übertrifft. Ueberall hat die Partei an Stimmen ge­wonnen, nicht allein in Wien   und den übrigen Städten, jon­dern auch in überraschend starkem Maße auf dem Lande. Obwohl bis zur Mittagsstunde die amtlichen Gefamzahlt noch nicht vorliegen, tann man mit einem Stimmen gewinn der Sozialdemokratie von fast einer Biertelmillion( 227 000) Stimmen rechnen, der sich im Nationalrat wahrscheinlich in vier neu gewonnenen Mandaten auswirken wird. Da auch der oppofifionelle Landbund in Steiermark   und im Burgenland   zwei Man­date auf Kosten der Einheitslifte gewinnen dürfte, ist mit fechs Mandaten Berluft für die Seipel- Re­gierung zu rechnen. Das ist eine um so schwerere Nieder­

lage für die Reaktion, als fie gehofft hatte, durch die Bildung

der Einheitslifte die Sozialdemokratie zurüdzudrängen,

Die Antimargiften" hegten die Hoffnung besonders für die Wiener   Gemeinderatswahlen. Die Bürgerlichen glaubten bestimmt, daß es ihnen in Wien   gelingen würde, Die 53,000 Stimmen der Großdeutschen und die 14 000 Stimmen der Demokraten von 1923, die damals leer qusge­gangen waren, für die Einheitsliste nutzbar zu machen und drei bis vier Gemeinderatsmandate zu erobern. Das ist gründlich vorbeigelungen. Das Kräfteper hältnis im Wiener Rathaus   bleibt under­ändert. Die Zusammensetzung des neuen Gemeinde rates ist:

Sozialdemokraten Christlichsoziale

Großdeutsche

78( bisher 78) 40( 41) 2("

"

0)

"

1)

Jüdischnationale( Zionisten)... 0(

zuwachs im Nationalrat.

In ganz Desterreich werden die Kommunisten höchstens 13 000| Stimmen erzielt haben gegenüber etwa Millionen sozial­demokratische Stimmen.

Die Wahlkreisergebnisse aus dem Lande liegen noch nicht vollständig vor, doch dürften die Sozialdemokraten nur noch um 250 000 Stimmen hinter der Einheitliste zurückstehen. Sie haben schon jetzt mehr Stimmen erhalten als die Chriftlichsozialen im Jahre 1923.

Ueberraschend gut abgeschnitten haben z. B. Tirol und Borarlberg, obwohl gerade dort die schmutzigste persön liche Heze gegen die Führer der Sozialdemokratie getrieben worden war. Führende bayerische   Genossen haben sich dort sehr aktiv an der Wahlpropaganda beteiligt. Ein be­merkenswertes Ergebnis ist die Erringung einer fozialdemo fratischen Gemeinderatsmehrheit in Linz  , wo die Partei 32 von 60 Mandaten erhält( bisher 30: 30). In Wiener Neustadt   ist die bisherige sozialdemokratische Zweidrittel­mehrheit geblieben. Die Kommunisten haben dort ihr ein­ziges Mandat verloren, die Sozialdemokraten haben wie bis her 29 Mandate. In St. Pölten   haben die Sozialdemokraten im Gemeinderat ebenfalls die Zweidrittelmehrheit.

And den Einzelergebnissen.

Innsbrud. Bei den Nationalratswahlen in Tirol wurden Dapon entfallen auf Einheitsliste 128 949 gegen 125 687 Großdeutsche 172 689 gültige Stimmen abgegeben, gegen 157 216 im Jahre 1923. und Christliftsoziale im Jahre 1923, auf Sozialdemokraten

Ein glänzender Sieg.

Unsere Glückwünsche den österreichischen Genossen! Bon Hermann Müller  .

Die deutschösterreichische Sozialdemokratie hat am Sonn­iag einen glänzenden Sieg erfochten. Wer während der Wahlbewegung in Wien   und Desterreich die Begeisterung fennengelernt hat, mit der die Arbeiter, Angestellten und Beamten ihrer Partei, der sozialdemokratischen, anhängen, Die Sammlung aller den überrascht dieser Sieg nicht. bürgerlichen Parteien auf einer Einheitsliste hat die Werbe­fraft der Sozialdemokratie nur erhöht. Wer freiheitlich dachte, mußte in das Lager der Roten  " flüchten. Durch die Einheitsliste war der Kampf der Weltanschauungen unter den

bürgerlichen Parteien ausgeschaltet. Gegen die Wahllügen des Sammelbreis aller Bürgerlichen kam die Sozialdemo­Pratie leicht auf. Denn für sie zeugten Taten. Am be­weiskräftigsten dort, wo, wie in Wien  , die Sozialdemokratie die Mehrheit hatte.

