Saumblüte c Das schnelle Wachstum Berlins hat es mit sich gebracht, daß der Berliner in seiner Neigung zur Anbetung der großen Zahl allzu leicht in den Fehler verfällt, alle anderen Gemeinwesen ringsum gering zu schätzen. Und das ist nicht gut. Denn er denkt nicht daran, daß es gerade Berlin ist, das den kleineren Städten in der Provinz Brandenburg den Atem genommen hat. Was nach Berlin kommt, ist tatsächlich nur Mittelstadt : Brandenburg , Prenzlau , selbst Kottbus und Franksurt. Und was weiß der Berliner von Guben ? Die Gubener selbst wissen, daß man in Berlin meint. ihre Stadt liege in Schlesien oder gar in Sachsen.(Uebrigens: von 1635 bis 1815 war sie wirklich sächsisch!) Um dem und anderen Miß- urteilen abzuhelfen, kam man im Gubener Verschönerungs- und Ber- kehrsverein auf den guten Gedanken, seine Fühler auch mal nach Berlin auszustrecken. Der Berliner schwört nur auf Werders Baumblüte. Soll er! Aber man würde lügen, wenn man die Gubener Neißehöhen und die dahinter liegenden Hügelketten gesehen hat und nur sagt: Auch ganz nett! Man stelle sich vor, man kommt aus einer mit allem kommunal-hygienischen Komfort unserer Zeit versehenen Stadt von 45 000 Einwohnern heraus und ist in zehn Minuten mitten in einem Blütenparadies! Man klettert durch gewundene Wege zu mancherlei Höhen empor und blickt dort oben in unabsehbare Fernen und hat doch zugleich das Bewußtsein der Nähe der Menschen. Zehn Minuten abwärts und man ist wieder im Strom der Zeit. Ob aber aus den Höhen, ob drunten in der Stadt, man merkt es überall, daß die Gubener nicht umsonst zweihundert Jahre zu den Kur- und Kaffee- sachsen gehört haben, sie sind urgemütliche Leute, ganz anders ge- artet als in der gar nicht weit gelegenen preußisch-steifleinenen Re- gierungshauptstadt Frankfurt . Und noch eins kommt hinzu: Guben ist 600 Jahre lang eine W e i n st a d t gewesen. Man hat einen guten trinkbaren Tropfen gebaut, der weit über Land gegangen ist. Aber als dann mit dem Auskommen der Eisenbahn der westliche deutsche Wein in alle deutschen Gaue gebracht wurde, da war es doch mit der Weinherrlichkeit vorbei. Die Gubener Winzer aber jammerten
n der Neiße . nicht wie die rheinischen und sie warfen auch der hohen Obrigkeit nicht die Akten aus den Fenstern, sondern stellte» sich u'm auf O b st b a u. Heute aber ist man bereits dabei, sich erneut umzustellen: Berlins Verbrauch an Frühgemüse ist enorm. Aus Holland wird für viele Millionen Goldmark eingeführt. Guben ist im Begriff, aus einer Obst- eine Frühgemüssstadt zu werden. Hektar um Hektar wird unter Glas gelegt. Die Stadt selber ist, was kein Mensch ahnt, die Wiege der deutschen Hutindustrie. Die„Bcrlin-Gubener Hutiirdustrie" mit fünf Fabriken und 4000 Arbeitern ist die größte. Auch die T e x t i l i n d u st r i e ist rühmenswert. Das Merkwürdige und Er- srculiche ist, daß man von der Industrie nichts merkt. Und wenn man hinfährt— die Reichsbahn gibt für 5,00 M. Wochenendkarten aus— und man sich an der Blütenschönheit, die nach der Kirsch- blüte die Apfelblüte zeitigt, ergötzt hat, dann soll man auch den Leib pflegen. Bei den Gubener Spezialitäten: Grützwurst, Plinzen und einem billigen feinen Apfelwein, wie man will, mit oder ohne Alkohol, läßt sich wohl sein. Sehr wohl sogar, selbst dann, wenn man als bescheidener Wandersmann mit Glücksgütern nicht ge- segnet ist. «- Da es keineswegs nur in Werder eine sehenswerte Baumblüte gibt, hatte sich die Reichsbahndirektion Berlin entschlossen, den Berlinern auch eine andere immerhin noch in der Mark zu sin- dende Baumblüte mittels Extrazug zugänglich zu machen, der nach der Neißestadt Guben dirigiert werden sollte. Leider war der lobenswerte Versuch der Reichsbahn nicht von Erfolg gekrönt, denn die Berliner zogen es vor, am vergangenen Sonntag in den Federn zu bleiben. Die zum Extrazug Gekommenen wurden in den fahr- planmäßigen Zug verfrachtet, der denn auch schließlich in Guben landete. Und in der Tat, die Fahrt lohnte sich. Ein Blütentag an der Neiße ist ein Erlebnis. Die Berliner sollten die Bemühungen der Direktion, auch wcitergelegene Teile der Mark Brandenburg durch Extrazüge zu erschließen/ unbedingt unterstützen.
Gegen Sie Erhöhung üer Postgebühren. Ter Großhandel protestiert. Eine Kundgebung des Zentralverbandes des Deut- schen Großhandels wendet sich mit großer sachlicher Schärfe gegen die geplante Erhöhung des Brief- und Paketportos. Diese würde eine erhebliche Gefahr für die Bemühungen, der Wirtschaft die Gestehungskosten zu senken, bedeuten. Gerade der Großhandel, der mehr als andere Wirtschaftsgruppen auf briefliche Propaganda durch den Versand von Drucksachen und Muster- sendungen angewiesen ist, würde von den Portoerhöhungen schwer getroffen werden. Die Abwälzung der Mehrkosten aber würde die Tendenzen stärken, die auf eine weitere Anspannung der wirt- schaftlichen Gesamtlage hindränge. Eine Erhöhung der Gebühren könnte demnach nicht stark genug verurteilt werden.
Zusammenbruch panamerikas. Der Plan des Gcgenvölkerbundcs gescheitert. In Montevideo , der Hauptstadt der südamerikanischen Republik Uruguay , tagte seit einigen Wochen der„Kongreß des internationalen amerikanischen Rechtes". An ihm beteiligten sich hervorragende Juristen und Diplomaten aller amerikanischen Staa- ten, von Argentinien im Süden bis zu den Vereinigten Staaten des Nordens. Seine Einberufung war beschlossen worden auf der letzten panamerikanischen Konferenz. Brasilien hatte, als es aus dem Völkerbund ausschied, demonstrativ seinen Genfer Vertreter Mello Franca zu diesem Kongreß delegiert. Er hatte die Aufgabe, den panamerikanischen Völkerbund zu schaffen. Am Montag ist der Kongreß beendet worden, ohne daß„irgend- welche Beschlüsse gefaßt" wurden. Die Tagung scheiterte an dem nordamerikanischen Imperialismus. Erst am Montag hat Coolidge behauptet:.Imperialistische Ziele liegen den Vereinigten Staaten völlig fern!" Aber schon in dem nächstfolgenden Satz erklärte er: „Für Mittelamerika fühlen wir uns besonders verantwortlich!" Diese Politik der„moralischen Verantwortlichkeit" hatte in Kolum- bien eine Resolution inszeniert, um die Provinz Panama unter nordamerikanische Botmäßigkeit zu bringen. Sie hat kürzlich die Vereinigten Staaten an den Rand des Krieges mit Mexiko gebracht und in Nikaragua die rechtmäßige Regierung beseitigt. So beginnt endlich der nordamerikanische Expansionsdrang die pan- amerikanischen Illusionen zu zerstören. Die Südamerikaner wollten kein Panamerika, in dem Nordamerika Mittelamerika von Rechts wegen verschlingt. Sie bedanken sich für einen panamerikanischen Völkerbund unter nordamerlkanischem Protektorat. Die Auswirkungen des ergebnislosen Verlaufs der Tagung in Montevideo werden sich gegenüber Europa erst allmählich bemerk- bar machen. Aber man wird erwarten können, daß schon in diesem Jahre die südamerikanischen Staaten die Veranstaltungen des Völkerbundes wieder zahlreicher besuchen werden, nachdem sie in den letzten Jahren, in panamerikanischen Hoffnungen befangen, Genf vernachlässigt hatten. England wirkt nicht ein. Es überläßt Tüdslawicn, allein mit Mussolini fertig zu werden. Paris , 27. April. (Eigener Drahtbericht.) Die Pariser Presse veröffentlicht heute längere