38 788 gegen 31 378. Es find gewählt: 6 Kandidaten. Der Einheitslifte und 2 Sozialdemokraten, welche das zweite Mandat im Jahre 1923 erst im Rest stimmenverfahren erhielten.

Niederösterreich  . Nationalrat, Wahlkreis Kornenburg: Ein­heitsliste 125 681 gegen etwa 118 000 Christlichsoziale und Groß­deutsche 1923, Sozialdemokraten 45 546( 39 650 im Jahre Wiener Wald: Einheitsliste 129 639 gegen etwa 1923). 122 000 für Christlichsoziale und Großdeutsche im Jahre 1923, GD= zialdemokraten 158 344( 139 782).

-

Salzburg  . Ginheitsliste 73 900 gegen etwa 70 000 für Chriftlich­foziale und Großdeutsche 1923, Sozialdemokraten 39 249 ( 30 958). Die Sozialdemokraten gewinnen ein Man­dat auf Kosten der Einheitsliste.

Innviertel  : Einheitsliste 53 013, etwa die gleiche Zahl wie 1923 zusammen. Sozialdemokraten 14 003 gegen 10 999, Landbund 13 376, unverändert.

14 268.

Hausrudviertel: Einheitsliste 68 927 gegen 80 993 im Jahre 1923, Sozialdemokraten 28 984 gegen 24 511, Landbund Mühlviertel  . Gewählt sind drei Mitglieder der Einheitslifte, das Reststimmenmandat( bisher Christlich- Sozial) fällt an die Sozialdemokraten.

Die Landtage.

Wien  , 25. April.  ( WTB.) Die neugewählten und zum Teil ver­fegung übersehen. Es fehlen nur noch Kärnthen und Steiermark. ringerten Landtage laffen sich bereits in ihrer neuen Zusammen­In Wien   ist der Gemeinderat zugleich Landtag.

Landbund 1( 2)

Einheitslifte Niederösterreich 38( 36)

Sozialdem.

21( 22)

Oberösterreic

37( 44)

21( 22)

5( 0)

Salzburg  

17( 16)

9( 10)

2( 1)

Tirol

30( 82)

10( 8)

Boralberg

22( 23)

7( 5)

1( 2)

Burgenland  

15( 18).

12( 12)

ŏ( 7)

Burgenland  . Landbund 5.

Einheitslifte 14, Sozialdemokraten 13 Mandate,

Kleine Zwischenfälle. Wien  , 24. April.  ( WTB.) Die Polizeiforrespondenz meldet, daß sich in der Stadt Stadt zwar feine nennenswerten 3wischenfälle ercignet hätten, insgesamt 50 Personen von der Bolizei, teils wegen fleinerer Verstöße gegen die Wahlordnung, festgenommen, aber nach Feststellung der Personalien sowie des Tat­bestandes wieder entlassen worden seien.

Bürgerblock- Enttäuschung über Oesterreich  . Das Berliner   Organ der Einheiteliste gibt Ratschläge.

Die reichsdeutsche Presse hat am Wahlkampf in Deutsch­östereich teilgenommen wie faum an einem anderen Wahl­lampf. Sie hat in diesem Wahlkampf parteimäßig scharf Diese starle Anteilnahme beweist, daß Stellung genommen. man in allen Parteien sich eins fühlt mit Deutschösterreich, daß Deutschösterreich für Deutschland   nur Muß- Aus= land ist.

Nach dem Weltkriege hatten die schwarzgelben Habs­burganhänger auch in Desterreich nichts hinterlassen, als Halden von Schutt und Haufen von Schulden. Auf diesem Grunde hat die Wiener   sozialdemokratische Rathausfraktion unwiderlegliche, weil sichtbare Aufbauarbeit geleistet. 3 um Die Hugenberg- Bresse hat den deutschösterreichischen Nu zen des schaffenden Volkes. Das österreichische Wahlkampf in Deutschland   wie ein Berliner   Organ der Ein­Bolf quittierte dafür, indem es am Wahlsonntag sozialdemp- heitsliste geführt, gehässig, verlogen, schamlos hezend. Und fratisch wählte. Der Wahlkampf wurde in Desterreich vor nun! Bürgerliche Mehrheit in Desterreich. Der sozial­allen Dingen um Mieterschutz und Steuerverteilung geführt. demokratische Ansturm abgeschlagen." So tröstet sich der Aber die österreichischen Sozialdemokraten führten diesen of al- Anzeiger" über den sozialdemokratischen Wahl­fieg. Sozialdemokratischer Ansturm abgeschlagen! Das Ber­schmettert, daß es nicht die Wahrheit über die Bedeutung des Wahlausganges zu sagen wagt.