Kommentare über den Besuch des neu- ernannten italienischen Botschafters in London bei Chamberlain. „Echo de Paris" will wissen, daß die Unterredung in einem außer- ordentlich versöhnlichem Tone geHallen war. Der italienische Botschafter habe den Auftrag gehabt, darauf zu verweisen, daß der Vertrag von Tirana unter keinen Umständen in die Dis- kussion mit Jugoslawien einbezogen werden könne. Im übrigen vertritt der Korrespondent des genannten Blattes die Ansicht, daß der englische Außenminister die Absicht hat, sich aus dem ganzen Konflikt zurückzuziehen und weder in Belgrad noch in Rom weitere Schritte unternehmen zu lästern_
vertrauen für Tschiangkaifchek. Beschluß der europäischen Kuomintang-Tektio». Paris , 27. April. (WTB.) In Paris ist gestern der 6. Kongreß der europäischen Delegierten der Kuomintangpartei zu Ende ge- gangen. Nach Schluß der Verhandlungen hat der Generalsekretär des Pariser Exekutivkomitees vor Vertretern der Presse Erklärungen abgogebe», die eine Dertrauenskundgebung für Tschiangkaischek dar- stellen. Er sagte u. a.: Zwischen den Kommunisten und uns ist fortan der Bruch eine vollkommene Tatsache; er war un- vermeidllch. Tschiangkaischek hatte schon vor dem Fall Schanghais beschlossen, sich von dieser Fessel zu befreien. Gewiß, er hatte zunächst die Sowjetpropaganda unterstützt, die ja manches Gemeinsame mit unseren Bestrebungen hatte, aber dieses Experi- ment ist verhängnisvoll für uns gewesen, wir wünschen es nicht zu wiederholen. Hinsichtlich der Methoden und der zu er- reichenden Ziele trennen wir uns vollkommen von Moskau . Die Kuomintangpartei ist national. Die demokratischen Grundsätze Sunyatsens sind nicht die Karl Marz' und Lenins . Wir haben ihnen Treue geschworen und vertrauen ans Tschiang- koischck.
Rätekongreß nur noch alle zwei Jahre. Verfassungsänderung wegen der friedlichen Entwicklung. Moskau . 27. April. Der Rätekongreß der Sowjetunion wählte gestern den aus 585 Mitgliedern bestehenden Hauptvollzugsausschuh der Sowjetunion , darunter ein Drittel Parteilose. Ein Antrag der Vertreter einiger Republiken, den Rätekongreß nur alle zwei Jahre statt wie bisher jährlich einzuberufen, da die Sowjetunion in eine friedliche Entwicklungsperiode eingetreten und imstande sei, die Hauptgrundsätze ihrer Politik für längere Zeit festzulegen, wurde vom Kongreß ein st immig ange- nommen und ebenso die daraus bezügliche Abänderung der Ver- fassung. Darauf wurde der Rätekongreß geschlossen. Das neue norwegische heeresgesch ist vom Parlament ange- nommen worden. Das jährliche Wehrbudget beträgt 4 0 Milli- onenKronen gegenüber bisher 46 Millionen und verteilt sich mit 27 J4 Millionen auf das Heer und 12'A Millionen auf die Flotte. Außerdem sind bis auf weiteres 10 Millionen jährlich für Neuanschaffungen in Aussicht genommen. Die Dienstzeit wird weiter eingeschränkt und umfaßt bei der Infanterie nunmehr eine Rekrutenausbildung von 72 Tagen und zwei Regimentsübungen von je 24 Tagen. Allerdings wird diese Beschränkung erst nach und nach durchgeführt.
Eine„ehrliche' Graut. Das Erlebnis eineS Tentfch-Amerikauers. Wenn es auch immer heißt, die Frauen seien schlecht, raffiniert und unberechenbar, so soll das folgende Beispiel den schlagenden Beweis liefern, wie sehr Unrecht man ihnen zuwellen doch tut. Lernte da ein Deutsch. Amerikaner, der sich von seiner strammen Arbeit drüben hier in der Heimat ein wenig erholen und des Lebens feuchtfröhliche Seite samt dazu gehöriger holder Weiblichkeit aufs neue genießen wollte, in einer fröhlichen Kneipe ein nettes, kleines Mädel kennen. Das ausgehungerte Herz fing allsoglcich Flamme, der Alkohol tat das seinige, man kaufte beim nächsten Juwelier die Ringe und schon war der Bund fürs Leben durch eine richtiggehende Verlobung besiegell. Das Fest wurde nach allen Regeln alkoholischen Gcnießertnms gefeiert und das Ende vom Liede war, daß der glückliche Bräutigam, ungewohnt des vielen Trinkens, selig einschlief. Das Bräutchen empfahl sich nicht weiter und ernschwand in die heimatlichen Gestade. Wer beschreibt nun das Entsetzen des allmählich erwachenden Bräuti- gams, als er Uhr, Brieftasche und Verlobungsring als nicht mehr vorhanden feststellen mußte. Ein Unglück kommt selten allein und es fiel seinem dämmernden Bewußtsein ein, daß er, wie welland Elsa von Brabant weder Stand noch Art der geliebten Braut wußte. Cr wandte sich an die Kriminalpolizei, die auch alsbald die Personalien der Entschwundenen feststellte und ihr einen Besuch abstatte» wollte. Sie traf sie aber nicht zu Hause an und ging noch- mal? nach dem Lokal, um vielleicht dort Näheres über das Mädchen zu erfahren. Abermaliger Schreck, jedoch diesmal ein freudiger— die Braut war hier bereits anwesend, hatte Brief- taschc, Uhr und Ning mitgebracht und erzählte, sie hätte die Sachen heimlich an sich genommen, damit sie nicht vielleicht in unrechte Hände geraten könnten. Inzwischen erschien auch der Bräutigam wieder und— gerührt von soviel aufopscrnder Menschenliebe— schloß er all die wieder- gefundenen Kleinodien mit der Braut in seine Arme und gedenkt in Kürze mit der auf diese Weise glücklich Erheirateten nach Amerika abzudampfen.
Polizei und Stahlhelmtag. Der Allgemeine Preußische Polizeibeamten- verband, eine aus freigcwerkschastlichem Boden stehende, dem Allgemeinen Deutschen Deamtenbund angeschlossene Organisation, erläßt zum bevorstehenden Stahlhelmtag folgenden Aufruf: „An die Polizeibeamten Groß-Berlins! Kollegen! Am 7. und 8. Mai veranstalten die sogenannten„Vaterländischen Verbände", insbesondere der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten , ein Treffen im republikanischen Berlin . Es ist damit zu rechnen, daß diese Ver- anstaltung zu Zusammenstößen mit Andersdenkenden führt und Ruhe und Ordnung erheblich gestört werden. Der schon nicht leichte Dienst der Polizei wird hierdurch noch bedeutend erschwert. Kol- legen! Da heißt's klaren Kopf und starke Nerven. Die Ruhe und Besonnenheit nicht verlieren! Insbesondere aber muß die Polizei gerade an diesem Tage sich ihres Eides und der daraus sich ergeben- den Pflicht bewußt sein, nämlich: Das Ansehen der Republik zu wahren und diese zu schützen. Kollegen! Denkt am 7. und 8 Mai daran, daß Ihr republikanische Polizeibeamte seid, daß man auf jeden von Euch an diesem Tage ganz besonders sieht Tut Euren