-

Bei absolutem Proporz hätte sich in Wien   das Verhältnis Wahlkampf mit so beneidensmertem Elan, weil sie über die finer Organ ist vom Ergebnis dieser Wahl so niederge­

noch wesentlich zuungunsten der Partei gebeffert, denn sie hat in Wien   rund 120 000 Stimmen gegenüber 1923 gewonnen. Für den Nationalrat hat die Sozialdemokratie in Wien   zwei Mandate auf Kosten der Einheitslifte ge­wonnen. Bien hat bei rund 1260 000 Wahlberechtigten fast 700 000 jozialdemokratische Stimmen abgegeben.

Forderungen des Tages hinaus verbunden sind durch den Kampf um das sozialistische Ziel. Unter einer besseren Ge­sellschaftsordnung soll es den Werftätigen vergönnt sein, wirklich zu genießen, was sie schaffen.

Diefer Kampf ging um Bien, um das rote Wien! Das rote Wiener Rathaus   zu erobern, die Stellung der Sozial­Der Wahlkampf wurde wahrhaftig nicht nur um die Er- demokratie in Wien   zu brechen diesem Ziel galt der An= ringung materieller Güter geführt. Die Erwähnung des Sturm der vereinigten Bürgerlichen  ! Dieser An­Wie wenig die Kommunisten zu bedeuten haben, Anschlußgedankens entfesselte in jeder Wählerver- sturm hat mit einer großen Niederlage der bürgerlichen Ein­zeigt die Tatsache, daß man ihre einzelnen Stimmenzahlen zufammlung Stürme des Beifalls. Der österreichische Bruder Wien   ist stärker als zuvor. heitslifte geendet. Die Stellung der Sozialdemokratie in nächst überhaupt nicht zusammengezählt hat. In ganz Wien  Sie gewinnt an Stärke im beträgt ihre Stimmenzahl rund 8900 Stimmen, also etwa 1,3 tamm will zurück zum deutschen   Volke. Er verzichtet auf die Nationalrat. Sie ist der Sieger dieses Wahlgangs. Wir Brozent der sozialdemokratischen Stimmen und weit weniger Eigenftaatlichkeit, die Siegergewalt durch die Verträge von wünschen der Einheitslifte der Bürgerlichen   in Deutschöfter­als 1 Proz. der gesamten abgegebenen Stimmen. Sie haben Versailles   und St. Germain ihm aufzwang. Die österreich   noch mehr solcher Lokal- Anzeiger"-Siege! etwa 5000 Stimmen weniger als 1923. Das einzige positive reichische Sozialdemokratie ist die Borkämpferin des An- Der Lokal- Anzeiger" gibt der Einheitsliste gute Rat­Ergebnis, das die Kommunisten buchen können, ist, daß sie schluffes an die deutsche Republik. Das weiß man in Defter- schläge für ihre praktische Politik: in Wien   durch ihre Absplitterung den Berlust reich. Daher folgten so viel am 24. April der Fahne der eines sozialdemokratischen Gemeinderats deutschösterreichischen Sozialdemokratie. mandats in der Arbeitervorstandt Ottakring   erreicht haben! Dieser Berluft wird allerdings durch einen Gewinn der Partei in einer anderen Borstadt ausgeglichen. Ebenso et in Niederösterreich   die Einheitsliste den Kommunisten den Bewinn eines Landtagsmandats zu verdanken. Die Em pörung unter den Arbeitern über die Mos­gauer Helferbiente für Seipel ist nicht gering.

Der Sieg der österreichischen Sozialdemokratie ist die Frucht emfigster Aufklärungsarbeit, gepflückt von einer Bartei, die ein unter der Fahne der Sozialdemokratie geeintes Proletariat repräsentiert.

Zu diesem Kampf und diesem Sieg der deutschösterreichi Schen Bruderpartei unsere herzlichsten Glückwünsche.

Man möchte hoffen, daß die staatsbürgerlichen Parteien in Defierreich aus dieser Betätigung ihrer Politit nun auch die Fol. gerungen ziehen werden: die Folgerungen, die dahin gehen müffen, den Sozialdemokraten nicht mehr in dem wird sich einmal auf die 2uffichtsrechte des Bundesstaates bisher beliebten Maße freie Hand zu geben. Das gegenüber Land und Stadt Wien   zu beziehen haben; zum anderen aber auch auf das österreichische Seer, bas befanntermaßen im mefentlichen eine bewaffnete sozialistische Gewerkschaft darstellt.