Dienst, wie es die Republik von Euch oerlangt und seid Euch Eurer arohen Aufgabe bewußt. Laßt Euch von keiner Seite provozieren! Vor allem habt die Augen aus! Meldet uns. Euren Verband, Euren Beamtenausschüssen sofort, wenn Ihr zu Dingen besohlen oder ver- wandt werden sollt, die Ihr als Revublikaner nicht tun dürft. Wir sind dessen gewiß, Kollegen, daß Ihr gerade an diesem Tage aller Welt zeiat, daß die Berliner Poltzet„republikanisch treu und ver- läßlich" ist. Besonder» Vorfälle bitten wir un- sofort mündlich oder telephonisch zu melden. Unser Berbandsbureau richtet für den 7. und 8. Mal Dauerdienst»in. Der Vorstand des Allgemeinen Preußischen Polizeibeamtenverbandes, Betnarek, Klenz, Hildebrandt." Der Verband der preußischen Polizeibeamten(Schraderverband) nimmt zu den Dingen in folgender Weis« Stellung, wie aus den Mitteilungen seines Vorsitzenden hervorgeht: Die Berliner Polizei wird am 7. und 8. Mai die ihrer harrenden Aufgaben nur dann in einwandfreier, dem Wohl der gesamten Oeffentlichkeit dienenden Weise lösen können, wenn an diesen Tagen ein unbedingt enges, durch nichts zu erschütterndes Vertrauensverhältnis zwischen Mann- schast und Führer bestehen wird. Wenn das nicht der Fall ist. würde die Polizei ihre Aufgabe nicht zu lösen vermögen. Die Polizei- beamten bedauern allerdings, und dies muß gesagt werden, daß die maßgebenden Behörden am 7. und 8. Mas das„Spiel mit dem Feuer" überhaupt zugelassen hoben. Denn in Berlin ist der Platz. auf dem politische Meinungsverschiedenheiten nicht immer nur mit den Waffen des Geistes ausgetragen wird. Jeder Polizeibeamte muß am 7. und 8. Mai seine voll« Pflicht tun, und niemand darf sich von einer parteipolitischen Einstellung leiten lassen. Alle Be- amten haben im Gegenteil die Pflicht, gerade in diesen Tagen zu zeigen, daß die Sicherheitsbeamten über den Parteien stehen. Die
Polizeibeamten erwarten aber auch von den maßgebenden Stellen, daß für die starte Inanspruchnahme, der sich die Beamten zu unter- ziehen haben, nicht lediglich der Dank der Regierung ihnen aus- gesprochen, sondern daß die Anerkennung in wirtschaftlicher Form ihnen zuteil werden wird.
Ueberschwemmung in einer Laubenkolonie. Die Feuerwehr wurde heute früh gegen 0 Uhr nach der Kolonie „Hermannshöhe" gerufen, die an der Berliner Straße in Weihensee liegt. Auf dei� Alarm„Ueberschwemmung— Menschenleben in Gefahr" rückten zwei Löschzüge an die Gefahrenstätte. Das gesamte Laubengelände in einem Umfang von vielen Morgen stand völlig unter Wasser. Die starken Regenfälle der letzten Tage hatten den Boden derart mit Feuchtigkeit gesättigt, daß sich mehrere große Seen stauten. Als heute früh einig« Siedler, die draußen wohnen, an ihre Arbeitsstätte gehen wollten, war ihnen der Weg durch die Wassermengen versperrt. Einzelne Lauben standen bis zu einem halben Meter und darüber unter Wasser. Un- mittelbar« Gefahr für das Leben der Siedler, die allerdings großen Schaden erlitten haben, bestand jedoch nicht. Die alarmierte Feuer- wehr arbeitete während des ganzen Vormittags ununterbrochen mit zwei Motorspritzen, um die gewaltigen Wassermengen zu entfernen. Das Unwelker im Reich. Die Nachrichten über die Unwetter- und Hochwasserschäden aus dem Reich und dem Ausland nehmen immer beunruhigendere Formen an. In Deutschland besonders scheinen sich die verderblichen Ueberschwemmungen des vergangenen Jahres wiederholen zu wollen. Die aus dem Oberlaus der Oder gemeldete große Hoch- wässerwelle hat in ihren Ausläufern das Gebiet von S ch w e d t- G a r tz an der Oder erreicht. Aus dem S t e t t i n e r Haff sanken bei dem schweren Unwetter zwei mit Kies bcladene Kähne. Während dis Besatzung des einen sich retten konnte, enrank von dem anderen der Schisser Max Schmidt mit Frau und Kind.— Auf mecklenburgischem Gebiet ist das Wasser bis heut- vormittag wiedsr uni drei Zentimeter gestiegen. Unauf- haltsam dringen die Wassermassen in die Deiche der Sude. Die Elb- deiche scheinen vorläufig nicht gefährdet zu sein, da der orkanartige Sturm nachgelassen hat.— In Ostpreußen hat der Sturm am gestrigen Tage mannigfachen Schaden angerichtet. Infolge des mit einer Sekmidcngeschwindigkeit von 22 Ptetern aus dem Haff in den Pregel drückenden Sturmes stieg der Fluß 1,40 Meter über seine normale Höhe. Der Maschinenraum der neuen Eisenbahnbrücke wurde unter Wasser gesetzt. Das Hochwasser reicht bis Tapiau. _
Kuhnert protestiert gegen seine Auslieferung. Der in Paris verhaftete Bankier Kuhnert hat gegen die von der Reichsregierung beantragte Auslieferung bei dem zuständigen französischen Gerichtshof Einspruch erhoben. Das Gericht ist aber über diese Einwendungen hinweggegangen und hat sie nicht für stichhaltig erklärt. Infolgedessen hat die französische Regierung so- eben durch Dekret die Auslieferung des Kuhnert verfügt. Kuhnert wird jedenfalls in den nächsten Togen an der Grenze den deutschen Behörden ausgeliefert werden. Sie wollen keine Slahlhelmer. Der Pächter der U n i o n f e st- säle Greifswalder Straße 222 teilt uns mit, daß auch er die Aufnahm« von Stahlhelmleuten anläßlich des Stahlhelm- tagcs abgelehnt hat. Sin eigcaarllger Anfall trug sich gestern abend gegen 6 Uhr im Hause Fichte st raße 11 m Steglitz zu. Der 52Iährtge Sattler Gustav S ch., der mit Lederwaren hausierte, stürzte aus der Höhe des dritten Stockwerkes den Treppenschacht hinab, wo er schwerverletzt liegen blieb. Ein hinzugerufener Arzt konnte nur noch den infolge doppelten Schädel- b r u ch e s eingetretenen Tod feststellen. Nach den angestellten polizeilichen Ermittlungen handelt es sich um einen Unglücksfall. TNItlcldculscher Reichsbannertag in Rordhausen. Das mittel- deutsche Reichsbannertresfcn, an dem sich alle mitteldeutschen Gaue beteiligen, findet in diesem Jahre zu Pfingsten in der tausendjährigen Stadt Nordhausen am Harz statt. Man rechnet mit einem Ausmarsch von 1 2 000 bis 15 000 Reichsbannerkameraden. Eine Reih« von Führern im republikanischen Deutschland ist ein- geladen, mehrere davon haben bereits zugesagt. Verbunden mit dieser großen Kundgebung für die Republik ist die Enthüllung eines F r i e d r i ch- E b e r t- 2 e n k m a l s, die als Höhepunkt des Iubi- läumsjahres der alten Freien Reichsstadt gedacht ist. Nordhausen ist noch heute eine Hochburg des freien Gedankens, wie es das zu seinem Stolz schon ein halbes Jahrtausend lang war. Schon 1375 gaben sich Nordhauscns Bürger und Handwerker nach der Ver- lagung der potrizischen Geschlechter eine eigene demokratische Verfassung, die bis in das 19. Jahrhundert wenig verändert erhalten blieb.
Zur Mai-Kundgebung! StiltSZm AÄ»,